Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Herren Vorrednern, die ich gehört habe, hat mich am meisten überzeugt der Herr Kollege Dresbach.
Er hat nach meiner Überzeugung das ausgesprochen, was ausgesprochen werden mußte, nämlich: Wenn ich ein Beispiel haben will, wie Gesetze nicht gemacht werden dürfen, dann sind diese Ausnahmeanträge in ihrer Summe ein klassisches Beispiel dafür.
— Meine Herren, entschuldigen Sie! Ich hätte fast einen boshaften Wunsch. Wenn ich an Seelenwanderung glauben würde, dann würde ich wünschen, daß alle diejenigen, die diese Ausnahmeanträge stellen, im nächsten Leben in einem Finanzamt Sachbearbeiter für Beförderungssteuer werden und die Anträge zu vollziehen haben.
Aber nun, meine Herren, etwas zur Sache. Ich habe gerade jetzt immer gehört: Man muß „Gebieten" helfen, indem man dem Werkfernverkehr eine steuerliche Entlastung gibt. Lassen Sie mich einmal offen etwas aussprechen: Es gibt einen großen Teil des Werkfernverkehrs, der überhaupt nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen, sondern rein aus steuerwirtschaftlichen Gründen entstanden ist.
Rechnen Sie doch die Dinge nur nach! Ein großer Betrieb schafft sich aus den Gewinnen, die er hat, einen Lastkraftwagenpark an. Er weiß genau, daß dieser Lastkraftwagenpark Verluste bringt, daß man mit der Eisenbahn das Geschäft vielleicht besser machen würde. Aber er will Verluste haben, weil er mit den Verlusten die Gewinne aus seinem übrigen Betrieb, die ihm zu groß werden, ermäßigen und damit seine Steuer ermäßigen kann.
Meine Herren, solche Fälle gibt es! Gerade deshalb habe ich früher einmal daran gedacht, ob
es nicht möglich wäre, steuerrechtlich zu erreichen, daß alle diese Werkfernverkehrsunternehmen, die doch eigentlich Unternehmen sind,
als eigene juristische Person aufgezogen und damit steuerlich eigens, getrennt von den übrigen
Betrieben, zur Veranlagung herangezogen werden.
Ich glaube, das wäre ein Weg, wenn er rechtlich durchführbar wäre
— ich habe den rechtlichen Weg nicht gefunden —, um den Mißwuchs, der auf diesem Gebiet entstanden ist, abzudämmen. Und, meine Damen und Herren, um den Mißwuchs geht es.
Wenn ich jetzt das erste Beispiel nehme und über die Anträge auf Ausnahmen für bestimmte Gebiete rede, — meine Damen und Herren, wenn ich mir jetzt eine deutsche Landkarte vorstelle und wenn ich auf diese deutsche Landkarte alle die Gebiete einzeichne, für die Ausnahmen beantragt sind, dann frage ich zunächst: Was bleibt dann von Westdeutschland eigentlich übrig?
— Nun, ich habe noch auf solche gewartet. Da von Notstandsgebieten die Rede ist: ich habe als Schulkind z. B. gelernt, daß der Jura ein ausgesprochenes Notstandsgebiet ist, daß die Rhön ein ausgesprochenes Notstandsgebiet ist, daß Spessart und Eifel ausgesprochene Notstandsgebiete sind.
Wir wissen alle, daß der liebe Gott diesen Gebieten härtere Böden gegeben hat als anderen, besseren Gebieten. Und jetzt möchte ich fragen: Können mir die Antragsteller überhaupt sagen, ob es in unserer Gesetzgebung den Begriff „anerkannte Notstandsgebiete" gibt? Es gibt ja diesen Begriff gar nicht. Es gibt den Begriff „Zonenrandgebiet", und es gibt den Begriff „Frachthilfegebiet", aber die übrigen Begriffe gibt es gar nicht. Gesetze, Anträge, die mit Begriffen arbeiten, die in der Gesetzgebung noch gar nicht existieren, sind an sich unvollziehbar.
Und nun darf ich doch einmal offen sagen: Was hat das an sich mit dem Gebiet zu tun? Die Besteuerung des Werkfernverkehrs ist ein Vorteil oder ein Nachteil — je nachdem — eines einzelnen Betriebs. Ich kann mir ein Notstandsgebiet vorstellen, in dem ein sehr gewinnbringendes Unternehmen mit einem recht großen Werkfernverkehr vorhanden ist. Ich möchte es fast als Regel aufstellen: Je größer der Werkfernverkehr eines Betriebes ist, um so gewinnbringender wird vermutlich das Unternehmen sein.
— Helfe ich also dem „Gebiet", helfe ich etwa
dem „Mittelstand"? Meine Überzeugung ist eine
gegenteilige: Ich will Mittelstandspolitik in dem
Sinne treiben, daß diese Transporte auf den gewerblichen Fernverkehr übergehen. Ich würde es als Mittelstandspolitik werten, daß, sagen wir, z. B. die große Brauerei nicht steuerliche Begünstigung für Betriebsarten erhält, die sich die kleine Brauerei einfach nicht leisten kann.
Die Mittelstandspolitik besteht doch nicht darin, daß ich diejenigen bevorzuge, die ein großes Unternehmen haben und sich mit dem Großunternehmen besondere Betriebsarten leisten können. Das hat doch mit Mittelstandspolitik gar nichts zu tun.
