„Ich bedauere", so haben Sie meinem Freunde Becker erklärt, „diese außerordentlich unglückliche Rede des Abgeordneten Becker, diese Rede, die wenig vorbereitet ist, zu der er sich hat hinreißen lassen; sie hat Deutschland außerordentlich geschadet."
Es schadet also, wenn ein Abgeordneter aus ehrlichem Bewußtsein im Bundeshaus sagt, was er für richtig hält?!
So mache ich in diesem Staate Politik weiterhin nicht mit, meine Damen und Herren!
Ich sage vor der Öffentlichkeit und vor dem deutschen Volke meinem Freunde Becker: „Herr Bekker, Sie haben durch diese Rede dem Rechte, der
Gerechtigkeit und der deutschen Sache gedient und sich um Deutschland verdient gemacht."
Um das, was Herr Becker für das deutsche Volk getan hat und will, darum geht es, und das lasse ich nicht in dieser Form verunglimpfen.
Das können Sie mir nicht vorwerfen, daß ich einem Konflikt ausweiche.
Ich muß keine Politik machen. Solange ich es getan habe, habe ich mich gegen alles gewandt, was nach meiner Überzeugung dem deutschen Volke und der deutschen Demokratie Gefahr gebracht hat.
Der Herr Bundeskanzler hat dann zu Herrn Becker ungefähr gesagt: „Mit solchen nationalistischen Reden, wie Sie sie geführt haben, verhindern Sie eine schiedliche Regelung." Herr Bundeskanzler, das ist eine ernste Frage, eine Frage, die auch über diesen Anlaß weit hinausführt. Sie sagen, das, was mein Freund Becker vertreten hat, sei nationalistisch, und entwerten es damit und geben ihm damit einen Hautgout, etwas Verächtliches. Mein Freund Mende hat schon gestern zu Recht
das Wort von Röpke zitiert, der da sagt, der Vorwurf „Nationalismus" sei immer der Knüppel, mit dem die anderen draußen auf uns Deutsche einschlügen. Meine Damen und Herren, M. Chauvin war kein Deutscher, und der Vorwurf des deutschen Nationalismus ist mit viel Vorsicht zu werten.
Ich glaube, wer ein gesundes Empfinden hat, nimmt für Deutschland nicht mehr Rechte in Anspruch, als die Menschen jeden anderen Landes für sich fordern. Es gibt kein Volk in der Welt, das nicht den Anspruch erhebt, daß die Menschen einer Abstammung, einer Sprache, einer Kultur, einer Geschichte in ihrem Staate vereint sind. Ich glaube, Sie brauchen die Weltkarte nur zu überblicken; dann wissen Sie, daß dieses Gesetz anerkannt ist, nicht ein überwundenes Gesetz des 19. Jahrhunderts ist, sondern jetzt und hier genau so gilt wie von eh und je für die Spanier, für die Portugiesen, für die Italiener, für die Franzosen und für die Engländer. Für uns soll es nicht gelten, und wenn man den Anspruch erhebt, dann soll man ein Nationalist sein, und das ist ein Vorwurf, der einem im Deutschen Bundestag gemacht wird.
Wenn man sich dagegen wendet, daß dieser Prozeß des Abbröckeln Deutschlands bei der Gefahr, die uns droht im Westen und im Osten, sich fortsetzt, daß weiteres deutsches Gebiet und deutsche Menschen verlorengehen, dann soll das Nationalismus sein?
Aber dieser Vorwurf wird ja nicht vereinzelt erhoben. Sie brauchen nur einmal die Weltzeitungen aufzuschlagen. Da ist jetzt so der Eindruck entstanden: Dieses ganze deutsche Volk besteht aus wilden Nationalisten, besteht aus Menschen, die bereit sind, sich zum —
Ach, lesen Sie die „Weltwoche", lesen Sie die „Neue Zürcher", lesen Sie die „Basler Nationalzeitung", lesen Sie „Le Monde"! Dann wird Ihnen das bewußt, und in diesem Zusammenhang erhält das Wort des Herrn Bundeskanzlers erst seine volle Bedeutung, meine Damen und Herren.
