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    2. Deutscher Bundestag — 69. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1955 3511 69. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1955. Erweiterung der Tagesordnung 3511 D Geschäftliche Mitteilungen 3531 B Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . 3584 A Urlaubsgesuche (Anlage 2) 3584 A Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 148 (Drucksachen 1174, 1220) . 3512 A Einspruch des Abg. Dr. Greve gegen den ihm in der 68. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck 295) . . . 3512 A, 3584 A Zweite Beratung der Gesetzentwürfe betr. Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 1000, zu 1000), Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1060), Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (Drucksache 1061; Umdruck 293), das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksache 1062; Umdruck 294); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 1200) . . . 3512 A, 3584 C, 3585 Zur Geschäftsordnung: Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 3512 B Kiesinger (CDU/CSU) 3513 B Ablehnung des Antrags auf Absetzung von der Tagesordnung . . . . . . . 3513 D Berichterstattung: Dr. Furler (CDU/CSU): als Generalberichterstatter . . . 3513 D Schriftliche Berichte . . . . 3588, 3624 Brandt (Berlin) (SPD): als Generalberichterstatter . . 3525 A Schriftlicher Bericht 3626 Dr. Pfleiderer (FDP): als Generalberichterstatter . . 3528 D Schriftlicher Bericht 3646 Erler (SPD), Berichterstatter (Schrift- licher Bericht) 3614, 3642 C Dr. Wahl (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftliche Berichte) 3617 B, 3645 A, 3658 A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter (Schriftliche Berichte) . . 3619 B, 3645 C, 3660 A Dr. Jaeger (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 3636B, D, 3643 C Sachgliederung der Beratung: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 3531 B Wiedervereinigung Deutschlands: Kiesinger (CDU/CSU) . 3531 C Unterbrechung der Sitzung . 3538 A Wehner (SPD) 3538 B Euler (FDP) 3546 D Lemmer (CDU/CSU) . . . 3551 C, 3552 B Könen (Düsseldorf) (SPD) 3552 A, B, 3575 D Seiboth (GB/BHE) 3553 C von Merkatz (DP) 3556 C Sabel (CDU/CSU) . 3560 C, 3562 D, 3582 A Erler (SPD) . . . . 3562 C, 3568 D, 3569 B Brandt (Berlin) (SPD) 3563 B Strauß, Bundesminister für besondere Aufgaben . . . 3568 B, D, 3569 B, 3575 C, D, 3577 C, 3578 A Kahn-Ackermann (SPD) 3575 B Wienand (SPD) 3577 C, 3578 A Hansen (Köln) (SPD) . 3581 B, 3582 A, C, 3583 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . 3583 C Weiterberatung vertagt 3583 D Nächste Sitzung 3583 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 3584 A Anlage 2: Urlaubsgesuche . 3584 A Anlage 3: Einspruch des Abg. Dr. Greve gegen den ihm in der 68. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck 295) . . . . 3584 A Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Gesetzentwurf betr. das Abkommen über das Statut der Saar (Umdruck 294) 3584 C Anlage 5: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über die Gesetzentwürfe betr. Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes, Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik, Beitritt der Bundesrepublik zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag und Abkommen über das Statut an der Saar (Drucksache 1200) . 3585 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Demmelmeier Leibfried. Anlage 2 Urlaubsgesuche Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Dr. Hesberg für vier Wochen Dr. Maier (Stuttgart) für zwei Monate. Anlage 3 Umdruck 295 (Vgl. S. 3512 A) Abgeordneter des Deutschen Bundestages Dr. Otto-Heinrich Greve Bonn, den 23. Februar 1955 Bundeshaus An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages im Hause Sehr geehrter Herr Präsident! Gegen den mir in der 68. Sitzung des Deutschen Bundestages von Herrn Vizepräsidenten Dr. Jaeger erteilten Ordnungsruf lege ich hiermit gemäß § 43 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Einspruch ein. Ich bekenne mich zu dem Zwischenruf: „Der hat es gerade nötig!", den ich gemacht habe, als Herr Vizepräsident Dr. Jaeger Herrn Abgeordneten Walter das Wort erteilte. Ganz abgesehen davon, daß das von Herrn Vizepräsidenten Dr. Jaeger angewandte Verfahren, mir den Ordnungsruf auf meinen Hinweis erst dann zu erteilen, nachdem er zuvor die Äußerung gemacht hat, daß er nicht wisse, wer den Zwischenruf gemacht habe, meines Erachtens nicht ordnungsgemäß ist, bin ich der Auffassung, daß ich durch den von mir gemachten Zwischenruf die Ordnung nicht verletzt habe. Mit meinem Zwischenruf habe ich ausdrücken wollen und auch nur ausgedrückt, daß ich, nach dem, was der Abgeordnete Walter bisher im Deutschen Bundestag in Reden gesagt hat, der Auffassung bin, daß gerade er es nicht nötig hat, zu dem Problem der Aberkennung des Mandates des in den sowjetischen Machtbereich übergegangenen Schmidt-Wittmack zu sprechen. Dadurch konnte die Ordnung des Hauses nicht verletzt werden. Ich bitte den Bundestag zu veranlassen, den mir von Herrn Vizepräsidenten Dr. Jaeger erteilten Ordnungsruf aufzuheben. Mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung bin ich Ihr sehr ergebener Greve Anlage 4 Umdruck 294 (Vgl. S. 3512 A) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksachen 1200 Ziffer IV, 1062): Der Bundestag wolle beschließen: 1. Nach Artikel 1 ist der folgende Artikel 1 a einzufügen: Artikel 1 a (1) Das Abkommen berührt weder die staats- und völkerrechtliche Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland noch die deutsche Staatsanangehörigkeit der an der Saar ansässigen Personen, die am 9. Mai 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen oder von solchen Personen abstammen. (2) Artikel VI des Abkommens stellt sicher, daß die politischen Parteien, die Vereine und die Presse keiner Genehmigung unterworfen sein werden und weder vor noch nach der in Artikel I des Abkommens vorgesehenen Volksabstimmung aus politischen Gründen verboten oder in ihrer Tätigkeit beschränkt werden können, soweit sie nicht darauf ausgehen, die politischen Freiheiten zu zerstören oder das Statut durch undemokratische Mittel zu ändern. 2. In Artikel 2 wird dem Satz 1 der folgende Halbsatz angefügt: ; sie treten in Kraft, sobald beiderseits die Ratifikationsurkunden namens der französischen Republik und namens der Bundesrepublik Deutschland hinterlegt sind. 3. Nach Artikel 2 ist der folgende Artikel 2 a einzufügen: Artikel 2 a Vor Hinterlegung der Ratifikationsurkunde ist durch Verhandlungen mit der Regierung der französischen Republik klarzustellen, daß das Abkommen den Artikel 23 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (Bundesgesetzbl. S. 1) nicht berührt und eine an der Saar frei gewählte Volksvertretung befugt bleibt, dieses Grundgesetz durch Beitritt auch für die Saar in Kraft zu setzen. 4. In Artikel 3 wird der bisherige Wortlaut Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. gestrichen und durch folgende neue Fassung ersetzt. Artikel 3 (1) Bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde ist dieses Gesetz der Regierung der französischen Republik zu notifizieren. (2) Dieses Gesetz tritt am gleichen Tage in Kraft, an dem das Inkrafttreten des Abkommens im Bundesgesetzblatt bekanntgegeben wird. Bonn, den 23. Februar 1955 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 zu Drucksache 1200 (Vgl. S. 3512 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) über die Entwürfe eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1000, zu 1000), eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1060), eines Gesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (Drucksache 1061), eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar (Drucksache 1062) INHALTSVERZEICHNIS Seite Erläuterung zum Aufbau des Gesamtberichts 3587 I. Entwurf eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 1000, zu 1000 — a) Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) Generalberichterstatter: Abgeordneter Dr. Furler . . . 3588 b) Besondere Berichte beteiligter Ausschüsse 1. Besonderer Bericht des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit (6. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Erler 3614 2. Besonderer Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl (Mehrheitsauffassung) 3617 B Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt (Minderheitsauffassung) 3619 B II. Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 1060 — Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) Generalberichterstatter: Abgeordneter Dr. Furler 3624 III. Entwurf eines Gesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag — Drucksache 1061 — a) Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) Generalberichterstatter: Abgeordneter Brandt (Berlin) . 3626 b) Besondere Berichte beteiligter Ausschüsse 1. Besonderer Bericht des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit (6. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Erler 3642 C Abgeordneter Dr. Jaeger 3636 B, D, 3643 C 2. Besonderer Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl (Mehrheitsauffassung) 3645 A Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt (Minderheitsauffassung) 3645 C IV. Entwurf eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar — Drucksache 1062 — a) Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) Generalberichterstatter: Abgeordneter Dr. Pfleiderer . 3646 b) Besonderer Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl (Mehrheitsauffassung) 3658 A Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt (Minderheitsauffassung) 3660 A Erläuterung zum Aufbau der Berichterstattung Der Deutsche Bundestag überwies durch Beschluß in seiner 62. Sitzung am Donnerstag, dem 16. Dezember 1954, die Entwürfe eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 1000, zu 1000 — eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 1060 — eines Gesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag — Drucksache 1061 — eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar — Drucksache 1062 — an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) — federführend — Ausschuß für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß) Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) Haushaltsausschuß (18. Ausschuß) Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit (6. Ausschuß) Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (8. Ausschuß) In einer gemeinsamen Besprechung kamen die Vorsitzenden und die Berichterstatter des federführenden Ausschusses und der beteiligten Ausschüsse überein, die Generalberichte des Auswärtigen Ausschusses in verschiedenen Fällen durch eine besondere Berichterstattung beteiligter Fachausschüsse zu einzelnen Vertragsteilen oder Fragenkomplexen zu ergänzen. Im Sinne dieses Übereinkommens wurden einzelnen Generalberichten als Anlagen besondere Berichte des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) Fragen der europäischen Sicherheit (6. Ausschuß) beigefügt. Insgesamt wurden der Beratung des Vertragswerkes 16 Sitzungen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten 7 Sitzungen des Ausschusses für Wirtschaftspolitik 5 Sitzungen des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen 4 Sitzungen des Haushaltsausschusses 9 Sitzungen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht 5 Sitzungen des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen 9 Sitzungen des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit und 4 Sitzungen des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung gewidmet. Der Ausschuß für Besatzungsfolgen erstattete dem federführenden Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten auf eine dementsprechende Bitte hin ein Gutachten zu den im Vertragswerk enthaltenen besatzungsrechtlichen Fragen. Diese Stellungnahme wurde durch die Generalberichte des Abgeordneten Dr. Furler zu Drucksache 1000 (Deutschlandvertrag) und Drucksache 1060 (Aufenthaltsvertrag) berücksichtigt. 1. Entwurf eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksachen 1000, zu 1000 - a) Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) Generalberichterstatter : Abgeordneter Dr. Furler A. Vorbemerkungen 1. Die Bundesrepublik erstrebt seit ihrer Entstehung, das auf ihr lastende Besatzungsregime der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und der Französischen Republik zu beseitigen. Diese Politik führte über das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949 und die New Yorker Deutschlanderklärung der drei Westmächte vom 19. September .1950 zu jenen langwierigen Verhandlungen, deren Ergebnis der am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichnete Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten war, einschließlich der Verträge über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland, des Finanzvertrages, des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen und der zu den Verträgen gehörigen Briefe und Briefwechsel. Dieser Vertragskomplex, zu dem noch das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder und das Protokoll vom 26. Juli 1952 über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts kamen, wurde durch die Gesetze vom 28. März 1954 (BGBl. II S. 57 ff. und 332 ff.) in der Bundesrepublik publiziert. Er konnte aber nicht endgültig und für alle Vertragsstaaten verwirklicht werden, weil er nicht allein politisch, sondern auch rechtlich mit dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27. Mai 1952 verbunden war, gegen den sich die französische Nationalversammlung am 30. August 1954 entschied. Im Mittelpunkt der Verhandlungen in den Monaten September und Oktober 1954 stand nicht die Frage der Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik. Die Westmächte wären bereit gewesen, die hier in Betracht kommenden Verträge mit unverändertem materiellen Inhalt in Kraft treten zu lassen. Die Bundesregierung lehnte dies ab, da nach ihrer Auffassung die gewandelte politische Situation und vor allem die für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft gefundene Ersatzlösung sich auch auf die Regelung der Fragen auswirken mußte, die mit der Beendigung des Besatzungsregimes zusammenhingen. Die Londoner Schlußakte vom 3. Oktober 1954 und die Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954 gestalteten den Deutschlandvertrag und die mit ihm verbundenen Abkommen nicht völlig um, was weder erforderlich noch zeitlich möglich war. Sie brachten lediglich Abänderungen der hier in Betracht kommenden Bonner Verträge, die in dem Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland und in den 5 Listen niedergelegt sind, die mit dem Protokoll verbunden sind. Der Vertragskomplex soll in der so geänderten Fassung gleichzeitig und unabhängig von den Vereinbarungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag in Kraft treten. Die Verträge, die Gegenstand des Gesetzentwurfes in Drucksache 1000 sind, verbinden alte und neue Inhalte und Formulierungen, die aus dem Jahre 1952 stammen, mit solchen, die erst auf der Pariser Konferenz entstanden sind. Nach Auffassung des Auswärtigen Ausschusses muß bei der Auslegung und Wertung der Verträge diese besondere Entstehungsgeschichte berücksichtigt werden. 2. Soweit die Verträge des Jahres 1952 unverändert übernommen wurden, behalten die früheren Texte und die zu ihnen entstandenen gesetzgeberischen Materialien ihre Bedeutung, was im besonderen von dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten — Drucksache Nr. 3900 der 1. Wahlperiode des Deutschen Bundestages — gilt. Im Vordergrund der Beratungen des Auswärtigen Ausschusses und der mitberatenden Ausschüsse standen die in Paris durchgeführten Änderungen der Verträge. Der Schwerpunkt dieses Berichts liegt daher auch in der Darstellung und in der Beurteilung dieser umgestalteten Normen. Zum Verständnis darf noch gesagt werden: Der Bericht wiederholt nicht die Ausführungen der Regierungsbegründung zur Drucksache 1000, die neben ihm selbständige Bedeutung behält. Er ist sich auch dessen bewußt, daß Wortlaut und Inhalt der Verträge für den Bundestag nicht abänderbar sind. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Zustimmungsgesetzes stellt vor eine politische Gesamtentscheidung, was den Auswärtigen Ausschuß und die mitberatenden Ausschüsse aber nicht verhindert hat, zu allen wesentlichen Einzelheiten der Verträge wertend Stellung zu nehmen. B. Die Londoner Schlußakte vom 3. Oktober 1954 1. Die Zustimmungsgesetze beziehen sich nur auf die in Paris am 23. Oktober 1954 unterzeichneten Verträge. Sie befassen sich nicht mit der Londoner Schlußakte, die lediglich der Begründung des Gesetzes zu Drucksache 1000 als Anlage A bei- (Dr. Furler) gefügt ist. Die Bundesregierung hält eine Ratifizierung der Londoner Schlußakte nicht für erforderlich. Der Auswärtige Ausschuß schloß sich dieser Auffassung an, die davon ausgeht, daß von allen in London zustande gekommenen Vereinbarungen und Erklärungen nur eine, die aber nicht ratifikationsbedürftig ist, nicht Gegenstand der Pariser Verträge wurde. Es handelt sich um die in Teil I Deutschland enthaltene Grundsatzerklärung der Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten, die lautet: „In der Überzeugung, daß einem großen Land nicht länger die Rechte vorenthalten werden dürfen, die einem freien und demokratischen Volk von Rechts wegen zustehen; und in dem Wunsche, die Bundesrepublik Deutschland als gleichberechtigten Partner mit ihren Bemühungen um Frieden und Sicherheit zu vereinigen; wünschen die Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika, das Besatzungsregime so bald wie möglich zu beenden. Zur Erfüllung dieser Politik bedarf es der Regelung von Einzelfragen, um mit der Vergangenheit abzuschließen und die Zukunft vorzubereiten, und des Abschlusses entsprechender parlamentarischer Verfahren. In der Zwischenzeit weisen die drei Regierungen ihre Hohen Kommissare an, unverzüglich im Geiste dieser Politik zu handeln. Insbesondere werden die Hohen Kommissare keinen Gebrauch von den Befugnissen machen, die aufgegeben werden sollen, es sei denn im Einvernehmen mit der Bundesregierung; dies gilt nicht auf den Gebieten der Abrüstung und Entmilitarisierung und in Fällen, in denen die Bundesregierung aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, die Maßnahmen zu treffen oder die Verpflichtungen zu übernehmen, die in der vereinbarten Abmachung vorgesehen sind." Diese Erklärung beseitigte schon in London in weitem Umfange de facto das Besatzungsregime, eine tatsächliche Entwicklung anerkennend und sie zugleich weiterführend. Mit dem Inkrafttreten des Deutschlandvertrages und seiner Zusatzverträge endet die Bedeutung dieser Erklärung, da alsdann das Besatzungsregime auch rechtlich und endgültig aufgehoben wird. Die Grundsatzerklärung behält aber für die Auslegung der Pariser Verträge ihren Wert, da in ihr die westlichen Mächte aussprechen, die Aufhebung des Besatzungsregimes erfolge, um die Bundesrepublik zu einem gleichberechtigten Partner zu machen, mit dem sich die drei Mächte assoziieren, und um ihr die Rechte nicht länger vorzuenthalten, die einem freien und demokratischen Volke „von Rechts wegen zustehen". Im übrigen ging der Inhalt der Londoner Schlußakte teils wörtlich, teils in eingehender vertraglicher Detaillierung in die Pariser Verträge über. Diese Verträge konsumieren damit die Londoner Schlußakte, deren Gehalt Gegenstand dieser Verträge wurde und mit ihnen ratifiziert wird. 2. Es erscheint notwendig, die in Ziff. 1 des Teiles V der Londoner Schlußakte enthaltene Erklärung der Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs schon hier zu besprechen. Diese Erklärung ist zwar nicht in die Vertragsgruppe zu Drucksache 1000, wohl aber in die Entschließung betreffend die Zustimmungserklärung der übrigen Parteien des Nordatlantikvertrages — Drucksache 1061 S. 66 ff. — und in Abs. 4 der Präambel des Protokolls zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Bundesrepublik aufgenommen worden. Sie steht aber in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Verträgen zu Drucksache 1000. Sie war sowohl im Auswärtigen Ausschuß wie im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht Gegenstand eingehender Erörterungen und lautet: Die drei Mächte erklären, daß sie die Regierung der Bundesrepublik Deutschland als die einzige deutsche Regierung betrachten, die frei und rechtmäßig gebildet und daher berechtigt ist, für Deutschland als Vertreterin des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten zu sprechen. Dieser Satz findet sich erstmals und wörtlich in der New Yorker Deutschlanderklärung der drei alliierten Westmächte vom September 1950. Wie aus den Darlegungen der deutschen, die Londoner Verhandlungen führenden Delegierten hervorgeht, wurde diese Erklärung deshalb in die Londoner Schlußakte aufgenommen und später in die Pariser Verträge übernommen, weil die neuen Abmachungen die New Yorker Deutschlanderklärung aufheben sollten, wobei jedoch der hier formulierte Gedanke an keiner anderen Stelle der Vertragswerke zum Ausdruck gekommen wäre. Zur Fixierung des sachlichen Gehalts und der Bedeutung dieser Erklärung ist zunächst festzustellen, daß sie sich nicht auf die Beendigung des Besatzungsregimes und diejenigen Fragen bezieht, die mit der Souveränität der Bundesrepublik zusammenhängen, so daß sie für den Art. 1 des Deutschlandvertrages nicht von Bedeutung ist. Die Norm hat eine besondere Legitimation der Regierung der Bundesrepublik zum Gegenstand. Sie befaßt sich nicht mit dem an sich selbstverständlichen und mit der Souveränität unbegrenzten Recht der Bundesregierung, in internationalen Angelegenheiten für die Bundesrepublik zu handeln, sondern mit der Zuständigkeit der Bundesregierung, für das gesamte Deutschland und für das gesamte deutsche Volk aufzutreten. Die Mächte verleihen hier der Bundesregierung keine Legitimation, da ihr diese, wie es auch der Auffassung des Auswärtigen Ausschusses entspricht, schon zusteht. Sie — und durch die Übernahme auch die übrigen Staaten der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft — erkennen aber diese Legitimation im Rahmen ihrer Erklärung an, wobei sie zur Begründung ihrer Haltung auf die Tatsache abheben, daß die Regierung der Bundesrepublik die einzige deutsche Regierung ist, die frei und rechtmäßig gebildet wurde. Über den sachlichen Umfang dieser gesamtdeutschen Legitimation der Bundesregierung konnte im Auswärtigen Ausschuß eine übereinstimmende Meinung nicht erzielt werden. Der These, dieses „sprechen" bedeute die Fähigkeit, Gesamtdeutschland zu berechtigen und zu verpflichten, stand die Auffassung gegenüber, die Erklärung erkenne zum mindesten kein Recht der Bundesrepublik an, für Gesamtdeutschland Verpflichtungen zu übernehmen oder unmittelbare Verfügungen zu treffen. Im Jahre 1950 haben die drei westlichen Mächte zu dieser Legitimationserklärung eine Interpretation zu Protokoll gegeben. Durch Auseinandersetzungen in der französischen Nationalversammlung entstand die Frage, ob dieses Interpretationsprotokoll auch für die in die Londoner Schlußakte (Dr. Furler) und die Pariser Verträge zwar mit gleichem Wortlaut, aber neu aufgenommene Erklärung maßgeblich sei. Der Auswärtige Ausschuß lehnte eine solche Auffassung ab, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Die Erklärung wurde in New York von den Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs abgegeben und in einem nicht veröffentlichten Protokoll interpretiert. In London erfolgte die Erklärung ohne jede Bezugnahme auf jenes Protokoll. 2. Diese Erklärung wurde in Paris von den übrigen Staaten der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft als sie verpflichtend anerkannt, die das Interpretationsprotokoll nicht übernommen hatten. 3. Die Interpretation des Jahres 1950 ergab sich aus einer politischen Situation, die 1954 überholt war und die auch dem völkerrechtlichen Status der Bundesrepublik nicht entspricht, die nach dem Willen der interpretierenden Mächte gerade durch die Pariser Verträge grundlegend verändert werden soll. Die Erklärung des Teiles V Ziff. 1 der Londoner Schlußakte ist daher ausschließlich aus ihrem Wortlaut und aus ihrem Zusammenhang mit den Vertragswerken von London und Paris zu verstehen. C. Das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland 1. Wie schon dargelegt, wurde der Komplex des Deutschlandvertrages in Paris nicht in vollem Umfang neu formuliert. Man schuf einen Rahmenvertrag, das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes, und verband mit diesem 5 Listen, die diejenigen Bestimmungen enthalten, die in den Verträgen vom 26. Mai 1952 durch Streichung, Umformung oder Ergänzung verändert warden sind. Wie den Bonner Verträgen, so wurden auch dem Protokoll vom 23. Oktober 1954 Briefe und Briefwechsel beigefügt, die die neuen Abmachungen ergänzen und zugleich klarstellen, in welchem Umfange die entsprechenden Urkunden vom 26. Mai 1952 aufrechterhalten bleiben. Art. 1 des Protokolls ist also für die endgültigen Texte der Verträge maßgeblich. 2. Die Einleitungsformel des Protokolls führt die vier vertragschließenden Staaten in der international üblichen Reihenfolge auf. Sie stellt damit die Gleichberechtigung der Vertragschließenden klar. Auch der Deutschlandvertrag, der Truppenvertrag, der Finanzvertrag, der Überleitungsvertrag und das Steuerabkommen weisen diese Formel auf, während früher einleitend überall gesagt worden war, daß die Bundesrepublik Deutschland einerseits und die drei westlichen Mächte andererseits die Verträge schließen. Mit der Gleichberechtigung entfällt auch die blockbildende Gegenüberstellung. 3. Das Protokoll hebt die frühere rechtliche Verbindung, also das Junktim, zwischen dem Komplex des Deutschlandvertrages und demjenigen des deutschen Verteidigungsbeitrages auf. Nach Art. 1 treten die zu Drucksache 1000 gehörigen Verträge zugleich mit dem Protokoll in Kraft. Act. 3 Abs. 2 aber bestimmt, daß das Protokoll und die ergänzenden Dokumente mit der Hinterlegung ,der Ratifikations- oder Genehmigungsurkunden aller Unterzeichnerstaaten in den Archiven der Regierung der Bundesrepublik Deutschland in Kraft treten. Der Auswärtige Ausschuß war sich allerdings darüber einig, daß die Aufhebung des rechtlichen Junktims durch eine tatsächliche und politische Verbindung aller Pariser Verträge an Bedeutung verlieren kann. 4. Art. 2 des Protokolls enthält besondere Vorschriften über die Rechte der drei Westmächte auf den Gebieten der Abrüstung und der Entmilitarisierung. Er behandelt das Schicksal dieser Rechte bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag, von welchem Zeitpunkt an die bisherigen Rechte erlöschen und durch die besonderen Bestimmungen der Verteidigungsabmachungen ersetzt werden. Bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag bleiben die hier in Betracht kommenden Rechte der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königsreichs und Frankreichs grundsätzlich bestehen. Die aufrechterhaltenen und durch den hier behandelten Vertragskomplex nicht berührten Rechtsvorschriften sind in einem gleichläutenden Schreiben der drei Hohen Kommissare an den Bundeskanzler vom 23. Oktober 1954 — Drucksache 1000 S. 70/71 — ausgeführt. Von diesem Grundsatz bringt die Ziff. 2 des Art. 2 des Protokolls eine ausdrückliche und vom Auswärtigen Ausschuß für bedeutsam angesehene Ausnahme. Mit dem Inkrafttreten des Protokolls vom 23. Oktober 1954 wird das militärische Sicherheitsamt der westlichen Alliierten in Koblenz aufgelöst. Ein neu zu bildender Gemeinsamer Viermächte-Ausschuß übt alsdann die Kontrolle auf den Gebieten der Abrüstung und Entmilitarisierung ,aus. In diesem Ausschuß ist die Bundesrepublik gleichberechtigt vertreten. Der Ausschuß entscheidet mit Stimmenmehrheit seiner vier Mitglieder. Die Bundesrepublik kann überstimmt werden. Das ibisher bestehende Vetorecht jedes Staates, im besonderen gegen eine Lockerung der Kontrolle, ist aber beseitigt. Aus dem Briefwechsel vom 23. Oktober 1954 betreffend Revision der Abrüstungs- und Entmilitarisierungskontrolle — Drucksache 1000 S. 71/72 — ergibt sich, daß die Vertragschließenden übereingekommen sind, diese Angelegenheit schon gegen Ende des Jahres 1954 nach Maßgabe der dann im Hinblick auf das Inkrafttreten des Protokolls bestehenden Lage zu überprüfen. Diese Überprüfung soll auch unter dem Gesichtspunkt erfolgen, die Bundesrepublik in die Lage zu versetzen, ihren künftigen Verteidigungsbeitrag vorzubereiten. Am 20. Oktober 1954 kamen die Außenminister dahin überein, daß in diesem Zusammenhang auch in der Bundesrepublik bestehende Beschränkungen der zivilen Forschung und der zivilen industriellen Fertigung zum Zwecke einer Erleichterung und Aufhebung zu überprüfen sind. Auf Frage teilte die Regierung mit, die entsprechenden vorbereitenden Besprechungen seien schon aufgenommen. 5. Wenn der Komplex des Deutschlandvertrages und die Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag gleichzeitig in Kraft treten, wird der Viermächte-Ausschuß nicht entstehen. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß erwartet gerade deshalb als Ergebnis der soeben erwähnten Besprechungen und Verhandlungen, daß die Genehmigungspflicht und die Kontrollen lockerer als bisher (Dr. Furler) I gehandhabt werden. Insbesondere wird erwartet, daß die zivile Forschung und die zivile industrielle Fertigung auf den von den Gesetzen betroffenen Gebieten keinen Einschränkungen mehr unterliegen. Dies gilt vor allem für die Kapazitäten in der Kugel- und Rollenlagerindustrie, im Schiffbau, in den Industrien für synthetisches Öl und synthetischen Gummi. Gleiches gilt für die Herstellung, Ein- und Ausfuhr von gewissen elektronischen und optischen Geräten und für bestimmte chemische Erzeugnisse. Im übrigen hat der Wirtschaftspolitische Ausschuß zur Vorlage an den Auswärtigen Ausschuß eine Entschließung gefaßt, durch die die Bundesregierung ersucht werden soll, darauf hinzuwirken, daß in Zukunft die zivile industrielle Fertigung und die zivile Forschung auf den von den alliierten Gesetzen betroffenen Gebieten keiner Einschränkung mehr unterliegen und daß die Verhandlungen hierüber unverzüglich aufgenommen werden. Der Auswärtige Ausschuß billigte das Anliegen dieser Vorlage, sah jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen davon ab, dem Deutschen Bundestag Entschließungen zu diesem Vertragswerk vorzuschlagen. D. Der Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (Deutschlandvertrag). Dieser Vertrag wurde weitgehend und sehr bedeutungsvoll geändert. Die neuen Bestimmungen wirken sich auf verschiedene politische Grundprobleme aus. Sie werden in dem jeweiligen Zusammenhang besonders dargestellt. Von allgemeiner Bedeutung ist zunächst der Wegfall der Präambel, die dem Deutschlandvertrag von I 1952 vorausgeschickt war. Die vier vertragschließenden Staaten beschränken sich nunmehr darauf, zu erklären, mit dem Vertrag die „Grundlagen ihres neuen Verhältnisses" festzulegen. Die frühere Präambel war nach verschiedenen Richtungen durch das Scheitern der EVG und durch die neue Form des deutschen Verteidigungsbeitrages überholt oder gegenstandslos geworden. Gebliebene gemeinsame Ziele der Mächte sind in dem Vertragstext verankert. Einige Erklärungen der Präambel bilden aber auch heute noch selbstverständliche Motive des neuen Vertrages. So die Unvereinbarkeit des Besatzungsregimes mit den europäischen Aufgaben der Bundesrepublik, die Notwendigkeit, die Gleichberechtigung durchzuführen, und das höchste Ziel der Vertragschließenden, die gemeinsame Freiheit vereint zu fördern und zu verteidigen. Der Auswärtige Ausschuß nahm das hier durchgesetzte Bestreben der Bundesrepublik billigend zur Kenntnis, die grundgesetzliche Ordnung ausschließlich in die Verantwortung der Bundesrepublik zu stellen und sie nicht zum Gegenstand internationaler Verpflichtungen zu machen. I. Das Ende des Besatzungsregimes Eine entscheidende Aufgabe des Deutschlandvertrages ist es, die Bundesrepublik von jeder Besatzungshoheit zu befreien. Der Art. 1 der alten und der neuen Fassung hebt daher mit dem Inkrafttreten des Vertrages das Besatzungsstatut auf und verpflichtet die bisherigen Besatzungsmächte, die Alliierte Hohe Kommission sowie die Dienststellen der Landeskommissare aufzulösen. Die neue Formulierung des Art. 1 geht hier nach zwei Richtungen klarstellend über den früheren Text hinaus. Nach Art. 1 Abs. 1 ist auch das Besatzungsregime in der Bundesrepublik zu beenden, womit nach Auffassung des Auswärtigen Ausschusses zum Ausdruck gebracht wird, daß jeder besatzungsmäßige Tatbestand aufhören, die Freiheit der Bundesrepublik von der Besatzungshoheit also eine umfassende sein soll. In diesem Zusammenhang wurde der bisherige Abs. 3 des Art. 1 gestrichen, aus dem man das Weiterbestehen einer gegenüber einer gleichberechtigten Macht nicht mehr zu rechtfertigenden Art von gemeinsamer Kommission der früheren Besatzungsmächte hatte herauslesen wollen. Nach Lage der Dinge werden die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs auch nach Inkrafttreten des Deutschlandvertrages die Vorbehaltsrechte in gegenseitigem Einvernehmen ausüben. Diese Regierungen haben daher am 23. Oktober 1954 in Paris ein Abkommen dahin geschlossen, diese Vorbehaltsrechte durch ihre bei der Bundesrepublik Deutschland beglaubigten Missionschefs ausüben zu lassen, die hierbei gemeinsam tätig werden. Insoweit sich diese Rechte auf Berlin beziehen, werden sie in Berlin nach Maßgabe der bestehenden Verfahren ausgeübt. Um jede Deutung dahin auszuschließen, es handle sich gegenüber der Bundesrepublik hier um eine, wenn auch nur besatzungsrechtsähnliche Erscheinung, erging am 1. Dezember 1954 nachfolgende Note des Geschäftsführenden Hohen Kommissars, Sir Frederik Hoyer Millar an den Bundeskanzler: „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich erhielt Ihr Schreiben vom 16. November 1954 betreffend das Dreimächte-Abkommen vom 23. Oktober 1954 über die Ausübung der Vorbehaltsrechte in Deutschland, in welchem Sie zum Ausdruck brachten, daß Sie besonders daran interessiert wären, zu erfahren, ob die drei Botschafter bei der Ausübung der Vorbehaltsrechte als Rat von Botschaftern handeln und mit einem besonderen Verwaltungsstab arbeiten würden. Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um jegliches Mißverständnis, das in diesem Zusammenhang bestehen könnte, zu klären. Abgesehen von Absatz 3, der sich mit Berlin befaßt, wo natürlich eine besondere Lage besteht, ist das Dreimächte-Abkommen lediglich dazu bestimmt, verwaltungsmäßig zu regeln, wie die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Frankreich gegebenenfalls die Vorbehaltsrechte ausüben können, die sich nach dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten in erster Linie auf Deutschland in seiner Gesamtheit beziehen, Rechte, die, wie Sie wohl wissen, im beiderseitigen Interesse der Bundesrepublik und des Vereinigten Königreichs sowie im Interesse der beiden anderen Unterzeichnermächte vorbehalten wurden. Ich kann Ihnen versichern, daß es nicht notwendig sein wird und auch in keiner Weise beabsichtigt ist, in Ausübung dieser Vorbehaltsrechte einen Rat von Botschaftern, ein Nachfolgeorgan der Alliierten Hohen Kommission oder irgendein sonstiges ähnliches Gremium mit gemeinsamem Verwaltungs- oder Büropersonal zu schaffen. Das Dreimächte-Abkommen wurde getroffen, um die klare Übereinstimmung der Auffassung der drei Unterzeichner darüber aktenkundig zu machen, daß sie in ihren Beziehungen zur Bundesrepublik lediglich auf ad hoc-Basis über ihre bei der Bundesrepublik akkreditierten Missionschefs, und dann nur unter den in den Pariser (Dr. Furler) Abkommen vorgesehenen besonderen Umständen gemeinsam vorgehen werden." Der Auswärtige Ausschuß hat die mit der Aufhebung des Besatzungsregimes zusammenhängenden Bestimmungen bei ,unterschiedlicher Bewertung ihrer Tragweite übereinstimmend positiv beurteilt. Auswirkungen der Beendigung des Besatzungsregimes ergeben sich auch aus anderen Vorschriften des Vertrages, so vor allem auch aus den Art. 2, 4 und 5. II. Die Souveränität Mit dem Ende des Besatzungsregimes entfällt jede Beschränkung der autonomen Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik, und zwar nach innen und nach außen. Damit wird für die Bundesrepublik der völkerrechtliche Status der Souveränität anerkannt. Diese Folgerung wird in dem Vertrage ausdrücklich gezogen. Während der frühere Art. 1 das Wort Souveränität vermied, sagt der jetzige Abs. 2 des Art. 1, „die Bundesrepublik werde die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten" haben. Auf Fragen des Ausschusses teilte die Regierung mit, diese Formulierung sei auf deutsches Verlangen nach Diskussionen in Paris so gewählt worden, um hinsichtlich der Souveränität eine eindeutige Lage zu schaffen und um auszuschließen, daß von einer „als ob"-Souveränität oder von einem ähnlichen Status gesprochen werde. Im Auswärtigen Ausschuß wurde die Frage der Souveränität eingehend und unter den verschiedensten Gesichtspunkten erörtert. Im besonderen bemühten sich die hier zuständigen Berichterstatter, die Abgeordneten Dr. von Merkatz und Dr. Schmid (Frankfurt), den Begriff der Souveränität und die mit Art. 1 Abs. 2 geschaffene innerstaatliche und völkerrechtliche Situation unter historischen, rechtsphilosophischen, staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Gesichtspunkten zu klären. In verschiedenen grundsätzlichen Ausgangspunkten der Betrachtung und in der Bewertung der diesbezüglichen Vertragsbestimmungen konnten volle Übereinstimmungen nicht erzielt werden. Einverständnis bestand aber schließlich darüber, daß der hier gebrauchte Begriff der Souveränität für die Auslegung der Pariser Verträge und als Grundlage für die Weiterentwicklung der Bundesrepublik von großer Bedeutung sei. Dem Inhaber der Souveränität fällt in dubio, also in allen zweifelhaften oder nicht geregelten Fällen, die Zuständigkeit zu eigenständiger Bestimmung der Ziele und Mittel seiner Politik und zu verantwortlichem Handeln zu. Die besondere funktionelle Bedeutung des Souveränitätsbegriffes wurde von allen Mitgliedern des Ausschusses anerkannt. Der Auswärtige Ausschuß war der Meinung, daß die Souveränität der Bundesrepublik eine ursprüngliche und keine verliehene ist, daß sie deutsche Souveränität darstelle, die durch das Besatzungsregime gehemmt, aber nicht beseitigt war und nach Inkrafttreten der Verträge wieder effektiv werde. Der Auswärtige Ausschuß zieht aus dieser Souveränität im Zusammenhang mit den Pariser Verträgen und der völkerrechtlichen Situation vor allem drei Folgerungen, die auch der Auffassung der Bundesregierung entsprechen, wobei allerdings die Minderheit gegenüber der ersten Folgerung Bedenken ausspricht: 1. Die Bundesrepublik ist zuständig und befugt, in allen Fragen eine eigene, selbständige und unabhängige Außenpolitik zu betreiben. Dies gilt im besonderen auch für die deutsche Wiedervereinigung. Wie noch darzulegen sein wird, schließen die Vorbehaltsrechte des Art. 2 eine solche selbständige Politik der Bundesrepublik nicht aus. Ihre grundsätzlich unbeschränkte politische Handlungsfreiheit ist aber durch übernommene völkerrechtliche Verpflichtungen und vertragliche Abmachungen gebunden. So hat die Bundesrepublik die Bindungen des Art. 2 der Satzung der Vereinten Nationen ausdrücklich übernommen und in Art. 3 des Deutschlandvertrages sich verpflichtet, ihre Politik in Einklang mit den Prinzipien der Satzung der Vereinten Nationen und mit den im Statut des Europarates aufgestellten Zielen zu halten. Die Regierung der Bundesrepublik hat darüber hinaus auf der Londoner Konferenz ausdrücklich und feierlich erklärt, die Wiedervereinigung Deutschlands oder die Änderung der gegenwärtigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland niemals mit gewaltsamen Mitteln herbeizuführen und alle zwischen der Bundesrepublik und anderen Staaten gegebenenfalls bestehenden Streitfragen mit friedlichen Mitteln zu erledigen. In diesen Zusammenhang gehört auch die in Art. '7 des Deutschlandvertrages übernommene Verpflichtung der Bundesrepublik, mit den drei anderen Vertragspartnern hinsichtlich der Wiedervereinigung und der Herbeiführung einer friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland eine gemeinsame Politik zu treiben. 