Rede von: Unbekanntinfo_outline
Warum verlangen unsere Vertragspartner von uns Verpflichtungen in konkreter und präziser Form? Warum genügt ihnen — den Vertragspartnern — nicht auch unsere moralische Zusage? Warum müssen die Verträge so einseitig gemacht werden?
Ich bin davon überzeugt, daß in der Situation, in der wir uns befinden, ohne Ehrlichkeit gegen unsere Partner, Ehrlichkeit gegen uns selber und Ehrlichkeit unserer Partner uns gegenüber —, daß ohne diese dreifache Ehrlichkeit eine unser aller Leben derart tief berührende Frage nicht gelöst werden kann.
Die Wahrheit wird uns frei machen! Nicht der Wunsch nach Hintertüren!
Ein Weiteres! Das Unklare, das uns Ungünstige wird von Regierungsseite schönfärberisch interpretiert. Man tut so, als ob das, was man wünscht, Wirklichkeit wäre. Achten Sie doch auf die offiziellen Verlautbarungen der Regierung und ihrer Beamten. Sie verharmlosen, sie bagatellisieren, sie färben schön. Das war ja auch der rote Faden, der gestern durch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministens zog,
mit denen ich mich noch zu beschäftigen habe. Daß aber auch in der Mitte des Bundestags diese Tendenz besteht, habe ich mit Bedauern an einer Reihe von Fällen gemerkt. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen z. B. hat einen von mir verfaßten Schriftlichen Bericht einstimmg angenommen. Der Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses schreibt: „Der auswärtige Ausschuß und der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bedauern, daß eine Auflockerung dieser Bestimmungen zugunsten geschädigter deutscher Eigentümer nicht möglich war." Im Schriftlichen Bericht steht: „Im Neunten Teil ist, wie der Ausschuß einstimmig bedauert, zugunsten geschädigter deutscher Eigentümer nichts geändert worden." Über das subjektive Element, das hier drinsteckt, es sei nicht möglich gewesen, sagt der Schriftliche Bericht des Finanzausschusses kein Wort, sondern er stellt nur objektiv fest, daß nichts geändert warden ist.
Der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten fährt fort: „Sie sind der Meinung, daß hier auch nach Inkrafttreten der Pariser Verträge weitere Bemühungen zu entfalten sind." Der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen hat aber darüber kein Wort gesagt. Ich könnte Ihnen mehr solcher Interpretationen nennen, und ich sage Ihnen, daß solche Interpretationen unzulässig sind.
Der Finanzvertrag und die finanziellen Bestimmungen der übrigen Verträge sind nicht ein Teil eines geschlossenen Vertragswerks, sie durchdringen es vielmehr.
Zum Kriegführen gehört bekanntlich Geld, Geld und nochmals Geld, wie schon ein mailändischer Heerführer im 15. Jahrhundert feststellte. Was damals für die Kriegführung galt, gilt heute nicht minder für die Rüstung. Das gilt auch, Herr Kollege Schäffer, für die „sogenannte Rüstung", von der Sie gestern sprachen. Diese sogenannte Rüstung wird auch kosten Geld, Geld und nochmals Geld.
Darüber werden wir uns unterhalten.
Die Bundesregierung hat diese Verträge abgeschlossen, die uns finanziell ungeheuer belasten werden. Sie hat die Aufgabe, den Bundestag voll zu informieren darüber, was uns bevorsteht, was wir zu leisten haben, auf was wir etwa zu verzichten haben. Sie hat diese Aufgabe nicht erfüllt.
Der Deutsche Bundestag hat die Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren, und wenn die Koalitionsparteien sich scheuen, muß sich die Opposition dieser Aufgabe unterziehen, die volle Wahrheit zu sagen,
auch wenn sie unbequem ist. Sie ist unbequem nicht nur für die Koalition, sondern sie ist unbequem für alle. Ihren Zwischenruf „Das ist die Sache", den unterstreiche ich. Es kommt darauf an, die Wahrheit zu sagen. Das fordere ich von der Bundesregierung.
— Herr Kunze, Sie auch von mir! Sie haben ein gutes Recht, das von mir zu fordern. Aber ob Sie Anlaß haben zu dieser zweifelnden Bemerkung? Überlegen Sie, ob ich schon einmal dem Bundestag nicht die Wahrheit gesagt habe!
Der Bundesfinanzminister hat sich gestern wieder bescheinigt, daß er ein sorgfältiger Haushalter sei. Ich stimme mit ihm darin überein, daß gute, geordnete und überschaubare Finanzen den Kern einer geordneten Staatsführung überhaupt bilden. Ungeklärte finanzielle Verhältnisse verbreiten im privaten wie im öffentlichen Leben Unsicherheit, ja das Gefühl einer völligen Ungesichertheit und Unordnung. Deshalb ist finanzielle Unordnung im Staate, staatliche Unordnung schlechthin. Dieses Postulat, Herr Bundesfinanzminister, verbindet uns. Wie es aber hier praktiziert wird und was Sie gestern abend hier in später Abendstunde dem Deutschen Bundestage gesagt haben, das trennt uns.
