Ich darf Ihnen auch darauf antworten. In Paris ist von diesem Text im Zusammenhang mit Art. VI, also der Freiheit der Parteien, nicht die Rede gewesen. Der Herr Bundeskanzler hat nur von Art. I gesprochen, wo das Nicht-in-Frage-Stellen sich auf die Vertragspartner bezieht, nicht aber auf die Parteien. Und obschon es sich da nur auf die Vertragspartner bezieht, habe ich schon in Paris bei dieser Gelegenheit den Herrn Bundeskanzler gefragt: Nun, wie ist das aber mit den Parteien? Er hat da schon seine Interpretation gegeben, die wir aber auch in Paris nicht angenommen haben und die Sie wahrscheinlich genau so beunruhigt hat wie mich. Nicht wahr, Herr von Merkatz, Sie würden — —
— Gut, wir finden uns. Es freut mich, daß wir uns finden. Wir sind beunruhigt darüber, daß in diesem Statut freie Wahlen nicht klipp und klar, wie es doch sehr einfach möglich wäre, garantiert werden, sondern daß man einen Text gewählt hat, der — bitte, lesen Sie es doch! — von der französischen Regierung und von der Saarregierung als eine Legitimation für neue Unterdrückung angesehen wird.
Was vermögen Sie dagegen mit Ihren optimistischen
Interpretationen? Dagegen vermögen Sie nur eins:
daß Sie entweder unserem Antrag zustimmen, daß jetzt nachträglich diese Klarheit im Ratifikationsgesetz geschaffen wird, oder daß Sie dann, wenn die französische Regierung das nicht annimmt, eben das ganze Statut zu Fall kommen lassen. Und ich meine, ein Statut, das Deutschen freie' Wahlen verweigert, ist ein Statut, das es verdient, zu Fall zu kommen.
Nun, ich habe auf die Fragen geantwortet. Herr Sabel war gestern nicht so freundlich, mir eine Frage zu gestatten. Ich wollte ihn fragen, ob ihm ein Text bekannt sei, der von der American Federation of Labor kommt. Herr Lenz hat anscheinend einen anderen Text zitiert. Es handelt sich um „Internationale Freigewerkschaftliche Nachrichten", herausgegeben von der AFL.
Sehen Sie, in diesem Text steht über das Saarabkommen — und das paßt gut an diese Stelle in unserer Debatte —:
Das Saarabkommen ist undemokratisch, willkürlich, ungerecht und unvernünftig.
Es verletzt den Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker
sowie die Prinzipien der Atlantischen Charta
und der Charta der Vereinten Nationen.
Und noch ein Satz:
Wir fordern unsere Regierung auf, diese undemokratische und unvernünftige Regelung nicht zu garantieren.
So denkt die AFL über das Saarabkommen. Sie haben, Herr Sabel, offenbar die Absicht, die AFL für zuständig zu halten, wenn es sich um die deutsche Wiederaufrüstung handelt, aber nicht für zuständig zu halten, wenn sie etwas Wahres über das Saarstatut sagt.
Seit der ersten Lesung haben auch Verhandlungen über die wirtschaftlichen Bestimmungen des Saarabkommens stattgefunden. Diese Verhandlungen sind festgefahren, und der Dissens, der Désaccord ist in voller Größe geblieben. Der Regierungswechsel in Paris scheint den Unterhändlern geradezu willkommen gewesen zu sein: so bekamen sie eine neue Atempause.
Die Verhandlungen, die seit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens über das Statut der Saar geführt worden sind, haben unter sehr befremdlichen Umständen stattgefunden. Kurz vor der Unterzeichnung verhandelte Herr Johannes Hoffmann mit der französischen Regierung, und sie trafen Geheimabsprachen darüber, was in dem dann zu erarbeitenden Statut wirtschaftlich ausgemacht werden solle, welche wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Saargebiet und Frankreich weiterbestehen sollten und welche Konzessionen an die Bundesrepublik gemacht werden sollten. Das war sicher schon ein unfaires Vorgehen von seiten Frankreichs. Aber der Herr Bundeskanzler hat dann doch verhandelt und das Saarabkommen unterschrieben, obwohl ihm diese Geheimverhandlungen, die wenige Tage vorher stattfanden, bekannt waren. Nach diesen Abmachungen soll, um es kurz zu sagen, im Wirtschaftlichen und im wesentlichen alles beim alten bleiben. Die französische wirtschaftliche Vorherrschaft im Saargebiet soll erhalten bleiben.