Deshalb habe ich schon im Ausschuß überhaupt Bedenken gegen gebietliche Ausnahmen geäußert. Wenn aber jetzt noch jeder meint, er würde in seiner Heimat einen Vorwurf erhalten, wenn er nicht auf die spezielle Notlage seines Heimatbezirks hingewiesen und infolgedessen hier einen Antrag gestellt hätte, dann muß ich sagen: dann wird das ganze Gesetz unvollziehbar, und es bleibt wirklich nur ein Restdeutschland von dem Westdeutschland für die normale Gesetzgebung übrig. Ich bitte also, alle die Anträge, auch soweit sie sich auf Schleswig-Holstein beziehen — ich habe ein Herz für Schleswig-Holstein —, abzulehnen. Es läßt sich ja gar nicht abgrenzen. Das östliche Schleswig-Holstein ist ohnehin begünstigt, weil es Zonenrandgebiet bzw. Frachthilferaum ist. Das westliche mag vielleicht deswegen mit etwas Neid auf das östliche sehen. Aber das ist kein Grund für den Gesetzgeber, zumal das westliche Schleswig-Holstein meiner Unterrichtung nach ausgezeichnete Bahnverbindungen hat. Außerdem würde sich dadurch der Zustand ergeben, daß ich praktisch damit ein ganzes Land von einer besonderen Steuer ausnehme. Warum die „Küste" deswegen, weil sie Küste ist, einen Anspruch darauf haben soll, hier Ausnahmen zu erhalten, ist mir überhaupt nicht recht verständlich und scheint mir der inneren Logik zu entbehren. Infolgedessen würde ich bitten, unter keinen Umständen über das, was der Ausschuß hinsichtlich der gebietlichen Bevorzugung beschlossen hat, hinauszugehen und alle diese Anträge abzulehnen.
Was nun die sachlich en Ausnahmen betrifft, so muten Sie der Verwaltung etwas völlig Unmögliches zu, wenn Sie verlangen, daß sie nachprüft und überwacht, ob die Transporte sich auf die und die Artikel bezogen haben. Dann müßten Sie mindestens anordnen, wie es im Antrag Umdruck 330 vorgesehen ist, daß nur in den Fällen eine Steuerbegünstigung in Frage kommt, in denen der Transport sich ausschließlich auf eine begünstigte Ware erstreckt. Sonst ist jede Überwachung praktisch unmöglich.
Es wäre überhaupt von Anfang an richtig gewesen, wenn man eine Begünstigung will, sie auf die Fälle zu beschränken, in denen irgendeine Ware in Spezialfahrzeugen befördert wird und befördert werden muß,
wie es z. B. bei Milch usw. der Fall ist. Das hätte einen inneren Sinn. Aber all das andere geht über das Vernünftige, Zweckmäßige weit hinaus und erschwert der Verwaltung die Arbeit so, daß sie praktisch undurchführbar ist. Meine Damen und Herren, wenn wir Gesetze machen, die wegen ihrer Ausnahmen zum Mißbrauch und zum Betrug
förmlich aufreizen, haben wir, auch was die
Steuermoral betrifft, keine gute Arbeit geleistet.
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Ich würde deshalb dringend bitten, diese Ausnahmen möglichst einzuschränken und sich etwa im Rahmen dessen zu halten, was der Ausschußbeschluß vorschlägt; vielleicht mit dem Antrag Umdruck 330, der in gewissem Sinne eine Verbesserung des Ausschußbeschlusses darstellt. Aber ich darf einen Vorbehalt für die dritte Lesung machen. Wir haben auch in diesen Anträgen immer den Begriff „inländisches" Obst und „inländische" Erzeugnisse. Sie wissen, daß die ganzen Verhandlungen, die heute auf handelspolitischem Gebiet sowohl in den europäischen Ländern wie weit darüber hinaus im Weltrahmen stattfinden, grundsätzlich immer davon ausgehen, daß alle Diskriminierungen zwischen inländischer und ausländischer Ware auf steuerlichem und auf sonstigem Gebiet vermieden werden sollen.
Es wäre hier kein Verstoß gegen die Gesetzgebung, weil eine ausdrückliche Vorschrift nicht besteht; aber dem Geist des internationalen Verkehrs entspricht es nicht, in der Steuer zwischen inländischer und ausländischer Ware zu unterscheiden. Ich bin mir ganz genau bewußt, daß, wenn ich das betone, das Interesse an der Steuerbegünstigung, sagen wir einmal, nicht mehr so stark sein wird, weil man ja auf diesen Gebieten die Einfuhr und Durchfuhr ausländischer Waren nicht gefördert sehen will. Aber ich muß auf die Schwierigkeit hinweisen und würde deshalb bitten, wenn man sich heute für die Fassung des Ausschusses und des Antrags Umdruck 330 entschließt, sich zwischen zweiter und dritter Lesung noch einmal zu überlegen, ob das Wort „inländisch" bleiben kann oder ob wir einen anderen Begriff dafür finden müssen.
Also, meine Damen und Herren, ich wäre sehr erfreut, wenn die Ausnahmen wirklich eine Ausnahme, d. h. zahlenmäßig klein, bleiben und nicht über den Rahmen der Ausschußfassung hinausgehen würden.