Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Wenn wir bei der Entscheidung, die wir alle zu treffen haben, den Gedanken in den Vordergrund stellen, daß wir unter keinen Umständen den Lebensstandard unseres Volkes senken wollen, dann ist die Gefahr, die von der Opposition hier aufgezeigt worden ist, nach meiner Ansicht nicht mehr vorhanden.
Dabei möchte ich ein kurzes Wort an den Kollegen Hansen richten, der vorgestern abend den Standpunkt des Deutschen Gewerkschaftsbundes hierzu vertreten hat. Ich möchte doch dem deutschen Arbeiter zu erwägen geben, ob es nicht auch für ihn besser ist, eine kleine Senkung seines Lebensstandards bzw. ein Aufhören des Steigens seines Lebensstandards, wie es in den letzten Jahren erfolgt ist, in Kauf zu nehmen, als auf die Stufe herabzusinken, auf der seine Kollegen jenseits des Eisernen Vorhangs stehen, und noch dazu die Freiheit zu verlieren!
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister hat uns, was Zahlen anlangt, nur eine einzige Zahl genannt. Er hat uns erklärt: In den Bundeshaushalt für 1955 seien für den Fragenkomplex, der hier zur Erörterung steht, 9 Milliarden eingesetzt. Ich muß Herrn Professor Gülich zustimmen, der sich auch gegen die Vermischung von Zahlen gewandt hat, die der Herr Bundesfinanzminister dadurch vorgenommen hat, daß er immer wieder die anderen anrechnungsfähigen Ausgaben mitzählt, die 3, soundsoviel Milliarden, die bei der Berechnung unseres Pflichtanteils in der NATO eine Rolle spielen, nicht aber bei den Kosten, die für die Aufrüstung bzw. für die Wiederbewaffnung erforderlich sind. Von diesen 9 Milliarden geht ein Teil — ich glaube, es sind 3,2 Milliarden — ab für Stationierungskosten. In den nächsten Jahren wird mehr anfallen und mehr übrigbleiben für die echten Verteidigungsaufgaben, für den Aufbau unserer Wehrmacht. Aber es werden in den nächsten drei Jahren, wenn wir in diesem Rahmen weiterarbeiten, sicherlich keine 30 Milliarden zusammenkommen, sondern im ersten Jahr bloß 5,8, im nächsten vielleicht 8 und im darauffolgenden 9; das sind noch keine 30. Aber selbst wenn wir der Überzeugung sind, daß unsere Währung und unser Lebensstandard nicht gefährdet werden und daß wir diese Summe noch erhöhen können, dann kommen wir allerhöchstens zu einer Zahl von 30 Milliarden, und es ist ganz eindeutig, daß wir damit nicht auskommen werden, um die Aufrüstung in den drei Jahren durchführen zu können. Die Folgerung, die wir daraus ziehen, ist die, daß wir es dann eben nicht in drei Jahren machen können, es sei denn, daß die Westmächte uns das Fehlende wirklich und echt zuschießen. Aber diese Erkenntnis müssen wir uns vor Augen halten, wenn wir unser Ja zu den Verträgen sagen. Wir sagen dieses Ja, selbst wenn es uns Schwierigkeiten, selbst wenn es uns Kosten verursacht, weil wir die Notwendigkeit angesichts der Bedrohung aus dem Osten einsehen. Von dieser Summe gehen, nebenbei gesagt, noch Kosten für Heimatschutz, Luftschutz und dergleichen ab, so daß die Dinge sich noch stärker komplizieren.
Weil ich diese Dinge für so bedeutsam halte, möchte ich schon jetzt die Forderung anmelden, daß wir für den nächsten Haushalt dem gesamten Parlament die Aufgabe der Bewilligung des Wirtschaftsplanes, der dafür aufgestellt wird, zuweisen und diese Bewilligung nicht auf die beiden Ausschüsse beschränken, die zur Zeit allein dafür zuständig sind.
Wenn wir uns also darüber klar sind — wir sind uns, wenigstens mit gewissen Einschränkungen, darüber klar, daß wir von der Haushaltsseite in den folgenden Jahren keine ernsten Befürchtungen zu haben brauchen —, so müssen wir doch dafür Sorge tragen, daß die Ausgaben von einem so beträchtlichen Ausmaß so zweckmäßig und so sparsam wie irgend möglich gemacht werden.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in erfreulicher Weise Gedanken entwickelt, die darauf hinzielen, die Kosten für die Rüstung so niedrig wie möglich zu halten und durch die Rüstungsaufgaben unsere marktwirtschaftliche Struktur nicht zu gefährden. Aus der mit dem Sicherheitsbeauftragten getroffenen Vereinbarung ergibt sich, daß auch Herr Blank auf der gleichen Linie liegt. Trotzdem bestehen noch Befürchtungen, daß sich außerparlamentarische Kräfte bei der Durchführung dieser Aufgaben einschalten. Das darf nicht sein und müßte von Anfang an verhindert werden. Dem Parlament muß die alleinige Entscheidung in diesen Fragen vorbehalten bleiben.