Ein Wort zunächst zu den Stationierungskosten. Bisher ist nur sicher, daß wir bis auf weiteres, d. h. nach Inkrafttreten der Pariser Verträge, aber vor dem Inkrafttreten des eigentlichen aktivendeutschen Verteidigungsbeitrags, wie bisher monatlich 600 Millionen DM an Besatzungkosten, die dann Stationierungskosten heißen, zu zahlen haben. Darin sind dann 100 Millionen DM enthalten, über die wir mitreden können; z. B. die Kosten für das Infra-Struktur-Programm sind einbegriffen, Abgeltung von Besatzungsschäden kann einbegriffen werden. Für das erste Jahr nach dem Beginn des aktiven Verteidigungsbeitrags zahlt die Bundesrepublik an Stationierungskosten 3200 Millionen DM als Beitrag zu den Unterhaltskosten der fremden Truppen in der Bundesrepublik. Wenn bis zum 30. Juni die Verteidigungszeit noch nicht begonnen hat, dann ist noch alles offen. Wie man überhaupt annnehmen kann, daß vor dem 30. Juni 1955 die Verteidigungszeit begonnen haben kann, ist mir schleierhaft. Was wir also späterhin an Stationierungskosten zu zahlen haben, steht noch offen. Anzunehmen ist nur, daß wir ein Jahr lang, auch wenn der aktive Verteidigungsbeitrag erst nach dem 30. Juni beginnt, sicher nicht weniger als 3200 Millionen DM, sondern wahrscheinlich dieselbe Summe zahlen werden. Der Vertragstext läßt darauf schließen, daß die Alliierten auch später Stationierungskosten verlangen, im günstigsten Falle nur Sach- und Werkleistungen, die sich im Bundeshaushalt natürlich auch in Zahlen ausdrücken.
Nun komme ich zur zentralen Frage: Was kostet die Aufstellung und der Unterhalt der von der Bundesrepublik aufzustellenden Streitkräfte? Also 1. die einmaligen Kosten der sogenannten Erstausstattung und 2. die laufenden Kasten des Unterhalts der Truppen einschließlich der Modernisierung ihrer Bewaffnung. Die Bundesregierung bemüht sich in einer Sonderausgabe ihres Propaganda-Bulletins vom 18. Februar, die finanziellen Probleme — ich deutete es vorhin schon an — zu verniedlichen. Zunächst wird wieder der ordentliche Kaufmann bemüht, der vor der Eröffnung eines Geschäfts sorgfältig kalkuliert, welche Mittel er braucht. „Vom Staat", wird fortgefahren, „wird man eine um so größere Sorgfalt der Kalkulation erwarten müssen, um nachträglich keine unangenehmen Überraschungen zu erleben." Man sieht, wie beruhigend das ist, wie sorgfältig, in genauen Zahlen, wie von einem ordentlichen Kaufmann hier kalkuliert wird. Es ist aber ein Irrtum, nach dieser schönen Einleitung anzunehmen, daß dann Zahlen oder auch nur Anhaltspunkte zu Zahlen gegeben werden. Denn, wind gesagt, schon eine Schätzung der Personalkosten sei schwierig, solange beispielsweise die Militärbesoldung noch nicht genau geregelt worden sei. Ja, meine Damen und Herren, ich weiß doch, was der Bundesgrenzschutz kostet, und ich kann mir doch eine Vorstellung machen: wenn ich 500 000 Mann habe und sage — ganz grobe Faustregel — 4000 DM pro Mann im Jahr, so sind das 2 Milliarden DM insgesamt.
Das ist eine Zahl; die ist sicher zu niedrig, aber es wäre doch eine grobe Faustzahl. Da man sich aber überhaupt nicht bemüht — auf keinem Gebiete der „sogenannten Aufrüstung" —, überhaupt Zahlen zu nennen, muß man sich fragen, was die Bundesregierung eigentlich mit uns vorhat.
Warum tut sie das? Behandelt sie den Bundestag denn wie eine unmündige Schuhklasse?
Wie werden denn die im Amt Blank tätigen ehemaligen Militärs bezahlt? Hat man keine Vorstellung davon? Doch nach Grundsätzen der TO A mit Sonderklassen usf. Also daß man uns nicht einmal Faustzahlen gibt — —
— Nein, nicht nach Nordrhein-Westfalen, aber, Herr Dresbach, wie Sie wissen werden, sehr viel Sonderklassen! Aber die machen ja den Kohl nicht fett; es kommt auf die große Zahl an. — Immerhin, der Oberregierungsrat im Bulletin behauptet wenigstens, zur Kalkulation verpflichtet zu sein. Der Herr Bundesfinanzminister selber begnügt sich mit allgemeinen Feststellungen, daß die künftigen Verteidigungslasten ohne Steuererhöhungen zu bewältigen seien, wo er doch bereits im Hauhaltsplan 1955 eine Steuererhöhung — wenn auch vorläufig ohne gesetzliche Grundlage —, nämlich die Ergänzungsabgabe, vorgesehen hat. Kollege Dresbach hat vorgeschlagen, sie doch offen als Wehrsteuer zu deklarieren.