2. Die Bundesrepublik wird ein gleichberechtigter und notwendiger Vertragspartner bei allen internationalen Vereinbarungen sein, die ihre Rechte oder Interessen berühren. Nach Auffassung des Auswärtigen Ausschusses wird es lediglich von Erwägungen der Zweckmäßigkeit bestimmt sein, ob sich die Bundesrepublik an vorbereitenden Verhandlungen für derartige internationale Regelungen unmittelbar beteiligt. Auch wenn die Bundesrepublik solche Verhandlungen ganz oder teilweise dritten Mächten zu führen überläßt, kann ein Abschluß nur unter Mitwirkung der Bundesrepublik erfolgen. 3. Die Bundesrepublik ist berechtigt, mit allen Staaten diplomatische Beziehungen aufzunehmen und Verhandlungen zu führen. Dies gilt auch für die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Die Abs. 3 und 4 des Art. 3 beeinträchtigen diese Rechte der Bundesrepublik nicht. Sie verpflichten nur die anderen Vertragspartner, auf Wunsch der Bundesrepublik tätig zu werden, wenn diese es nicht vorzieht, selbständig zu handeln, oder die Wahrung ihrer Interessen anderen Staaten überläßt. Entsprechendes gilt für Art. 4 des siebenten Teiles der Überleitungsvertrages. III. Die Vorbehaltsrechte Der Auswärtige Ausschuß billigte einmütig die Politik der Bundesregierung, die Wert darauf legte, den drei westlichen Mächten Rechtspositionen zu erhalten, die hinsichtlich Deutschlands auf den 1945 auch mit Sowjetrußland getroffenen Vereinbarungen beruhen. Eine Gefährdung oder Aufgabe dieser Rechtsstellung läge nicht im deutschen Interesse. In diesem Zusammenhang hatte der frühere Art. 2 den drei Mächten ihre bisher ausgeübten oder innegehabten Rechte in Bezug auf a) die Stationierung von Streitkräften in Deutschland, (Dr. Furler) b) Berlin, c) Deutschland als Ganzes, einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung aufrechterhalten. Im neuen Art. 2 bleiben diese Vorbehalte für Berlin und Deutschland als Ganzes. Wegen der Stationierungsrechte wird auf die Art. 4 und 5 des Vertrages verwiesen. Die Erörterung dieser Frage erfolgt in einem besonderen Abschnitt. Neben der Sonderregelung über die Stationierung von Streitkräften betrachtet der Auswärtige Ausschuß folgende Änderungen des Art. 2 als besonderen Fortschritt. 1. Es wird ausdrücklich darauf abgehoben, daß die drei Mächte nicht nur ihre Rechte, sondern auch ihre Verantwortlichkeiten beibehalten. Diese Verantwortlichkeiten sind besonders für Berlin, aber auch für Gesamtdeutschland bedeutsam. 2. Der bisherige Abs. 2 des Art. 2 hatte die Bundesregierung verpflichtet, jede Maßnahme zu unterlassen, die die vorbehaltenen Rechte beeinträchtigen könnte, und dahin mitzuwirken, den drei Mächten die Ausübung dieser Rechte zu erleichtern. Die Streichung dieser Norm zeigt das Vertrauen, das sich die Bundesrepublik erworben hat. Es ist auch ohne vertragliche Verpflichtung für die Bundesrepublik selbstverständlich, die drei Mächte zu unterstützen und mit ihnen eine auch sonst festgelegte Zusammenarbeit durchzuführen. Im Auswärtigen Ausschuß wurden Bedenken vorgetragen, die mit der Gefahr einer zu starken oder etwa mißbräuchlichen Ausübung des gesamtdeutschen Vorbehalts zusammenhängen. Die Bundesregierung hob hier auf den aufrechterhaltenen Brief der Hohen Kommissare an den Bundeskanzler vom 26. Mai 1952 (BGBl. II S. 244) ab, in dem die drei Regierungen ausdrücklich erklären, das Vorbehaltsrecht in bezug auf Deutschland als Ganzes nicht dahin auszulegen, als erlaube es ihnen, von den gegenüber der Bundesrepublik in den Verträgen übernommenen Verpflichtungen abzuweichen. Diese Erklärungen zwingen im Zusammenhang mit Inhalt und Geist der Verträge zu der Feststellung, daß die Vorbehaltsrechte ausdrücklich auf ihren Sinn und Zweck beschränkt sind, der darin besteht, die Rechtsposition gegenüber Sowjetrußland zu wahren. Die Vorbehalte können und dürfen also gegenüber der Bundesrepublik nicht Befugnisse geben, die der Aufhebung des Besatzungsregimes und der Souveränität widersprechen. Soweit Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Durchführung des gesamtdeutschen Vorbehalts im Gebiete der Bundesrepublik notwendig werden, können diese nicht einseitig und hoheitsrechtlich durch die drei Mächte durchgeführt werden. Die Bundesrepublik ist aber je nach Sachlage vertraglich verpflichtet, alsdann in eigener Zuständigkeit das Erforderliche zu tun. Im Auswärtigen Ausschuß wurde auch darüber diskutiert, auf welchen internationalen Vereinbarungen die beizubehaltenden Rechte der drei westlichen Mächte beruhen. Eine Einigkeit darüber, ob nur die Deklarationen vom 5. Juni 1945 oder daneben auch das Potsdamer Abkommen oder ob nur dieses Abkommen in Betracht komme, war nicht zu erzielen. Übereinstimmung bestand jedoch darüber, daß alle Berlin und Gesamtdeutschland betreffenden Rechte und Verantwortlichkeiten aufrechterhalten werden sollen, die sich aus irgendwelchen Vereinbarungen zwischen den hier in Betracht kommenden Alliierten des zweiten Weltkrieges ergeben. Der Auswärtige Ausschuß legt Wert darauf festzustellen, daß der Vorbehalt der Rechte und Verantwortlichkeiten keine ausschließliche Zuständigkeit der drei Mächte für die vorbehaltenen Fragen anerkennt oder schafft. Der Vorbehalt besagt lediglich, daß solche Rechte und Verantwortlichkeiten neben den eigenen Zuständigkeiten der Bundesrepublik bestehenbleiben. Die Vorbehaltsrechte schließen daher eine eigene Politik und eine eigene Zuständigkeit der Bundesrepublik weder für Berlin noch für die Wiedervereinigung aus. IV. Die Stationierung ausländischer Truppen 1. Diese schwierige und bedeutsame Materie erfuhr in den neuen Verträgen eine grundlegende Änderung. Die Umgestaltung ist das Ergebnis einmal der Beseitigung des Besatzungsregimes und der anerkannten Souveränität der Bundesrepublik, zum anderen aber auch des Strukturwandels des deutschen Verteidigungsbeitrags. Die Mehrheit des Auswärtigen Ausschusses begrüßt diese Änderung und erblickt in ihr einen wesentlichen Fortschritt. 2. Zum Verständnis der neuen Lage sind drei Dinge vorweg klarzustellen: a) Die Rechtsgrundlage der Streitkräfte, die sich in Berlin befinden, ändert sich durch das Vertragswerk nicht. In Berlin halten sich alliierte Truppen auch in Zukunft ausschließlich auf Grund hoheitlicher Befugnisse auf, die sich aus besatzungsrechtlichen Grundlagen und aus den Viermächte-Vereinbarungen von 1945 ergeben. b) Bis zum Inkrafttreten ides Deutschlandvertrages und seiner Zusatzverträge bleibt der bisherige Rechtszustand unverändert. Die nicht endgültig zustande gekommenen Verträge von 1952 sind hier nicht von Bedeutung. c) Wenn die Gesamtheit der Pariser Verträge nicht gleichzeitig in Kraft tritt, kann sich zwischen dem Wirksamwerden des Deutschlandvertrages und dem Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag, das mit dem rechtskräftigen Beitritt der Bundesrepublik in die NATO eintritt, ein Zwischenzeitraum ergeben. In dieser Zeitspanne befinden sich die ausländischen Truppen im Gebiet der Bundesrepublik nicht mehr auf Grund des Besatzungsstatuts, wohl aber auf Grund hoheitlicher Rechte, die von der Bundesrepublik nicht verliehen sind, sondern den drei westlichen Mächten über die Aufhebung des Besatzungsregimes und das Wiederaufleben der deutschen Souveränität hinaus zustehen. Die hoheitliche Grundlage des Stationierungsrechtes in dieser Übergangszeit erfuhr aber besondere Einschränkungen. a) Die Rechtsstellung der Streitkräfte, also deren Rechte und Pflichten im Rahmen des Gebietes der Bundesrepublik, ergibt sich nicht mehr aus besatzungsrechtlichen Normen. Maßgeblich ist der Truppenvertrag, der nach Art. 8 Abs. 1 Buchstabe b auf der Grundlage der entsprechenden Vereinbarungen der Mächte des Nordatlantikvertrages umgestaltet werden wird. b) Die drei Mächte verpflichten sich, die Bundesregierung in allen die Stationierung der Streitkräfte betreffenden Fragen zu konsultieren. Die Bundesrepublik hingegen übernimmt es, im Rahmen dieses Vertragswerkes und des Grundgesetzes dazu mitzuwirken, den Streitkräften ihre Aufgabe (Dr. Furler) zu erleichtern (Art. 5 Abs. 1 des Deutschlandvertrages). Dabei ist die Aufgabe dieser Streitkräfte dahin umrissen, die freie Welt, zu der idle Bundesrepublik und Berlin gehören, zu verteidigen. c) Die drei Mächte dürfen nur eigene oder Truppenkontingente von solchen Staaten, die bisher schon Streitkräfte in der Bundesrepublik halten, in das Gebiet der Bundesrepublik bringen. Jede Erweiterung dieses Rahmens setzt die vorherige Einwilligung der Bundesrepublik voraus. Ausgenommen ist die vorübergehende Hereinnahme von Truppen im Falle eines unmittelbar drohenden oder tatsächlich erfolgenden Angriffs. 3. Nach Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag wandelt sich die Rechtsgrundlage der Stationierung ausländischer Truppen im Gebiete der Bundesrepublik. Dies ergibt sich aus Art. 4 Abs. 2 des Deutschlandvertrages im Zusammenhang mit den Vorschriften des Aufenthaltsvertrages — Drucksache 1060 —. Die nicht einfachen Formulierungen des neuen Abs. 2 des Art. 4 zeigen, daß die drei Mächte gewillt sind, ihr Stationierungsrecht aus einem hoheitlichen in ein vertragliches umzuwandeln. Dieser Wille wird mit dem neuen Status der Bundesrepublik, demjenigen der Souveränität, und weiterhin damit begründet, daß die drei Mächte die Stationierung von Streitkräften in der Bundesrepublik nur in vollem Einvernehmen mit dieser durchzuführen beabsichtigen. Aus diesem Grunde wird „diese Frage" — also diejenige des Stationierungsrechts — in einem besonderen Vertrag geregelt, dem Aufenthaltsvertrag der Drucksache 1060. Der Wortlaut des Art. 4 deutet darauf hin, daß die Umwandlung des Stationierungsrechtes Gegenstand von Auseinandersetzungen war, bei denen zunächst gewisse Gegensätzlichkeiten hervortraten. Da die Formulierung des Art. 4 Abs. 2 und der ganze Aufenthaltsvertrag aus deutschen und amerikanischen Vorschlägen hervorging, ist für die Auslegung auch die Stellungnahme des Staatssekretärs Dulles gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten besonders bedeutsam, in der zur Frage des Rechtsgrundlage der Stationierung gesagt wird: „Die Bedeutung dieses Vertrages liegt darin, daß die in Deutschland stationierten Streitkräfte dort nicht mehr auf Grund von Vorbehaltsrechten stationiert sein werden, die wir durch das Potsdamer Abkommen und die Kapitulationsbedingungen erhalten hatten, sondern auf Grund eines neuen Vertrages, der von Deutschland freiwillig abgeschlossen worden ist und der von den verantwortlichen parlamentarischen Körperschaften in Deutschland gebilligt werden muß. In dieser Beziehung wird Deutschland also den anderen alliierten Ländern gleichgestellt sein." Der Auswärtige Ausschuß ist mit der Regierung der Auffassung, daß für das Gebiet der Bundesrepublik nach dem Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag nur noch ein vertragliches Stationierungsrecht besteht. Es erscheint dem Ausschuß auch nicht möglich, zwischen dem Recht und seiner Ausübung zu unterscheiden und zu sagen, bei fortbestehendem Hoheitsrecht sei dessen Ausübung gegenüber der Bundesrepublik nicht mehr oder nur noch mit deren Zustimmung zulässig, wie dies in den Ausführungen des Berichtertatters des Auswärtigen Ausschusses in der französischen Nationalversammlung vom 20. Dezember 1954 zum Ausdruck kommt. Diese Trennung widerspräche der Tatsache der Aufhebung des Besatzungsregimes, der ausdrücklichen Begrenzung der alliierten Vorbehalte, der Entstehung der neuen Rechtslage und Existenz und Sinn des besonderen und selbständigen Aufenthaltsvertrages. Sie ist zur Wahrung der Interessen der drei Mächte auch nicht erforderlich, weil die Bundesrepublik die rechtliche und tatsächliche Hoheit über ihr Gebiet hat, den drei Mächten also vertraglich ein Stationierungsrecht einräumen kann, das das frühere, aus der Besatzung hervorgegangene hoheitliche Recht voll zu ersetzen vermag. Zur Aufrechterhaltung der Berliner und der gesamtdeutschen Rechte gegenüber Sowjetrußland ist aber ein hoheitliches Stationierungsrecht in der Bundesrepublik nicht erforderlich. Mit Inkrafttreten des deutschen Verteidigungsbeitrages ist also eine hoheitliche Legitimation für eine Truppenstationierung innerhalb des Bundesgebietes erloschen. Die Rechte der drei Mächte ergeben sich aus der im Deutschlandvertrag und im Aufenthaltsvertrag freiwillig übernommenen Verpflichtung der Bundesrepublik. Einzelheiten werden in dem Bericht zu Drucksache 1060 dargelegt. V. Die Wiedervereinigung 1. Wie im Bundestag, so waren auch im Auswärtigen Ausschuß alle Parteien darüber einig, daß die Wiedervereinigung Deutschlands im Frieden erfolgen und die Freiheit gewährleisten müßte. Daß kriegerische Auseinandersetzungen für die Bundesrepublik ausscheiden, ergeben nicht nur Erwägungen der Vernunft, sondern darüber hinaus die ausdrücklich eingegangenen internationalen Verpflichtungen. Bei der Wiedervereinigung muß die bisherige Freiheit der in der Bundesrepublik lebenden Deutschen erhalten bleiben und diese Freiheit in gleichem Umfange den 1G Millionen Einwohnern der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands gebracht werden. Der Auswärtige Ausschuß stimmte auch darin überein, daß es der Bundesrepublik nicht möglich ist, dieses Ziel aus eigener Kraft zu erreichen, weshalb eine Politik grundsätzlich gebilligt wurde, die dahin geht, Staaten zu verpflichten, für die Freiheit der Bundesrepublik einzutreten und mit ihr zusammen die Wiedervereinigung Deutschlands durch gemeinschaftliche Anstrengungen zu erstreben. 2. In der Erklärung V Ziff. 4 der Londoner Schlußakte bezeichnen die Regierungen der Vereinigten Staaten, ides Vereinigten Königreichs und Frankreichs die Schaffung eines völlig freien und vereinigten Deutschlands durch friedliche Mittel als ein grundlegendes Ziel ihrer Politik. Diese Erklärung wurde für alle Staaten der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft durch die Entschließung betreffend die Zustimmungserklärung der übrigen Parteien des Nordatlantikvertrages — Drucksache 1061 S. 66 — verbindlich. In Abs. 2 des Art. 7 des Deutschlandvertrages verpflichten sich die vier Unterzeichnerstaaten zusammenzuwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen, das dahin umschrieben wird: Ein wiedervereinigtes Deutschland, idas eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist. Diese Formulierung deckt sich mit derjenigen des früheren Art. 7 Abs. 2. 