Auch bei den Saargruben, auf diesem so wichtigen Sektor der saarländischen Wirtschaft, soll nichts Wesentliches geändert werden. Der Brief, der dem Text des Abkommens beigefügt ist, ist irreführend, denn er erweckt den Eindruck, als solle in Zukunft nach dem Willen der französischen Regierung die Gesellschaft der Saarbergwerke in rein saarländische Verwaltung überführt werden. Das ist keineswegs der Fall. Der Brief spricht nur davon, daß im Personal der Anteil der Bewohner des Saargebiets erhöht werden soll auf Kosten des Anteils der höheren französischen Verwaltungsbeamten, nichts mehr. Der Grubenrat und der Vorstand, die Gremien, die die gesamte Führung der Saarbergwerke in der Hand haben, sollen so zusammengesetzt bleiben, wie sie jetzt zusammengesetzt sind, nämlich 50 % Franzosen, 50% Saarländer, wobei man sich bei der Ausführung so einrichtet, daß aus den 50 % 51% werden.
Noch schlimmer war dann, daß die französische Regierung noch vor Inkrafttreten dieses Abkommens mit der Saarregierung in Verhandlungen über die Anwendung und Durchführung der wirtschaftlichen Bestimmungen dieses Statuts trat. Völlig gegen Treu und Glauben — das muß einmal hier mit aller Deutlichkeit gesagt werden — ging die französische Regierung vor Inkrafttreten des Abkommens daran, mit der Saarregierung Verhandlungen über die Durchführung des Art. XII zu führen. Wir haben nichts davon gehört, daß die Bundesregierung gegen dieses erstaunliche Verfahren Protest eingelegt hätte. Sie hat es vorgezogen, auf eine andere Art zu reagieren. Sie hat gesagt: Nun, wenn ihr schon verhandelt, dann will ich auch dabei sein. Sie hat sich über den Protest, den sie selbst und der 1. Deutsche Bundestag gegen die Wahlen von 1952 im Saargebiet ausgesprochen haben, hinweggesetzt, hat vergessen, daß sie selbst der Saarregierung die demokratische Legitimation abspricht, und .ist zu direkten Verhandlungen mit Ministern der Saarregierung und auch mit dem Herrn Ministerpräsidenten in Person übergegangen.
In dem Text des Abkommens, in der Präambel, wird die Saarregierung zum erstenmal zum indirekten Vertragspartner; jetzt werden schon direkte Verhandlungen geführt. Es soll dabei das Wort gefallen sein, man müsse auch mit dem Teufel verhandeln, wenn das der Sache dienlich sei.
In dieser Frage, meine Damen und Herren, lassen auch wir uns nicht vom Ressentiment leiten. Worauf es ankommt, das ist die Abwägung des Für und Wider bei solchen Verhandlungen. Wir wenden uns vor allem nicht dagegen, daß auf der Verwaltungsebene Gespräche geführt werden. Wir führen sie Gott sei Dank auch mit Pankow, und unsere höheren Beamten kommen häufig zusammen, um über den Interzonenhandel und Interzonenverkehr und ähnliches zu sprechen, und wir finden nichts dabei.
A) Das ist übrigens ein wichtiger Grundsatz — und ich weiß nicht, ob er von der Regierung anerkannt wird —: Wenn man schon der Meinung ist, daß man auch mit dem Teufel verhandeln müsse, sofern es politisch zweckmäßig sei, dann sollte man wohl auch nicht auf die Farbe des Teufels sehen.
Wenn man mit schwarzen Teufeln verhandeln kann, dann kann man vielleicht auch mit r o t en Teufeln verhandeln.
Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung sich dieser Konsequenz bewußt war, als sie dazu überging, mit schwarzen Teufeln Verhandlungen zu führen.