Wie kann denn überhaupt jemand glauben
— ich komme darauf zurück —, daß man auch die „sogenannte Aufrüstung" des Herrn Schäffer ohne Steuererhöhungen bewältigen könnte?
Nun sagte Herr Kollege Schäffer gestern, er setze bei uns, beim Bundestag, soviel Auffassungsgabe voraus, daß wir aus dem, was in anderen Ländern geschehen ist und geschieht, selbst ungefähr die Zahlen bereitstellen und die Folgerungen daraus ziehen könnten. Also, nachdem der Herr Bundesfinanzminister sich weigert, dem Bundestag Zahlen zu geben, sind wir darauf angewiesen, uns selber zu überlegen, was die Sache denn nun wohl kosten wird.
Der Herr Bundesfinanzminister äußert sich nach der „Welt" vom 23. Februar so:
Die Gegner der Verträge fabulieren von 40, 50, 60 Milliarden, ohne dafür irgendwelche Unterlagen zu haben.
Ja, aber, meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister trifft finanzielle Vereinbarungen mit den Alliierten, er berät den Herrn Bundeskanzler, solche Verträge zu unterschreiben, und er beschwert sich darüber, daß die Opposition keine Unterlagen beibrächte.
Unterlagen, Herr Kollege Schäffer, haben Sie zu haben und dem Hause vorzulegen, nicht wir.
Gestern beobachtete ich, daß der Herr Bundesfinanzminister mit dem Kopf schüttelte, als Kollege Erler forderte, der Bundesfinanzminister müßte die finanzielle Belastung für Jahre voraus angeben, und das Kopfschütteln — übrigens bei der Rede des Kollegen Erler eine vielfach zu beobachtende Geste —
setzte sich dann im ganzen Hause fort.
Nun hat aber der Herr Bundesfinanzminister nach § 8 Abs. 2 der Reichshaushaltsordnung feste Pflichten. Ich zitiere wörtlich:
Ausgaben zur Erfüllung von Verträgen, durch die das Reich zur Leistung von Zahlungen über ein Rechnungsjahr hinaus verpflichtet wird, sind bei der erstmaligen Anforderung von Mitteln nach Inhalt und Dauer des Vertrages zu erläutern.
Also genau der Fall, den wir vor uns haben: Verträge mit ausländischen Staaten, die das Reich — den Bund — für Jahre hinaus, für mehrere Rechnungsjahre verpflichten, sind bei der erstmaligen Anforderung nach Inhalt und Dauer des Vertrages zu erläutern. Der Bundesfinanzminister ist verpflichtet, die Reichshaushaltsordnung einzuhalten. Aber nicht nur er ist verpflichtet, auch wir sind verpflichtet; denn die Haushaltsordnung ist ja doch für uns alle verbindliches Gesetz.
Amtliche Zahlen, was die Aufstellung von 12 Divisionen kostet, können wir also nicht bekommen, auch die Kollegen im Sicherheitsausschuß nicht, auch wir im Haushaltsausschuß nicht. Ich möchte deshalb mal die Bundesregierung fragen — —
— Ach, das wird er besorgen.
Aber, Herr Dresbach, heute sollen Sie ja doch den Finanzvertrag und die ganzen unbekannten Bestimmungen finanzieller Art der übrigen Verträge beschließen!
Sie wollen ja heute dazu ja sagen, und infolgedessen — —
— Sie können nachher nicht mehr nein sagen, Herr Naegel.
— Ich komme darauf zurück.
— Ich komme darauf zurück, Herr Naegel. Ich will das erläutern. Heute wollen Sie „Ja" beschließen zu Verpflichtungen, deren Ausmaß Sie nicht kennen. Des wegen sagte ich, der Finanzminister ist nach der Reichshaushaltsordnung verpflichtet, uns das zu sagen. Ich möchte die Frage stellen: Was haben denn eigentlich die vielen hundert Militärs im Amte Blank, im Interimsausschuß in Paris und in der Beschaffungsstelle des Amtes Blank in Koblenz in den letzten vier Jahren gemacht, wenn sie nicht geplant haben und berechnet haben?
Kann man denn überhaupt eine Planung machen, ohne sie in Zahlen auszudrücken? Und wenn der Herr Bundesfinanzminister schon nicht will, dann sollte doch nun mal der Herr Kollege Blank dem Hause sagen: Die Aufstellung von 12 modernen Divisionen kostet ungefähr das und das.
Nun sagte aber Herr Schäffer weiter, es wäre töricht, Zahlen zu nennen, bevor wir in die entscheidenden Verhandlungen mit dem Ausland überhaupt eingetreten sind. Das kann ich nicht begreifen. Aus dem Satz „Zahlen zu nennen" muß man doch schließen, daß er Zahlen hat, daß er sie aber dem Bundestag nicht nennt,
und das wäre zu beanstanden. Und wie kann er denn in Verhandlungen mit dem Ausland eintreten, ohne von gewissen Zahlen und Vorstellungen auszugehen?
— Das kann man, ja, das ist ein sehr schöner Satz.
— Ausgezeichnet, ich beneide Sie allerdings um Ihre Klugheit nicht, Herr Kollege.