Es ist schon so weit gekommen — und der Herr Bundeskanzler hat sich gelegentlich auch mit Stolz darauf berufen —, daß man in der Welt, besonders in Amerika, von Frankreich spricht, ohne des jeweiligen Ministerpräsidenten zu gedenken, und daß man von dem Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer spricht und nicht von der Bundesrepublik und von Deutschland! Und die Stimmung ist hochgekommen: Diesem deutschen Volke ist nicht zu trauen; der einzige Paladin der Demokratie in diesem Volke ist Dr. Konrad Adenauer;
was nach ihm kommt, ist ein Haufen unbeherrschter Nationalisten.
Dazu haben manche Kamingespräche beigetragen, wo man gesagt hat: Wenn nicht EVG, wenn nicht diese Sicherung gegen den deutschen Militarismus kommt, wenn es eine deutsche nationale Armee gibt, dann „arme Welt", dann wiederholt sich das Unglück früherer Zeiten!
In diesem Zusammenhang empfinde ich das, was meinem Freund Becker gesagt worden ist, besonders schmerzlich, für Becker und für mich. Wir sind Männer — und in meiner Partei gibt es viele, und in allen Parteien gibt es viele —, die, glaube ich, in allen Zeiten ihren Mann gestanden haben, die in der Weimarer Zeit versucht haben, eine gesunde Demokratie aufzubauen, die sich mit der Kraft, die ihnen gegeben war, gegen das Unheil des Nationalsozialismus gewandt haben und die nach 1945 ehrlich versucht haben, in dem gegebenen Raum einen deutschen Staat zu schaffen. Die sollen sich jetzt als Nationalisten im Sinne der Welt, als unzuverlässige Menschen hinstellen lassen?'
So geht es nicht!
- Nun, daß es Ihnen nicht gefällt und Sie meinen, daß man darüber zur Tagesordnung übergehen kann, daß man darüber schweigen kann, daß eine solche Rede die Grundlage für die gemeinsame Arbeit sein kann, daß der Herr Bundeskanzler — — Ich habe gelauert heute früh,
ich habe gedacht: Jetzt kommt das erlösende Wort! Ach, wenn er ein, zwei Sätze gesagt hätte, wenn er gesagt hätte: Herr Kollege Becker, bitte, — — Das Wort steht ihm doch zu Gebote! Daß er nichts gesagt hat, daß er diese Verdammung hier im Raume stehen ließ, wie hat mich das menschlich
j enttäuscht! Wie belastet das die politische Atmosphäre für die Arbeit, der wir uns alle verpflichtet haben!
Ich will Ihnen nicht sagen, was in der Presse steht, und welche Gefahr in diesem Versuch, andere als Nationalisten zu entwerten, steckt, statt das deutsche Volk an sich zu ziehen und dem deutschen Volk zu sagen: Das deutsche Volk ist anders geworden, der Nationalsozialismus ist überwunden; das sind Menschen, die das Beste wollen! Hier die Saarfrage zum Anlaß zu nehmen, um in dieser Form einen bewährten Mann zu entwerten — —
— Ach, Herr Stücklen, was hierher gehört, weiß
ich besser als Sie, das sage ich Ihnen wahrlich!
Da nehme ich mein Lebenswerk für mich in Anspruch, um das hier zu sagen!
Aber gehen wir weiter zur Sache. Der Bundeskanzler hat dem Herrn Becker vorgeworfen: „Ja, wenn Sie nur einen Plan gehabt hätten! Aber Sie können doch gar nicht sagen, was geschehen soll. Das ist ja ganz verantwortungslos!" Nun, Sie kennen den Plan, den wir gehabt haben. Der Herr Bundeskanzler hat ihn mit leichter Hand und leicht ironisch entwertet; wir hätten den Franzosen ungefähr gesagt: „Ihr habt ja nichts im Portemonnaie! Nun bitte, wir wollen das Portemonnaie füllen; dafür gebt ihr die Saar frei!" Er habe dann mit M. François-Poncet, der die Vorverhandlungen für die Pariser Konferenz geführt habe, gesprochen, und der habe das abgelehnt.
