Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben über die Souveränität gesprochen, und mein Freund Carlo Schmid hat sich bemüht, darzutun, daß das Wort noch nicht die Sache ist und daß es nicht gut ist, dem deutschen Volk ein Wort vorzusetzen und damit einen Anschein zu erwecken, der der Wirklichkeit nicht entspricht. Genau darum ging die Frage. Gerade deswegen hat Herr Kollege Dr. Schneider zu Unrecht einen Gegensatz zwischen meinen Freunden Schmid und Arndt konstruiert. Der Kollege Schmid hat keineswegs gemeint, die Bundesrepublik habe zuwenig Souveränität. Vielmehr hat er nur geprüft, ob das, was in diesen Verträgen niedergelegt ist, die Souveränität der Bundesrepublik bedeutet. Herr Kollege Arndt — ich will das nur richtigstellen — hat im Rechtsausschuß keineswegs erklärt, daß die Bundesrepublik zuviel Souveränität habe. Wenn Herr Kollege Schneider die Verhandlungen im Rechtsausschuß aufmerksam verfolgt hätte, dann dürfte er solche Behauptungen nicht aufstellen. Es ist so gewesen, daß Herr Staatssekretär Hallstein von diesem Irrtum ausgegangen ist. Er ist in den Rechtsausschuß gekommen und hat nach dem Protokoll erklärt:
Wenn ich recht unterrichtet bin, haben wir es
hier im Rechtsausschuß mit einer ganz anderen Situation zu tun. Hier wird von der Vorstellung ausgegangen, daß das Wort „Souveränität" sehr viel bedeutet,
— hier verzeichnet das Protokoll den Zuruf des Abgeordneten Dr. Arndt: „Nein!" —
daß es nämlich eine Aussage bedeutet.
In sehr loyaler Weise ist uns nun die Kollegin Dr. Weber zu Hilfe gekommen. Sie hat nämlich erklärt, daß das, was hier unterstellt werde, nicht richtig sei. Sie hat in einer Zwischenbemerkung gesagt: „Das hat aber Herr Dr. Arndt nicht gesagt!" Dann hat Herr Staatssekretär Hallstein erklärt, daß er ja berichtigt werden könne, und Herr Dr. Hallstein ist berichtigt worden. Also Herr Kollege Schneider hat kein Recht, hier einen Gegensatz zwischen zwei Mitgliedern meiner Fraktion zu konstruieren.
Wenn wir jetzt die Frage der Souveränität untersuchen, so sind wir uns wohl darüber im klaren, daß Souveränität auch bedeutet, daß der Staat auch die Möglichkeit hat, innerhalb seines eigenen Bereichs die Rechte seiner Bürger zu sichern und zu gewährleisten. Wir werden feststellen, daß gerade die Verträge diese Sicherung und Gewährleistung nicht bieten.
Wer Gelegenheit hatte, in den ersten Jahren der Besatzungszeit in der Kommunalverwaltung tätig zu sein, der konnte sehr deutlich sehen und spüren, was es bedeutet, wenn ein Land keine Souveränität hat. Ich denke insbesondere an die vielen Fälle, wo zunächst für Besatzungssoldaten und dann auch für die Angehörigen dieser Soldaten Wohnungen und Häuser freigemacht worden sind. Das ist geschehen auf Grund des Besatzungsrechtes, und wir haben damals sehr deutlich erlebt, was das bedeutet. Wer damals mitbeteiligt war, wird zugeben, welch schwere Aufgabe das für deutsche Behörden war.
— Das will ich eben gerade sagen, Herr Kollege Dresbach. Inzwischen ist eine ganze Anzahl von Familien wieder in ihre Häuser eingezogen. Aber es gibt auch noch eine große Anzahl, die außerhalb ihrer Häuser sitzen, und was noch viel schlimmer ist — und ich könnte Ihnen das durch Augenschein beweisen —, es gibt noch eine große Anzahl von Familien, die irgendwo im Keller ihres Hauses sitzen, während oben im Haus ein Soldat mit einer kleinen Familie die gesamten Räume bewohnt. Nun kommen diese Leute zu uns und — ich habe es selbst erlebt — sagen: Jetzt wird es ja gut, jetzt bekommt die deutsche Bundesrepublik die Souveränität, jetzt werden wir sicher in unsere Häuser zurückkommen können, jetzt wird der deutsche Staat uns helfen können.