3. Der Auswärtige Ausschuß besprach eingehend die rechtliche und die politische Bedeutung der so- (Dr. Furler) eben dargelegten Vereinbarungen. Die der Opposition angehörenden Mitglieder des Ausschusses blieben dabei, der Bundesregierung vorzuwerfen, die anderen Staaten in der Frage der deutschen Wiedervereinigung nicht konkret genug gebunden zu haben. Über das allgemeine Ziel einer gemeinschaftlichen Außenpolitik hinaus habe man rechtliche Bindungen in Einzelfragen weder verlangt noch erhalten. Die Vertreter der Minderheit gaben zwar zu, daß es nicht möglich gewesen sei, konkrete Spezialverpflichtungen zum Gegenstand des Deutschlandvertrages zu machen. Sie meinten aber, man hätte solche Festlegungen in einem Briefwechsel, in besonderen Erklärungen oder zum mindesten in der Schaffung von Gremien, die sich mit der Vorbereitung und ,der Durchführung der gemeinschaftlichen Wiedervereinigungspolitik zu befassen hätten, zum Ausdruck bringen müssen. Demgegenüber blieb die Mehrheit des Ausschusses dabei, daß die erzielten Vereinbarungen eine ausreichende Bindung der anderen Mächte an die deutschen Interessen schaffe und daß es unmöglich sei, im voraus die Vertragspartner zu ganz bestimmten Schritten zu verpflichten, da diese Schritte von der jeweiligen, nicht voraussehbaren realpolitischen Situation abhängig seien. Die Vertreter der Opposition rügten darüber hinaus — wie bei den Auseinandersetzungen um die entsprechende Bestimmung des Vertrages von 1952 — die Festlegung der Wiedervereinigungspolitik auf ein Deutschland, das in die europäische Gemeinschaft integriert sei. Dies erschwere die Durchführung der gemeinschaftlichen Politik. Der Ausschuß konnte jedoch in seiner Mehrheit diese Bedenken nicht als begründet ansehen, wobei er mit dem Gesamtdeutschen und dem Rechtsausschuß übereinstimmte. Folgende Erwägungen standen dabei im Vordergrund: Mit der Streichung der Präambel zum Deutschlandvertrag entfällt eine Möglichkeit, über deren Abs. 7 denBegriff der Integration in einem bestimmten technischen, supranationalen Sinn zu interpretieren. Der beanstandete Halbsatz des Abs. 2 des Art. 7 besitzt nicht die Bedeutung, die Wiedervereinigungspolitik der Unterzeichnerstaaten auf die Schaffung einer ganz bestimmten europäischen Gemeinschaft mit supranationalen Elementen festzulegen. Das hier formulierte Ziel ist sehr allgemein und umfaßt die verschiedensten, auch losesten Möglichkeiten einer Gemeinschaft der europäischen Staaten. Die Bundesregierung, die schon für den Vertrag von 1952 die Festlegung auf eine Europäische Gemeinschaft im Sinne eines supranationalen Euroaas bestritt, brachte die hier dargelegte Auffassung nachdrücklich zum Ausdruck und betonte, es liege auch nicht eine Festlegung auf das durch die Pariser Verträge zu schaffende System vor. Diese Formel meine eine europäische Gemeinschaft im weiteren, durchaus unbestimmten Sinn. Sie sei „nur als ein Bekenntnis zu dem Ziele zu verstehen, daß sich die Wiedervereinigung Deutschlands in den Gedanken der europäischen Einigung einreihen solle". Sie bedeute also nicht Integration im technischen Sinne in eine der bestehenden europäischen Gemeinschaften — NATO, WEU oder (nach den Verträgen von 1952) EVG —, sondern ein allgemeines Bekenntnis zur europäischen Solidarität. Die Frage, ob etwa ein Land, das nach dem Status ,des Königreichs Schweden lebe, im Sinne dieser Bestimmung als „in eine europäische Gemeinschaft integriert" angesehen werden könne, wurde von Sprechern der Bundesregierung unter Hinweis auf die Mitgliedschaft Schwedens im Europarat bejaht. Die weitere Frage, ob demnach im Rahmen dieser Vertragsbestimmung auch ein Status Deutschlands auf der Grundlage der Bündnisfreiheit möglich sei, wurde dahin beantwortet, daß dieses durch die Formel ides Art. 7 Abs. 2 nicht ausgeschlossen sei; es sei eine weitere Frage, ob ein solcher Status durch andere Vertragsbestimmungen ausgeschlossen sei. 4. Im Zuge der gemeinsamen, auf die Wiedervereinigung Deutschlands gerichteten Bemühung liegt die weitere Verpflichtung der Vertragspartner, als wesentliches Ziel ihrer Politik eine zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern frei vereinbarte friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland zu erstreben. Diese Verpflichtung ist in Art. 7 Abs. 1 und in Teil V Ziff. 3 der Londoner Schlußakte niedergelegt und ebenfalls von den übrigen NATO-Staaten übernommen worden. Dabei ist in beiden Normen klargestellt, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zum Friedensvertrag aufgeschoben werden muß. Auf Fragen erklärte die Regierung, der Formulierung für „ganz Deutschland" komme eine besondere Bedeutung nicht zu. Diese Formulierung besage das gleiche wie „Gesamtdeutschland". Es sei weder daran gedacht noch bestehe die Möglichkeit, zu schließen, man habe sich dahin vereinbart oder auch nur vorbehalten, friedensvertragliche Regelungen mit Teilen Deutschlands so zu treffen, daß schließlich der Status von „ganz Deutschland" geregelt sei. In diesem Zusammenhang sei—auch wegen besonderer Fragen in den Ausschußberatungen—bemerkt: die Bundesregierung und die Mehrheit des Auswärtigen Ausschusses meinen, es sei weder notwendig noch zweckmäßig gewesen, eine Klausel dahin aufzunehmen, daß eine friedensvertragliche Regelung auf der Basis des Status quo ausgeschlossen sei. Daß eine derartige Vereinbarung nach dem Deutschlandvertrag nicht erfolgen darf und ihr Anstreben die vertraglichen Verpflichtungen verletzen würde, ergibt sich aus der Bindung auf die gemeinschaftlich zuerstrebende Wiedervereinigung Deutschlands und auf die Festlegung, daß der Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland abzuschließen ist. 5. Gegenstand eingehender Beratungen des Auswärtigen Ausschusses, des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht und des GesamtdeutschenAusschusses war die Frage, ob die Pariser Verträge auch nach der Wiederherstellung Gesamtdeutschlands, also für die Regierung des wiedervereinigten Deutschlands, bindend seien. Im Deutschlandvertrag bestand hierüber die Bestimmung des Art. 7 Abs. 3, die gestrichen wurde. Diese Streichung beseitigte zunächst einen Anlaß zu vielfältigen rechtlichen und politischen Auseinandersetzungen, da über Auslegung und Bedeutung dieses Abs. 3 eine einheitliche Meinung nicht erreichbar war. Aus der Streichung folgt aber auch, daß nunmehr eine vertragliche Norm fehlt, die herangezogen werden könnte, um die gestellte Frage zu beantworten. Alle Vertragspartner gingen bei der Streichung des Abs. 3 des Art. 7 davon aus, daß damit auch klargestellt werden sollte, die Wiedervereinigung Deutschlands bilde einen Tatbestand, der die beteiligten Mächte vor eine Situation stelle, die eine er- (Dr. Furler) Beute Entscheidung über die Bindung an die Verträge ermögliche. Die Freiheit der Entschließung als Folge des Wegfalls des Abs. 3 wurde von den Vertragschließenden bei den Verhandlungen zum Ausdruck gebracht. Übereinstimmend haben später sowohl der ,Bundeskanzler als auch Außenminister Eden erklärt, eine Bindung an die Verträge sei nach der Wiedervereinigung nicht mehr gegeben. Geht man an die Beantwortung der Frage unabhängig von den Verhandlungen und nur auf Grund allgemeiner völkerrechtlicher Regeln heran, so führen die hierzu geäußerten verschiedenartigen Auffassungen doch zu einem übereinstimmenden, die Bindung des wiedervereinigten Deutschlands ausschließenden Ergebnis. Wer die Bundesrepublik und das wiedervereinigte Deutschland staatsrechtlich nicht als identisch ansieht, wird eine Bindung nicht annehmen. Aber auch die von Mitgliedern der SPD-Fraktion dargelegte staatsrechtliche Beurteilung ergibt 'die Freiheit des wiedervereinigten Deutschlands. Die Mehrheit ides Ausschusses, die mit der Bundesregierung eine, wenn auch faktisch begrenzte Identität zwischen Bundesrepublik und Gesamtdeutschland annimmt, kommt zu demselben Ergebnis, und zwar über die Erwägung, daß die Einbeziehung der sowjetischen Besatzungszone in den Bereich der Regierung des wiedervereinigten Deutschlands eine so tiefgreifende Änderung der politischen Situation und der Struktur des deutschen Vertragspartners bringe, die jedem Unterzeichnerstaat die Freiheit der Entscheidung darübergebe, ob er zu den Vertragen stehen oder sie als überholt ansehen wolle. Es wird darauf hingewiesen, daß Bedenken, die die Minderheit hier wegen der Verträge über die WEU und NATO hegt, in dem Generalbericht zur Drucksache 1061 dargestellt werden. Das aus rechtlichen Erwägungen gewonnene Ergebnis wird allerdings auch von der Art abhängen, in der die Wiedervereinigung zustandekommt. 6. Der Auswärtige Ausschuß und der Gesamtdeutsche Ausschuß sind in ihrer Mehrheit der Auffassung, daß die Abkommen, die sich um den Deutschlandvertrag gruppieren, die Aussichten für eine in Frieden und Freiheit zustandekommende Wiedervereinigung fördern. In beiden Ausschüssen erkannte die Minderheit gewisse Fortschritte in der Gestaltung der Verträge gegenüber der Formulierung von. 1952 an, und zwar auch hinsichtlich der Wiedervereinigung; sie hielt jedoch die gegenüber den Vorbehaltsrechten und gegenüber Art. 7 Abs. 2 des Deutschlandvertrages geäußerten Bedenken aufrecht. VI. Berlin 1. Berlin steht unter einer Viermächte-Verwaltung. Es ist über die drei Westsektoren aufs engste mit der Bundesrepublik verbunden, aber nicht als Land zu ihr gehörend. Diese internationalrechtliche Lage und die Tatsache, daß die Stadt inmitten der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands liegt, schaffen die besondere Situation Berlins. Die neuen Abmachungen befassen sich an folgenden Stellen mit Berlin. a) Die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich und Frankreich haben in Teil V Ziff. 5 der Londoner Schlußakte erneut eine umfassende Garantieerklärung für Berlin gegeben. Sie verpflichteten sich, im Gebiete von Berlin Streitkräfte zu unterhalten und brachten zum Ausdruck, jeden Angriff gegen Berlin als einen Angriff auf ihre Streitkräfte und auf sich selbst zu behandeln. Diese Garantieerklärung wurde in die Pariser Vereinbarungen übernommen und mit der vom Nordatlantikrat am 22. Oktober 1954 angenommenen Entschließung auch für die übrigen NATO-Staaten verbindlich. Sie hat ihre besondere Bedeutung auch im Zusammenhang mit den Beistandsverpflichtungen des Art. V des Vertrages über die Westeuropäische Union und des Art. 5 des Nordatlantikvertrages. b) Ergänzend hierzu gaben die drei Mächte zur Frage des Berliner Besatzungsregimes noch folgende Erklärung ab: Was Berlin anlangt, dessen 'Sicherheit Gegenstand der alliierten Garantien innerhalb des Londoner Kommuniqués vom 3. Oktober 1954 ist, haben die Außenminister der Französischen Republik, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika mit tiefer Befriedigung die enge und freundschaftliche Zusammenarbeit zur Kenntnis genommen, die zwischen alliierten und Berliner Behörden geübt wird. Die drei Mächte sind entschlossen sicherzustellen, daß Berlin das höchstmögliche Maß von Selbstregierung erhält, das mit der besonderen Situation Berlins vereinbar ist. Demgemäß haben die drei Regierungen ihre Vertreter in Berlin angewiesen, sich mit den Behörden dieser Stadt zu beraten, um gemeinsam und in weitestmöglichem Maße die oben erwähnten Grundsätze durchzuführen. c) In Art. 2 des Deutschlandvertrages behalten sich die drei Mächte ihre bisher ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin vor, wozu auf den Abschnitt „Vorbehaltsrechte" verwiesen wird. In Art. 6 Abs. 1 des Deutschlandvertrages verpflichten sich die drei Mächte, die Bundesrepublik hinsichtlich der Ausübung ihrer Rechte in bezug auf Berlin zu konsultieren. d) Durch ein Schreiben der Hohen Kommissare vom 26. Mai 1952 (BGBl. II S. 242), dessen Abs. 3 in Paris neu gefaßt wurde, haben die drei Mächte eine besondere Erklärung über die Aufgabe und die Durchführung ihres Vorbehalts in bezug auf Berlin abgegeben. e) Der bisherige Abs. 2 des Art. 6 wurde gestrichen. Er enthielt die Verpflichtung der Bundesrepublik, Berlin politisch, kulturell, wirtschaftlich und finanziell zu helfen und hinsichtlich Berlins mit den drei Mächten zusammenzuwirken. Diese Bestimmung war durch eine besondere, dem Vertrage als Anhang unmittelbar beigefügte Erklärung der Bundesregierung über die Hilfeleistungen für Berlin konkretisiert gewesen. Diese Streichung und die damit zusammenhängende Änderung des Abs. 3 des Briefes der drei Hohen Kommissare vom 26. Mai 1953 / 23. Oktober 1954 erfolgte, weil es für die Bundesrepublik eine selbstverständliche Verpflichtung ist, Berlin zu helfen, eine Verpflichtung, die in eigener Verantwortung und nicht auf Grund einer internationalrechtlichen Bindung erfüllt werden soll. Die Bundesrepublik hat Ziele und Umfang ihrer Hilfsverpflichtungen für Berlin in einer besonderen, vom Deutschlandvertrag unabhängigen Erklärung niedergelegt, die das Datum vom 23. Oktober 1954 trägt und in einer Abschrift dem unter Buch- (Dr. Furler) stabe d erwähnten Brief der Hohen Kommissare beigefügt ist — Drucksache 1000 S. 30/31 —. Diese Erklärung geht sachlich über die frühere Verpflichtung der Bundesrepublik hinaus. Sie ist auch dadurch bemerkenswert, daß sie von Berlin „als der vorgesehenen Hauptstadt eines freien wiedervereinigten Deutschlands" spricht. 2. Über diese Dokumente wurde im Auswärtigen Ausschuß und im Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen eingehend verhandelt. Man war sich darüber einig, daß die besondere internationalrechtliche Situation Berlins die Aufrechterhaltung der Rechte der drei westlichen Mächte gegenüber Sowjetrußland, also den ausgesprochenen Vorbehalt notwendig mache. Übereinstimmend wurde auch die von den drei Mächten abgegebene und von den übrigen NATO-Staaten übernommene Garantieerklärung für Berlin begrüßt. Alle Mitglieder der Ausschüsse hielten es auch für richtig, daß die Bundesrepublik ihr Hilfsversprechen nicht mehr zum Gegenstand einer völkerrechtlichen Verpflichtung gemacht hat. Die beiden Ausschüsse waren der Meinung, daß die für Berlin in den Verträgen und im Zusammenhang mit ihnen abgegebenen Erklärungen einen Fortschritt darstellen und von Berlin aus gesehen als erfreulich zu bezeichnen sind. Die Minderheit hielt jedoch Beanstandungen aufrecht, die im wesentlichen mit den rechtlichen Beziehungen Berlins zur Bundesrepublik zusammenhängen. Die Minderheit ist hier der Auffassung, daß jetzt schon eine Erweiterung der Berliner Selbstverwaltung und eine noch stärkere Verbindung mit der Bundesrepublik hätte erreicht werden müssen, wobei auch die Forderung nach einer unmittelbaren Wahl und dem Stimmrecht der Berliner Abgeordneten im Deutschen Bundestag nachdrücklich erhoben wurde, dies allerdings nur unter Aufrechterhaltung des Viermächte-Status, dessen Beibehaltung auch die Minderheit für notwendig hält und der in der Alliierten Kommandantur verkörpert ist. VII. Die Notrechte 1. Das Notstandsrecht Truppenkontingente der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs bleiben im Gebiet der Bundesrepublik; zunächst noch in Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse, nach Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag im Rahmen des Bündnissystems und auf vertraglicher Grundlage. Die Regierungen der drei Mächte legten 1952 und bei den Verhandlungen über die Pariser Verträge entscheidenden Wert darauf, die Sicherheit dieser Streitkräfte auch bei besonderen Notlagen garantiert zu wissen. Hieraus entstand der Art. 5 des alten Deutschlandvertrages, der die drei Mächte berechtigte, den Notstand zu erklären, wenn die Bundesrepublik und die Europäische Verteidigungsgemeinschaft außerstande waren, einer Lage Herr zu werden, die durch einen Angriff auf die Bundesrepublik oder Berlin, durch eine umstürzlerische oder sonstige Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder durch den ernstlich drohenden Eintritt solcher Ereignisse entstanden war. Auf diesem Gebiet bringen die neuen Abmachungen einen grundlegenden Wandel. Der heutige Art. 5 gibt Notstandslagen Regelungen bei, die verschiedenartig sind für die Zeit vor und für diejenige nach Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag. 1. Bis zu diesem Inkrafttreten gelten nicht die Bestimmungen des früheren Art. 5. Die aus der hoheitsrechtlichen Grundlage der Stationierung sich ergebende Rechtslage wird aber hinsichtlich des Notstandsrechtes folgenden Einschränkungen unterworfen: a) Eine Verpflichtung der drei Mächte, die Bundesrepublik zu konsultieren, besteht auch für die Ausübung des Notstandsrechtes. Die militärische Lage in der Notsituation muß allerdings so sein, daß sie noch eine Konsultierung erlaubt. b) Entgegen dem allgemein festgelegten Grundsatz können die drei Mächte im Falle eines erfolgten oder eines unmittelbar drohenden Angriffs auch ohne Einwilligung der Bundesrepublik weitere Truppenkontingente in deren Gebiet verbringen. Diese Kontingente dürfen aber nach Beseitigung der Gefahr nur mit Einwilligung der Bundesregierung im Gebiete der Bundesrepublik verbleiben. 2. Nach Rechtskraft des Beitritts der Bundesrepublik zur NATO bleibt die zu 1 dargestellte Rechtslage zunächst bestehen. Die drei westlichen Mächte behalten ihre bisherigen Rechte in bezug auf den Schutz der Sicherheit ihrer Streitkräfte in der Bundesrepublik „zeitweilig" bei, schränken diese aber nochmals ein. Diese neuen und weiteren Schranken der vorübergehend noch beibehaltenen hoheitlichen Befugnisse sind die folgenden: a) Die drei Mächte werden ihre Rechte nur nach Konsultation der Bundesregierung ausüben. Ausgenommen ist der Sonderfall, daß die militärische Lage eine solche Konsultation ausschließt. b) Die Ausübung von Notstandsrechten setzt weiterhin voraus, daß die Bundesregierung mit den drei Mächten darin übereinstimmt, daß die Umstände die Ausübung derartiger Rechte erfordern. Hierin liegt eine sehr entscheidende Begrenzung. Es zeigt sich die Tendenz, den ganzen Komplex des Notstandsrechtes in den Zuständigkeitsbereich der deutschen Regierung zu verlagern. c) Es wird ausdrücklich ausgesprochen, daß sich „im übrigen", also von den aus der Notlage zwingend sich ergebenden, ganz außergewöhnlichen Maßnahmen abgesehen, der Schutz der Sicherheit der Streitkräfte nach den Vorschriften des Truppenvertrages und nach deutschem Recht bestimmt. 3. Die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Frankreich legen es durch den Satz 1 ,des neuen Abs. 2 des Art. 5 in die ausschließliche Entscheidungsbefugnis des Gesetzgebers der Bundesrepublik, das ganze Notstandsrecht endgültig und umfassend aufzuheben. Diese alliierten Rechte erlöschen, sobald die zuständige deutsche Behörde durch den Gesetzgeber besondere Vollmachten erhalten hat. Art und Inhalt der hier vorausgesetzten gesetzgeberischen Maßnahmen ergeben sich nicht ausschließlich aus dem Art. 5, sondern auch aus einer besonderen Erklärung, die die drei Mächte der Bundesregierung zur Interpretation dies ersten Satzes des Abs. 2 des Art. 5 schriftlich abgegeben haben. Die Bundesregierung hat den Auswärtigen Ausschuß und den Rechtsausschuß hierüber umfassend unterrichtet. Der Auswärtige Ausschuß ist daher berechtigt, bei seiner Beurteilung der hier in Betracht kommenden Fragen von folgender Lage auszugehen: Die Vollmachten müssen die zu ermächtigende Behörde in den Stand setzen, wirksame Maßnah- (Dr. Furler) men zum Schutz der Sicherheit :der Streitkräfte zu treffen. Dies setzt voraus, daß diese Behörde die Fähigkeit hat, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu begegnen. Es wird aber von den drei Mächten nur verlangt, diese Vollmacht für Fälle zu geben, in denen die öffentliche Ordnung und Sicherheit und damit die Sicherheit der ausländischen Streitkräfte auf Grund eines Angriffs oder einer äußeren Bedrohung der Bundesrepublik gefährdet ist. Besondere Situationen, die ihre Ursache in Vorgängen innerhalb der Bundesrepublik haben, brauchen nicht von der hier gesetzgeberisch zu erteilenden Ermächtigung erfaßt zu sein, so Notlagen, die durch innere Unruhen, Streiks, Wassergefahr, Seuchen etc. entstehen können. Daneben wird gefordert, daß militärische Notwendigkeiten bei der Überwachung des Post- und Fernmeldewesens berücksichtigt werden. Die vier vertragschließenden Staaten sind darüber einig, daß das ,diese Vollmachten schaffende Gesetz keinen bestimmten und konkret festgelegten Inhalt zu haben braucht, um die bisherigen Notstandsrechte der westlichen Mächte zum Erlöschen zu bringen. Es genügt, daß ein Gesetz ergeht, das solche Vollmachten gibt. Sobald dieses Gesetz in Kraftgetreten ist, sind die zeitweilig beibehaltenen Rechte der drei Mächte endgültig erloschen. Der Auswärtige Ausschuß war sich darüber einig, daß der Art. 5 gegenüber der früheren Fassung einen bedeutsamen Fortschritt bringt. Er hat hierbei auch erwogen: 1. Die Notstandsrechte hören mit Inkrafttreten des ,ermächtigenden Gesetzes auf zu existieren. Sie erlöschen, ohne daß die drei Mächte zustimmen oder eine besondere Erklärung 'abgeben müssen. 