Rede von
Prof. Dr.
Fritz
Hellwig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für Deutsche von der Saar, die in diesem Hause sind, ist es zunächst trotz aller Widersprüche und Gegensätze, die hier in dieser Saardebatte offenkundig werden, ein beruhigendes Gefühl, eine Übereinstimmung des Hauses in der grundsätzlichen Angelegenheit festzustellen, daß durch das Abkommen zum Statut der Saar die Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland und der Saarbevölkerung zum deutschen Volke nicht berührt wird. Das ist ja auch in der Londoner Schlußakte vom 3. Oktober 1954 erneut als Grundsatz anerkannt worden, daß nämlich die Grenzen Deutschlands vom 31. Dezember 1937 erst durch den Friedensvertrag geregelt werden können. Weiterhin ist übereinstimmend hier in diesem Hause zum Ausdruck gebracht worden, der Bundestag erwarte, daß, wie im Art. VI des Abkommens vorgesehen, die volle Freiheit der politischen Meinungsäußerung und die ungehinderte politische Betätigung von Parteien, Vereinen und Presse im Saargebiet hergestellt werden und aufrechterhalten bleiben, so daß sie weder vor noch nach der im Art. I des Abkommens vorgesehenen Volksabstimmung aus politischen Gründen verboten oder in ihrer Tätigkeit beschränkt werden dürfen, es sei denn, daß sie — das ist auch von den Sprechern der Sozialdemokratischen Partei in Erinnerung gerufen worden — darauf ausgehen, die politischen Freiheiten zu zerstören oder das Statut durch undemokratische Mittel zu ändern.
Diese in diesem Hause in völliger Einmütigkeit getroffenen Feststellungen sollten es auch denen, die, wie ich zugebe, völlig berechtigt schwerste Bedenken gegen Einzelheiten dieses Saarabkommens haben, doch möglich machen, die Rangordnung in der politischen Bedeutung zwischen der gesamteuropäischen Situation und der Notwendigkeit der gemeinsamen Verteidigung als dem vorberechtigten Ziel und der provisorischen Regelung der Saarfrage als dem sekundären Ziel zu erkennen.
Ich darf wohl als ein Deutscher aus dem Saargebiet, der nunmehr seit acht Jahren im Bundesgebiet — nachdem ihm die Heimkehr in das Saargebiet nach der Kriegsgefangenschaft verwehrt worden ist — sich um die Saarfrage und um das Wachhalten der gesamtdeutschen Verantwortung auch für die Saarbevölkerung. bemüht hat, einmal mit Dank auch hier feststellen, welcher Beitrag hier von allen politischen Gruppen zu diesem Ziel geleistet worden ist. Wir sollten aber, wenn wir diesen Beitrag nun wirklich realisieren wollen, doch erkennen, daß die Realisierung unseres Zieles der politischen Freiheiten der Saarbevölkerung und der freien Entscheidung der Saarbevölkerung für Deutschland nur im Rahmen unserer gesamteuropäischen Politik möglich ist. Ich sehe keinen anderen Weg. der Saarbevölkerung zu Hilfe zu kommen, als auf dem Wege über Europa und eine europäische Regelung. wie dies im übrigen auch von den verschiedensten politischen Gruppen seit
Jahren herausgestellt worden ist. Ich darf daran erinnern, daß das frühere Deutsche Büro für Friedensfragen unter dem Vorsitz des früheren Staatssekretärs Dr. Eberhard von Anfang an nur den Weg einer europäischen Regelung der Saarfrage als eines Interims bis zum Friedensvertrag herausgestellt hat, und ich darf weiterhin daran erinnern, daß eine der ersten politischen Oppositionsgruppen an der Saar, die Demokratische Partei Saar, die DPS, ja schon 1951 in ihrem Programm eine europäische Interimsregelung der Saarfrage bis zum Friedensvertrag verlangt hat.