Wie verhält es sich damit? Wir haben die Bestimmungen im Truppenvertrag. Im Art. 38 des Truppenvertrages steht z. B.:
Liegenschaften, die nicht mehr benötigt werden oder für die den Streitkräften befriedigende Ersatzliegenschaften verfügbar gemacht werden, werden von den Streitkräften freigegeben.
Also Liegenschaften, die nicht mehr benötigt werden oder für die Ersatz geleistet wird, werden freigegeben. Die anderen Liegenschaften bleiben weiterhin im Besitz der Streitkräfte.
Es heißt dann weiter:
Auf die Rückgabe von Liegenschaften an Privatpersonen wird besonders geachtet.
Privatwohnungen sollen vordringlich behandelt
werden. Aber es steht auch drin: Nur dann, wenn
solche Privatwohnungen sechs Monate lang nicht durch die Besatzungsmächte belegt waren, besteht ein Anspruch darauf, daß diese Privatwohnungen geräumt wenden; sonst besteht kein Anspruch. Es ist zwar die Möglichkeit vorgesehen — was selbstverständlich ist und was die ganzen Jahre hindurch geschehen ist —, daß die deutschen Behörden mit den Streitkräften — seither: mit den Besatzungsmächten — verhandeln; aber ob die Wohnung, ob die Häuser freigegeben werden, das liegt durchaus im Ermessen der Streitkräfte.
Sehen Sie sich einmal die Verhältnisse an. Ich kenne Fälle, in denen Menschen seit Beginn der Besatzung in ihren Kellern wohnen, wo Frauen und Kinder, wie die Ärzte erklären, die Kellerkrankheit haben, und die Ärzte sagen, daß sie keine Möglichkeit haben, zu helfen. Nur dann, wenn diese Menschen aus den Kellern herauskommen, wäre ihnen zu helfen. — Welche Möglichkeit ist hier gegeben? Was hier niedergelegt worden ist, ist schon zur Zeit des EVG-Vertrags normiert worden. Seitdem hätte jede Möglichkeit genutzt werden müssen, gerade auf diesem wichtigen Gebiet, auf dem es um die Menschlichkeit geht, eine Besserung zu erreichen, und wenn es nur einmal dazu gekommen wäre, daß die Menschen, die im Keller wohnen, da herauskommen und in ihren eigenen Häusern einige Räume bekommen, daß also diejenigen, die oben in dien schönen Räumen wohnen, etwas zusammenrücken. Nicht einmal das ist vereinbart worden.
Ich glaube, an diesem kleinen Beispiel wird am allermeisten deutlich, wiewenig wir in der Lage sind, unseren Staatsbürgern ihr Recht, nämlich ihr Recht auf Besitz an ihrem Eigentum, zu verschaffen, und wiewenig da von Souveränität die Rede sein kann.
Im Truppenvertrag sind noch andere Bestimmungen, die außerordentlich schwierig und bedenklich sind. Nach Art. 37 ist die Bundesrepublik verpflichtet, Streitkräften die für ihren Bedarf im Einklang mit den militärischen Erfordernissen benötigten geeigneten Zivilkräfte durch die zuständigen deutschen Stellen zu vermitteln. Was bedeutet das? Wir wissen alle, es geht bereits das Gespenst um: wenn die Aufrüstung beginnt, werden nicht genügend Arbeitskräfte vorhanden sein. Der Herr Bundeswirtschaftsminister ist sogar schon der Meinung, daß man italienische Arbeiter herbeiholen muß. Wenn es nun nicht gelingt, dieser Verpflichtung in der Weise nachzukommen, daß Arbeitskräfte sich freiwillig melden, dann kann doch diese Verpflichtung, die man gegenüber den Streitkräften eingegangen ist, nur dadurch erfüllt werden, daß man Zwangsmaßnahmen ergreift, d. h. daß man die Dienstverpflichtung einführt.
Ich will es nur andeuten: Die bei den Streitkräften Beschäftigten haben keineswegs die Rechte von Arbeitnehmern, die bei deutschen Arbeitgebern beschäftigt sind. Ich denke daran, daß z. B. vor dem Arbeitsgericht das deutsche Arbeitsrecht nicht in jeder Beziehung gilt, daß eine Schiedskommission, eine Verwaltungsstelle, eingeschaltet ist, die Vorentscheidungen trifft, die das Arbeitsgericht binden usw.
