Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte, daß ich nach den pathetischen Schlußworten des Herrn Kollegen v o n Merk a tz wieder sehr nüchtern werde; denn wir werden dieses Abkommen und diese Lage mit großer Nüchternheit zu prüfen haben. Ich muß mich deshalb auch dagegen wehren, daß Herr Kollege von Merkatz, wie andere vor ihm, es als ein bedeutungsvolles Ereignis gefeiert hat, daß man in Paris dem Ansinnen, endgültig auf die Saar zu verzichten, nicht Folge geleistet habe. Herr von Merkatz, Sie wissen genau so gut wie ich und wie
alle hier im Hause, daß Bundestag und Bundesregierung weder befugt noch in der Lage sind, einen solchen Verzicht auszusprechen.
Aber was mich veranlaßt, idas Wort zu ergreifen, sind die Ausführungen, die ,der Herr Bundeskanzler heute vor der Mittagspause in Erwiderung auf Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Max Becker gemacht hat. Der Herr Bundeskanzler hat von einer Zusage der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens aus dem Jahre 1947 gesprochen, daß diese beiden Staaten als solche die Forderungen Frankreichs hinsichtlich der Saar unterstützen würden. Der Herr Bundeskanzler hat dazu ausgeführt, durch dieses Abkommen sei es gelungen, jene Zusagen gegenstandslos zu machen; es sei ihm von zuständiger Stelle eröffnet oder bestätigt worden, daß die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien ihre Zusagen — wenn es solche Zusagen gab, füge ich ein — als durch das Saarstatut erledigt betrachteten. Meine Damen und Herren, es ist ungeheuer gefährlich, von solchen Zusagen zu sprechen; aber da die Rede auf diese Zusagen gekommen ist, so müssen wir uns damit auseinandersetzen und müssen vor allen Dingen eins sehen: Wenn es solche Zusagen irgendwie rechtsverbindlich oder gar völkerrechtsverbindlich geben sollte, so müßte jedermann unter uns klar sein, daß aus solchen Zusagen nur der Empfänger der Zusagen — und das ware die Französische Republik — die zusagenden Staaten entlassen könnte.
Ich bitte das zu bedenken, und ich bitte jetzt einmal klar zu sehen, was dazu in Frankreich gesagt worden ist.
In der amtlichen Begründung der französischen Regierung zum Saarabkommen vom 7. Dezember 1954 ist folgendes ausgeführt — ich darf diesen Absatz mit der freundlichen Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen —:
Es ist selbstverständlich, daß die französische Regierung bei den Verhandlungen über den Friedensvertrag, der in letzter Instanz die Gebietsgrenzen Deutschlands festsetzt und dessen auf die Saar bezügliche Bestimmungen der Saarbevölkerung zur Annahme unterbreitet werden, die Bestätigung dieses Statuts verlangen wird. Im Laufe der Verhandlungen wird die französische Regierung die Unterstützung der britischen und der amerikanischen Regierung gemäß den ausdrücklichen Zusicherungen in Anspruch nehmen, die ihr von diesen Regierungen schon am 10. April 1947 gegeben und seither erneut bestätigt worden sind.
Meine Damen und Herren, in der Assemblée nationale hat dann als Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses der Abgeordnete Jacques Vendroux dazu gesagt:
. . . haben wir
— führte er aus —
im Gegenteil keinerlei Grund, die früher eingegangenen Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten der Vergessenheit anheimfallen oder unbeachtet zu lassen, die viel weiter gehen als diese vorübergehende Garantie.
Ist es wirklich nötig,
— sagte Herr Vendroux —
noch einmal zu wiederholen, daß im Jahre 1946 Mr. Bevin und Mr. Byrnes und im Jahr 1947 General Marshall die Begründetheit des französischen Standpunkts anerkannt und für ihre Länder Verpflichtungen übernommen haben,
die 1950 erneut bekräftigt wurden? Worin bestehen diese Verpflichtungen?
— So fragt Herr Vendroux. —
Bei der Friedensverhandlung den französischen Standpunkt zu unterstützen!
Der französische Ministerpräsident jener Tage, Herr Mendès-France, hat am 23. Dezember 1954 in der dritten Sitzung der französischen Nationalversammlung dazu ausgeführt:
Die französische These ist,
— sagt Herr Mendès-France —
daß das jetzt vereinbarte Abkommen einfach in den Friedensvertrag zu übernehmen ist und ein integrierender Bestandteil dieses Friedensververtrages werden soll und daß die französische Regierung auf Grund der von unseren Alliierten von 1947 bis 1950 eingegangenen Verpflichtungen diese bitten wird, unsere Ansicht zu unterstützen, wenn der Friedensvertrag tatsächlich zur Verhandlung steht.
Ich muß wiederholen,
— sagt Monsieur Mendès-France —
damit man weder in diesem Lande noch im Ausland irgendein Mißverständnis darüber hat, daß die französische Regierung zu gegebener Zeit verlangen wird, daß die Bestimmungen des saarländischen Statuts in den Friedensvertrag ohne jede Änderung aufgenommen werden, und daß sie sich an keinem Friedensvertrag beteiligen wird, der nicht diese Forderung erfüllt.