Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes ist zweifellos, wie hier schon ausgeführt wurde, ein Anfang gemacht, allerdings, glauben meine politischen Freunde und ich, kein besonders guter Anfang. Es gab einmal eine Zeit, als die Bundesregierung eine Verkehrskonzeption entwickelte, die sich in verschiedenen Gesetzentwürfen niederschlug. Es muß in die Erinnerung zurückgerufen werden — die Dinge müssen einmal geradegerückt werden —, daß dies nicht die Verkehrskonzeption des Herrn Bundesverkehrsministers ist, auf den sich der Zorn speziell der Interessenten, die heute in großer Zahl auftreten, entlädt, sondern daß es sich um eine Verkehrskonzeption der Bundesregierung schlechthin handelte. Wenn Herr Kollege Schmidt mit dem Verstande gesegnet wäre — ich bitte, mir das nicht zu verübeln —, den er hier dem Herrn Bundesverkehrsminister gewünscht hat, dann müßte er diesen Tatbestand auch entsprechend zu würdigen wissen.
Auf jeden Fall kann man der Bundesregierung wahrhaftigen Gotts keine schlechten Absichten unterstellen, wenn sie eine solche Konzeption vorlegt, die letzten Endes zum Ziel hat, daß auch der schwere Lastwagenverkehr auf der Straße anteilig die Kosten trägt, die er nun einmal verursacht. Es ist für jeden, dem zugemutet wird, mehr Steuern als bisher zu zahlen, ein mißlich Ding. Aber auch der Lastwagenverkehr muß nun einmal aus volkswirtschaftlichen und auch aus sozialen Gründen zu den Belastungen herangezogen werden, die durch ihn mit verursacht werden.
Heute stehen wir vor der Tatsache, daß der schwere Lastwagenverkehr praktisch von der gesamten übrigen Öffentlichkeit, angefangen bei den Fußgängern und weiter bis zu den Radfahrern, Motorradfahrern usw. subventioniert wird.
Herr Müller-Hermann hat vorhin geäußert, daß das Straßenentlastungsgesetz, das einen Teil der Verkehrskonzeption der Bundesregierung bildet, eine Gefahr in sich berge. Ich befürchte, wir werden weiter wie bisher erleben, daß die Ortsdurchfahrten verstopft sind, daß die Unfallziffer nicht gesenkt werden kann, daß die Erschütterungen an den Gebäuden in diesen engen Ortsdurchfahrten nicht geringer werden, daß damit volkswirtschaftliche Werte zerstört werden und, nicht zu vergessen — ich bin ja wohl nicht verdächtig, ein Mann der Bundesbahn zu sein; im Gegenteil, ich habe den Vorzug, völlig unabhängig von allen Verkehrsträgern dazustehen —, daß die Bundesbahn nicht so ausgelastet ist, wie es für uns alle wünschenswert wäre. Es kann nicht bestritten werden, daß die Bundesbahn praktisch uns allen gehört. Deswegen müssen wir alle ein Interesse daran haben, daß sie nicht alle Jahre ein so großes Defizit aufweist.
Es muß auch zu denken geben, daß beispielsweise die Länder und Gemeinden der Verkehrskonzeption der Bundesregierung uneingeschränkt ihr Ja gegeben haben. In diesem Licht erscheinen die Ausführungen, die speziell von den Lastwageninteressenten gemacht werden, etwas anders.
Im übrigen sind meine Freunde und ich der Auffassung, daß der Verkehr ein unteilbares Ganzes ist, daß also sowohl die Straße wie die Schiene wie die Binnenschiffahrt zusammengehören und daß es notwendig ist, die Interessen dieser drei Verkehrsträger entsprechend aufeinander abzustimmen, einen gesunden Wettbewerb herbeizuführen und einen ruinösen Wettbewerb, wie wir ihn zur Zeit haben, nicht länger zu dulden. Kein Mensch verlangt, daß beispielsweise Schiene und Straße eine Liebesehe eingehen. Aber zu einer Vernunftehe müßte es meines Erachtens reichen.
Die Mehrbelastung der Bundesbahn — es ist schon viel darüber gesprochen worden — im Vergleich zum Straßenverkehr resultiert bekanntlich daraus, daß sie ihre Verkehrswege selber erstellen und auch unterhalten muß, daß sie gemeinwirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen und nicht zuletzt politische Lasten zu tragen hat, die ihr abgenommen werden müssen. In diesem Sinne begrüße ich auch den Vorstoß des Kollegen Müller-Hermann; wir werden uns also schon bald darüber unterhalten, in welcher Form wir der Bundesbahn Erleichterungen schaffen können.