Wir haben noch sehr viel weitergehende Bestimmungen. In den Artikeln 37 ff. ist vorgesehen, daß die Besatzungsmächte alle möglichen Leistungen fordern können. Sie können verlangen, daß der Bedarf der Streitkräfte und der Angehörigen ihrer Mitglieder sichergestellt wird, und zwar dadurch,
daß Sachleistungen, daß Werkleistungen in Anspruch genommen werden, daß Land beschafft wird, daß militärische Schutzbereiche errichtet werden usw.
Wie versucht man mm die Ansprüche, die da festgelegt werden, zu verwirklichen? Zunächst einmal — ich sage ausdrücklich, zunächst einmal — macht man es dadurch, daß man Gesetze zur Anwendung kommen läßt, die in einer Zeit entstanden sind, die es Ihnen ohne weiteres deutlich macht, was das für Gesetze sind. Es handelt sich nämlich um das Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939, es handelt sich um das Gesetz über Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1935 und es handelt sich um das Gesetz über die Beschränkung von Grundeigentum aus Gründen der Reichsverteidigung vorn 24. Januar 1935. Aus den Jahreszahlen ersehen Sie, daß diese Gesetze in der Hochblüte des Nationalsozialismus erlassen worden sind. Das sind Gesetze, die mit rechtsstaatlichem Denken sehr wenig zu tun haben. Das sind Gesetze, die es ermöglichen, daß beschlagnahmt wird, daß enteignet wird, daß mit Verwaltungszwang vorgegangen wird, daß alles das geschieht, was wir einmal mit dem schönen Wort Zwangswirtschaft benannt haben. Es ist interessant — es ist noch gar nicht lange her —, bei den Wahlen zum Bundestag hat man mit dem Begriff „Zwangswirtschaft" gute Geschäfte gemacht. Da hat man nämlich gesagt, die bösen Sozialdemokraten sind diejenigen, die die Zwangswirtschaft erfunden haben, und wenn die Sozialdemokraten ans Ruder kommen, wird die Zwangswirtschaft wieder eingeführt werden. Tatsache ist, daß diese Zwangswirtschaft von ganz anderen Elementen eingeführt worden ist. Das ist auch ganz klar, das weiß jeder von Ihnen. Wir sehen, zwangswirtschaftliche Maßnahmen werden jetzt bereits wieder eingeführt, aber nicht von Sozialdemokraten!
Ich glaube, .das sind Dinge, die wir im Zusammenhang mit diesen Verträgen auch sehr deutlich sehen sollten.
Nach dem Landbeschaffungsgesetz besteht die Möglichkeit, Land für alle möglichen Zwecke zu beschaffen, für Exerzierplätze, für Schießplätze, für Kasernen usw. Im Laufe dieser Jahre haben wir versucht, so ein bißchen Land zusammenzuschachern, um die Möglichkeit zu geben, daß wenigstens einige landwirtschaftliche Flüchtlinge wieder als Landwirte angesiedelt werden können. Bei dem Land, das jetzt für militärische Zwecke gebraucht wird, handelt es sich um bedeutend mehr als das wenige, was wir diesen Flüchtlingen geben konnten. Auf Grund dieser Gesetze werden notwendigerweise Menschen abgesiedelt werden, die irgendwo anders wieder angesiedelt werden müssen, und es wird überhaupt nicht mehr daran gedacht werden können, etwa Flüchtlinge anzusiedeln; die müssen jetzt alle Hoffnung fahren lassen, weil dazu einfach keine Möglichkeit mehr besteht.
Die landwirtschaftliche Nutzung kann z. B. nach dem Schutzbereichsgesetz beschränkt werden, und nach dem Reichsleistungsgesetz gibt es Zwangsmaßnahmen auch auf anderen Gebieten — das Bundesleistungsgesetz, das ja kommen soll, wird das nicht anders regeln —; es sieht vor, daß Inhaber von gewerblichen, von landwirtschaftlichen, von forstwirtschaftlichen Betrieben Leistungen zu erbringen, daß sie Eigentum herzugeben, daß sie ihr
Eigentum zu belasten haben. Die seit wird nicht t sehr fern sein, wo der Bauer wieder sein Pferd und wo der Landwirt oder der Gewerbetreibende sonst etwas hergeben muß. Ich muß den Herrn Bundeswirtschaftsminister, der immer so bedingungslos für die liberalistische Wirtschaft eintritt, einmal fragen, wie er das eigentlich mit seinen Prinzipien vereinigen kann. Wie ist es möglich, daß solche Bestimmungen nun über uns kommen, die ihren Ansatzpunkt bei den nationalsozialistischen Gesetzen haben, und wie ist es möglich, daß wir in dieser Richtung weitermarschieren? Ich glaube, es ist deutlich, welche Gefahren da bestehen und wie weit wir davon entfernt sind, daß die persönliche Freiheit und das Eigentum gerade des kleinen Mannes vor solchen Maßnahmen geschützt ist.