Ich weiß nicht, was meine beiden Kollegen im Kabinett, Herr Blücher und Herr Preusker, die an der Ausarbeitung wesentlich beteiligt waren, dem Herrn Bundeskanzler dazu gesagt haben. Ich will es mir auch versagen, das Exposé, das vorliegt, vorzulesen. Hier geht es aber um die historische Wahrheit, und da wollen wir unerbittlich sagen, wie die Dinge liegen. Es geht ja um Hunderttausende von Menschen. Da gibt es keine Sentimentalität, sondern die verdammte Pflicht und Schuldigkeit zur Wahrheit.
Der Sachverhalt war folgendermaßen. Am Montag, dem 18. Oktober, waren meine vier Kollegen im Kabinett, Euler und ich beim Herrn Bundeskanzler. Meine Damen und Herren, wir waren gequält von der Saarfrage und hatten uns vorher im Fraktionsvorstand und in der Fraktion bemüht, eine Lösung zu finden. Wir haben den Herrn Bundeskanzler gefragt: „Herr Bundeskanzler, was soll denn nun mit der Saar geschehen? Wir können doch nicht dem, was vorher geplant war — vanNaters-Plan, Teitgen-Plan in der Abwandlung — zustimmen?"
Da hat uns der Herr Bundeskanzler, wohl, wie ich gehört habe, in Übereinstimmung mit dem, was vorher irgendwo in den Ausschüssen gesagt war — hoffentlich verletze ich damit keine Pflicht zur
Diskretion; das Leben ist so schwer! —, gesagt: „Ich mache mir keine Vorstellungen; ich lasse die Sache auf mich zukommen."
Das war an dem Montag der Woche, an deren Ende der Abschluß der Pariser Verträge liegen sollte mit der anschließenden Fahrt des Herrn Bundeskanzlers nach Amerika! Meine Damen und Herren, wir waren zutiefst betroffen, weil wir schon das Gefühl hatten: Hier ist doch Gefahr, hier werden die Dinge doch nicht richtig behandelt, hier muß doch etwas schiefgehen!
Wir haben gesagt: Herr Bundeskanzler, wir haben uns Gedanken gemacht — ich glaube, ich habe es Ihnen schon mal dargelegt —: Warum hat Frankreich 1945, 1947 die Saar überlassen bekommen? Doch zur Reparation, zur Ausbeutung, weil Deutschland damals am Boden lag und zu Leistungen nicht in der Lage war! Darum geht es doch: Frankreich wollte als Siegerstaat für seine Verluste Entschädigung haben.
Wir haben gesagt: Frankreich hat Anspruch auf Entschädigung. Überlegen wir uns, wie wir diese Reparationshypothek, die auf der Saar liegt, ablösen können! — Das waren unsere Erwägungen. — Was können wir Frankreich bieten?
Wir haben ein langes Exposé gemacht. Wir haben nicht vom leeren Portemonnaie gesprochen, wahrlich nicht! Wie kann man die Dinge wieder so zu entwerten versuchen! Wir haben gesagt: Frankreich hat bestimmte wirtschaftliche Sorgen, z. B. Stabilisierung der Währung und das Ziel, die Konvertierbarkeit des französischen Franc zu erreichen. Wir haben auf jeden Fall durch unsere Überschüsse in der Europäischen Zahlungsunion jetzt und auch für die Zukunft die Möglichkeit, zu helfen, sie als Kredite zur Verfügung zu stellen. Wir können in der Form der Handelsverträge — Abnahme von Weizen, Abnahme von Wein — entgegenkommen. Wir haben noch die Frage der Moselkanalisierung aufgeworfen.
Also, das liegt doch alles vor! Das sind doch nicht leichtfertige Vorschläge gewesen! Gut, es war nichts Abgerundetes, aber es war doch ein Vorschlag, über den man verhandeln konnte!