Es war das Ziel der Verkehrskonzeption der Bundesregierung, vernünftige Verhältnisse herbeizuführen. Im Streit der Meinungen aber wurde immer wieder das Wort von der sozialen bzw. freien Marktwirtschaft zitiert. Man befürchtete, die soziale Marktwirtschaft werde in Gefahr geraten, wenn diese Verkehrskonzeption der Bundesregierung verwirklicht werde. Meine Freunde und ich meinen, solange — und ich will hier keine billige Propaganda damit machen — jedes Jahr rund 12 000 Menschen den Verkehrstod finden und über 300 000 verletzt werden und unter Umständen für ihr Leben Krüppel bleiben, haben selbst die Erfordernisse der sogenannten sozialen Marktwirtschaft zurückzustehen und haben wir uns in erster Linie darauf zu konzentrieren, daß diese beklagenswerten Zustände abgestellt werden.
— Dazu gehört nun auch einmal, sehr verehrter Herr Kollege Müller-Hermann, daß die Straße von dem derzeitigen Verkehr stärker entlastet wird als bisher, wie ja überhaupt das letzte Ziel dieser Verkehrskonzeption der Bundesregierung eine Angleichung der Startbedingungen der verschiedenen Verkehrsträger, eine Aufteilung des Verkehrsaufkommens und nicht zuletzt auch eine gewisse Steuerung der Verkehrsdichte ist.
Es ist immer 'wieder behauptet worden, daß speziell der Bundesverkehrsminister in den vergangenen Jahren seine Meinung über diese Dinge wiederholt geändert und keine klare, stetige Linie verfolgt habe. Demgegenüber darf ich — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — auf eine Veröffentlichung hinweisen, in der der Herr Verkehrsminister u. a. folgendes ausgeführt hat:
Der Bundesminister für Verkehr hat in seiner Verkehrspolitik stets den Verkehr mit allen seinen Zweigen und allen seinen Einrichtungen als ein unteilbares Ganzes angesehen. Dem entspricht das verkehrspolitische Streben, alle Verkehrsträger gleichermaßen zu höchster Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Denn alle Verkehrsträger haben noch erhebliche technische und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten. Ihre technische Entwicklung ist nicht abgeschlossen. Ein weiteres Feld der Rationalisierung liegt in der Typisierung und Vereinfachung des Materials. Falsch wäre es, den Straßenverkehr und damit die weitere Motorisierung zu stoppen oder zu drosseln. Aber selbstverständlich muß den starken Vorbelastungen der Bundesbahn, ihrem großen Nachholbedarf, ihrer Belastung durch soziale Tarife, Ausnahmetarife und sonstige politische Anforderungen in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Daher ist die Verkehrspolitik bemüht, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und ausgleichend zu wirken.
Ich glaube, allein schon hieraus erhellt, daß seit Jahren eine klare und stetige Linie verfolgt wird, und nicht, wie Herr Kollege Schmidt hier zu sagen beliebte, daß das Verkehrsministerium keine klare Linie gehabt habe.
Ich erinnere außerdem an die Maßnahmen des 1. Deutschen Bundestages und der ersten Deutschen Bundesregierung, nämlich erstens die Kontingentierung im gewerblichen Güterfernverkehr auf der Straße mit dem Ziel der allmählichen Verminderung der Zahl der Konzessionen, eine Forderung, wie sie jetzt als völlig neu z. B. vom Bundesverband der Deutschen Industrie durch seinen i Verkehrsausschuß erhoben wird; sagte doch Herr Generaldirektor Friedrich in einem Vortrag, den er kürzlich in Bonn gehalten hat, ausdrücklich, daß eine Verminderung der Konzessionen für den gewerblichen Güterkraftverkehr angestrebt werden müsse, um die verkehrspolitische Wirkung des Verkehrsfinanzgesetzes zu ergänzen.
Weiter nenne ich das Verbot des zweiten Anhängers im Kraftwagenverkehr und die Begrenzung der Kraftwagenzuglänge auf 20 m, früher 22 m, in Sonderfällen 24 m. Das ist eine Maßnahme, die durchaus in den Rahmen 'der jetzt auch von Herrn Friedrich und seinem Ausschuß geforderten Herabsetzung der Fahrzeuggewichte und -längen hineinpaßt, ja ohne die eine solche Forderung heute gar nicht mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden könnte.