Ich will noch kurz auf das eingehen, was Herr Kollege Schneider zum Schluß gesagt hat. Ich glaube, wenn Sie das gehört haben, was wir in diesen Tagen gesagt haben, wenn Sie es mit offenen Ohren und mit aufgeschlossenem Herzen gehört haben, dann werden Sie feststellen müssen, daß es uns darum geht, das Beste für unser Volk zu tun. Ich glaube, das ist eine Basis, auf der in der Tat bei gutem Willen doch irgendeine Möglichkeit bestehen müßte, zusammenzukommen, wenn auch vielleicht nicht in der Weise, daß Sie von uns erwarten können, daß wir einfach Ihre Politik machen, aber vielleicht doch in der Weise, daß Sie etwas mehr Verständnis für das gewinnen, was wir zu sagen haben.
Leider muß ich noch einmal auf das zurückkommen, was wir gestern und heute erlebt haben. Herr Bundesminister Strauß, der gewiß keine sehr feine Rede gehalten hat, hat gestern immerhin erklärt, daß er und daß die Koalition nicht daran denken, uns, den Sozialdemokraten, vorzuwerfen, daß wir mit der Sowjetunion, daß wir mit den Bolschewisten in irgendeiner Weise Hand in Hand gingen oder daß man die uns an die Rockschöße hängen könne. Herr Bundesminister Erhard hat heute das genaue Gegenteil gesagt.
Er hat uns zweimal in rhetorischen Fragen unterstellt, daß wir die Sowjetunion verteidigten.
Meine Damen und Herren, jetzt nehmen Sie es mir nicht übel: das wäre vielleicht noch zu ertragen, denn wir wissen alle, daß Herr Erhard ein Mann ist, der es mit solchen Worten nicht so genau nimmt und der sie nicht so sehr wählt, aber Sie, meine Damen und Herren, die Sie da unten gesessen haben und die Sie mit kühlem Kopf überlegen konnten, was da an Ungeheuerlichem gesagt wird, Sie hätten nicht in diesen frenetischen Beifall ausbrechen dürfen.
Denn wenn Sie das tun, dann müssen Sie sich im klaren darüber sein, daß damit jede Möglichkeit des Zusammenkommens zerstört wird. Herr Erhard macht das nicht allein, er hat ein gutes Vorbild. Wenn ich daran denke, daß der Herr Bundeskanzler selbst in seinen Versammlungen erklärt hat, daß die Leute von der SED, von den Kommunisten, ja sogar Herr Schörner unsere Gehilfen, unsere Helfershelfer seien, dann weiß ich nicht, wie der Herr Bundeskanzler noch den Mut haben kann, überhaupt davon zu sprechen, daß irgendwann noch einmal ein Zusammenkommen möglich sei.
Es wird von Ihnen so viel davon geredet, daß, wie Sie sagen, unsere Bewegung die Demokratie und die demokratischen Grundlagen zerstöre.
Ich glaube, wir sollten uns alle einmal ein bißchen mehr prüfen. Das, was hier von höchster Stelle aus geschieht, was von einem Bundeskanzler gesagt wird, das ist geeignet, Vertrauen und Demokratie zu zerstören.
Der Herr Bundeskanzler hat sich das andere geleistet. Er hat davon gesprochen, daß in der Paulskirche der rote Salat mit einigen grünen Blättern beisammen gewesen sei. Den „roten Salat" will ich ihm nicht übelnehmen, wir sind einiges gewöhnt. In der Paulskirche sind ehrenwerte Männer unid Frauen zusammen gewesen, und den Männern, die gesprochen haben, konnte man es anmerken, daß es ihnen wirklich um das Gewissen, daß es ihnen um das Schicksal des Vaterlandes ging.