Es war so, daß der Herr Bundeskanzler am Dienstag, dem 9. Oktober, glaube ich, früh um 5 Uhr wegfuhr und daß Blücher noch zum Zuge ging, um ihm das in der Nacht ausgearbeitete Exposé zu überreichen. Der Herr Bundeskanzler sagt, er habe bei den Vorverhandlungen mit François-Poncet darüber gesprochen.
Als ich mit meinen Kollegen aus den Fraktionen nach Paris kam, war meine erste Frage: „Herr Bundeskanzler, was meinen Sie denn? Ist das ein Weg?" Seine Antwort: „Wir haben es uns noch einmal überlegt. Wir, das geschlagene Deutschland, können doch Frankreich, das immer noch ein reiches Land ist, nicht wirtschaftliche Hilfe anbieten!"
Also ernstlich hat man die Frage nicht erwogen. Wenn Herr François-Poncet der Meinung ist, dieses Projekt habe überhaupt keine Aussicht, - meine Erkundungen sind anders! Als ich in Paris war, habe ich mit vielen Menschen gesprochen. Ich habe mit einem radikalsozialistischen Abgeordneten, der zum Flügel René Mayer gehört, gesprochen; der hat mir gesagt: „Doch, das ist die Lösung!"
— Ich kann ja nur referieren. Ich weiß nicht, warum Sie lachen. Er hat es mir gesagt. Vielleicht versteht er nichts; ich weiß es nicht. Er hat es mir
gesagt. Er macht einen ausgezeichneten Eindruck. Ein Mann, der Beziehungen hat. Er hat mir gesagt: „Wenn man das Saarabkommen in eine Reihe von wirtschaftlichen Vereinbarungen zwischen Deutschland und Frankreich einkleiden kann, wird das Problem für die Nationalversammlung tolerierbar." Das war seine Meinung. Und es ging doch nur um die Meinung der französischen Nationalversammlung. Meine Damen und Herren, es ist doch nicht so, daß das französische Volk die Saar will! Kein Wort davon ist wahr.
Das französische Volk will nicht die Saar! Ach, und wie viele haben mir gesagt, — —
— Als ob es in der französischen Demokratie auf das französische Volk ankäme! Wie viele haben mir gesagt, entscheidende Politiker haben auch erklärt: „Gott, wir wissen doch, die Saar ist verloren."
Ja, schöne Deklamationen; und die Wirklichkeit sieht anders aus, und das Gegenteil geschieht, Herr Rinke! Das ist doch das Bittere. Ich sage: es ist von einer Möglichkeit in Wirklichkeit kein Gebrauch gemacht worden. Die Wendung vom „leeren Portemonnaie" ist wirklich nicht die richtige Darstellung dessen, was uns bewegt hat.
— Das habe ich nicht verstanden.
— Ich sage Ihnen ja das Gegenteil! Ich weiß nicht, mit wem S i e gesprochen haben; ich habe keine Beziehungen zu den MRP-Leuten. Die Leute, deren Mitglied immerhin damals der französische Ministerpräsident war, haben gesagt: „Jawohl, richtig gemacht, ist das eine Chance." Ich kann Ihnen nur berichten; ich maße mir kein endgültiges Judizium an.
Aber wie werden die Dinge jetzt langsam entstellt! Da wird behauptet, der Verzicht auf die Saar sei eben der Preis für die Pariser Verträge; es sei eben nichts umsonst zu haben. Meine Damen und Herren, auf solche Argumentationen kommt man — ich habe es Ihnen schon gesagt —: Angeblich schließt man die Westeuropäische Union und diese ganzen großen Pakte, um Sicherheit für Europa, für unser Land zu schaffen; und dann müssen wir den Preis der Saar dafür bezahlen, obwohl doch die Sicherheit Frankreichs nicht minder bedroht ist als die unsere.