Aus den Veröffentlichungen im Bulletin ist aber ganz klar ersichtlich, daß man mit Ausnahme der Stationierungskosten bisher noch keine finanziellen Abmachungen mit dem Ausland getroffen hat, sondern hier ist alles offen. Ich möchte deshalb jetzt zwei Fragen erörtern: erstens die Festsetzung des Verteidigungsbeitrags durch die NATO und zweitens die Schätzungen in- und ausländischer Sachverständiger über die Kosten der deutschen Aufrüstung, — der sogenannten Aufrüstung. Ich tue das um so lieber, als Herr Kollege Schäffer ja gestern dazu aufgefordert hat, uns selber anzustrengen, und er hat ausdrücklich vorausgesetzt, daß wir dazu in der Lage sind.
Nun wurde mir vorhin durch einen Zwischenruf gesagt, daß ja doch nichts gegen uns beschlossen werden könnte. Das wurde auch gestern gesagt. Schäffer sagte sogar wörtlich: „Wir haben in diesen Verträgen auch nach der Seite der Kostenerstattung und der Höhe der Leistungen unser deutsches Schicksal doch selbst in der Hand." Und der Vorsitzende der größten Fraktion dieses Hauses, Herr von Brentano, rief dazu: „Sehr gut!"
Meine Damen und Herren, es bedeutet eine Irreführung, wenn behauptet wird, das Parlament habe sein volles Recht der Haushaltsbewilligung und Haushaltskontrolle. Deshalb müssen wir uns über die NATO und das NATO-System ein wenig unter-
halten, um so mehr, als Kollege Schäffer gestern sagte, wir werden unser Schicksal rein parlamentarisch durch den Deutschen Bundestag in voller Höhe der Wahrung seines Budgetrechtes bestimmen können.
Die Realleistungen der NATO werden von der NATO in einem jährlichen Überprüfungsverfahren bestimmt. Für diese jährlichen Überprüfungen gibt es den NATO-Fragebogen, der vor diesem Parlament, welches ja zu diesen Verträgen sagen soll, geheimgehalten wird.
Als Ergebnis der Jahresüberprüfungen werden die Verteidigungsbeiträge der Mitgliedstaaten durch „verbindliche Empfehlungen" von NATO festgesetzt. Es würde mich interessieren, wenn der Bundesfinanzminister sich einmal dazu äußerte, was denn eine verbindliche Empfehlung ist. Entweder ist es eine Empfehlung, dann ist es in das Ermessen des anderen gestellt, sie anzunehmen oder nicht oder sie geändert anzunehmen — aber eine verbindliche Empfehlung, das ist doch nichts anderes als ein Ausdruck für die Unsauberkeit des Denkens in diesem ganzen Vertragswerk.
Das System, nach dem die Kosten der finanziellen Beiträge errechnet werden, geht ja bekanntlich auf die Empfehlungen der „Drei Weisen" zurück, welche im Jahre 1952 bei der Beratung der Verträge eine große Rolle spielten. Das System, nach dem die Kosten aufgeteilt werden, berücksichtigt die finanzielle, die wirtschaftliche und politische Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten. Der entscheidende Satz von heute — nicht von 1952 — lautet: Es liegt jedoch noch nicht endgültig fest. Das Pariser Vertragswerk ist ja kein neues Vertragswerk, sondern es setzt die alten Verträge von 1952 mit bestimmten Streichungen und Änderungen in Kraft, mit Ausnahme der EVG, die weggefallen ist. Was hat man eigentlich in diesen über zwei Jahren getan, um all die Unklarheiten in der Methode nun auszuräumen und zu Klarheiten zu kommen? Ich habe den Eindruck, daß die Drei Weisen aus dem Abendlande in den letzten Jahren nicht sehr weise gewesen sind, sonst müßten sie mit der Sache ein bißchen weitergekommen sein.
Der Beitrag eines neuen Mitgliedstaates macht eine Revision des gegenwärtigen Umlageverfahrens für den Zivil- und Militärhaushaltsplan der NATO erforderlich. Treten wir also jetzt bei, dann bedeutet das eine Revision des noch nicht endgültig festgelegten Systems. Die Finanzvorschriften für die finanzielle Verwaltung sind uns nicht bekannt. Warum man uns nicht einmal die Finanzvorschriften bekanntgibt, weiß ich nicht. Die Leiter der einzelnen Dienststellen der NATO legen dem Rat jährlich einen Haushaltsplan zur Genehmigung vor. Der Kollege Jaeger sagte gestern, der Haushaltsplan kann nur einstimmig beschlossen werden, also nicht ohne den deutschen Vertreter. Ja, meine Damen und Herren, der deutsche Vertreter in der NATO ist ein Militär oder zumindest ein Glied der Exekutive,
und dieser kann also Einspruch erheben. Es muß
Einstimmigkeit herrschen. Nun, wir können uns ja
sehr leicht vorstellen, wie es gehen wird. Wenn
wir uns an andere Gremien erinnern, die nur einstimmig beschließen konnten, wie der Völkerbundsrat alter Prägung, dann wissen wir ja, was aus solchen Einstimmigkeitsbeschließungen herauskommen kann. Kann denn jemand ernsthaft die Hoffnung haben, der deutsche Vertreter könnte hier überhaupt einen wesentlichen Einfluß geltend machen?