Dann darf ich noch als weitere Maßnahmen dieser Zeit erwähnen die Kontrollen der technischen Ausrüstung der Wagen und des Ladegewichts, die Errichtung der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr zur Kontrolle des gewerblichen Güterverkehrs und des Werkfernverkehrs, insbesondere zur Tarifkontrolle und zur Ausmerzung des unechten Werkverkehrs. Die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr hat auf diesem Gebiet zweifellos schon Erhebliches und Ersprießliches geleistet, wenn auch damit natürlich noch keineswegs die vom Bundesminister für Verkehr schon 1953 geforderte Ausschaltung 'des unechten Werkverkehrs und die von ihm immer wieder geforderte Begrenzung des Werkverkehrs erreicht wurden.
Dies wenigen Auszüge und Tatsachen beweisen, daß man sich in der Bundesregierung sehr wohl
Gedanken darüber gemacht hat, was in Zukunft zu tun sei, um geordnetere Verkehrsverhältnisse herbeizuführen, als wir sie zur Zeit haben.
Ich kann, glaube ich, auch mit Fug und Recht feststellen, daß man mit einem großen Teil der Gedanken, die von den speziellen Kritikern des Herrn Ministers Dr. Seebohm und der Bundesregierung schlechthin immer wieder vorgebracht werden, keineswegs sehr viel Neues zu bieten hat, es sei denn, daß man den Gedanken, ein Forum für Verkehrsteilnehmer ins Leben zu rufen, als einen besonders neuen und einzigartigen Gedanken betrachten möchte.
Meine Damen und Herren, der Generaldirektor Friedrich von den Phönixwerken in Harburg kann sich hier nicht verteidigen. Auf der anderen Seite kann ich es auch nicht unterlassen, hier einmal das Gebaren des sogenannten Forums der Verkehrsteilnehmer etwas unter die Lupe zu nehmen. Herr Generaldirektor Friedrich, der zu diesem sogenannten Forum der Verkehrsteilnehmer gehört, hat kürzlich in einem Vortrag in Bonn gesagt, daß die Maßnahmen und Absichten der Bundesregierung von mangelnder Kenntnis der Wirtschaftszusammenhänge und von mangelndem Rechtsgefühl gegenüber den Betroffenen diktiert seien. Ich finde, das ist eine unerhörte Behauptung; denn 'die Minister der Bundesregierung sind alle vereidigt und haben bekanntlich nach ihrem Eid unter anderem die Verpflichtung, die gesamte Bevölkerung, gleichviel wo sie steht und wer sie ist, gerecht zu behandeln. Wir können wohl ohne weiteres unterstellen, daß diesem Grundsatz in den Kabinettsbeschlüssen jeweils auch Rechnung getragen wird. Ich muß also eine solche Behauptung des Herrn Friedrich von dieser Stelle aus als völlig unbegründet, um mich vorsichtig auszudrücken, zurückweisen.
Ich muß aber noch folgendes ganz offen sagen. Dieses sogenannte Forum der Verkehrsteilnehmer ist praktisch der Zusammenschluß von sieben großen Reifenfabriken in Deutschland, die natürlich ein erhebliches Interesse daran haben, daß in keiner Weise eine Einengung des bisherigen Lastwagenverkehrs eintritt. Vielleicht resultiert es daraus, daß man hier stark geschäftliche Belange in den Vordergrund rückt und daß man der Öffentlichkeit weiszumachen versucht, es handle sich in der Tat um ein Anliegen der gesamten Öffentlichkeit.
Ich kann nur feststellen: Wenn Herr Friedrich und sein Forum der Verkehrsteilnehmer in den letzten zwei Jahren einige Millionen DM unversteuerter Gelder ausgegeben haben, um die Öffentlichkeit in einer oftmals so unsachlichen Weise zu beeinflussen und an der Nase herumzuführen, dann ist das in meinen Augen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht.
Kein Mensch würde es Herrn Friedrich und seinen Mitstreitern verübeln, wenn sie ihre versteuerten Gelder für solche Zwecke verwendeten. Keinesfalls kann es aber sinnvoll sein, daß unversteuerte Gelder zu einer Kampagne gegen die Regierung benutzt werden und damit praktisch die Bundesregierung selber den Kampf gegen sich selbst finanziert.
Vielleicht sind der Herr Bundesfinanzminister und sein Rechnungshof so liebenswürdig und überprüfen einmal diese Dinge entsprechend.
Außerdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es nicht zu verantworten, daß man in dieser Form, wie es durch das Forum der Verkehrsteilnehmer geschehen ist, die gesamte Öffentlichkeit beeinflußt, und ich muß sagen, daß mich die Engelsgeduld und die Langmut der übrigen Verkehrsteilnehmer, nämlich der Fußgänger, Radfahrer und sonstigen Leute, gewundert hat. Herr Friedrich mit seinen Männern würde sich sicher wundern, wenn einmal ein Mann aufstände und nun die gesamten übrigen Verkehrsteilnehmer — denn der Verkehr besteht nicht nur aus schweren Lastkraftwagen — auch in dieser Form 'aufwiegeln würde, wie es durch das Forum der Verkehrsteilnehmer geschehen ist.
Der bekannte „Friedrich-Plan", der den Intentionen der Bundesregierung zur Neuordnung des Verkehrs einen Auftrieb geben sollte, resultierte letzten Endes in dem famosen Vorschlag — Sie werden sich sicherlich noch erinnern —, der Allgemeinheit die Mehrkosten für den Straßenbau usw: usw. anzulasten. Dias ist ein Plan, mit dem wir uns unter gar keinen Umständen einverstanden erklären können; wir müssen selbstverständlich darauf bestehen — und ich glaube, daß hierüber auch keine Meinungsverschiedenheit im Hause herrscht
—, daß jeder Verkehrsteilnehmer den Anteil an Steuern zahlt, den er auf Grund der Abnutzung und Benutzung der öffentlichen Verkehrseinrichtungen eben zahlen muß.
— Doch, ich habe den Plan vielleicht besser verstanden als Sie, Herr Müller-Hermann. Ich möchte aber nicht sagen, warum.
Auf jeden Fall könnte ich mir vorstellen, daß die Millionen, die hier nutzlos vergeudet worden sind, vielleicht besser in Kriegsgefangenenpaketen oder für das Deutsche Rote Kreuz angelegt gewesen wären.
Es wird nun von den Gegnern auch der Vorlage, die wir heute zu beraten haben, darauf verwiesen — leider befinden sich unter den Betreffenden auch Minister im Kabinett, die sich vielleicht zu diesem Punkt von dieser Stelle aus noch äußern werden —, daß ,die Preissituation auf Grund der erhöhten Steuern ins Wanken geraten könnte. Nun, meine Damen und Herren, das 'Geschrei, das man von Interessentenseite in dieser Frage erhoben hat, steht im umgekehrten Verhältnis zu der Lautstärke, mit der man die Lohnerhöhungen 'der letzten Zeit, beispielsweise im Baugewerbe, quittiert hat, die in der Hauptsache dazu beitragen 'werden, daß unter Umständen die Wohnungsbaukosten schlechthin und auch die Mietpreise erhöht werden müssen. Ich kann jedenfalls auf Grund der Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums nur sagen, daß beispielsweise der Materialtransport für den Wohnungsbau sowieso nur in einem Umfang von etwa 4,4 % des Gesamtaufkommens im Werksfernverkehr erfolgt. Umgerechnet auf eine mittlere Entfernung von etwa 175 km würde das eine Mehr-
steuer von 26,40 DM ausmachen, das heißt bei einer heute üblichen Bausumme von rund 16 000 DM, daß eine Verteuerung von 0,166% eintreten würde. Es kann also gar nicht davon die Rede sein, daß durch das Verkehrsfinanzgesetz eine Erhöhung beispielsweise der Bau- und Mietenkosten erfolgen werde.
Darüber hinaus sind meine Freunde und ich der Auffassung, daß die vorgesehene Erhöhung des Dieselpreises durchaus in der Gewinnspanne des schweren Lastwagenverkehrs aufgefangen werden kann. 1950/51 und 1953 sind bereits solche Erhöhungen erfolgt, und es resultierten daraus keine Preiserhöhungen; andererseits ist inzwischen — ich glaube, es war vor zwei Jahren — auch eine Herabsetzung der Kosten erfolgt, ohne daß dabei eine Preisermäßigung für den Verbraucher herausgekommen ist. Auf die Beschlüsse des Finanzausschusses in der zweiten Lesung hin — selbstverständlich hatten wir davon gesprochen, wir erwarteten, die Mineralölwirtschaft werde die Erhöhung des Diesel- und Vergaserkraftstoffpreises in etwa selbst auffangen — erklärte die Mineralölwirtschaft gleich am folgenden Tage durch ihre Generaldirektoren, es sei völlig unmöglich, diese Preiserhöhungen auch nur in etwa aufzufangen. Meine Freunde und ich haben selbstverständlich keine andere Reaktion erwartet. Wir sind aber, wie Herr Kollege Schmidt vorhin ausgeführt hat, durchaus davon überzeugt, daß es bei den Dividenden, die bei diesen Gesellschaften verteilt werden, durchaus möglich sein wird, zumindest einen erheblichen Teil dieser erhöhten Abgaben im Abgabepreis aufzufangen.