Aber bei der Abwägung des Für und Wider kommt es doch auf eines an: Wie wirken solche Verhandlungen vor allem auf diejenigen, die durch die Macht dieser schwarzen oder roten Teufel daran gehindert werden, sich mit uns in Freiheit wieder zu vereinigen? Wie wirken diese Verhandlungen auf die Menschen, die von diesem Polizeistaat Saar, Polizeiregime Johannes Hoffmann oder von Herrn Grotewohl in Pankow unterdrückt werden? Das ist nicht nur ein psychologischer Gesichtspunkt, das ist auch ein wichtiger politischer Gesichtspunkt. Denn wenn es einmal dazu kommt, daß die Bevölkerung um ihre Meinung gefragt wird, dann wird das Verhalten der Bundesregierung in dieser Frage sehr wesentlich sein für die Stärke der Reaktion in dieser Bevölkerung. Ich kann Ihnen mitteilen, daß im Saargebiet diese Verhandlungen von unseren Freunden dort als Dolchstöße in den Rücken
empfunden worden sind.
Das scheint mir doch ein wichtiger politischer Gesichtspunkt zu sein. Mir scheint, daß der andere, den es auch gibt, dagegen ganz in den Hintergrund treten müßte, daß nämlich einige ökonomische Nachteile entstehen könnten, wenn diese Verhandlungen geführt werden, ohne daß man dabei ist; wenn also da gewisse Fakten geschaffen würden, die man nachher auch mit einer Rechtsverwahrung nicht aus der Welt schaffen könnte.
Ich habe überhaupt immer bei den Verhandlungen und Besprechungen über dieses Saarstatut den Eindruck gehabt, daß man auf der Regierungsseite sehr viel mehr an ,den historischen Materialismus glaubt als auf unserer Seite. Man glaubt sehr viel mehr daran, daß ökonomische Vorteile entscheidender sein werden als politische Freiheiten. — Nun, Herr Hellwig, Sie winken ab. Sie gehören auch nicht immer zu denen, die dieses Saarabkommen verteidigen, und vielleicht glauben Sie mehr an die politische Freiheit als an die Wirksamkeit ökonomischer Vorteile. Es würde mich freuen, wenn es so wäre.
Bei diesen Wirtschaftsverhandlungen ist ein Problem völlig ungeklärt geblieben, nämlich das Reparationsproblem. Frankreich hat, als es sich das Saargebiet wirtschaftlich einverleibte, trotzdem Reparationsrechte an der Saar in Anspruch genommen. Bei der Reparationsagentur in Brüssel wurde sein Konto damals mit 70 Millionen Mark belastet, und Frankreich hat diese Belastung so ausgelegt, als ob es auch nach der wirtschaftlichen Eingliederung das Recht habe, Reparationen zu nehmen. Es hat sie dann nicht so genommen, wie
sie im übrigen Bundesgebiet genommen wurden — durch Demontagen —, sondern es hat die entsprechenden Werte gelassen und daraus Miteigentumsrechte in diesen Betrieben abgeleitet. Auf diese Weise hat man den Einfluß Frankreichs in der Saarwirtschaft wieder einmal verstärkt, und kürzlich haben wir ja alle Sorge darüber gehabt, was aus den Röchling-Werken werden würde, ob sie jetzt endgültig in französischen Besitz übergehen sollten.
Diese Schwierigkeiten sind gerade dadurch entstanden, daß Frankreich Reparationen auf widerrechtliche Art in Anspruch nahm. Die Bundesregierung hat sich auch gegen die französische Reparationspraxis an der Saar gewandt und in einer Note von 1951 eine Klärung des Problems verlangt. Auf diese Note ist seit 1951 bis heute keine Antwort erfolgt, und uns ist auch nicht bekanntgeworden, daß bei den Saarbesprechungen, die in letzter Zeit stattgefunden haben, die Gelegenheit wahrgenommen worden wäre, um dieses Problem, an dem auch ein so großes politisches Interesse besteht, einer Klärung zuzuführen.
Gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit, eine Bemerkung zu einer Sache zu machen, die schon viele Menschen in der Bundesrepublik beschäftigt und beunruhigt hat und die auch den Bundestag wiederholt beschäftigt hat, nämlich zu dem Problem der Posttarife zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet. Wir erheben Auslandsporto, wenn ein Brief oder eine andere Sendung ins Saargebiet gehen soll. Wir erheben Inlandsporto, wenn ein Brief in ,die sogenannte DDR gehen soll. Entgegen all unseren feierlichen Erklärungen — die ja auch jetzt wiederholt werden —, daß das Saargebiet deutsches Gebiet sei und zum deutschen Staatsgebiet gehöre, Inland und nicht Ausland sei, entgegen all diesen Versicherungen erheben wir Auslandstarife ins Saargebiet. Ich muß sagen, daß man in dieser Sache drüben in Pankow konsequenter war. Man hat unbekümmert darum, was Herr Hoffmann und seine Postverwaltung tun würden, immer konsequent Inlandsgebühren in dem Postverkehr mit dem Saargebiet erhoben.
Die Bundesregierung hat in dieser Frage wirklich einen beispiellosen Mangel an Mut bewiesen. Einen beispiellosen Mangel an Mut! Sie hat in der Praxis nicht zu ihrer Rechtsthese gestanden und nicht den Mut gehabt, die Postverwaltung anzuweisen, im Verkehr mit dem Saargebiet die Konsequenzen aus der Doktrin zu ziehen. Vielleicht kommt es jetzt, nachdem jetzt wieder versichert wird, daß das Saargebiet deutsches Gebiet auch nach diesem Statut bleibt. Vielleicht haben Sie jetzt den Mut, nachdem Sie auch das zusätzliche Argument Herrn Hoffmann, Ihrem Verhandlungspartner, entgegenhalten können, daß ja gleichartige Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet wie zwischen dem Saargebiet und Frankreich hergestellt werden sollen; zwischen dem Saargebiet und Frankreich gelten bekanntlich die Inlandstarife.
Nun zu einer anderen Frage. Ist dieses Statut ein europäisches Statut? Es ist unbestritten, daß das Saargebiet der Westeuropäischen Union unterstellt wird. Es ist richtig, daß in dem Text des Abkommens nicht von einem europäischen Territorium die Rede ist wie im Naters-Plan. Aber im Naters-Plan sowohl wie in der Übereinkunft, die 1954 in Straßburg zwischen Herrn Adenauer und Herrn Teitgen getroffen wurde, gab es dieses erste
Stadium der Europäisierung, der Europäisierung unter einer europäischen Institution mit einem Europäischen Kommissar. Ursprünglich haben die Vorkämpfer der Europäisierung des Saargebiets gar nicht daran gedacht, daß es in den Plänen der Europäer einmal eine politische Gemeinschaft geben würde, und sie dachten nur an den Kommissar, der vom Europarat zu benennen wäre. Darüber sind wir uns doch wohl alle immer im klaren gewesen, daß es bei dieser Europäisierung nie um eine echte europäische Idee ging. Es ging immer nur um eine Tarnung, es ging immer nur darum, eine alte nationalistisch-imperialistische Politik mit der Flagge Europas zu verhüllen. Nie haben doch auch Sie selbst daran geglaubt, daß es — auch wenn die politische Gemeinschaft gekommen wäre — eine echte europäische Notwendigkeit gewesen wäre, das Saargebiet zu einem europäischen Territorium zu machen.
In diesem Statut wird im Sinne derjenigen, die die Europäisierung forderten, das Ziel genügend erreicht. Herr Hoffmann ist zufrieden, und er glaubt, mit dieser Art von Europäisierung das Ziel erreichen zu können, das ihm immer vorschwebte, nämlich im Dienste des französischen Nationalismus die Europaidee auszuspielen gegen die Einheit des Volkes, gegen die Einheit der deutschen Nation. Auf dieser Europäisierung wird er reiten. Damit wird er schon den Kampf um die Abstimmung und damit wird er in Zukunft den gesamten politischen Kampf an der Saar führen. Er wird immer das wiederholen, was er jetzt schon in zahllosen Reden gesagt hat: Wir haben ein europäisches Statut, und auch im Friedensvertrag muß dieses europäische Statut erhalten bleiben.
Diesen Vorwurf müssen wir der CDU und der Bundesregierung machen, daß sie zwar gesehen hat, was hier gespielt wird, wie hier die Europa-Idee mißbraucht wird, was hier aus der Europäisierung gemacht werden soll, daß sie sich aber trotzdem auf Verhandlungen eingelassen hat. Sie hat gesehen, daß die Karten, mit denen gespielt wurde, gezinkte, europäisch gezinkte Karten waren, und trotzdem hat sie das Spiel mitgemacht.