— Herr Vogel, die Majorisierung ist auch nicht gut. Wenn sie drinstünde, dann wäre sie wahrscheinlich doch ein bißchen klarer als dieses Verfahren.
Herr Vogel, ich möchte Ihnen dazu ein Wort vom alten Preußen sagen: Die janze Richtung paßt mir nicht!
— Die ganze Richtung paßt mir nicht.
— Ja, das sollen Sie auch merken, und ich freue mich, daß Sie es nun gemerkt haben. Deswegen meine einleitenden Bemerkungen über die Unsauberkeit der Vertragsabmachung. Und ich möchte einmal die Herren, die sich angesprochen fühlen sollten, ich möchte beispielsweise Herrn Staatssekretär Hallstein — ich will jetzt sagen: Herrn Professor Hallstein — einmal fragen, ob er sich hier hinstellen will und die Formulierungen, die Form des Vertragswerkes billigt. Auf dieses Plädoyer wäre ich gespannt.
Die Leiter der Dienststellen der NATO sind nun ermächtigt, entsprechend dem genehmigten Haushalt Verpflichtungen einzugehen und Zahlungen zu leisten. Und Herr Schäffer sagte gestern dazu: Die NATO-Empfehlungen binden das deutsche Parlament nicht. Meine Damen und Herren, nehmen wir mal an: die NATO einschließlich des deutschen Vertreters, eines deutschen Sachverständigen, kommt zu einem ganz bestimmten Ergebnis in bezug auf die Höhe eines ganz bestimmten finanziellen Verteidigungsbeitrages. Glaubt denn jemand ernsthaft, daß in einer großen Militärallianz, in der die Bundesrepublik in jeder Weise am Rande liegt, die Bundesrepublik erstens überhaupt etwas zu sagen haben könnte und zweitens sich das Bundesparlament den Beschlüssen der NATO, den, wohlgemerkt, „verbindlichen Empfehlungen", entziehen könnte?
Ich frage Sie nochmals: Was heißt denn das, „verbindliche Empfehlungen"?
Ich will mich hier angesichts der Ungeheuerlichkeit der Kosten und des gesamten Problems nicht mit Finanzfragen von zweitrangiger Natur befassen. Deswegen will ich mich also über die Kosten der Infrastruktur, d. h. also der Einrichtungen, die auf Ersuchen der internationalen Kommandostellen der NATO für die Unterhaltung und Ausbildung internationaler NATO-Streitkräfte in Friedenszeiten sowie für ihren wirksamen Einsatz in Kriegszeiten geschaffen werden und für die die Mitgliedsregierungen die Kosten nach einem Umlageverfahren gemeinsam tragen, nicht weiter auslassen. Der Herr Bundesfinanzminister sagte ja
gestern, daß die Kosten nur einen Bruchteil der 3200 Millionen Stationierungskosten, die im ersten Jahre zu zahlen sind, betragen würden. Ausdrücklich ist ferner in der NATO gesagt, daß die Höhe der jährlichen Beiträge noch zu erörtern sei. Es ist also über die Höhe der jährlichen Beiträge noch nichts gesagt.
Ich muß nun zunächst das zweite tun, was ich vorhin ankündigte, mich nämlich mit den Schätzungen der Kosten der Wiederbewaffnung befassen, zu denen Herr Schäffer gestern ausdrücklich aufgefordert hat. Er verwies am Sonntag in Kiel und Lübeck — ich zitierte bereits „Die Welt" — einen Aufwand von 40 Milliarden DM in das Reich der Fabel. Er meint, mit den 9000 Millionen DM, die im Bundeshaushalt stehen, auskommen zu können, ja, sie im ersten Jahre nicht in Anspruch nehmen zu brauchen. Zieht man von den 9000 Millionen DM die 3200 Millionen DM für die Stationierungskosten ab, so bleiben noch 5800 Millionen DM. Zieht man von diesen 5800 Millionen DM so runde 2800 Millionen DM für Kasernenbauten ab, dann bleiben noch 3000 Millionen DM übrig, die nach dem Bundeshaushalt zur Verfügung stünden.
Ich verweise jetzt auf die alliierten Berechnungen, die Mitte Dezember 1954 durch die ausländische und inländische Presse gingen. Man rechnet — und wenn Sie selbst mit Sachverständigen in der Bundesrepublik sprechen, dann wird Ihnen das wohl jeder sagen; ich meine aber nun wirkliche Sachverständige, nicht irgendwelche ganz außerhalb stehende Leute —, daß die Kosten für die Aufstellung einer deutschen Armee, einer modernen deutschen Armee, die aus zwölf Divisionen besteht, runde 60 Milliarden DM kostet.