Es war auch von „Gasse" die Rede. Das deutsche Volk konnte am Radio miterleben, in welch würdiger Weise diese Versammlung in der Paulskirche abgelaufen ist, und es konnte einige Tage danach eine andere Versammlung in Frankfurt auch am Radio verfolgen. Ich glaube, das deutsche Volk hat die Fähigkeit, Vergleiche zu ziehen, unid das deutsche Volk, das mit „Gasse" angeredet wird, wird sich vielleicht auch da ein Urteil darüber bilden, was Gasse ist und wo Gasse ist.
Die theoretischen Ausführungen über repräsentative und plebiszitäre Demokratie sind schön und gut, und es ist richtig, auch wir sind bei der Schaffung des Grundgesetzes für die repräsentative Demokratie eingetreten.
— Ach, es ist einfach nicht wahr, was Sie da sagen. Sie verstehen nämlich eines falsch oder Sie wollen es jetzt falsch verstehen, nämlich daß repräsentative Demokratie nicht bedeutet, daß das Volk ausgeschaltet wird. Das genaue Gegenteil ist der Fall!
Repräsentative Demokratie und plebiszitäre Demokratie sind nur Spielarten. Es kommt darauf an, daß die Demokratie da ist und daß, was auch in unserem Grundgesetz steht, die Möglichkeit besteht, daß der Wille des Volkes zum Ausdruck kommt.
— Natürlich kommt er im Parlament zum Ausdruck, und wir haben dem Parlament keineswegs das Recht bestritten, zu entscheiden. Aber wenn wir es hundertprozentig billigen, wenn wir Abgeordneten die Pflicht haben, unser Gewissen zu befragen, dann haben wir auch die Pflicht, es immer wieder zu prüfen, und zwar auch dadurch zu prüfen, daß wir auf andere hören, daß wir Argumente prüfen, daß wir auch auf das Volk hören; denn es hat ein Recht darauf, von uns gehört zu werden.
Sie können sich nachher entscheiden, wie Sie wollen. Aber Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie Argumente .einfach abschieben.
Wenn Sie den 27 führenden Geistlichen der Evangelischen Kirche sagen, daß über ihre Gewissensfragen längst entschieden sei, daß am 6. September darüber in einer bestimmten Weise entschieden worden sei, dann haben Sie damit völlig mißverstanden, was es mit der Frage des Gewissens auf sich hat. Daß es gerade eine evangelische Abgeordnete gewesen ist, die eine solche Frage gestellt hat, ist für mich außerordentlich schmerzlich gewesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, haben Sie nicht genau so gut an das Volk appelliert? Ist nicht der Herr Bundeskanzler auch draußen herumgezogen und hat geredet? Das ist ein Recht, das ihm niemand bestreiten kann; die Frage ist, wie man redet.
Daß da und dort etwas vielleicht auch über die Stränge geschlagen wird, will ich gar nicht bestreiten. Aber ob ein kleiner Versammlungsredner über die Stränge schlägt oder ob es der Herr Bundeskanzler tut, das ist ein Riesenunterschied.
Ich glaube, man kann den Herrn Bundeskanzler von dem Vorwurf nicht freisprechen, daß er, wie so oft, auch diesmal wieder sein Amt als Bundeskanzler mißbraucht hat, indem er in dieser Weise Propaganda gemacht hat.
— Ich weiß, was ich sage, und ich wäre in der Lage, dem Herrn Bundeskanzler noch eine ganze Reihe von Belegen dafür zu bringen.
— Ich rede genau zu dem, wozu der Herr Kollege Schneider gesprochen hat. Da haben Sie nicht „zur Sache" gerufen. Seien Sie doch ein bißchen objektiv, Herr Kollege!
Ich glaube sagen zu dürfen: wenn der Herr Bundeskanzler von dem „roten Salat" und den „grünen Blättern" gesprochen hat, hat er aus dem Unterbewußtsein etwas gesagt, dessen er sich nicht recht bewußt ist. Diese „grünen Blätter", diese hervorragenden Leute, die um ihres Gewissens willen für ihr Volk reden — und die auch für ihr Volk bereits gelitten haben; denn es sind viele Männer der Bekennenden Kirche mit dabei —, diese Männer und diese Frauen, die als „grüner Salat" bezeichnet werden, sind vielleicht die grünen Reiser am Stamm unseres Volkes, und wir hoffen, daß diese grünen Reiser für unser Volk noch etwas Gutes bedeuten können.