Natürlich haben wir den Krieg verloren, natürlich sind wir bereit, die Konsequenzen zu ziehen.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte mal den verantwortlichen Staatsmann sehen, ich möchte einmal d e n führenden Mann aus den Vereinigten Staaten oder von Großbritannien sprechen, dem nicht die Röte ins Gesicht stiege, wenn man sagen würde, man solle Reparationen leisten, man solle die Folgen eines verlorenen Krieges ziehen nach der Methode des 17. oder 18. Jahrhunderts, man
solle auf diese Weise die Grundlage für ein besseres Europa, für eine echte Gemeinschaft der europäischen Völker schaffen!
Nun sagt natürlich der Herr Stücklen, der große politische Stratege:
„Realpolitik!" Natürlich, eine ernste Frage!
Am Ende ist es schwer, das gebe ich zu, in einem Parlament Außenpolitik zu machen. Am Ende ist ja Außenpolitik ein großes Spiel, das man gar nicht publice führen kann — vielleicht lernen wir's, ich weiß es nicht —, mit einem Einsatz von Kräften zu Wirkungen, zur Paralysierung von Gegenwirkungen, — schwer, gar nicht leicht!
Aber, meine Damen und Herren, sind alle Möglichkeiten erschöpft worden, in diesem Falle Politik zu machen? Wir haben vorher keine Außenpolitik gemacht. Meine Damen und Herren, wir wollen das nicht überschätzen. Ich habe schon anerkannt: die Persönlichkeit des Bundeskanzlers hat, um das schöne Wort zu gebrauchen, für die Integration dieses Staates viel bedeutet, und sein geschichtliches Verdienst ist insbesondere, daß er Situationen nüchtern und richtig gesehen und genützt hat. Aber das, was wir als Außenpolitik bezeichnen, ist doch nun die Folge der Entwicklung der Jahre seit 1948.
— Das muß man einmal klar feststellen. Ich habe es doch miterlebt, Herr Lenz; ich kann darüber reden. Das ist nicht billig; das ist eine geschichtliche Feststellung! Natürlich, die Frage der deutschen Aufrüstung ist doch nicht aus uns entstanden
— wollen Sie das behaupten, Herr Lenz? —, sondern war die Folge des Konflikts von Korea, der Einsicht der angelsächsischen Staaten, daß ohne dieses Deutschland, mindestens nach der damaligen strategisch-technischen Lage, die Verteidigung Europas nicht möglich ist. Deswegen das Angebot, deutsche Truppen zu stellen, das Angebot, das der Herr Bundeskanzler nach meiner Meinung richtig angenommen hat.
Sie wissen, daß ein Mitglied des Kabinetts, Herr Dr. Heinemann, anderer Meinung war und ausgeschieden ist.
— Ja, aber ich will einmal sagen: als Gesinnungsethiker, Herr Mommer, nicht als verantwortlicher Politiker, als ein Mann, der die Verpflichtung fühlt, in der gegebenen Lage für sein Volk das Richtige zu tun. Ich glaube, daß die Entscheidung des Kabinetts richtig war.
Nun, Sie kennen ja die Entwicklung: Pleven-Plan, weil die Franzosen noch aus Angst vor den deutschen Soldaten eine Form suchten, um diese deutschen Soldaten zu bändigen, und unser Eingehen darauf; die zu großen Erfolge unserer Verhandlungstechnik mit dem Ergebnis, daß am Ende nun Frankreich wieder nicht geneigt war, seinen eigenen Gedanken durchzuführen. Das ist dann beinahe zwangsläufig weitergegangen. Gut, Sie wissen das alle selber.
Bei der Saar mußte man zum ersten Male politisch handeln, aus sich heraus einen eigenen politischen Willen entwickeln,
wirken, Gegenwirkungen abfangen, den Blick der Welt auf diese Wunde lenken. Darum ging es. Ist da alles getan worden? Also ich war tief bekümmert, meine Damen und Herren, über das, was in Paris geschehen ist, daß - ich wiederhole — uns der Herr Bundeskanzler am Montag sagte: Noch keine Vorstellung, was geschieht!, daß wir in dieser Form in die Ecke manövriert worden sind, daß am Samstag nachmittag um 1 Uhr unterschrieben werden mußte und, wenn nicht unterschrieben würde, das ganze Vertragswerk scheiterte. War das überlegene Diplomatie? War das die richtige Art, eine solche Lebensfrage unseres Volkes zu behandeln? Bestand nicht die Möglichkeit, die Dinge vorher und besser zu behandeln?