Meine Damen und Herren, mit der Erhöhung des Preises für Vergaserkraftstoff und Dieselkraftstoff haben wir zwar einen notwendigen Weg beschritten; ich glaube aber, daß wir ihn nicht konsequent genug gegangen sind, weil, wie Ihnen bekannt ist, der Dieselkraftstoff bis heute immer noch eine erhebliche Steuervergünstigung gegenüber dem Vergaserkraftstoff genießt. Das resultiert bekanntlich daraus, daß Vergaserkraftstoff einstmals aus dem Ausland eingeführt und praktisch als Luxus betrachtet wurde. Diese Verhältnisse haben sich heute völlig verschoben — autarke Bestrebungen sind nicht mehr vorhanden — so daß es nunmehr gerade im Hinblick darauf, daß wir uns in absehbarer Zeit doch anschicken werden, die Kraftfahrzeugsteuer abzulösen und in die Mineralölsteuer hereinzunehmen, unausbleiblich sein wird, die jetzt nicht gelungene Angleichung der Steuer für Diesel-und Vergaserkraftstoff eines Tages zu verwirklichen. Es ist ungerechtfertigt, wenn der Fahrer, der Diesel benutzt, nicht nur eine größere Leistung insofern herausholt, als er für eine bestimmte Kilometerzahl weniger Kraftstoff braucht, sondern darüber hinaus nach der Vorlage auch eine steuerliche Vergünstigung von 6 Pf pro Liter einzustekken imstande ist.
— Lieber Herr Müller-Hermann, ja, ich hätte mir auch einen Diesel kaufen sollen; Sie haben recht.
Wir werden also dazu kommen müssen, wenn nicht heute, verehrter Kollege Körner, dann in einem halben Jahr, daß die nicht gewagte Angleichung von Diesel- und Vergaserkraftstoff Wirklichkeit wird.
In den Verhandlungen des Finanzausschusses und sicherlich auch bei den Mitgliedern des Verkehrsausschusses war klar, daß eine Anzahl von Ausnahmen bestehenbleiben müsse, die Sie auch im vorliegenden Gesetzentwurf finden. Man hat die Hochseeschiffahrt, die Hochseefischerei, die Landwirtschaft und diejenigen, die mit stationären Motoren arbeiten, von dieser Erhöhung ausgenommen. Aber eines der schwerstwiegenden Argumente ist eben, daß wir nicht nur die Steuervergünstigung des Dieselkraftstoffs gegenüber dem Benzin haben, sondern daß wir, da wir nicht konsequent genug waren — d. h. ich gehöre zum Verkehrsausschuß und nicht zum Finanzausschuß; ich bin im Finanzausschuß nur Gast gewesen —, praktisch das, wovon ich vorhin sprach, fortführen, daß wir nämlich den Verbraucher von Benzin weiterhin hohe Subventionen an den übrigen Kraftverkehr leisten lassen.
Die Investitionen im Verkehr sind auch in der Vergangenheit einer starken Kritik unterzogen gewesen, und es ist der Bundesregierung von den verschiedensten Seiten immer wieder vorgeworfen worden, daß sie in den verflossenen Jahren zuwenig getan habe, Investitionen im Verkehr vorzunehmen. Auch dem muß ich mit allem Nachdruck entgegentreten, und ich kann das mit gutem Gewissen nicht nur für den Herrn Bundesverkehrsminister, sondern für die Bundesregierung schlechthin, dürfen wir doch nicht vergessen, welchen gewaltigen technischen Fortschritt wir in den letzten Jahren nach dem Kriege zu verzeichnen haben. Dieser gewaltige technische Fortschritt mußte nicht nur in Deutschland, er mußte auch im übrigen Europa verkraftet werden, und das erfordert nun einmal außergewähnliche Anstrengungen. Ich will es mir versagen, hier auf einzelne Dinge einzugehen; aber ich möchte doch kurz darauf hinweisen, daß beispielsweise die Elektrifizierung der Bahn oder die Wiederherstellung der durch den Krieg zerstörten Anlagen oder die Rationalisierung der Bundesbahn die Kleinigkeit von etwa 8 Milliarden erfordern würde.