Dieses Statut enthält solche Bestimmungen der Europäisierung, daß es von den andern ein europäisches Statut genannt und als ein europäisches Statut verwandt werden kann. Damit haben Sie der definitiven Abtrennung des Saargebiets von Deutschland nicht juristisch, aber politisch Vorschub geleistet. Man hofft damit auch im Friedensvertrag eine zusätzliche Karte in der Hand zu haben, um die definitive Abtrennung des Saargebiets von Deutschland auch dann 'durchsetzen zu können.
In gleicher Weise hat die Bundesregierung auch die Tendenz begünstigt, die Frankreich von Anfang an verfolgt hat, aus dem Saargebiet ein Völkerrechtssubjekt zu machen. Über Jahre und in geduldiger, raffinierter Arbeit hat es Frankreich verstanden, seinem Protektorat immer etwas mehr Anerkennung in Europa und in der Welt zu verschaffen. Die Bundesregierung hat dabei die Fakten mit gesetzt. Sie hat es damals angenommen, daß wir gleichzeitig mit dem Saargebiet in den Europarat eingetreten sind, und sie hat sich mit Rechtsverwahrungen gegen den Eintritt des Saargebiets begnügt. Wir alle, die wir in Straßburg tätig sind, wissen, welche Folgen 'das gehabt hat, wie sehr das dazu geführt hat, daß es einfach in das europäische Bewußtsein eingedrungen ist, daß es da ein besonderes Gebilde gibt, das nicht mehr
verschwinden soll, das angeblich auch von der Bevölkerung gewollt wird, und daß kein Grund bestehe, es wieder zu beseitigen.
Hier in diesem Abkommen werden erneut kleine Fakten zu diesem Faktischen hinzugetragen.
Inbesondere wird in Art. III dem Saargebiet eine neue und besondere Stellung in der Montanunion gegeben. Künftig sollen die Vertreter in der Gemeinsamen Versammlung dort selbständig auftreten, und im Ministerkomitee soll in Zukunft auch ein Fachminister der Saarregierung sitzen können. Da wird wieder etwas mehr getan, um aus dem Saargebiet doch einen Staat zu machen.
Gewiß ist es noch kein Staat, wie im Bericht de Auswärtigen Ausschusses festgestellt wird; aber wenn man sich eifrig weiter bemüht, wie man es bisher getan hat, dann kann es noch so weit kommen. Und die nächste Gelegenheit, die die Bundesregierung wahrscheinlich nicht verpassen wird, wird die Durchführung des Art. V sein, der den Verteidigungsbeitrag des Saargebiets betrifft, und wir sind gespannt, wann es zu den beiden Arten deutscher Soldaten, die es geben soll — hier westlich der Elbe und drüben östlich der Elbe —, noch eine dritte Art deutscher Soldaten im Saargebiet geben wird.
In der Begründung der Bundesregierung zu diesem Abkommen wird gesagt, es sei völlig klargestellt daß das Saargebiet nicht europäisiert werde und daß es innerhalb der Grenzen Deutschlands von 1937 verbleibe. Nun, für wen wird das klargestellt? Mir scheint, es wird nicht einmal für die CDU klargestellt und noch viel weniger für den Vertragspartner, und, meine Damen und Herren, es wird vor allem auch nicht klargestellt für die Deutschen an der Saar und dort auch wiederum nicht für Ihre politischen Freunde von der CDU. Und wenn Sie gesagt haben, Herr Kollege Lenz, man habe die Wahl gehabt, dieses Statut anzunehmen oder alles beim alten zu lassen, und es sei doch besser gewesen, es anzunehmen, so finden Sie sich da nicht in Übereinstimmung mit den Deutschen im Saargebiet. Unsere politischen Freunde dort sind übereinstimmend, einschließlich der CDU, der Meinung, es wäre besser gewesen, den alten Zustand noch etwas zu lassen, als die •deutschen Chancen dadurch zu verschlechtern, daß man dieses Statut annimmt.