— Herr Bausch, teilen Sie meine Sorge nicht? Sind Sie nicht meiner Meinung, daß hier die Dinge nicht in Ordnung sind? Und dann soll hier eine Abstimmung durchgepaukt, durchgezwungen werden?
Sie wissen vielleicht nicht, was in den letzten Tagen geschehen ist.
— Der Herr Stücklen sagt es! Da wurden die Gerüchte in die Welt gesetzt. Da wurde behauptet: „Ach, der Dehler, der war doch in Paris einverstanden, und jetzt spielt er sich auf." Kein Wort wahr! Mir ins Gesicht hat niemand es zu sagen gewagt; aber hier in den Lobbies, da wurde das geflüstert!
Das muß ich also noch einmal berichten. Sie haben doch einen Anspruch, von Ihren sämtlichen Fraktionsvertretern, die in Paris waren, restlos die Wahrheit zu hören!
Als die Verhandlungen in Paris begannen—wenn ich mich nicht irre, waren wir am Mittwoch gerufen worden —, hat der Kanzler die Situation dargestellt. Die Aussprache wurde von meinem Kollegen Herrn von Merkatz begonnen. Herr Kollege von Merkatz hat erklärt: „Ich kann natürlich nur für meine Person sprechen; ich muß mir die Zustimmung meiner Fraktion vorbehalten." Ich habe erklärt: „Ich bin in einer besseren Lage als Herr von Merkatz. Die Haltung meiner Fraktion liegt eindeutig fest. Ich habe die Möglichkeit, für meine Fraktion zu sprechen." Ich habe auch erwähnt: „Herr Bundeskanzler, Sie kennen ja auch die Bedingungen, wie sie festgelegt worden sind, auch bei der Kabinettsbildung. Wir sind strikt gegen jede Europäisierung, wir sind strikt gegen jedes Volksreferendum. Wir sind bereit, wirtschaftlich alles zu tun, was irgendwie möglich ist." — Und mein Landsmann Strauß war eigentlich mein bester Assistent, war kräftig und urwüchsig. Ich bin von diesem Standpunkt keine Sekunde abgegangen, so daß es unmöglich ist, zu behaupten, ich hätte jemals zugestimmt. Wie ist das nach diesem Ausgangspunkt der Verhandlungen möglich?! Ich sagte schon vorhin: Am letzten Tag — ich glaube, es war am Samstag, dem 23. Oktober, 10 Uhr, als wir, Herr Mommer, Herr Carlo Schmid, zusammengerufen wurden —, als uns nicht etwa der Vertrag vorgelegt wurde, sondern nur der Stand der Sache geschildert wurde,
da habe ich wieder — ich kam mir beinahe ein klein bißchen stur, ich möchte sagen, mein Freund Becker, ich kam mir wie so ein kleiner Notar vom Lande vor — gesagt: Ja kein Volksreferendum; das ist keine Lösung, das ist völkerrechtlich und staatsrechtlich unmöglich.
— Ich muß Ihnen schon, nachdem die Dinge hier so spielen, wirklich eine erschöpfende - Darstellung geben. Wir sind mehrmals zusammengekommen. Es kamen am Donnerstag, glaube ich, die Kollegen von der Fraktion der Sozialdemokratie, Herr Ollenhauer, Herr Wehner, Carlo Schmid und Mommer, zu uns. Es wurde verhandelt. Weil hier der Anschein erweckt wird, es sei mit einer Zustimmung dieser Vertreter gehandelt worden, muß ich zu meiner persönlichen Salvierung die Dinge sagen.