Wenn diejenigen Kritiker, die sich dagegen wenden, daß in den letzten Jahren speziell für den Straßenbau zuwenig getan worden sei, sich ohne weiteres der Forderung anschließen, daß man zwar den Verkehr nicht drosseln könne, daß aber dafür gesorgt sein müsse, daß der Umfang des Verkehrs dem jetzigen Straßenzustand angepaßt werden müsse, so möchte ich dazu sagen, daß wir dann jetzt schon erhebliche Investitionen zu machen haben würden, ganz abgesehen davon, daß im umgekehrten Falle, wenn wir die Straßen dem wachsenden Verkehr in den nächsten Jahren in ausreichendem Umfange angleichen wollten, wofür ein Bauvolumen von etwa 120 000 km für die Bundesfernstraßen allein erforderlich wäre, ein Betrag von 60 Milliarden DM benötigt werden würde, ein Betrag, der einfach nicht aufzubringen ist. Wenn man dann noch in Betracht zieht, welche gewaltigen Leistungen — das werden die Autobahnfahrer mir bestätigen — beispielsweise beim Wiederaufbau der verschiedenen Überführungen und Brücken über Flüsse und Autobahnen vollbracht worden sind, und wenn man letzten Endes bedenkt, daß von 1949 bis 1954 durch die Regierung insgesamt 121/2 Milliarden DM echte Investitionen im Verkehrssektor erfolgt sind, dann ist die Behauptung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, daß es sich nur um „Flickwerk" handele, wirklich nicht begründet.
Noch ein anderer Punkt. — Ich werde mir Mühe geben, sehr schnell die einzelnen Punkte zu beleuchten, da ich den Eindruck habe, daß hier heute durchaus nicht die Atmosphäre einer großen Verkehrsschlacht herrscht und da ja auch schon sehr viele Argumente vorgebracht worden sind. — Ich sagte schon, daß die Verkehrskonzeption der Regierung die bekannten drei großen Ziele hatte, nämlich die Startbedingungen ,der Verkehrsträger untereinander anzugleichen, das Verkehrsaufkommen aufzuteilen und die Straße zu entlasten. Auf der anderen Seite steht, gerade was das letzte betrifft, 'die Tatsache der ständig steigenden Verkehrsdichte, der wir eben praktisch nur mit dem Neubau von Straßen begegnen können, wobei wir, das möchte ich ausdrücklich unterstreichen, insbesondere auch an die Länder und Gemeinden denken müssen. Wir werden nachher Gelegenheit haben, im Rahmen einer Entschließung, die dem Plenum vorgelegt worden ist, noch einen entsprechenden Beschluß zu fassen. Jeder, der gezwungen ist, in seinem Wahlkreis herumzufahren — und sicherlich sind es viele von Ihnen —, wird bestätigen können, in welch desolatem Zustand sich meist die Gemeindestraßen, Ortsdurchfahrten oder selbst die Straßen erster oder zweiter Ordnung befinden. Wir kommen also nicht darum herum, hier für die Gemeinden und Länder etwas zu tun. Im übrigen glauben aber meine Freunde, daß der Schwerpunkt der Straßenentlastung, da wir vorerst nicht über die notwendigen Milliarden verfügen, auf die Autobahnen gelegt werden sollte, da sie selbst schon eine sehr wesentliche Straßenentlastung darstellen.
Die Unfallquote ist in der Verkehrsdiskussion in der Vergangenheit wiederholt sicherlich in propagandistischer Weise benutzt worden, und wir sollten uns davor hüten, das nachzuahmen, wenn es auch draußen dieser oder jener für notwendig erachtet hat. Immerhin kann man nicht darüber hinwegsehen, daß der volkswirtschaftliche Verlust an Toten, Verletzten, Sachschaden usw. in einem Jahre die Kleinigkeit von 3 Milliarden DM beträgt.
— Nein, ich habe nichts davon gesagt, daß nur die Lkws schuld sind, Herr Bock. Wenn Sie es genau wissen wollen: in der Hauptsache sind die Lkws und die Motorräder schuld. Das ist eine Tatsache, die nicht aus der Welt geschafft werden kann, und es ist vielleicht richtig, im Rahmen einer solchen Debatte allgemein den Appell an alle Verkehrsteilnehmer zu richten, etwas rücksichtsvoller zu sein, als es in Deutschland zur Zeit leider gang und gäbe ist.