— Das ist eine unbestreitbare Tatsache, was ich hier sage. Die Zustimmung Johannes Hoffmanns und seiner Leute und die Kirns haben Sie natürlich; Sie haben aber nicht die Zustimmung derjenigen, die bisher für den Verbleib des Saargebiets bei Deutschland eingetreten sind, Sie haben nicht einmal die von der CDU. Wenn Sie Ihre Behauptung, es werde nichts an der Zugehörigkeit zu Deutschland geändert, ernstnehmen wollen, müssen Sie dies zumindest in das Ratifikationsgesetz hineinschreiben. Daher auch dieser Punkt in unserem Antrag Umdruck 294. Sie müssen dort wenigstens wiederholen, daß an der Zugehörigkeit zu Deutschland und an der Staatsbürgerschaft der Deutschen im Saargebiet nichts geändert wird.
Sie sagen dann: Das geht nicht; dann wird alles in Frankreich gefährdet, und wir dürfen höchstens platonische Erklärungen zur dritten Lesung ab-
geben. Sogar das scheint schließlich gefährdet zu sein. Im Auswärtigen Ausschuß zumindest durfte nicht einmal eine Entschließung zu dem Saarabkommen angenommen werden. Daraus kann man doch schließen, wie man den Vertragspartner einschätzt, und daraus kann man ersehen, wie er die Dinge beurteilt: daß er keineswegs der Meinung ist, das Saargebiet verbleibe bei Deutschland, und daß er keineswegs der Meinung ist, die Deutschen im Saargebiet blieben Deutsche.
Ich muß einige Worte zu dem „Prunkstück" des Abkommens sagen, das auch Herr Lenz hier gebührend hervorgehoben hat. Es handelt sich um den Art. IX, worin bestimmt wird, daß etwaige Bestimmungen über das Saargebiet im Friedensvertrag seiner Bevölkerung in einer Volksabstimmung zur Billigung vorgelegt werden sollen. Die Bundesregierung hat in ihrer amtlichen Begründung diesen Text so ausgelegt, daß damit der Wille der Saarbevölkerung als letztlich maßgebend anerkannt werde, und sie hat das so hoch eingeschätzt, daß sie deswegen auch das erste Plebiszit mit in Kauf genommen habe.
Man muß sich fragen, ob Art. IX wirklich das leistet, was er nach dieser Interpretation leisten soll. Ich würde nicht leugnen, daß Art. IX seine Nützlichkeit hat, aber auf anderem Gebiet. Er stellt nämlich das Statut in bezug auf seine Dauer tatsächlich in Frage: Es wird noch einmal darüber geredet, und es wird noch einmal darüber abgestimmt. Insofern ist das, was vereinbart ist, nicht das letzte Wort; 'das ist richtig. Es ist aber falsch, daß durch diesen Artikel die Saarbevölkerung das Recht bekäme, bei Deutschland zu verbleiben und die faktische Rückgliederung durchzusetzen auch dann, wenn die Mächte, die den Friedensvertrag abschließen, etwas anderes bestimmen sollten.
Nach diesem Text kann die Saarbevölkerung billigen oder verwerfen. Hier muß man, um das in seinem Wert beurteilen zu können, die französische Strategie sehen, die bei den Debatten im Parlament drüben klar zutage getreten ist. Frankreich glaubt, beim Friedensvertrag sehr stark dadurch zu sein, daß es von seiner Zustimmung abhängt, ob ein Friedensvertrag zustande kommt, ob also die Wiedervereinigung Deutschlands nach Osten hin zustande kommt, und glaubt, aus dieser starken Position heraus auch eine gesamtdeutsche Regierung zum Verzicht auf das Saargebiet zwingen zu können.
Und — so folgert Frankreich — wenn es in der Lage ist, eine gesamtdeutsche Regierung zu zwingen, zu einem Verzicht ja zu sagen, dann wird es zusammen mit dieser gesamtdeutschen Regierung auch in der Lage sein, die Bevölkerung des Saargebietes zu einem Ja zu bewegen, wobei dann das Europäische Statut — Europa, große Sache! — besondere Dienste leisten würde.
Herr Lenz hat hier soeben schon von dieser interessanten Diskussion im französischen Parlament zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Abgeordneten Liautey gesprochen.