Nach ausländischen Quellen sah die letzte Kostenrechnung der Alliierten wie folgt aus: Zwölf deutsche Divisionen; Heeresausrüstung 27 750 Millionen DM; die Luftwaffe 5270 Millionen DM; die Marine 4080 Millionen DM; die Luftabwehr runde 10 Milliarden DM; Unterstellung der Verbände rund 14 Milliarden DM; Verschleiß 8,2 Milliarden DM; Bauten 9 Milliarden DM — ich sagte vorhin: für ein Jahr 2,8 Milliarden DM —; Munition und Bestände 3 Milliarden DM; macht die runde Summe von 81,3 Milliarden DM ohne die Ausgaben für Forschung und ohne die Investitionen für die Industrie. Nachdem wir wissen müssen, welche Verpflichtungen wir eingehen, nachdem uns von Regierungsseite derartige Dinge nicht gesagt werden, müssen wir schon einmal solche Zahlen bemühen. Die Quellen stehen auch zur Verfügung. Dann ist es Sache der Bundesregierung, die Dinge nicht mit allgemeinen Redensarten abzuspeisen, sondern darauf ganz konkret zu antworten. Wenn man also nur 60 Milliarden DM unmittelbar für die Aufstellung von 12 deutschen Dvisionen annimmt, dann würde das, wenn man 3 Jahre für die Aufstellung rechnet, im Jahre runde 20 Milliarden DM bedeuten, nicht eingerechnet die dann noch fehlenden 21 Milliarden DM, über die ich eben gesprochen habe, die dann pro Jahr nochmals 7 Milliarden DM bedeuten würden.
Nach den gleichen alliierten Quellen wollen die Amerikaner in diesen drei in Frage kommenden Jahren 4 Milliarden Dollar, das wären 16,8 Milliarden DM, langfristig leihen; Herr Bundesfinanzminister Schäffer sagte gestern: nach den gleichen Bedingungen, wie das für die anderen NATO-Staaten geschehe. Dazu wollen sie Ausrüstungsgegenstände und Waffen aus den amerikanischen Beständen an die Bundesrepublik abgeben, was die Amerikaner auf rund 16 Milliarden schätzen. Nimmt man an, daß das so kommt, dann wären also abzuziehen diese 16,8 plus 16 gleich 32,8 Milliarden, so daß 48,4 Milliarden, aufzuteilen auf 3 Jahre, übrigblieben als deutsche Leistung. Wenn man bedenkt, daß der gesamte ordentliche Bundeshaushalt ein Finanzvolumen von 25 Milliarden hat, in dem bisher die 9 Milliarden Verteidigungsbeitrag drinstehen, von denen 7,2 für Besatzungskosten in Anspruch genommen sind, dann bekommt man ein Gefühl für die Relation, in der sich diese Kosten bewegen. Da wäre es nun wieder Sache der Bundesregierung, einmal schlüssig zu beweisen, daß damit keine Gefährdung des Lebensstandards, keine Gefahr der Inflation, keine Minderung der sozialen Leistungen verbunden wäre.
Nun haben wir noch etwas ganz Erstaunliches gelesen. Der Herr Kollege Vogel hat im Bericht des Haushaltsausschusses geschrieben und ich habe es auch noch an anderer, sehr offizieller Stelle gehört, die Amerikaner wollten uns die Ausrüstung mit Waffen schenken.
— Ja, der Pacht- und Leihvertrag, das sind doch die 16,8, die ich behandelt habe und die nach den Worten des Bundesfinanzministers unter den gleichen Bedingungen an uns abgegeben werden sollen wie an die anderen NATO-Staaten. Sehen Sie in Ihrem schriftlichen Bericht nach — ich habe ihn nicht zur Hand —, was Sie da geschrieben haben! Über diese 16,8 Milliarden hinaus ist ja zweifellos mehr nötig. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat gestern in seiner Rede — ich habe den Wortlaut leider nicht hier oben — zum Ausdruck gebracht, daß die Amerikaner uns auch dabei großzügig helfen wollen.
Es ist klar, daß die sogenannte Aufrüstung, wenn sie notwendig ist, auch schnell, d. h. in einer möglichst kurzen Zeit, durchgeführt werden muß; sonst, scheint mir, hat die ganze Sache keinen rechten Sinn. Nun hat aber der Herr Kollege Pferdmenges neulich vor der Industrie- und Handelskammer in Hagen die „beruhigende Auffassung vertreten", daß sich die Rüstungsprogramme in der Praxis viel langsamer abwickeln ließen als auf dem Papier. Herr Kollege Pferdmenges, wenn Rüstung notwendig ist, dann auch in dem Tempo, das durch die politische Lage und durch die wirtschaftlichen Möglichkeiten gegeben ist.
— Ich sagte: wenn Rüstung notwendig ist! Ich bin davon überzeugt, daß sie nicht notwendig ist. Ich habe oft gesagt, und ich werde es auch nachher noch einmal sagen, daß nach meiner Überzeugung diese Verträge und die Aufstellung eines deutschen Verteidigungsbeitrags die Sicherheit des deutschen Volkes nicht erhöhen, sondern mindern.
Sie können also nicht sagen: „wie es Ihnen gerade paßt", sondern ich habe ausdrücklich diesen Satz eingeleitet mit „wenn" und gesagt: Wenn man das Programm bejaht, dann muß man auch die Folgerungen ziehen.