Ich will hier nicht näher darauf eingehen, daß der Herr Bundesarbeitsminister dankenswerterweise schon einen Gesetzentwurf in seinem Hause vorbereitet, um auch einem anderen Übel im Kraftfahrtsektor zu begegnen: der übermäßigen Inanspruchnahme der Fernlastfahrer, für die es weder eine soziale Betreuung gibt noch eine Gesundheitsüberwachung noch Erholungsmöglichkeiten und ähnliches. Jedenfalls werden meine politischen Freunde von der Deutschen Partei einen solchen Gesetzentwurf wärmstens unterstützen. Er wird gleichermaßen dazu dienen, 'den Unternehmer wie auch den Arbeitnehmer bei der Arbeit in vernünftigen Grenzen zu halten. Eine solche Betreuung würde sicherlich auch mit dazu beitragen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu steigern; denn es liegt ja auf der Hand, daß übermüdete Lastfahrer, die solche Kolosse zu 'bewegen haben, viel leichter Anlaß zu Unfällen geben können als ausgeruhte Menschen.
Aber auch einen Appell an das Verkehrsgewerbe selbst möchte ich von dieser Stelle aus richten. Wir erhalten immer wieder Nachrichten, daß bei den ausgedehnten Verkehrskontrollen zahlreiche Überladungen festgestellt worden sind, ja ,daß oftmals sogar die Waren falsch deklariert sind. Solange das Gewerbe nicht in seinen eigenen Reihen selbst für Ordnung gesorgt hat, kann man von uns wirklich nicht mehr Entgegenkommen erwarten.
Ich sagte, daß die Art und Weise, in der die Diskussion über die Verkehrsprobleme in der jüngsten Vergangenheit noch geführt worden ist, nicht immer erfreulich war. Wie weit das geht, möchte ich Ihnen doch nicht vorenthalten, wenn es auch ein bedauerliches Faktum ist; aber es muß hier gesagt werden, um all denen, die glauben, mit den Zahlen, die hier zu nennen sind, leichtfertig umgehen zu können, ein wenig auf die Finger zu klopfen. So schrieb doch ein Motorjournalist in Stuttgart in der Zeitung „Das Motorrad" unter der Überschrift „Von Schustern und Medizinmännern" gegen „Sicherheitshysteriker des Bundesverkehrsministeriums", es seien müßige Schwätzer, die um die 12 000 jährlichen Unfalltoten herumheulen; die Zahl der Unfalltoten sei schließlich nicht größer als die Zahl der Selbstmörder. Ich glaube, daß hier der Zynismus auf die Spitze getrieben ist.
Man sollte solchen Herren immer sehr schnell beibringen, daß sie sich anders benehmen müssen.
Dieser selbe Herr fühlte sich dann weiter veranlaßt, unter Bezugnahme auf einen beim Verkehrsministerium bestehenden ärztlichen Beirat in der gleichen Zeitung am 12. Februar dieses Jahres zu schreiben — es erscheint einem fast unglaublich, wenn man es liest —:
Wer vor ein paar tausend Jahren nicht auf dem Kien war, wurde zwar von keinem Automobil überfahren, er wurde aber von Höhlenlöwen gefressen. Seit es keine Höhlenlöwen mehr gibt, bleibt natürlich eine Schicht von Menschen erhalten, deren geistige Fähigkeiten nicht ausreichen, sich gegen die Umweltgefahren zu behaupten. Die Nachfahren dieser Leute sind heute als Verkehrsopfer dankbare Objekte für statistikmachende ehrgeizige — —
Und so weiter!
Das 'biologische Problem, mit dem wir uns heute auseinandersetzen müssen, ist nun die Tatsache, daß wir zum Schnellarbeiten eben auch dichteren Verkehr haben müssen. Wer sich dem nicht anzupassen vermag, wird biologisch genau so ausgesiebt, wie seit ein paar Millionen Jahren unzulängliche Exemplare schon immer untergewalzt wurden.
Fürwahr eine sehr reizende Weise, sich an der Verkehrsdiskussion zu beteiligen. Ich werde dabei manchmal an das tatsächliche Verhalten gewisser Motorradfahrer erinnert, die ich gar nicht alle schlechtmachen und in einen Topf werfen will;
aber Sie wissen selbst, daß man gerade mit diesen oft seine liebe Last hat.