2. Das Erlöschen tritt ein, ohne daß ein Gesetz vorausgesetzt wird, das einen konkret vorgeschriebenen Inhalt hat. Der Gesetzgeber der Bundesrepublik ist also 'auf bestimmte Ermächtigungsnormen nicht festgelegt. Es wird vor allem nicht eine Regelung im Sinne des Art. 48 der Weimarer Verfassung verlangt. Der Gesetzgeber ist frei, Normen zu entwickeln, wobei allerdings angenommen wird, daß er sich im Rahmen dessen hält, was bei den Mitgliedstaaten der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft üblicherweise Rechtens ist. 3. Nach Erlöschen der Rechte besteht keine Möglichkeit des Rückgriffs auf hoheitliche Befugnisse mehr, auch nicht über den gesamtdeutschen Vorbehalt, wozu auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird. 2. Das Notwehrrecht Art. 5 Abs. '7 des alten Deutschlandvertrages erklärte, jeder ,Militärbefehlshaber sei, abgesehen von der Notstandssituation, berechtigt, im Falle einer unmittelbaren Bedrohung seiner Streitkräfte die angemessenen Schutzmaßnahmen (einschließlich des Gebrauchs von Waffengewalt) unmittelbar zu ergreifen, die erforderlich sind, um die Gefahr zu beseitigen. Diese Bestimmung ist nunmehr gestrichen. In einem Briefe des Bundeskanzlers an die Außenminister der drei Mächte vom 23. Oktober 1954 betreffend das Recht eines Militärbefehlshabers zum Schutze seiner Streitkräfte — Anlage B I zur Regierungsbegründung in Drucksache 1000 — wird unter Bezugnahme auf diesen früheren Abs. 7 des Art. 5 gesagt, die Bundesregierung sei der Ansicht, daß es sich bei dieser Norm um ein nach Völkerrecht und damit auch nach deutschem Recht jedem Militärbefehlshaber zustehendes Recht handle. Der Bundeskanzler stellt daher fest, daß dieses Recht durch die Streichung des Abs. 7 des Art. 5 nicht berührt werde. Es handelt sich hier um das Notwehrrecht, das einem Militärbefehlshaber zusteht, wenn seine Truppen einem gegenwärtigen, unmittelbaren und rechtswidrigen Angriff 'ausgesetzt sind. Diese Lage steht im Gegensatz zum Notstand, der seine Begründung in besonderen Verhältnissen hat, die sich gefährdend auf eine Truppe auswirken, ohne daß diese Gegenstand einer gegen sie gerichteten Aktion ist. Der Brief vom 23. Oktober 1954 schafft dieses Notwehrrecht nicht. Er stellt nur fest, daß dieses Recht nach allgemeinen völkerrechtlichen Normen und auch mach deutschem Recht jedem Militärbefehlshaber zusteht. Er besitzt mithin nur deklaratorische Bedeutung und war veranlaßt, um Mißverständnisse zu beseitigen, die aus der Streichung des früheren Abs. 7 'entstehen könnten. VIII. Das Schiedsgericht Die mit der Errichtung eines Schiedsgerichts zusammenhängende Regelung veränderte sich in folgenden Punkten: 1. Das Schiedsgericht entsteht nicht mehr unmittelbar mit dem Inkrafttreten des Deutschlandvertrages. Dieses Schiedsgericht wird gebildet 'werden — und es besteht eine Pflicht hierzu —, sobald der erste Streitfall dies notwendig macht (Art. 9 Abs. 1 des Deutschlandvertrages und die geänderten Art. 1, 3, 6 und 12 der Satzung des Schiedsgerichts — Anlage B zum Deutschlandvertrag —). 2. Bisher konnte das Schiedsgericht angerufen werden, wenn die Streitigkeit nicht durch Verhandlungen zu bereinigen war. Jetzt ist neben den Schlichtungsverhandaungen auch eine Beilegung der Streitigkeit „auf eine andere, zwischen allen Unterzeichnerstaaten vereinbarte Weise" vorgesehen (Art. 9 ,Abs. 2). 3. Die Abgrenzung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist die gleiche geblieben. Dieses Gericht ist ausschließlich und für alle Streitigkeiten zwischen den Vertragschießenden aus den Bestimmungen des Vertrages, der Satzung des Schiedsgerichts oder eines der Zusatzverträge zuständig. Beibehalten ist vor allem die Bestimmung, daß Streitigkeiten, die die Vorbehaltsrechte berühren, nicht in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts fallen. Diese Vorbehaltsrechte werden aber nicht allgemein und generell genannt, sondern besonders bezeichnet. Nur was in Abs. 3 des Art. 9 ausdrücklich aufgeführt wird, ist der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit entzogen. 4. Von besonderer Bedeutung und nach übereinstimmender Auffassung des Auswärtigen Ausschusses sehr erfreulich ist die Änderung der Art. 11 der Satzung des Schiedsgerichts. In eingehenden Bestimmungen war früher das Schiedsgericht berechrtigt gewesen, zur Durchsetzung seiner Urteile weitgehend in die Zuständigkeiten der Bundesrepublik einzugreifen. Das Schiedsgericht sollte ermächtigt werden, deutsche Verwaltungsmaßnahmen unmittelbar außer Kraft zu setzen, Urteile für nichtig zu erklären und unmittelbar gesetzliche Normen zu erlassen. Diese hier in Betracht kommenden Bestimmungen sind gestrichen. An ihre Stelle trat der neue Abs. 2 des Art. 11, der folgendes vorsieht: wird eine vom Schiedsgericht angeordnete Maßnahme zur Ausführung seiner Entscheidung innerhalb angemessener Frist nicht durchgeführt, so kann der betrof- (Dr. Furler) fene und jeder Unterzeichnerstaat, der an dem Streit beteiligt ist, an das Schiedsgericht mit der Bitte herantreten „um eine weitere Entscheidung bezüglich entsprechender ,anderweitiger Maßnahmen seitens des säumigen Staates". Eine derartige Norm ist innerhalb internationaler schiedsgerichtlicher Verträge üblich. Sie hat keinen Zusammenhang mehr mit den gestrichenen Sondervorschriften. Es ist notwendig darauf hinzuweisen, daß in Art. 10 des Brüsseler Vertrages die obligatorische Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofes für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien des Brüsseler Vertrages vereinbart wird. Da die Bundesregierung weder Mitglied der Vereinten Nationen ist noch dem Statut des Internationalen Gerichtshofes angehört, setzt die Erfüllung dieser Verpflichtung die Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung gegenüber dem Internationalen Gerichtshof voraus, deren Inhalt sich nach dem Beschluß des Sicherheitsrates vom 15. Oktober 1946 bestimmt. IX. Die Revisionsklausel Der Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten erblickt auch in der neuen Formulierung der Revisionsklausel (Art. 10) einen Fortschritt gegenüber dem Vertrage von 1952. Beide Fassungen dieses Artikels unterscheiden zwei Überprüfungsmöglichkeiten. Die eine — Buchstabe a — erfolgt auf Ersuchen eines Vertragspartners, die andere — Buchstabe b — setzt einegemeinsame Auffassung aller vier Mächte voraus. Beide Revisionstatbestände wurden erweitert. Zu Buchstabe a: Während früher die Wiedervereinigung Deutschlands und die Bildung einer Europäischen Föderation das Ersuchen auf Überprüfung rechtfertigten, sind dessen Voraussetzungen heute zusätzlich auch dann gegeben, wenn eine internationale Verständigung über Maßnahmen zur Herbeiführung der Wiedervereinigung Deutschlands erzielt ist. Im Auswärtigen Ausschuß entstand keine einheitliche Auffassung über die Abgrenzung dieser zweiten Alternative. Sicherlich stellt die allgemeine Hoffnung oder der Wunsch auf eine Wiedervereinigung noch keinen Überprüfungsgrund dar. Die neue Voraussetzung muß sich zwischen der Wiedervereinigung selbst und einer allgemeinen Chance auf sie erfüllen. Sobald eine internationale Übereinstimmung über Maßnahmen erzielt ist, die der Herbeiführung der Wiedervereinigung Deutschlands dienen, kann die Bundesrepublik die anderen Vertragspartner um eine Überprüfung ersuchen, deren Zweck ist, die Anpassung des Vertrages an die konkret in Aussicht stehende Wiedervereinigung durchzuführen. Voraussetzung der Überprüfung ist allerdings, daß die Vertragspartner selbst — also alle vier Staaten — an dieser internationalen Übereinstimmung beteiligt sind oder ihr wenigstens zustimmen. Diese Notwendigkeit würde sich auch schon ,aus der vertraglich festgelegten gemeinschaftlichen, auf eine Wiedervereinigung Deutschlands gerichteten Politik der vier Staaten ergeben. Auf jeden Fall geht aus dieser Norm der Wille der Vertragschließenden klar hervor, auf idem Weg zur Wiedervereinigung schon frühzeitig alle möglichen Hindernisse zu beseitigen. Zu Buchstabe b: Sobald die bei Inkrafttreten des Vertrages bestehenden Verhältnisse nach Auffassung der Vertragspartner eine Änderung grundlegenden Charakters erfahren haben, ist der Vertrag ebenfalls zu überprüfen. Das Ziel jeder Überprüfung ist, den Vertrag und seine Zusatzverträge in gegenseitigem Einvernehmen so zu gestalten, wie es die grundlegende Änderung der Lage erforderlich oder ratsam macht. Die Streichung des Abs. 3 des Art. 7 und die aus ihr sich ergebende neue Rechtslage steht in keinem unmittelbaren und kausalen Zusammenhang mit der Veränderung der Revisionsklausel. Der Auswärtige Ausschuß ist aber mit der Regierung der Meinung, daß ein innerer Zusammenhang zwischen beiden Komplexen besteht, da es darum geht, die Entschließungsfreiheit der Regierung des wiedervereinigten Deutschlands durch eine Anpassung der Verträge vorzubereiten und zu ermöglichen. Der Auswärtige Ausschuß schloß sich der in den Beratungen zum Ausdruck gekommenen Auffassung an, daß Art. 10 nur eine spezielle Anwendung und detailliertere, konkretere, präzisere Formulierung eines allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatzes ist, der dahin geht, daß eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten zu einer Überprüfung der getroffenen Vereinbarungen berechtigt. Diese Rechtsauffassung ist für den Vertrag über die Gründung der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft, der auf den 4. April 1959 eine Revision zuläßt, und für den Brüsseler Vertrag, der nach seinem Wortlaut auf 50 Jahre unveränderlich abgeschlossen wurde, von besonderer Bedeutung. E. Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland (Truppenvertrag) I. Die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik regeln sich nach dem Inkrafttreten des Protokolls vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes ausschließlich nach dem Truppenvertrag. Dieser Vertrag umgrenzt die Rechtsstellung der ausländischen Truppen. Er befaßt sich nicht mit der rechtlichen Grundlage, die die Anwesenheit dieser ausländischen Truppen im Gebiete der Bundesrepublik rechtfertigt. Diese rechtliche Grundlage ist nach Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag in dem Aufenthaltsvertrag — Drucksache 1060 — normiert. Der Grundsatz, daß sich die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik ausschließlich aus dem Truppenvertrag ergeben, gilt sowohl für die Kontingente der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs als auch für die Streitkräfte, die andere Staaten in der Bundesrepublik unterhalten. Diese durch den Vertrag abschließend umrissene Rechtsstellung ist auch in einer etwaigen Zwischenzeit maßgeblich, die sich ergibt, wenn der Komplex des Deutschlandvertrages vor den Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag in Kraft tritt. Sie gilt auch dann, wenn sich Streitkräfte zu Übungszwecken, auf Grund von Transitrechten oder auf dem Wege nach Berlin in der Bundesrepublik aufhalten. Nach Inkrafttreten des Protokolls vom 23. Oktober 1954 gibt es also für ausländische Truppen in der Bundesrepublik keine Befugnisse, die sich außerhalb des Truppenvertrages ableiten ließen. (Dr. Furler) II. Der 1952 zustande gekommene Truppenvertrag wurde im wesentlichen unverändert in das neue Vertragswerk übernommen. Zu seiner Erläuterung sind daher heute noch die Materialien zum Gesetz vom 28. März 1954 (BGBl. II S. 78 ff.) und im besonderen der Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten — Drucksache Nr. 3900 der 1. Wahlperiode — maßgeblich. Ergänzend wird auf die Darstellung des Besonderen Berichtes des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit Bezug genommen. III. Art. 8 des Deutschlandvertrages bringt für die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder insofern eine bedeutsame Änderung, als der Truppenvertrag nur noch für eine begrenzte Zeit gilt, also — im Gegensatz zu 1952 — eine Übergangsregelung darstellt. Nach Art. 8 Abs. 1 Buchstabe b des Deutschlandvertrages bleibt dieser Truppenvertrag bestehen bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen über die Rechte und Pflichten der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs und sonstiger Staaten, die Truppen im Gebiete der Bundesrepublik unterhalten. Diese neuen Vereinbarungen — also der neue Truppenvertrag — werden auf der Grundlage des in London am 19. Juni 1951 zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über den Status ihrer Streitkräfte unterzeichneten Abkommens getroffen. Diese Umformung der Rechte und Pflichten der in der Bundesrepublik befindlichen ausländischen Truppen auf der Basis des Rechts der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft erfährt insofern eine Abwandlung, als bei diesem neuen Truppenvertrag die besonderen Verhältnisse zu berücksichtigen sind, die für die in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte vorliegen. Nach Mitteilungen der Regierung ergibt sich aber aus den hier in London und Paris geführten Besprechungen, daß nach Möglichkeit ein Abkommen zustande kommen soll, das nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch für andere Mitglieder des Nordatlantikvertrages, die sich in einer ähnlichen Situation wie die Bundesrepublik befinden, Geltung haben soll. Im übrigen ist der Auswärtige Ausschuß der Meinung, daß die Vorbehaltsklausel wegen der besonderen Verhältnisse der ausländischen Streitkräfte in der Bundesrepublik nicht dahin zu verstehen ist, daß diese Verhältnisse vermehrte Rechte dieser Truppen bedingen. Der Sinn ist ein objektiver und kann, ja muß nach verschiedenen Richtungen zu einer bevorzugten Behandlung der Bundesrepublik führen, die auf Grund einer Situation, die sie nicht verursacht hat, einer größeren Zahl von ausländischen Streitkräften ein vertragliches Aufenthaltsrecht gewährt, als dies bei anderen NATO-Staaten der Fall ist. IV. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat hinsichtlich dieser Verträge den soeben entwickelten Gedanken in einer Erklärung Ausdruck gegeben, die lautet: Der Ausschuß hat hinsichtlich dieser Verträge anerkannt, daß die Vertragspartner sich verpflichtet haben, den Truppenvertrag durch eine dem NATO-Statut angepaßte Regelung abzulösen und dadurch den deutschen wirtschaftlichen Belangen größere Geltung zu verschaffen. 2. Zu den Verhandlungen über einen neuen Truppenvertrag wünschte der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung noch, daß a) bei Art. 19 — Manöver und Übungen — eine günstigere Regelung möglichst sofort herbeigeführt werde und b) bei Art. 20 und 21 — Verteidigungsanlagen — einheitliche Regelungen zum Schutze der Zivilbevölkerung im Sinne der deutschen Vorschriften getroffen werden. 3. Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zu Drucksache 1000 — erstattet durch den Abg. Lange — hebt auf die Bedeutung ab, die der vorgesehene Abschluß eines neuen Truppenvertrages hat. Er weist gleichzeitig auf die sich aus dem Abschnitt II — Versorgung — zwingend ergebenden Vorschriften für die Sicherstellung der Versorgung der Streitkräfte hin. Wenn auch die aus diesen Vorschriften abzuleitenden Leistungsgesetze sich nur auf den Truppenvertrag beziehen, so ist nach der von der Regierung vorgetragenen Auffassung die Formulierung der Gesetze so, daß sie sowohl für die ausländischen Truppen als auch für die deutschen noch aufzustellenden Streitkräfte die Grundlage der Versorgung bilden sollen. In diesem Zusammenhang weist der Bericht auf Bedenken der Minderheit hin, die auf die über die Geltungsdauer dieses Vertrages sich erstreckende Gültigkeit der Leistungsgesetze Bezug haben. Die Minderheit sieht hier die Möglichkeit für eine Veränderung der derzeitigen Wirtschaftsverfassung. Hierbei hat auch die Frage eine Rolle gespielt, ob die in Art. 3 gefundene Formulierung, wonach die Streitkräfte bei der Geltendmachung ihrer Rechte auf die deutschen öffentlichen und privaten Interessen „gebührend Rücksicht nehmen", die Sicherstellung des deutschen zivilen Bedarfs unter allen Umständen gewährleistet. Der Begriff „gebührend Rücksicht nehmen" war im Sinne dieser Frage für die Mehrheit ausreichend, für die Minderheit nicht genügend geklärt. Dazu kommt für die Minderheit, daß die genannte Bestimmung in Verbindung mit der Vorrangklausel des Art. 39 Abs. 5 gesehen werden muß, die den Vorrang des Streitkräftebedarfs eindeutig festlegt. Zur Sicherstellung des vorrangigen Bedarfs sind ein Landbeschaffungsgesetz, ein Bundesleistungsgesetz und ein Sicherstellungsgesetz erforderlich. Von dem Gedanken eines Dienstleistungsgesetzes für die Sicherstellung des sich aus den gesamten Leistungsverpflichtungen ergebenden Arbeitskräftebedarfs ist die Bundesregierung wieder abgegangen; die Arbeitskräfte sollen auf dem normalen Wege der Arbeitsvermittlung ohne Zwang an die Stellen des Bedarfs geleitet wenden. Es ist im Ausschuß zum Ausdruck gebracht worden, daß sich durch die Leistungsgesetze möglicherweise eine Einschränkung der durch das Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte anbahnen könne. Bei der Beratung der einzelnen Gesetze im Bundestag sei darauf besonderes Augenmerk zu richten. Abschließend stellt der Bericht fest, daß die Mehrheit des Ausschusses für Wirtschaftspolitik die zu erwartenden Belastungen der Volkswirtschaft für tragbar hält. Dagegen befürchtet die Minderheit im Zusammenhang mit der möglichen Wirkung der Leistungsgesetze, der Art der Beschaffung und den materiellen Belastungen Verzerrun- (Dr. Furler) gen des Wirtschaftsgefüges und die Gefahr der Veränderung der Wirtschaftsverfassung in Richtung auf zentrale Verwaltungswirtschaft. Der Ausschuß teilte in seiner Mehrheit eine derartige Befürchtung nicht, weil das Gesamtvolumen der nach dem Truppenvertrag aufzubringenden Leistungen im Verhältnis zum Sozialprodukt und dessen zu erwartender Steigerung nicht von ausschlaggebender Bedeutung sei. 4. Der Ausschuß für Besatzungsfolgen hat in diesem Zusammenhang den Wunsch geäußert, daß bei den Verhandlungen über einen neuen Truppenvertrag auf jeden Fall eine Schlechterstellung der Bundesrepublik gegenüber dem Status des bisherigen Vertrages vermieden werden muß. Der Auswärtige Ausschuß teilt solche Befürchtungen nicht. Er ist einmütig der Meinung, daß es der Sinn der Schaffung eines neuen Truppenvertrages ist, hier Verbesserungen zu erreichen, die sich aus Inhalt und Geist der NATO-Vereinbarungen ergeben. F. Der Finanzvertrag I. Dieser zwischen den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, der Französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland zustande gekommene Vertrag — BGBl. 1954 II S. 135 ff. — erfuhr durch die Pariser Verträge Abänderungen, die in der Liste III des Protokolls vom 23. Oktober 1954 niedergelegt sind—Drucksache 1000 S.15 ff.—. Darüber hinaus aber ist in Art. 8 Abs. 1 Buchstabe c des Deutschlandvertrages ausdrücklich vereinbart, daß der Finanzvertrag nur bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen gelte, über die gemäß Art. 4 Abs. 4 des geänderten Finanzvertrages mit denjenigen Mitgliedstaaten der Nordatlantikvertragorganisation verhandelt wird, die Truppen im Bundesgebiet stationiert haben. Der vorliegende Finanzvertrag stellt mithin eine Übergangsregelung dar, wobei die an seine Stelle tretende vertragliche Vereinbarung im Geiste des Art. 3 des Nordatlantikvertrages zu gestalten ist. II. Bei dem Finanzvertrag handelt es sich um eine spezielle Materie, die im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einer eingehenden Überprüfung unterzogen wurde. Es erscheint daher richtig, hier die Ausführungen des Schriftlichen Berichtes dieses Ausschusses — erstattet durch den Abg. Dr. Gülich — folgen zu lassen. 