Von hoher Regierungsseite wurde uns 1952 gesagt: Wenn wir kein Geld haben, dann müssen eben die militärischen Programme geändert werden, also verlangsamt werden. — Ja, ist denn dann plötzlich alles nicht mehr wahr, was von unserer bedrohten Lage gesagt worden ist?
Ist die Lage so bedrohlich — ich halte sie nicht für bedrohlich —, dann muß sich das militärische Programm nach der Lage richten, auch wenn der Lebensstandard gesenkt würde. Aber das muß man dann auch dem Volke sagen. Der Herr Bundeskanzler unterstrich gestern abend nachdrücklich die Gefahr. Wenn er recht hat — ich bin überzeugt, daß er nicht recht hat —, aber wenn er recht hat, warum dann nicht dem Volke wirklich die Wahrheit sagen und die Zahlen angeben, die angebbar sind? Denn dann bleiben imimer noch Unbekannte, die erst später bekanntwerden. Das ist doch ein Widerspruch, meine Damen und Herren. Politisch wird argumentiert: „Entweder Annahme der Pariser Verträge, dann Sicherheit, Frieden, Freiheit, Wiedervereinigung; oder Nein zu den Verträgen, dann Unfreiheit, Bolschewisierung Gesamtdeutschlands, Kriegsschauplatz. Aber, das deutsche Volk mag sich beruhigen: Auch durch die Aufrüstung wird sein Lebensstandard nicht sinken!"
Wenn aber das Rüstungsprogramm, wie man auch vom Amt Blank hören kann, besser langsam verwirklicht werden sollte, was ist dann noch von dem Argument der Bedrohung zu halten?
Ist die politische Voraussetzung richtig, muß die militärische Folgerung unverzüglich kommen. Wie passen langfristige Rüstungsprogramme in diese politische Konzeption? Sind die Beruhigungsversuche von Herrn Pferdmenges, von Herrn Schäffer, von Herrn Erhard richtig, — ja, warum strapazieren Sie uns dann und warum gestatten Sie uns dann nicht einmal eine Mittagspause?
Nein, es muß getagt werden! Die Verträge müssen unter Dach! Die Franzosen werden sich frühestens Mitte März mit der Sache beschäftigen, aber wir müssen den Sonnabend und den Sonntag dran, um die Verträge zu verabschieden. Da ist doch keine Musik drin, Herr Kollege Pferdmenges!
Nun sagte der Bundesfinanzminister gestern, wir machten einen Gedankenfehler. Damit muß ich mich jetzt kurz auseinandersetzen.
— Herr Kunze, ich gebrauche dafür soviel Zeit, wie ich glaube, gebrauchen zu müssen.
Die Höflichkeit vor dem Hause gebietet es mir, nicht zu schwafeln. Wenn Sie merken sollten, daß ich unsachliche Dinge sage, dann mag Ihre Anregung kommen, ich möge mich kürzer fassen. Solange das aber nicht der Fall ist, bitte ich, mich nicht durch solche Mahnungen zu stören.
Der Herr Bundesfinanzminister hat gesagt: Wir haben ja in Wirklichkeit bisher schon 13,1 Milliarden DM im Bundeshaushalt gehabt. Wenn Sie die
Vorbemerkungen zum Bundeshaushalt richtig gelesen haben — ich habe sie gelesen —, dann werden Sie dort aufgegliedert finden, daß außer dem Globaltitel von 9000 Millionen noch 4100 Millionen für Berlin, Bundesgrenzschutz, Besatzungsschäden, Ruhegehälter usw. anrechnungsfähig wären. Diese 13,1 Milliarden DM, sagte Herr Schäffer gestern, sind die Ausgangsziffer, die Sie nehmen müssen.
Dem Hörer wird dabei nicht klar, daß diese 4,1 Milliarden DM auch in Zukunft bleiben und daß sie mit Stationierungskosten nichts zu tun haben. Wir können also nur von dem Globaltitel von 9000 Millionen ausgehen. Sie haben, Herr Kollege Schäffer, den Eindruck erweckt — auch in Kiel und in Lübeck —, als ob damit — Sie sagten gestern wörtlich, das sei der Ausgangspunkt — etwas über das gesagt würde, was wir für die Aufrüstung zu leisten halben, und das war ein Gedankenfehler von Ihnen.
Recht haben Sie, indem Sie sich darum bemühen, bei den Alliierten nach den NATO-Grundsätzen auch das angerechnet zu bekommen, was anrechnungsfähig ist und was den andern Ländern angerechnet wird. Das ist klar. Aber wo kriegen Sie denn nun das Geld her für die Kosten der Aufrüstung? Diese 4,1 Milliarden, wie gesagt, haben wir bisher gezahlt, und Sie werden sie in Zukunft bezahlen; und wenn sie angerechnet werden sollten, was bleibt denn dann, frage ich mich, überhaupt noch übrig für die Aufstellung deutscher Divisionen? Herr Kollege Schäffer hat ja gestern, indem er mit idem Ausland verglichen hat, gesagt, da lägen wir mit unseren Leistungen schon über anderen Ländern.