Wir begrüßen es, daß insbesondere die acht Punkte, die Herr Professor Erhard für die marktwirtschaftliche Abwicklung des Rüstungsgeschäfts aufgestellt hat und die ebenfalls in dem schon genannten Bulletin veröffentlicht sind, die Grundlage für unsere Haltung werden sollen. Ich möchte dazu im einzelnen kurz Stellung nehmen.
Herr Professor Erhard sagt:
1. Der Bund werde keinerlei staatliche Regiebetriebe für Rüstungszwecke schaffen; er werde auch Rüstungsringe nach dem Vorbild von 1936 oder Rüstungskartelle nicht zulassen. — Wir sind damit einverstanden, aber wir fragen Herrn Professor Erhard: Was geschieht mit den vorhandenen staatlichen Regiebetrieben?
Auf diese Frage erbitten wir, wenn auch nicht heute, aber doch eine Antwort.
2. Die Bundesrepublik werde auch innerhalb der Westeuropäischen Union darauf drängen, daß der internationale Austausch von Militärbedarf nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen erfolge und internationale Rüstungskartelle nicht geduldet würden. — Dem stimmen wir vollinhaltlich zu.
3. Nach dem Grundsatz des freien Marktes werde der Bund alle Waffen und Geräte im Ausland kau-
1 fen, die in der Bundesrepublik nicht billiger hergestellt werden können. Andererseits wisse das Ausland sehr gut, in welchen Branchen die Bundesrepublik besonders leistungsfähig sei und billig liefern könne. — Auch das findet unsere Zustimmung.
4, Jeder Rüstungsauftrag in der Bundesrepublik werde öffentlich ausgeschrieben. Wenn das in einzelnen Ausnahmefällen nicht möglich sei, müsse die Genehmigung des Bundeswirtschaftsministeriums eingeholt werden. — Das muß sogar gesetzlich verankert werden und nicht durch eine interministerielle Vereinbarung,
5. Die Neuinvestitionen für die Rüstungsproduktion würden sich in engen Grenzen halten, da von den 9 Milliarden DM Verteidigungsbeitrag ein großer Teil auf Konsumgüter entfalle. — Das trifft nur dann zu, Herr Professor Erhard, wenn wir bei den 9 Milliarden bleiben.
6. Größere Investitionen werde die Umschulung der noch verfügbaren Reserven an deutschen Arbeitskräften erfordern. Diese Aufgabe müsse bald in Angriff genommen. werden, um einen drohenden Engpaß in der wirtschaftlichen Expansion zu verhindern. — Einverstanden.
7. Die Finanzierung der notwendigen Investitionen über den Kapitalmarkt sei jetzt ohne weiteres möglich, da er der Industrie in einem größeren Umfange zur Verfügung stehe als bisher. — Hier machen wir einige Einschränkungen und haben wir einige Bedenken insbesondere deshalb, weil der Herr Bundesfinanzminister gestern von der Beschaffung von 1,8 Milliarden DM auf dem Wege des außerordentlichen Haushalts gesprochen hat. Wir wissen nicht, ob Ihre hoffnungsvollen Erwartungen hier erfüllt werden.
8. Die Unabhängigkeit der Bank deutscher Länder als Hüterin der Wertbeständigkeit der D-Mark werde nicht angetastet werden. — Auch das findet sicherlich die Zustimmung des ganzen Hauses.
Wir sind also mit den von Herrn Professor Erhard entwickelten Gedanken und mit den Einschränkungen einverstanden und hoffen, daß er sich damit auch in seiner Fraktion in vollem Umfange durchsetzen wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe mich bemüht, in kurzen Bemerkungen zu einem sehr komplexen Stoffgebiet aufzuzeigen, welche großen und schweren Aufgaben diesem Parlament nach der Ratifikation der Verträge obliegen werden. Wir haben mehr denn je die Aufgabe, darüber zu wachen, daß dem Volke kein Schaden entsteht.