1. Grundsätze für die finanziellen Leistungen Aus dem Finanzvertrag sind alle diejenigen Bestimmungen herausgenommen, geändert oder angepaßt worden, die auf den 1952 vorgesehenen supranationalen Charakter einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zugeschnitten waren. Die materiellen Änderungen im Finanzvertrag beziehen sich in erster Linie auf die Vorschriften, welche die finanziellen Verpflichtungen der Bundesrepublik regeln. Die beiden wichtigsten Punkte sind: a) Der Bundesrepublik obliegt keine Dauerverpflichtung zur Leistung eines finanziellen Global- Verteidigungsbeitrags mehr (Wegfall des Art. 3 Abs. 1 bis 3 des Bonner Finanzvertrages a. F.). Statt dessen erbringt sie — wie alle anderen NATO-Staaten auch — künftig Realleistungen in Gestalt der Aufstellung und Ausrüstung militärischer Einheiten. Die Ausgaben dafür werden im einzelnen im Bundeshaushalt veranschlagt. NATO veranstaltet Jahreserhebungen über die Verteidigungsanstrengungen der westlichen Staaten, bewertet dabei die Realleistungen der einzelnen Mitgliedstaaten finanziell und spricht als Ergebnis dieses sogenannten NATO-Verfahrens Empfehlungen insbesondere auch zur Höhe des finanziellen Verteidigungsaufwands aus, die sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaates und auf einen Vergleich mit den entsprechenden finanziellen Verteidigungsleistungen der anderen Staaten stützen. Die Befolgung dieser finanziellen Empfehlungen wird überprüft (vgl. die Entschließung zur Durchführung von Abschnitt IV der Londoner Schlußakte Ziff. 2). Nach den Erklärungen des Vertreters der Bundesregierung sollen Verhandlungen über den Gesamtverteidigungsaufwand nach dem Inkrafttreten der Verteidigungsverträge stattfinden. b) Der Bundesrepublik obliegt keine Dauerverpflichtung zur Leistung eines Stationierungskostenbeitrags für die im Bundesgebiet stationierten fremden Streitkräfte (Wegfall des Art. 3 Abs. 4 und 5 des Bonner Finanzvertrages a. F.). Statt dessen erklärt sie sieh ,,im Geiste des Art. 3 des Nordatlantikvertrages" bereit, über Fragen des Unterhalts der stationierten Streitkräfte, wie z. B. über die Erbringung von Sach- und Werkleistungen zu verhandeln; dabei ist der Bedarf der eigenen Streitkräfte zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 4). Die finanziellen Übergangsbestimmungen befinden sich jetzt in Art. 4, der seinem ,ganzen Wortlaut nach geändert ist. Es ist von Bedeutung, daß der Finanzvertrag nicht mehr für die Dauer bestimmt ist, sondern lediglich für eine Übergangszeit gelten soll (Art. 8 Abs. 1 des Generalvertrages n. F.). Der Vertrag soll durch ein neues Abkommen auf der Grundlage des Nordatlantikvertrages abgelöst werden. 2. Stationierungskosten vor aktivem deutschen Verteidigungsbeitrag Die Bundesrepublik zahlt vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag einen monatlichen Durchschnittsbetrag von 600 Mio DM als Mittel für den Unterhalt der Streitkräfte (Art. 4 Abs. 1 Buchstabe a). Während bisher 600 Mio DM als Besatzungskosten monatlich den Besatzungsmächten zur freien Verfügung überlassen sind, ist neu, daß von dem genannten Betrag von 600 Mio DM monatlich ein Teilbetrag von 100 Mio DM für besondere Zwecke bestimmt ist, über die noch keine Abmachungen vorliegen, die aber zwischen den drei Mächten und der Bundesregierung später gemeinsam vereinbart werden sollen. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß Aufwendungen für das NATOInfrastrukturprogramm in diesem Betrag enthalten sind und das Entschädigungszahlungen für Besatzungsschäden in diesen Betrag einbezogen werden können (Art. 4 Abs. 1 Buchstabe b). Sollten die Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag gleichzeitig mit dem Proto- (Dr. Furler) koll über die Beendigung des Besatzungsregimes in Kraft treten, so kommt die soeben geschilderte Regelung überhaupt nicht zur Anwendung, vielmehr gilt dann sofort die Regelung unter Ziff. 4 dieses Berichtes. 3. Vorgesehene Zwischenlösungen Die in den beiden vorhergehenden Absätzen genannten Bestimmungen sollen auf jeden Fall nur bis zum 30. Juni 1955 gelten. Für den Fall, daß die Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag — das sind die Abkommen über den Beitritt der Bundesrepublik zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag — Drucksache 1061 — nach diesem Zeitpunkt in Kraft treten, ist vereinbart, daß Verhandlungen zwischen den vertragschließenden Staaten über den Beitrag der Bundesrepublik zum Unterhalt der Streitkräfte für die Zeit nach dem 30. Juni 1955 und vor dem Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag stattfinden werden (Art. 4 Abs. 1 Buchstabe c). Nach den Erklärungen des Vertreters der Bundesregierung war die Festsetzung des Termins des 30 Juni 1955 ein besonderes Anliegen der Bundesrepublik. 4. Stationierungskosten nach Beginn des aktiven deutschen Verteidigungsbeitrages Die Bundesrepublik verpflichtet sich, während der ersten 12 Monate nach dem Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag einen Gesamtbeitrag von 3200 Mio DM als Mittel für den Unterhalt der Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. Diese Mittel sollen nicht in gleichmäßigen Monatsbeträgen überwiesen werden, sondern in folgender — gegenüber dem alten Finanzvertrag verstärkter — Degression: für die ersten beiden Monate je 400 Mio DM mtl. = 800 Mio DM für die folgenden 4 Monate je 300 Mio DM mtl. = 1200 Mio DM für die letzten 6 Monate je 200 Mio DM mtl. = 1200 Mio DM. Die Bundesregierung glaubt, daß in dieser Degression die Tendenz zu auslaufenden Zahlungen in einer Übergangszeit zu erkennen ist. Falls die Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag nach dem 30. Juni 1955 in Kraft treten, werden die vorgenannten Bestimmungen nicht angewendet, sondern es werden vereinbarungsgemäß neue Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und den drei Mächten über den Beitrag der Bundesrepublik zum Unterhalt der Streitkräfte stattfinden, jedoch nur für den Zeitraum von höchstens 12 Monaten nach Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag (Art. 4 Abs. 2). 5. Revisionsklausel zu den Stationierungskosten Die Bundesregierung hat das Recht, eine Oberprüfung der bisher dargelegten finanziellen Abmachungen vorzuschlagen, falls sie der Auffassung ist, daß die durch den Aufbau der deutschen Streitkräfte entstehende finanzielle Belastung „eine solche Überprüfung rechtfertigt". Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich in diesem Fall, alle einschlägigen Fragen zu prüfen und „erforderlichenfalls" übereinzukommen, die Mittel für den Unterhalt der Streitkräfte herabzusetzen (Art. 4 Abs. 3). 6. Regelung nach Ablauf des ersten deutschen Verteidigungsjahres Für die Zeit nach Ablauf des ersten deutschen Verteidigungsjahres ist eine Verpflichtung der Bundesrepublik zur Zahlung der Stationierungskosten weder dem Grunde noch der Höhe nach festgelegt. Die Bundesregierung hat jedoch in Art. 4 Abs. 4 ihre Bereitschaft erklärt, bei Ablauf des ersten Verteidigungsjahres mit den anderen Mitgliedern des Nordatlantikvertrages in Verhandlungen über Fragen bezüglich des Unterhalts dieser Streitkräfte einzutreten (vgl. die grundsätzliche Bemerkung unter Ziff. 1 Buchstabe b dieses Berichtes). Die Bundesregierung glaubt aus dem Klammerhinweis („z. B. Sach- und Werkleistungen") schließen zu können, daß sich diese Regelungen vorwiegend mit der Gewährung von Naturalleistungen an die in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte zu befassen haben. 7. Übertragbarkeit und Verteilung der Mittel Mittel, die vertraglich für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellt werden, können auch in anderen Zeiträumen verwendet werden, und sie können auch „im Benehmen mit der Bundesrepublik" unter den beteiligten Mächten neu verteilt werden (Art. 4 Abs. 5). Hier ist einzuschalten, daß gemäß Schreiben der Außenminister vom 23. Oktober 1954 betr. die Bestätigung der Schreiben des Bundeskanzlers der Brief Nr. 5 — Nr. 3500 der Drucksachen der 1. Wahlperiode Anlage 3 C Nr. 5 a und 5 b S. 10 bis 15 — betr. Art. 4 Abs. 3 und 5 des Finanzvertrages nicht mehr anwendbar ist. 8. Behandlung der Besatzungskostenüberhänge a) Die Mittel, die den Besatzungsmächten als Besatzungskosten- und Auftragsausgaben zur Verfügung zu stellen sind und die von ihnen bis zum Inkrafttreten des Finanzvertrages noch nicht verbraucht worden sind, sollen den drei Mächten auch nach Inkrafttreten des Vertrages noch für eine Übergangszeit zur Verfügung stehen. Diese Mittel dürfen ausschließlich zur Abwicklung von Verbindlichkeiten verwendet werden, die noch vor Inkrafttreten des Finanzvertrages eingegangen worden sind (Art. 4 Abs. 6 Buchstabe a). b) Ein etwaiger Oberhang an Stationierungskosten aus der sog. Interimsperiode (oben Nr. 2) steht den drei Mächten noch 18 Monate nach Ablauf der .Interimsperiode zur Verfügung. Dagegen stehen etwaige Überhänge aus den Stationierungskosten des ersten deutschen Verteidigungsjahres (oben Nr. 4) den drei Mächten nur noch 12 Monate nach Ablauf dieses Zeitraums zur Verfügung (Art. 4 Abs. 6 Buchstabe b). c) Der bisher nicht verausgabte Teil der Besatzungskosten (derzeit rd. 3500 Mio DM) soll „so schnell wie möglich wesentlich vermindert werden". Zu diesem Zwecke verpflichten sich die Behörden der drei Mächte und der Bundesrepublik zusammenzuarbeiten und einander durch Austausch ein- (Dr. Furler) schlägiger Auskünfte und in jeder anderen geeigneten Weise zu unterstützen (Art. 4 Abs. 7). 9. Verwendung, Verausgabung und Verbuchung der Ausgaben Die Art. 5 und 6 sind im wesentlichen unverändert geblieben. Nur die sich auf die EVG beziehenden Sätze sind gestrichen worden, und es wind vereinbart, daß die Bundesregierung alle Maßnahmen zu treffen hat, um Mittel für den Unterhalt der Streitkräfte nach Bedarf zur Verfügung zu stellen (Art. 6 Abs. 1). Der Ausschuß nahm zur Kenntnis, daß von dem Vertreter der Bundesregierung interpretiert wurde, daß die Bestimmung materiell bedeutet, „nach Maßgabe des echten Kassenbedarfs". 10. Schiedsgericht Die Bestimmung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. 19) ist im wesentlichen bestehen geblieben. In Anpassung an die Streichung des Art. 3 und die Neufassung des Art. 4 des Finanzvertrages ist lediglich die Bestimmung unter Buchstabe a ,geändert worden. Sie besagt, daß Angelegenheiten, die nach den Abs. 1 bis 4 des Finanzvertrages (Stationierungskosten) in künftigen Verhandlungen zu regeln sind, nicht der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegen. Im übrigen ist das Schiedsgericht nach der unverändert gebliebenen Bestimmung unter Buchstabe b nicht zuständig zur Entscheidung von gewissen Fragen im Zusammenhang mit Stationierungsschäden (Art. 8) und für Angelegenheiten des Koordinierungsausschusses (Art. 14). 11. Entschädigungs- und Vergütungsfragen Neu hinzugefügt wird dem Finanzvertrag ein neuer Anhang B, der Ausführungsbestimmungen des Art. 8 (Entschädigungs- und Vergütungsfragen) in bezug auf die Streitkräfte der USA enthält und dem der auf Streitkräfte Englands, Belgiens, Dänemarks und Norwegens bezügliche Anhang A im Finanzvertrag alter Fassung entspricht. III. 1. Der Ausschuß für Besatzungsfolgen, der den Finanzvertrag ebenfalls beriet, gab zu Art. 12 dieses Vertrages eine besondere Erklärung ab. In Abs. 3 dieses Art. 12 ist festgelegt, daß die Vergütungen für die Bereitstellung von Liegenschaften, Gütern, Materialien oder sonstigen Leistungen von den zuständigen deutschen Behörden im Benehmen mit den Behörden der beteiligten Macht auf Grund eines zu erlassenden Bundesgesetzes festgelegt werden, und zwar nach Grundsätzen, die im Finanzvertrag (Art. 12 Abs. 3) niedergelegt sind. Bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bleibt es bei der bisher geltenden Grundlage für die Bemessung dieser Vergütungen. Hierzu erklärt der Ausschuß für Besatzungsfolgen: Der Ausschuß ist der Ansicht, im Hinblick auf Art. 12 Abs. 3 des Finanzvertrages müsse unbedingt dafür gesorgt werden, daß das Bundesleistungsgesetz spätestens zugleich mit dem Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft trete. Sollte das nicht erreicht werden können, I hält der Ausschuß es für erforderlich, daß das Bundesleistungsgesetz dann rückwirkend vom Tage des Inkrafttretens ides Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finden müsse. 2. Der Haushaltsausschuß stellte über die finanziellen Auswirkungen des Finanzvertrages auf den Bundeshaushalt Erwägungen an. Aus dem Mehrheitsbericht dieses Ausschusses — erstattet durch den Abg. Dr. Vogel — wird hierher das folgende übernommen: Das Bundesfinanzministerium sieht in diesen Vereinbarungen von London und Paris das denkbar Mögliche unter den obwaltenden Umständen. Auf beiden Konferenzen herrschte die Überzeugung, die gesunde Wirtschaftslage der NATO-Staaten dürfe keinesfalls durch militärische Verpflichtungen gestört werden. Es liege in der Hand von Regierung und Parlament, Störungen zu vermeiden. Für das erste Jahr nach dem Inkrafttreten sei die haushaltsmäßige Auswirkung durch die Einsetzung von 9 Milliarden DM — aufgeteilt in 5,8 für die deutsche Seite und rund 3,2 Milliarden DM für die alliierte Seite — geklärt. Bei der Verwendung der 5,8 Milliarden DM müsse noch entschieden werden, was man jetzt kaufen müsse oder was zur Vorbereitung der Eigenproduktion vorzufinanzieren sei. Hinsichtlich der Kasernierung hoffe man mit Neubauten für ein Drittel des erforderlichen Bedarfs auszukommen. Für die Ausrüstung mit schweren und mittelschweren Waffen lägen USA-Zusagen in London in feierlicher Form vor. Es sei angedeutet worden, diese Ausstattung erfolge unentgeltlich in Erwartung auch entsprechender Anstrengungen der Bundesrepublik. Sie dürfe von seiten der USA in der Belieferung gleiche Behandlung wie die anderen NATO-Staaten erwarten. Infolge des noch nicht ausgearbeiteten Programms für die Ausstattung der Verbände und die Eigenproduktion an Gerät kann das Bundesfinanzministerium die volle Höhe der Kosten der Wiederaufrüstung noch nicht beziffern. Gesamtkosten können deshalb nicht genannt werden, weil das Materialprogramm Millionen von Einzelposten umfaßt. Es ist auch noch nicht über die Ausstattung der einzelnen Divisionen entschieden und über die Frage, welches Gerät bei uns produziert oder vom Ausland bezogen wird. Das Programm geht von einer Aufstellung der Streitkräfte in 3 Jahren aus. Es muß zwischen Erstausstattung und laufenden Kosten unterschieden werden. Bei der Erstausstattung werden die USA die Hauptkosten tragen. Man habe sich in London nicht zu festen finanziellen Leistungen verpflichtet. Die andere Seite erwarte von uns aus einem wachsenden deutschen Sozialprodukt entsprechend wachsende Leistungen. Die Bundesrepublik bleibt jedoch Herr 'der Entscheidung, die andere Seite kann uns nichts vorschreiben. Die NATO-Staaten sind berechtigt, alles was an Kosten unter den Begriff „Verteidigung" fällt, in die Bruttoausgaben mit einzubeziehen. Diese Möglichkeiten müssen von uns im Hinblick auf die Kosten für die Berlin-Hilfe, Grenzschutz, außergewöhnliche soziale Leistungen, Aufnahme der Sowjetzonenflüchtlinge, Seßhaftmachung der Heimatvertriebenen bei den kommenden Verhandlungen noch ausge- (Dr. Furler) schöpft wenden. Wer eine überstürzte Aufrüstung will, muß doppelte Kosten riskieren. In London wie in Paris ist dies keineswegs übersehen worden. Die andere Seite vermutet, wir könnten die vorgesehenen 5,8 Milliarden DM gar nicht ausgeben. Die Höhe der eigenen Investitionen hängt auch von der Entscheidung ab, wie und mit welchen Mitteln Beihilfen im Inland bereitgestellt werden und zu welchen Preisen das Ausland liefern kann. Was die laufenden Kosten anbetrifft, ist die Bundesregierung der Überzeugung, sie könnten von einem wachsenden deutschen Sozialprodukt getragen werden. Führt das Dreijahresprogramm zu einer Überforderung unserer finanziellen und wirtschaftlichen Leistungskraft, dann wird man mehr Zeit brauchen. Eine Gesamtkostenziffer kann nicht etwa deswegen nicht genannt werden, weil man einen zu hohen Betrag fürchtet, sondern weil infolge der vorgetragenen Einzelheiten noch keine sichere Kalkulationsbasis vorliegt. Man hat bis jetzt von keiner Seite, auch nicht von seiten der Dienststelle Blank, verbindlich Ziffern wie 60 Milliarden DM in 3 Jahren nennen hören. Für das Haushaltsjahr 1955 hat die Bundesregierung über den Betrag von 9 Milliarden DM hinaus keine neuen Mittel angefordert. Da sie nach ihren Angaben keine bindenden Verpflichtungen für kommende Haushaltsjahre eingegangen ist, die idas Bewilligungsrecht des Parlamentes einschränken würden, liegen Verteidigungsausgaben der folgenden Haushalte im Ermessen des Parlaments. Die Minderheit des Haushaltsausschusses vertrat abweichende Auffassungen, die in ihrem durch den Abg. Ritz e1 erstatteten Minderheitsbericht niedergelegt sind, dessen allgemeine Darlegungen lauten: Nach Auffassung der Minderheit war es die Pflicht ides Haushaltsausschusses, konkrete Feststellungen zu treffen über 1. die unmittelbare Belastung des Haushalts auf Grund der Verträge, 2. die mittelbaren materiellen Auswirkungen der Verträge im Sinne von zusätzlichen Ausgaben des Bundes und durch Einnahmeverminderungen, 3. die haushaltsmäßige Konsequenz der Verträge. Voraussetzung hierfür wäre eine ausreichende pflichtgemäße politische und technische Prüfung der Auswirkungen der Verträge auf den Haushalt gewesen. Diese Prüfung hätte die Tatsache berücksichtigen müssen, daß es sich nicht nur um Auswirkungen für ein Rechnungsjahr, sondern um eine über eine unbekannte Anzahl von Jahren verlaufende Erscheinungsform der Bundesfinanzen handelt. Voraussetzung wäre weiter eine sorgfältige Haushaltsgebarung auf Grund einer exakten Planung und eines umfassenden Charakters der Veranschlagung gewesen. Damit allein hätte eine Vollständigkeit der Haushaltsgebarung erreicht werden können. Sie wurde angesichts der ungenügenden Unterlagen nicht erreicht. Das Haushaltsrecht des Bundestages ist damit nicht gewahrt. Die Minderheit befürchtet, daß das Gleichgewicht des Bundeshaushalts durch von der Bundesregierung nicht genannte tatsächliche Belastungen erschüttert wird. Sie befürchtet weiter, daß diese Belastung auf die Dauer in einem krassen Mißverhältnis zum Nationaleinkommen steht. Die Minderheit schätzt die Kasten für den Aufbau von 12 deutschen Divisionen auf mindestens 60 000 Mio DM, die innerhalb von 3 Jahren ausgegeben werden müßten. Sie glaubt daneben an die Entstehung von Folgekosten in unbekannter Höhe, wobei sie die Ausgabe für den zivilen Luftschutz auf mindestens 12 000 Mio DM schätzt. Der Minderheitsbericht faßt seine abweichende Auffassung dahin zusammen: Unter diesen Umständen sieht sich die Minderheit zu der Feststellung gezwungen, daß in jeder der genannten Beziehungen die haushaltsmäßigen Konsequenzen der Verträge nicht gezogen werden konnten, daß keine Beurteilung über die tatsächlichen materiellen Auswirkungen der Verträge durch zusätzliche Ausgaben und durch Einnahmeminderung möglich war. Daher lehnt die Minderheit die Verträge auch vom Standpunkt einer ordnungsgemäßen Haushaltswirtschaft ab. G. Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag) a) Vorbemerkung Die Verträge wollen in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und der Bundesrepublik einen Zustand schaffen, der die Zeiten des Krieges und der Besatzung abschließt. Sie haben daher auf vielen Gebieten jetzt schon eine ähnliche Bedeutung, wie sie einem Friedensvertrag zukommen wird. Aus Krieg und Besatzung entstanden sehr viele und schwierige Probleme, deren Bereinigung durch den Überleitungsvertrag erfolgen soll. Die Verhandlungen über dieses weite Gebiet waren in den Jahren 1951/52 die langwierigsten und kompliziertesten gewesen. Die Interessengegensätze standen sich hier in besonderer Stärke gegenüber. Der Überleitungsvertrag versuchte, einen Ausgleich zu schaffen, der naturgemäß für die Bundesrepublik mit besonderen Opfern verbunden war, die wegen des verlorenen Krieges, der jahrelangen Besatzung und der politischen Situation unvermeidlich waren. Wie die Regierung dem Auswärtigen Ausschuß mitteilte, ist von deutscher Seite versucht worden, die Regelungen des Überleitungsvertrages nach verschiedenen Richtungen zu ändern. Dies gelang jedoch nur in einem relativ engen Rahmen. Die drei Mächte bestanden in grundsätzlichen Fragen auf den bisherigen Bestimmungen, so daß große Teile des Überleitungsvertrages unverändert übernommen werden mußten. Die voraussichtlichen finanziellen Belastungen, die sich für den Bundeshaushalt aus dem Inkrafttreten des Überleitungsvertrages ergeben, beziffern sich nach der unmittelbar als Anlage*) beigefügten Übersicht des Bundesministers der Finanzen vom 17. Januar 1955 auf jährliche Ausgaben in Höhe von 182,9 Mio DM und auf einmalige Ausgaben in Höhe von 6 129 Mio DM. Da der Überleitungsvertrag aber Leistungen enthält — so der Dritte Teil (Innere Rückerstattung) und der Vierte Teil (Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung) —, die auch unabhängig von diesen Vereinbarungen gesetzgeberisch hätten festgesetzt werden müssen, sind die hieraus sich ergebenden Belastungen des Bundeshaushalts bei der Gesamtbeurteilung der aus dem Überleitungsvertrag sich sj Anlage A Seite 3612. (Dr. Furler) ergebenden Lasten auszuklammern. Grundsätzliche Veränderungen der finanziellen Lasten haben sich seit dem Vertrag von 1952 nicht ergeben. Der Haushaltsausschuß folgte in seiner Mehrheit den Schätzungen des Bundesfinanzministeriums. Die Minderheit äußerte Bedenken und meinte, die Gefahr sei nicht ausgeräumt, daß noch unbekannte Ansprüche gegen Deutschland auf Grund des Überleitungsvertrages erhoben werden. Nachfolgend werden die durchgeführten Änderungen besprochen werden. Soweit die Normen des Vertrages unverändert blieben, darf auf die hierzu erfolgten Ausführungen im Bericht Drucksache Nr. 3900 der 1. Wahlperiode verwiesen werden. b) Die einzelnen Teile des Überleitungsvertrages I. Allgemeine Bestimmungen Die Art. 1 bis 8 des Ersten Teiles des Überleitungsvertrages sind nicht verändert. Sie regeln das Schicksal der Maßnahmen, die die Besatzungsmächte im Gebiete der Bundesrepublik getroffen haben. Dabei wird von dem Grundsatz ausgegangen, daß die erlassenen Rechtsvorschriften, die für das Besatzungsgebiet abgeschlossenen Verträge, die aus Maßnahmen der Besatzungsbehörden entstandenen Rechte und Verpflichtungen und die ergangenen Urteile bestehen bleiben. Die Organe der Bundesrepublik und der Länder werden aber im Rahmen ihrer allgemeinen Zuständigkeiten für befugt erklärt, die von den Besatzungsbehörden erlassenen Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern, sofern nicht in den Verträgen ausdrückliche Ausnahmen normiert sind. Die vom Kontrollrat ausgegangenen Rechtsvorschriften können aus Gründen, die in der allgemeinen politischen Situation liegen, nicht aufgehoben werden. Die Bundesrepublik ist aber befugt, die alliierten Rechtsvorschriften nach Konsultation mit den drei westlichen Mächten innerhalb ihres Gebietes außer Wirksamkeit zu setzen. Wegen des unveränderten Inhalts der Art. 1 bis 8 darf auf die früheren Materialien Bezug genommen werden. Der Auswärtige Ausschuß hat sich hier auf die Besprechung einzelner Sonderfragen beschränkt. 1. Der Ausschuß nahm mit Bedauern zur Kenntnis, daß alle Bemühungen, den Art. 3 zu verändern, ergebnislos geblieben sind. 2. Da die Verträge des Jahres 1952 nicht in Kraft traten, konnte auch der in Art. 6 vorgesehene gemischte Ausschuß nicht gebildet werden, der sich mit den Strafen und dem Strafvollzug von Personen empfehlend befassen sollte, die von den Gerichten einer alliierten Macht wegen Kriegsverbrechens verurteilt wurden und im Gebiete der Bundesrepublik in Haft gehalten werden. Die drei Mächte hatten aber in der Zwischenzeit für ihre Zonen gemischte Ausschüsse gebildet, die diese Verurteilungen überprüften und deren Empfehlungen für die Entschließungen der drei Mächte von maßgebender Bedeutung waren. Daß hier trotz der nicht zustande gekommenen Verträge Fortschritte erzielt wurden, ergeben die nachfolgenden Zahlen über die durchgeführten Entlassungen aus Landsberg, Werl und Wittlich. Es saßen am 1. April 1952 am 1. Januar 1955 in Landsberg 353 93 Häftlinge in Werl 144 33 Häftlinge in Wittlich 152 38 Häftlinge 649 164 Häftlinge. 3. Art. 7 des Überleitungsvertrages befaßt sich' mit Strafurteilen gegen Personen, die sich im Gebiete der Bundesrepublik während der Besatzungszeit gegenüber den Alliierten strafbar gemacht haben. Er regelt auch die Strafvollstreckung innerhalb Deutschlands und das Gnadenrecht. Nach Mitteilungen des Bundesjustizministeriums befinden sich im Augenblick 536 Personen, die im Rahmen des Anwendungsbereichs des Art. 7 verurteilt wurden, in deutschen Haftanstalten. 99 Inhaftierte verbüßen eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Im übrigen beträgt die durchschnittliche Dauer der Freiheitsstrafen drei Jahre und 10 Monate. Die Zahl der Inhaftierten betrug im November 1952 1425 Personen. Es handelt sich hier um Deutsche und um Ausländer, die im Gebiete der Bundesrepublik gegenüber den Besatzungsmächten strafbar wurden. Die Zahl der deutschen Staatsangehörigen und der Volksdeutschen belief sich im November 1952 auf 660 Personen, die Zahl der Ausländer auf 765. Das Bundesjustizministerium nimmt an, daß im Augenblick unter den noch inhaftierten 536 Personen sich nicht mehr als 200 deutsche Staatsangehörige und Volksdeutsche befinden. 4. Die drei westlichen Mächte haben seit 1949 Verträge für das Gebiet der Bundesrepublik nicht mehr abgeschlossen. 1952 waren Listen über die noch in Kraft befindlichen und über die abgelaufenen Verträge der Besatzungsmächte aufgestellt worden. Diese Listen wurden in London und Paris nicht erneuert. Die vier vertragschließenden Staaten waren aber darüber einig, daß abgelaufene Verträge dieser Art auch dann als beendet gelten, wenn sie formell noch in der 1952 aufgestellten Liste der in Kraft befindlichen Verträge stehen. Diese Rechtslage wird auch dadurch bestätigt, daß in der Einleitung zu den Listen des Jahres 1952, die im BGBl. 1954 II S. 254 ff. veröffentlicht bind, steht, die Nennung eines Vertrages in einer der beiden Listen sei „nicht als vollgültiger Beweis seines gegenwärtigen Status aufzufassen". Ein ablaufender Vertrag tritt mithin auch dann außer Kraft, wenn er weiterhin in der Liste der noch bestehenden Verträge aufgeführt ist. 5. Zur Frage der für die deutsche Funkhoheit bestehenden Bindungen gab die Regierung folgende Erklärungen ab: Das Rundfunkabkommen von Kopenhagen aus dem Jahre 1948 ist weder von Deutschland noch von den Besatzungsmächten für Deutschland unterschrieben worden. Die Bundesrepublik ist deshalb an den Wellenplan von Kopenhagen nicht gebunden. Sie ist auf diesem Gebiet aber aus dem Brief des Bundeskanzlers an die drei Hohen Kommissare vom 26. Mai 1952 betr. Funkdienste, der in Kraft bleibt und in BGBl. 1954 II S. 108 veröffentlicht ist, durch den Art. 18 Abs. 5 des Truppenvertrages und durch den internationalen Fernmeldevertrag von Buenos Aires des Jahres 1952 verpflichtet. Im Rahmen dieser Einschränkungen ist die Bundesrepublik bereit, jede Initiative zu ergreifen, die es ermöglicht, die Bedürfnisse des Rundfunks zu befriedigen. Die Regierung wies darauf hin, daß über die hier offenen Fragen gegenwärtig Beratungen gepflogen und Verhandlungen geführt werden. 6. Der Ausschuß für Besatzungsfolgen legt auf die Feststellung Wert, daß die aufrechterhaltenen alliierten Verwaltungsmaßnahmen und Urteile nicht daran hindern, bei Besatzungsschäden eine zusätzliche Zahlung durch den Bund zu leisten. (Dr. Furler) II. Dekartellisierung und Entflechtung 1. Der mit der Dekartellisierung und Entflechtung überschriebene Zweite Teil des Überleitungsvertrages wurde in vollem Umfange gestrichen. Das neue Vertragswerk befaßt sich aber an zwei Stellen mit der hier ursprünglich behandelten Materie. a) In den Ersten Teil des Überleitungsvertrages, also in die Allgemeinen Bestimmungen, wurden die Artikel 9 bis 12 neu eingefügt. Diese Artikel regeln spezielle Fragen, die aus dem Gebiete der Dekartellierung und Entflechtung noch offen waren. b) Ein Schriftwechsel vom 23. Oktober 1954 zwischen dem Bundeskanzler und den drei Hohen Kommissaren — Drucksache 1000, Begründung Anlage B III a und III b S. 64/65 — befaßt sich mit der Kartellpolitik, die die Bundesregierung durchführen will. In einem allgemeinen Zusammenhang hiermit steht der Schriftwechsel vom 23. Oktober 1954 betreffend Gewährleistung der Weiterführung von Gewerben und freien Berufen — Drucksache 1000 Begründung Anlage B IV a und IV b S. 65/66 —. 2. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat die mit der Dekartellierung, Entflechtung und Gewerbefreiheit zusammenhängenden Fragen einer eingehenden Prüfung unterzogen und hierüber durch den Abg. Dr. Pohle berichtet. Aus diesem Bericht werden die folgenden Ausführungen hierher übernommen: Dekartellisierung Da Art. 1 des Ersten Teils des Überleitungsvertrages in Kraft geblieben ist, sind die Organe der Bundesregierung, insbesondere also der Deutsche Bundestag, befugt, von den Besatzungsbehörden erlassene Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern, sofern die Verträge nichts anderes bestimmen. Eine solche Vertragsbestimmung ist nach dem Wegfall des Art. 1 des früheren Zweiten Teils im neuen Vertragswerk nicht enthalten. Zwar hat sich die Bundesregierung durch den Brief des Bundeskanzlers verpflichtet, sich gegen eine Aufhebung der genannten alliierten Gesetze zu wenden, ohne daß ein Kartellgesetz verabschiedet ist. Doch beziehen sich die von der Bundesregierung als Drucksachen 1000 und 1061 vorgelegten Ratifikationsgesetze nicht auch auf den Brief des Bundeskanzlers. Dieser Brief ist also nicht Gegenstand der Zustimmungsgesetze; das Parlament nimmt durch seine Zustimmung zu den Gesetzen zu diesem Brief keine Stellung. Mithin besteht eine Bindung der gesetzgebenden Körperschaften insoweit nicht mehr. Würde der Bundestag den Versuch unternehmen, die alliierten Bestimmungen ohne gleichzeitige Verabschiedung eines Kartellgesetzes aufzuheben, so ist zwar die Bundesregierung verpflichtet, gegen eine bedingungslose Aufhebung der alliierten Kontrollgesetze Stellung zu nehmen. Nach übereinstimmender Auffassung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses ist jedoch die Beschlußfreiheit der gesetzgebenden Körperschaften damit nicht berührt. Im übrigen ist der Brief des Bundeskanzlers weniger starr gefaßt als die frühere Vorschrift des Art. 1, Zweiter Teil des Überleitungsvertrages. Während nach bisherigem Recht ein Bundesgesetz in den „entscheidenden Bestimmungen dem bisher von der Bundesregierung verabschiedeten Gesetzentwurf zu entsprechen" hatte, verpflichtet sich in dem zitierten Brief die Bundesregierung nunmehr nur, dahin zu wirken, daß die Freiheit des Wettbewerbs umfassend und wirksam geschützt wird; das zu erlassende deutsche Gesetz soll nur „allgemeine Bestimmungen gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthalten". Entflechtungen a) Ufa-Ufi-Gesetz Der frühere Art. 2 des Zweiten Teils des Überleitungsvertrages ist gleichfalls ersatzlos gestrichen. Nach ihm sollte das Ufa-Gesetz, das bei der Unterzeichnung der Bonner Verträge noch nicht in Kraft war, bestehen bleiben, bis die in diesem Gesetz vorgesehene Überführung des Vermögens in private Hand sowie die Liquidation der Ufa-Film-Gesellschaft durchgeführt waren. Nunmehr kann von den gesetzgebenden Körperschaften jederzeit eine Änderung des Gesetzes beschlossen werden. Die sogenannte Versteinerung des Gesetzes ist gefallen. b) Großbanken Auch der frühere Art. 3 des Zweiten Teils ist durch das neue Vertragswerk gestrichen. Er sah die Verpflichtung vor, das Bundesgesetz über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten vom 29. März 1952 (BGBl. I S. 217) bis zur Übergabe der Aktien der Nachfolgebanken an die Bank deutscher Länder zur Verteilung an die Aktionäre nicht zu ändern. Zwar liegt eine frühere Erklärung der Bundesregierung gegenüber den Alliierten vor, daß sie von sich aus eine Änderung des Großbankengesetzes für die Dauer von drei Jahren nicht vorschlagen wird. Der Lauf dieser Frist sollte beginnen, sobald die Vermögensgegenstände der Großbanken an die Nachfolgebanken übertragen und die Aktien übergeben waren. Da die Aktienübergabe im Jahre 1953 stattgefunden hat, würde die Verpflichtung der Bundesregierung, von sich aus kein Änderungsgesetz einzubringen, im Frühjahr 1956 ablaufen. Die gesetzgebenden Körperschaften sind jedoch hinsichtlich der Großbanken auch bis zu diesem Zeitpunkt von allen Bindungen frei geworden. Der Briefwechsel ist nicht Bestandteil der Zustimmungsgesetze. c) Entflechtung des Kohlenbergbaus und der Stahl- und Eisenindustrie An Stelle der früheren Bestimmungen des Zweiten Teils des Überleitungsvertrages sind die Art. 9, 10 und 12 des Ersten Teils der Liste IV des Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland getreten. Damit ist insbesondere der frühere Art. 4 des Zweiten Teils des Überleitungsvertrages weggefallen, wonach die alliierten Bestimmungen insbesondere des alliierten Gesetzes Nr. 27 bis zur Durchführung der Entflechtung in Kraft bleiben sollten. Weggefallen ist namentlich auch die durch jenen Artikel eingeführte neu zu gründende alliierte „Stelle", der gewisse Kontroll-, Genehmigungs-, Befreiungs und Verteilungsrechte zustehen sollten. Die Befugnisse der „Stelle" sollten sich freilich fortschreitend mit der Erfüllung ihrer Aufgaben erübrigen. Inzwischen ist bekanntlich die Entflechtung weit fortgeschritten. Die organisatorischen Maßnahmen sind im wesentlichen beendet, die (Dr. Furler) meisten Unternehmen aus der Kontrolle entlassen. Die früheren Vorschriften des Art. 4 waren also durch die zeitliche Entwicklung überholt. In Art. 9 Abs. 1 ist somit nur noch vorgesehen, daß die alliierten Vorschriften in dem Umfang in Kraft bleiben, in dem sie am Tage des Inkrafttretens der Pariser Verträge gelten, ,soweit und solange vor diesem Zeitpunkt angeordnete Entflechtungsmaßnahmen noch durchzuführen sind oder Berechtigte noch geschützt werden müssen'. Diese Vorschrift bezieht sich in ihrem zweiten Teil auf den Gläubigerschutz, den das alliierte Gesetz Nr. 27 einem Prüfungsausschuß übertrug, welcher die Ansprüche der einzelnen Gläubiger und Berechtigten zu prüfen hat. Der Prüfungsausschuß kann nur innerhalb von sechs Monaten nach den jeweiligen Entflechtungsmaßnahmen angerufen werden. Auf ihn ist auch im Londoner Schuldenabkommen Bezug genommen, nach dessen Art. 33 der Prüfungsausschuß auch die Bestimmungen des Londoner Abkommens anzuwenden hat. Solange die Berechtigten den Ausschuß noch anrufen können, mußte daher die Vorschrift aufrecht erhalten werden. Die Beibehaltung der Rechtsvorschriften des Gesetzes Nr. 27 bezieht sich nicht nur auf den Schutz der Berechtigten, sondern auch auf die bereits „angeordneten Entflechtungsmaßnahmen". Solche Maßnahmen enthalten z. B. einige technische Fragen, wie den Umlauf einiger Interimsscheine, solange die Aktien der Neuunternehmungen noch nicht verteilt worden sind. Im wesentlichen handelt es sich aber dabei um die bestehenden Verkaufsauflagen. Bei der Entflechtung wurden nach den Bestimmungen der Alliierten die neuen Aktien an den Nachfolgegesellschäften nach dem pro-rata-Prinzip auf die Aktionäre der Altgesellschaften verteilt. Es war außerdem vorgesehen, daß sogenannte Hauptgesellschafter, nämlich solche, deren Aktienbesitz 15 v. H. am Nennkapital der alten Gesellschaften überstieg, grundsätzlich nur bei einer Nachfolgegesellschaft in unbeschränktem Umfang beteiligt bleiben durften. Bei den übrigen Nachfolgegesellschaften hatte der Hauptgesellschafter seinen Anteil innerhalb einer Frist von fünf Jahren zu veräußern. Hauptgesellschafter war auch, wer mit mehr als 5 v. H. am Nennkapital einer Altgesellschaft beteiligt war, wenn er infolge der besonderen Umstände auf Grund einer solchen Beteiligung einen beherrschenden Einfluß ausübte. Schon bei den Verhandlungen von 1951 bis 1952 hatte die deutsche Bundesregierung gegen diese Verkaufsauflagen erhebliche Einwände erhoben. Bei den Londoner und Pariser Verhandlungen 1954 wurde, wie die Vertreter der Bundesregierung dem Ausschuß berichteten, erneut versucht, die Verkaufsauflagen zu beseitigen. Der Ausschuß brachte die gleichen Bedenken gegen die Verkaufsauflagen zum Ausdruck. Er pflichtet daher der Bundesregierung in vollem Umfang in ihrem Bemühen bei, die Vertragspartner des Pariser Vertragswerks auf die schwerwiegenden Folgen der Beibehaltung der Verkaufsauflagen hinzuweisen. Nach Mitteilung der Bundesregierung war es in den Verhandlungen nicht möglich, die Verkaufsauflagen zu beseitigen. Zwar ist nach dem Abschluß der Bonner Verträge der Gemeinsame Markt der Montan-Union für Kohle und Stahl errichtet worden. Alle Zusammenschlüsse von Unternehmen auf dem Gebiet von Eisen und Kohle, d. h. auch alle etwaigen Wiederverflechtungen, unterliegen der vorherigen Genehmigung der Hohen Behörde. Durch die Entscheidungen Nr. 24, 25 und 26/54 vom 6. Mai 1954 hat die Hohe Behörde die allgemeinen Vorschriften des Art. 66 inzwischen spezialisiert und das Genehmigungsverfahren im einzelnen geregelt. Im Ausschuß ist daher die Frage aufgeworfen worden, ob nicht auch die endgültige Durchführung angeordneter Entflechtungsmaßnahmen, beispielsweise die Erfüllung der Verkaufsauflagen, auf die Hohe Behörde hätte übergehen sollen. Statt dessen ist in Art. 10 im wesentlichen die frühere Vorschrift des Art. 5 