Ich möchte mich darauf beschränken, diese grundsätzlichen Dinge zu sagen, und zu den Einzelheiten des Gesetzes nur noch folgendes ausführen. Meine politischen Freunde und ich bedauern es aufs tiefste, daß der Nahverkehr nicht in die steuerliche Belastung mit einbezogen worden ist. Damit ist nämlich eines der Grundprinzipien durchlöchert, die Angleichung der Startbedingungen für die Straße und die Schiene. Meine Freunde bedauern es außerdem, daß man hinsichtlich der Anhängersteuer jene Vorzugsregelung getroffen hat, wie sie von der CSU speziell vorgeschlagen wurde — den 25%igen Abschlag auf zwei Jahre —, und meine Freunde und ich bedauern es insonderheit, weil es auch eine Durchlöcherung der ursprünglichen Regierungskonzeption zur Neuordnung des Verkehrswesens ist, daß man sich nicht entschließen konnte, den Werkfernverkehr in einer Weise zu belasten, die sicherstellt, daß einmal der unechte Werkfernverkehr ausgeschieden wird und zum andern ein Teil des Werkfernverkehrs auf den Güterfernverkehr übergeht, der damit wieder die Möglichkeit gehabt hätte, zahlreiche mittelständische Existenzen zu sichern.
Es wurde schon zum Ausdruck gebracht, daß es sich nur darum handeln könne, ein Provisorium zu schaffen, um erst einmal einen Start in diesen Dingen zu haben.
Es bleibt mir also nur noch festzustellen, daß zwar eine sehr fleißige Arbeit in den zuständigen Aasschüssen geleistet worden ist, insbesondere auch van Ihnen, Herr Müller-Hermann — und die Kraftverkehrswirtschaft wird ihre besondere Freude an Ihnen gehabt haben —,
daß es aber auf der anderen Seite zweifelhaft erscheint, ob wir, da wir nicht konsequent geblieben sind, den Effekt erzielen werden, den wir uns alle versprochen haben.
Ich bin mir durchaus im klaren, daß es zumindest optisch nicht sehr schön wirkt, wenn wir ein Verkehrsfinanzgesetz beschließen, aus dem etwa 410 Millionen DM fließen sollen, von denen dann 150 Millionen DM 'der Bundesbahn gegeben werden sollen. Ich muß andererseits sagen, daß ich diese 150 Millionen DM der Bundesbahn weit weniger ungern gegeben hätte, wenn man in den übrigen Punkten den Vorschlägen der Bundesregierung gefolgt wäre, so daß man diese 150 Millionen DM mit besserem Gewissen an die Bundesbahn hätte abzweigen können.
— Lieber Müller-Hermann, ich gebe ja zu, es ist mißlich, daß der Straßenverkehr dieses Aufkommen praktisch für die Schiene hergeben soll. Auf der anderen Seite ist es unumgänglich, da dadurch wenigstens in etwa eine Angleichung der Startbedingungen erfolgen kann.
Meine Freunde und ich sind, um es abschließend zu sagen, von dem vorliegenden Gesetz nicht
sehr befriedigt, und vielleicht werden wir eines Tages noch feststellen, daß es besser gewesen wäre, im Moment die Unpopularität auf uns zu nehmen, dafür aber ein besseres Gesetz zu schaffen als das, was uns jetzt vorliegt.
— Lieber Herr Kollege Bock, wieso habe ich Treu und Glauben widersprochen?
— Davon sind wir nicht überzeugt. Ich kann nur wiederholen, daß jeder, ganz gleich, ob er Fußgänger, Motorrad-, Pkw- oder Lastwagenfahrer ist, das an Steuern zu bezahlen hat, was jeder andere Staatsbürger auch zu bezahlen hat.
Diese Gleichheit ist wieder nicht hergestellt. Wir können das der Öffentlichkeit gar nicht genug eintrichtern, und wir können ihr vor allen Dingen nicht oft genug sagen, daß alle diejenigen, die heute mit einem Motorrad oder Personenkraftwagen spazierenfahren oder ihre Geschäftsfahrten machen, auch in der nächsten Zeit immer noch den Lastwagenverkehr subventionieren. Das ist ein Prinzip, das wir nicht gutheißen können. Wenn wir also die wirkliche Gerechtigkeit herstellen wollen, dann müssen wir bemüht sein, das vorliegende Gesetz weiter zu verbessern. Wir sind uns darüber klar, daß sowohl die Bundesregierung als auch der Bundestag insoweit noch vor einer schweren Aufgabe stehen.