Rede von: Unbekanntinfo_outline
es ist keine Lüge, diese Behauptung aufzustellen! Nach Zeitungsmeldungen haben Sie auf einer CDU-Versammlung gesagt, es sei eine gemeine Lüge,
zu sagen, dieses Saarabkommen sei ein Preis für die anderen Verträge. Die sachliche Untersuchung über die Entstehung dieses Abkommens zwingt zu der sachlichen Feststellung: Dieses Saarabkommen ist ein Preis für die französische Zustimmung zur Wiederaufrüstung der Bundesrepublik.
Ich kann verstehen, daß die CDU versucht, das abzuleugnen. Denn diese Entstehungsgeschichte wirft ja ein bezeichnendes Licht auf die optimistische Interpretation, die Sie von diesem Saarabkommen geben. Es ist für jeden vernünftigen Menschen schwer verständlich, warum Frankreich jahrelang einen hartnäckigen Druck auf die Bundesregierung hätte ausüben sollen, nur um uns an der Saar eine Basis für die Rückgliederung zu liefern. Herr Kollege Dehler hat in der ersten Lesung richtig festgestellt: dieser Druck war ja nur deshalb eingesetzt worden, um ein Plus für Frankreich zu erreichen, nicht aber ein Plus für uns. Ihre ganze optimistische Interpretation dieses Abkommens bricht zusammen, wenn man sich seine Entstehungsgeschichte genau ansieht.
Ich kann aus einem zweiten Grunde verstehen, weshalb Sie diese Hintergründe verwischen möchten. Das Junktim der französischen Politik ist nämlich durch sträfliches Mitverschulden der Bundesregierung zustande gekommen.
Ehe der erste Knopf an der Saarpolitik falsch geknöpft wurde und ehe die Bundesregierung es annahm, zusammen mit der Saar in den Europarat einzutreten, wäre es noch möglich gewesen, ein umgekehrtes Junktim aufzustellen, da wäre es möglich gewesen, vom Westen die Beachtung seiner eigenen Grundsätze zu verlangen, ehe man es annahm, in westliche Organisationen und Gemeinschaften einzutreten.
Aber, Herr Bundeskanzler, Sie haben es für richtiger gehalten, diese Forderung nicht zu stellen, und Sie sind in diese westlichen Gemeinschaften eingetreten, ohne das schlimme Saarproblem vorher zu bereinigen.
Und bei den Verträgen von Bonn und Paris von 1952 haben Sie dann eine solche Eile und eine solche Begierde an den Tag gelegt, diese Verträge verwirklicht zu sehen und zu den zwölf deutschen Divisionen zu kommen, daß die Franzosen einen zusätzlichen Preis von Ihnen verlangen konnten. Durch diese Politik der Eile mit den Verträgen ist das französische Junktim möglich geworden.
Dadurch haben Sie sich an der Situation mitschuldig gemacht, der Sie am 23. Oktober in Paris dann zum Opfer gefallen sind.
Darin, meine Damen und Herren, liegt doch etwas sehr Schlimmes. Die Bundesregierung hat es durch diese Politik möglich gemacht, daß im Westen Abmachungen getroffen werden, die im Gegensatz zu den Grundsätzen stehen, die wir vertreten, wenn wir uns an den Osten wenden. Wenn wir in Zukunft, wenn dieses Statut Wirklichkeit werden sollte, vor den Osten treten und freie Wahlen und Wiedervereinigung fordern, dann müssen wir — und ich meine den gesamten Westen — vor den Osten treten und sagen: Tut, was wir euch sagen, und tut nicht, was wir im Westen tun! Durch Mitschuld der Bundesregierung wird bei Annahme dieses Abkommens nicht nur für 'die deutsche Sache, sondern für die Sache der westlichen Freiheit überhaupt eine große Schlacht verloren.
Dr. Kurt Schumacher hat im Bundestag in einer Saardebatte einmal folgenden Satz gesagt:
Die stärkste Bedrohung des Friedens sowie der Freiheit und der Demokratie in Europa ist der mangelnde innere Ernst, mit dem man den eigenen Grundsätzen gegenübersteht.
Kurt Schumacher hat gefordert, daß man mit größtem innerem Ernst da zu den eigenen Grundsätzen steht, wo man zu Hause ist, im Westen, und das ist das Schlimmste an diesem Statut, daß hier nicht dieser innere Ernst gegenüber den eigenen Grundsätzen zu spüren ist. Da, Herr Bundeskanzler, liegt ein großer Unterschied zwischen dem verstorbenen Kurt Schumacher und Ihnen. Sie haben ihn in politischen Grundkonzeptionen in letzter Zeit für sich in Anspruch genommen. Ich muß sagen: Kurt Schumacher war — und das kommt auch in diesem Ausspruch zum Vorschein — das Gegenteil eines Opportunisten; und dieser Vertrag hier ist ein
Musterbeispiel des westlichen Opportunismus und des Verzichts auf bessere europäische Grundsätze. Wer hier zustimmt, macht sich des mangelnden Ernstes schuldig,
und er kann in Zukunft dem Osten nicht mit erhobenem Haupt gegenübertreten
und dort freie Wahlen und Wiedervereinigung fordern, wenn er hier im Westen, wo man damit Ernst machen kann, darauf verzichtet, freie Wahlen durchzusetzen und die Wiedervereinigung eines im Westen von Deutschland abgetrennten Gebietes sicherzustellen.