Der zweite Gedankenfehler des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer ist folgender. Er sagt etwa: Wir haben von 1945 bis heute alles zusammen rund 87 Milliarden — R-Mark und D-Mark — an Besatzungskosten gezahlt, und wir haben gleichzeitig damit einen hohen Lebensstandard erreicht. — Also wir können das so mit der linken Hand machen. Hier tut er wiederum so, als ob diese Besatzungskosten nun einfach an die Stelle für den Verteidigungsbeitrag eintreten könnten, während doch in Wirklichkeit nur die vorhin von mir genannte Differenz für den Verteidigungsbeitrag eingesetzt werden kann.
Alle diese Bagatellisierungen gehen davon aus, daß die zusätzlichen Kosten kaum ins Gewicht fielen, zumindest aber von einem stetig steigenden Sozialprodukt — und die stetige Steigerung wird vorausgesetzt — aufgefangen würden. Ich nehme an, daß Kollege Kreyssig sich mit dieser Frage noch befassen wird; ich will jetzt darauf nicht eingehen, nur soviel sagen: So kann ein Sozialprodukt überhaupt nicht steigen, daß es so viel mehr abwürfe, um die Kosten für die Aufrüstung zu decken.
Einer meiner Freunde hat mir eben den Bericht des Kollegen Vogel heraufgereicht. Darin steht, Herr Vogel, für die Ausrüstung mit schweren und mittelschweren Waffen lägen USA-Zusagen in London in feierlicher Form vor. Es sei angedeutet worden, diese Ausstattung erfolge unentgeltlich in Erwartung auch entsprechender Anstrengungen der Bundesrepublik.
Sehen Sie, Herr Kollege Vogel, da haben Sie gesagt,
daß diese Ausstattung unentgeltlich erfolge, und Sie
haben von „Zusagen in feierlicher Form" gesprochen. Glauben Sie denn — das ist doch gestern hier
auch klar geworden —, daß eine Zusage, die ein
Außenminister gibt, für die Dauer bindend ist, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten Verpflichtungen über seine Amtszeit hinaus nicht eingehen kann? Wie kann man denn so etwas sagen? Und warum — ich habe es eingangs gesagt — begnügen Sie sich mit der feierlichen Verpflichtung, während Sie ohne Bedenken bereit sind, vertraglich alles zu unterzeichnen, was die anderen von Ihnen wollen?
Der dritte Gedankenfehler des Bundesfinanzministers ist dieser. Er sagt: „im Vergleich mit anderen Ländern". Diese Vergleiche mit anderen Ländern sind falsch. Die anderen Länder hatten nicht total abgerüstet, sie hatten ihre militärischen Verbände, ihre Kasernen, ihre Kraftwagen, ihre Waffen, ihre Uniformen. Wenn die Bundesrepublik aufrüstet, dann rüstet sie doch auf ohne irgendeine Grundlage,
wogegen die Alliierten jahrelang aus der laufenden Produktion mit Reparationen versorgt worden sind und dadurch ihre Volkswirtschaft leistungsfähiger in bezug auf die Rüstung ist als vorher.
Es ist richtig: auch andere Länder sind durch den Krieg und nicht zuletzt durch die Schuld der Deutschen sehr mitgenommen worden. Aber man muß die Dinge hier doch in der richtigen Relation sehen. Während jahrelang aus der deutschen Produktion zur Behebung der Kriegsschäden in die anderen Länder geliefert wurde, während demontiert wurde, während noch mehrere Monate nach Ausbruch des Korea-Krieges jeden Nachmittag 16 Uhr 15 durch die Sprengung des Kieler Ostufers die Stadt erschüttert wurde, da haben doch die anderen Mächte, mit denen der Herr Bundesfinanzminister jetzt vergleicht, ihre militärische Macht behalten, wenn auch nicht mit einer modernen Ausrüstung, die der Technik des heutigen Krieges entspricht. Wir dagegen müssen ganz von vorn anfangen, und was haben wir dann alles nachzuholen, von sozialen Leistungen abgesehen! Straßenbau und Autobahnen und Eisenbahnen und Wasserwirtschaft und Küstenschutz und Deichbau und Befreiung der Rinder von der Tuberkulose und Flurbereinigung und Siedlung, — Herr Gott, was haben wir für Aufgaben in unserem Lande! Das kann man doch nicht einfach mit der linken Hand abtun und sagen: Das können wir alles so machen.
— „Die Freiheit muß man sich was kosten lassen." Ich habe Ihnen vorhin bereits gesagt, daß ich zutiefst davon überzeugt bin, daß diese Verträge uns keine Freiheit bringen, und was mir keine Freiheit bringt, lasse ich mir nichts kosten.
— Nein, es soll niemand anders bezahlen. — Nun ja, über diese Grundtatsache ist hier im Hause keine Einigkeit herbeizuführen. Ich habe ja gestern gesehen, wie Sie bei den ernsthaftesten Ausführungen, die jedem eigentlich in den Kopf und in das Herz und in das Mark gehen müssen, gelacht oder mit dem Kopf geschüttelt haben.