aufrechterhalten, wonach ein sogenannter Gemischter Ausschuß von sieben Sachverständigen gebildet wird, der aus drei Deutschen und drei Alliierten besteht, die sich auf ein siebentes Mitglied zu einigen haben. Sollte dieses Mitglied nicht innerhalb einer 6-Monats-Frist gewählt sein oder die Wahl nicht annehmen, wird der Verwaltungsrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als siebentes Mitglied einen Sachverständigen bestellen, der nicht Angehöriger eines Unterzeichnerstaates ist. Der Gemischte Ausschuß kann von jenen Hauptgesellschaftern, die der Verkaufsauflage unterliegen, angerufen werden. Seine Aufgabe ist es, Anträge auf Fristverlängerung zu prüfen. Er kann eine Verlängerung der Verkaufsfristen jeweils um ein Jahr gewähren, und zwar unbeschränkt oft. Durch Art. 10 Abs. 4 ist festgelegt, daß der Gemischte Ausschuß „die für die Veräußerung festgesetzte Frist verlängert, wenn der Antragsteller dartut, daß die Wertpapiere trotz zumutbarer Bemühungen zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen und auf einer mit den deutschen Allgemeininteressen zu vereinbarenden Grundlage nicht veräußert werden konnten und eine solche Veräußerung auch innerhalb der restlichen Frist nicht möglich ist, ohne daß eine nachhaltige Störung des deutschen Kapitalmarktes verursacht wird". In der Begründung zu Art. 10 heißt es, daß die erste Voraussetzung dem Schutz der Betroffenen dient, während die zweite klarstellt, daß keine Verpflichtung zur Veräußerung ins Ausland besteht. Mit anderen Worten: Der zweite Halbsatz soll die Gefahr der Überfremdung bannen, der erste das Problem der Paketbewertung als solches anerkennen, d. h. einen Verkauf zu unangemessen niedrigen Kursen verhindern. Nach Mitteilung der Bundesregierung wurde bei den Verhandlungen versucht, dem Gemischten Ausschuß die Befugnis zu geben, nach zweimaliger Verlängerung die Verkaufsauflage überhaupt aufzuheben. Mit diesem Wunsch drang die Bundesregierung bei den Verhandlungen nicht durch. Der Bundeskanzler gab jedoch in der Sitzung der vier Außenminister vom 20. Oktober 1954 die Erklärung ab, die in der Begründung der Bundesregierung zum Deutschlandvertrag — Drucksache 1000 S. 42 — wörtlich wiedergegeben ist. Laut Verhandlungsprotokoll nahmen die drei angesprochenen Außenminister diese Erklärung (statement) des Bundeskanzlers ohne Widerspruch zur Kenntnis. Demgemäß wird die Bundesregierung entsprechend dieser Erklärung zu gegebener Zeit erneut mit den drei Mächten in Verbindung treten, wenn trotz der Regelung des Art. 10 Schwierigkeiten bei der weiteren Behandlung der Verkaufsauflagen auftreten sollten. Nach Art. 9 Abs. 2 wird die Bundesregierung (Dr. Furler) dafür sorgen, daß die von den Alliierten angeordneten Verkaufsauflagen vollständig durchgeführt werden. In der Begründung zu dieser Vorschrift heißt es, daß die Bundesregierung zur Erfüllung der von ihr übernommenen Sorgepflicht „im Rahmen der ihr verfassungsrechtlich gegebenen Möglichkeiten" gehalten ist. Die Vertreter der Bundesregierung haben in den Verhandlungen vor dem Ausschuß darauf hingewiesen, daß bei den Vertragsverhandlungen die deutschen Vertreter stets widerspruchslos betont hätten, die Bundesregierung sehe von sich aus keine Möglichkeit, durch Verwaltungsakt oder eine sonstige Maßnahme die Erfüllung der Verkaufsauflagen zu erzwingen, z. B. durch Anweisung an die sogenannten Verfügungstreuhänder (disposition Trustees), die Verkäufe entgegen dem Willen der Eigentümer durchzuführen. Sie sei allenfalls in der Lage, dem Parlament ein Gesetz vorzulegen, das derartige Maßnahmen vorsehe; ob es angenommen werde, stehe allein in der Entscheidung der gesetzgebenden Körperschaften. Im Ausschuß ist hierbei die Frage sorgsam erwogen worden, ob nicht — entgegen dieser Auffassung — auch das deutsche Parlament im Falle der Zustimmungserteilung zum vorliegenden Vertragswerk an diese Verpflichtung gebunden, d. h. nach völkerrechtlichen Grundsätzen verpflichtet sei, einem eine Verkaufsauflage erzwingenden Gesetz zuzustimmen. Die Mehrheit des Ausschusses folgte jedoch insoweit der Rechtsansicht der Bundesregierung, die in Art. 9 Abs. 2 lediglich eine Verpflichtung für sich als Exekutive übernommen hat, nicht dagegen eine korrespondierende Verpflichtung für die übrigen staatstragenden Gewalten. d) IG-Farbenindustrie Die früheren Bestimmungen des alten Vertrages (zu Drucksache 1000 S. 118 ff.) über die Entflechtung und Liquidation der IG-Farbenindustrie waren ebenso aufgezogen wie bei Kohle und Stahl. Nach dem neuen Art. 11 bleiben die von der Alliierten Hohen Kommission erlassenen Rechtsvorschriften über den Abschluß der Entflechtung und Liquidation in dem Umfang in Kraft, in dem sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages gelten, und zwar so lange, bis die Liquidation vollständig durchgeführt ist. Damit gelangt zum Ausdruck, daß anstelle der alliierten Gesetze Nr. 9 und 35 das sogenannte IG-Liquidationsschlußgesetz tritt. Dessen Vorschriften sehen eine beschleunigte Beendigung der Liquidation unter Beachtung des deutschen Liquidationsrechts, eine Befriedigung oder Sicherstellung der Schulden und eine Verteilung des Restvermögens durch die Liquidatoren, die Wiederherstellung der Rechte der Gesellschaftsorgane einschließlich der Hauptversammlung und eine Aufhebung der Kontrollen vor. Bei der Wiederherstellung der Rechte der Gesellschaftsorgane bleiben lediglich die sogenannten Inkompatibilitätsbestimmungen über die Interlocking Directorates insoweit aufrechterhalten, als kein Mitglied des Aufsichtsrates oder Vorstandes der Chemischen Werke Hüls oder einer der vier großen Tochtergesellschaften Mitglied des Aufsichtsrates oder Liquidator der IG-Farbengesellschaft sein darf. Das IG-Liquidationsschlußgesetz wurde im Januar verkündet und trat am 6. Februar 1955 in Kraft. Dieses Gesetz, das die Nr. 84 trägt, setzt die Gesetze Nr. 9 und 35 mit dem Zeitpunkt außer Kraft, in dem die Ernennung oder Bestätigung der Liquidatoren und des Aufsichtsrats im Bundesanzeiger bekanntgemacht wird. Außer dem Schlußgesetz sind vier Durchführungsverordnungen bekanntgemacht, die die Verfügung über das Restvermögen, die Verteilung der Aktien der Nachfolgegesellschaften an die Aktionäre der IG-Farbenindustrie, die Befriedigung der Gläubiger der IG-Farben und eine gewisse Übergangsregelung für sämtliche der Beschlagnahme unterlegenen Vermögensgegenstände betreffen. Gewerbefreiheit Der Art. 10 des gestrichenen Zweiten Teils des Überleitungsvertrages sah den Schutz jener Gewerbetreibenden vor, die auf Grund von Gesetzen und Verordnungen, Direktiven oder sonstigen Erlassen der Besatzungsbehörden unter erleichterten Voraussetzungen für die Übernahme eines Gewerbes oder freien Berufes zugelassen worden waren. Der Artikel schützte diese Gewerbetreibenden in ihrem Besitzstand und ist im neuen Vertragswerk fortgefallen. An seine Stelle tritt der Brief des Bundeskanzlers (Drucksache 1000 S. 65), der nicht vom Zustimmungsgesetz erfaßt wird: „Die Bundesregierung bekennt sich zu dem Grundsatz, daß die Rechtsstellung derjenigen Personen zu schützen ist, die seit dem 8. Mai 1945 unter erleichterten Voraussetzungen, welche durch Gesetze, Verordnungen, Direktiven oder sonstige Erlasse oder Anweisungen der Besatzungsbehörden geschaffen worden sind, ein Gewerbe oder eine freie Berufstätigkeit aufgenommen und bis heute fortgesetzt haben. Die Bundesregierung wird sich gegen alle Bestrebungen wenden, die dahin gehen könnten, die erworbene Rechtsstellung dieser Personen zu beeinträchtigen. Sie ist im übrigen der Auffassung, daß die Ausübung der gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit der genannten Personen schon nach Artikel 2 des Ersten Teils des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen geschützt ist." Die Hohen Kommissare bestätigten dem Bundeskanzler dieses Schreiben am gleichen Tage (23. Oktober 1954). Hiermit hat sich die Bundesregierung verpflichtet, sich gegen alle Bestrebungen zu wenden, die die Rechtsstellung dieser Personen beeinträchtigen könnten. Dies entspricht einer Bestimmung der Handwerksordnung, die die in der amerikanischen Zone erleichtert zugelassenen Personen ausdrücklich schützt. Im Ausschuß wurden gewisse Bedenken erhoben, ob diese Zusage nicht die Aufrechterhaltung von verschiedenem Recht innerhalb der Bundesrepublik bedeute. Es besteht jedoch Klarheit darüber, daß diese Frage nur im Zuge eines allgemeinen innerdeutschen Gesetzgebungswerks geregelt und entschieden werden könne. 3. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat bei der Beratung der neuen Art. 9 bis 12 des Ersten Teils des Überleitungsvertrages anerkannt, daß hinsichtlich der sich aus den Entflechtungsmaßnahmen ergebenden Verkaufsauflagen die Möglichkeit neuer Verhandlungen vorbehalten worden ist. (Dr. Furler) III. Innere Rückerstattung Das im Dritten Teil des Überleitungsvertrages geregelte Rechtsgebiet der inneren Rückerstattung ist im wesentlichen unverändert geblieben. Eine Anpassung einzelner Bestimmungen an Rechtsvorschriften, die nach der Unterzeichnung des Überleitungsvertrages, also nach dem 25. Mai 1952, im Gebiete der Bundesrepublik in Kraft getreten sind, hat nur formelle Bedeutung. Die einzelnen Veränderungen sind in dem hier in Betracht kommenden Teil der Regierungsbegründung — Drucksache 1000 S. 43/44 — aufgeführt. Entsprechendes gilt für den Anhang zu diesem Dritten Teil des Überleitungsvertrages, der die Satzung des zu errichtenden Obersten Rückerstattungsgerichtes enthält. Eine sachliche Änderung ergibt sich aus der Streichung der Unterabsätze a, b und c des Abs. 5 des Art. 3. Der bisherige Inhalt dieser gestrichenen Vorschriften ist in abgewandelter Form in einen Schriftwechsel vom 23. Oktober 1954 betreffend Auskünfte über innere Rückerstattung — Drucksache 1000 S. 66/67 — aufgenomen worden. Die neuen Vereinbarungen bringen insofern eine Veränderung, als das bisher vorgesehene Zugangsrecht der drei Mächte oder ihrer Bevollmächtigten zu allen in Frage kommenden Verwaltungs- und richterlichen Behörden und Organisationen dahin umgewandelt wurde, daß je ein Beamter der drei Regierungen zum Zwecke der Berichterstattung über den Fortschritt des Rückerstattungsprogramms alle angemessenen Erleichterungen und alle notwendigen Auskünfte erhält. Diese Auskünfte können auch durch die Bundesregierung gegeben werden. Die besondere Verpflichtung zur Aufbewahrung von Gerichtsakten usw. ist beseitigt. Es gelten hier nunmehr ausschließlich die in Betracht kommenden deutschen Vorschriften. IV. Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung Auch auf dem Gebiet der Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung sind die bisherigen Vorschriften unverändert geblieben. Die Verpflichtung zur Auskunft und zur Aufbewahrung von Gerichtsakten usw. ergibt sich nicht mehr aus dem — nunmehr gestrichenen — Abs. 4 des Vierten Teiles des Überleitungsvertrages, sondern aus einem Briefwechsel vom 23. Oktober 1954, der der Begründung zu Drucksache 1000 Anlage B VI S. 67/68, beigefügt ist. V. Äußere Restitutionen Der Fünfte Teil des Überleitungsvertrages, der sich mit Äußeren Restitutionen befaßt, ist nicht verändert. Es mußten nur Fristen angepaßt und jeweils um ein Jahr (vom 8. Mai 1955 und 1956 auf den 8. Mai 1956 und 1957) verlängert werden. VI. Reparationen Die Verhandlungen in London und in Paris ergaben keine Möglichkeit, die Bestimmungen des berleitungsvertrages über die Reparationen zu verändern. Geblieben sind auch die in Art. 4 des Sechsten Teiles enthaltenen Vorschriften über deutsche Auslandswerte. Zu dem Abs. 4 des Art. 4 nahm der Auswärtige Ausschuß davon Kenntnis, daß die Regierungen der drei Mächte sich bereiterklärt haben, unverzüglich die Frage der Handhabung des hier normierten Widerspruchsrechtes zu erörtern. Der Auswärtige Ausschuß erwartet, daß es in diesen Verhandlungen gelingt, die ausschließliche Zuständigkeit der Bundesrepublik zu erreichen. VII. Verschleppte Personen und Flüchtlinge Verschiedene Bestimmungen des Siebenten Teiles des Überleitungsvertrages (Verschleppte Personen und Flüchtlinge) wurden gestrichen, da sie durch die Entwicklung überholt waren. Der Auswärtige Ausschuß befaßte sich auf diesem Gebiet mit folgenden speziellen Fragen: 1. In Art. 1 Buchstabe d verpflichtet sich die Bundesrepublik, die Fortführung der Arbeiten zu gewährleisten, die gegenwärtig vom Internationalen Suchdienst in Arolsen durchgeführt werden. Die Bundesrepublik hat diese Arbeiten des Internationalen Suchdienstes auch bisher unterstützt. Auf Grund von Verhandlungen, die im Herbst 1952 zwischen den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Italien, den Benelux-Staaten und der Bundesrepublik stattgefunden haben, war man übereingekommen, diesen Suchdienst in deutsche Verwaltung übergehen zu lassen, und zwar in der Form einer Bundesanstalt, die unter einer internationalen Kontrolle und nach Richtlinien arbeiten sollte, die von einem internationalen Ausschuß festzulegen waren. Später kamen neue Gedanken auf, die aber zu einem grundsätzlichen Einvernehmen darüber führten, daß in den hier zu schaffenden internationalen Ausschuß die Westeuropäische Union eingeschaltet werde und daß der Leiter der Verwaltung, der einstimmig durch den Ausschuß zu benennen ist, möglichst ein Schweizer oder ein Schwede sein solle. Die Verhandlungen über die Umgestaltung des Suchdienstes sind noch nicht abgeschlossen. 2. Das Problem der Rückführung von Flüchtlingen aus den östlichen Staaten wird von den zuständigen deutschen Stellen ständig bearbeitet. Es bleibt nach Art. 4 dabei, daß die drei Mächte bereit sind, hier nötigenfalls Verhandlungen mit Staaten zu führen, in denen die Bundesrepublik keine diplomatischen Vertretungen unterhält. Art. 4 enthält keine Verpflichtung, sondern nur ein Recht der Bundesregierung, die derartige Verhandlungen auch selbst oder durch dritte Staaten führen kann. VIII. Ansprüche gegen Deutschland Das Abkommen über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 — BGBl. 1954 II S. 331 — hat die Vorschriften des Achten Teiles (Ansprüche gegen Deutschland) des Überleitungsvertrages und die hierzu gehörige Anlage abgelöst. Der Achte Teil wurde daher in vollem Umfange gestrichen. IX. Gewisse Ansprüche gegen fremde Nationen und Staatsangehörige Von einer formalen Änderung in Art. 3 Abs. 3 abgesehen, ist der Neunte Teil des Überleitungsvertrages (Gewisse Ansprüche gegen fremde Nationen und Staatsangehörige) unverändert geblieben. Es handelt sich hier um eine Materie, deren endgültige Regelung erst in dem Friedensvertrag erfolgen soll. Der Auswärtige Ausschuß und der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bedauern, daß eine Auflockerung dieser Be- (Dr. Furler) stimmungen zugunsten geschädigter deutscher Eigentümer nicht möglich war. Sie sind der Meinung, daß hier auch nach Inkrafttreten der Pariser Verträge weitere Bemühungen zu entfalten sind. Der Auswärtige Ausschuß hat die mit der Abwicklung der JEIA zusammenhängenden Fragen (Art. 4) einer Beratung unterzogen. Das Problem der Endabwicklung der JEIA bildet den Gegenstand besonderer Regierungsverhandlungen. Es besteht die Absicht, zu diesem Zwecke eine Gesellschaft deutschen Rechts zu gründen, die die noch vorhandenen Bestände der JEIA abzuwickeln hat. In dieser Gesellschaft sollen frühere leitende Angestellte der JEIA tätig sein. Die Frage der Ansprüche solcher in- und ausländischen Gläubiger, die durch die JEIA nicht befriedigt werden, ist noch ungelöst. Es handelt sich hier um ein Objekt von äußerst 150 Millionen DM, wobei zu berücksichtigen ist, daß für die Erledigung der Passiven der JEIA Vermögenswerte in Höhe von rund 300 Millionen DM vorhanden sind, die allerdings nicht sofort flüssig gemacht werden können. X. Ausländische Interessen in Deutschland Auch der Komplex des Art. 10 des Überleitungsvertrages ist im wesentlichen unverändert geblieben. Die ausländischen Interessen in Deutschland bleiben in dem Umfang geschützt, der 1952 vereinbart war. Eine Anpassung an die Bestimmungen des Londoner Schuldenabkommens vom 27. Februar 1953 ist durch den neu formulierten Art. 2 vorgesehen. Die übrigen Veränderungen dieses Teiles ergeben sich daraus, daß inzwischen das Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August 1952 — BGBl. I S. 446 — in Kraft getreten ist und einige andere Bestimmungen des deutschen und des allierten Rechts sich geändert haben. In Art. 12 wurde noch die Zuständigkeit der Schiedskommission erweitert. XI. Erleichterungen für die Botschaften und Konsulate der drei Mächte in der Bundesrepublik Der Elfte Teil des Überleitungsvertrages wurde gestrichen. Die in ihm vorgesehenen Erleichterungen für die Botschaften und Konsulate der drei Mächte in der Bundesrepublik sind aber in ihren wesentlichen Punkten aufrechterhalten worden, und zwar durch a) den neuen Art. 13 des Ersten Teiles des Überleitungsvertrages und b) den Briefwechsel vom 23. Oktober 1954 betreffend Erleichterungen für Botschaften und Konsulate — Drucksache 1000 S. 58/60 —. Die Sonderregelung soll einen reibungslosen Übergang von dem Besatzungsregime zu normalen diplomatischen Beziehungen erleichtern und zu diesem Zwecke die Unterbringung der Botschaften und Konsulate der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs ermöglichen. Gegenüber den Vereinbarungen des früheren Elften Teils des Überleitungsvertrages sind im deutschen Interesse liegende Veränderungen erzielt worden. So darf privates Eigentum nur noch auf die Dauer von 6 Monaten nach Inkrafttreten des Überleitungsvertrages in Anspruch genommen werden. Mietverträge auf freier, vertraglicher Basis sind selbstverständlich möglich. Die Entschädigungspflicht für eine Weiterbenutzung privaten Eigentums ist vorbehalten. XII. Zivile Luftfahrt Die Vorschriften des Zwölften Teiles des Überleitungsvertrages stellen die zivile Lufthoheit der Bundesrepublik her. Die bisher schon vorgesehene Regelung wird im wesentlichen aufrechterhalten. Die volle Verantwortung der Bundesrepublik für den Bereich der zivilen Luftfahrt im Bundesgebiet erfährt durch den Art. 2 vertragliche Einschränkungen, von denen als bedeutsam zu erwähnen sind: 1. Die Bundesrepublik verpflichtet sich, dem Abkommen von Chicago des Jahres 1944 über die internationale Zivilluftfahrt beizutreten. 2. Bis dahin wird die Bundesrepublik sich an die Bestimmungen dieses Abkommens halten und jeden Staat, mit dem sie diplomatische Beziehungen unterhält, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit behandeln. In Art. 3 erklärt sich die Bundesrepublik bereit, in ihren zweiseitigen Luftverkehrsabkommen und -vereinbarungen eine liberale Politik ohne Diskriminierungen zu verfolgen. Der Auswärtige Ausschuß hat sich in diesem Bereich noch mit zwei Sonderfragen beschäftigt: 1. Die Grundsatzerklärung der Londoner Schlußakte über die de facto-Souveränität bezieht sich auch auf das Gebiet der zivilen Luftfahrt. Deutsche Fluglinien können daher heute schon errichtet und beflogen werden. Die Frage, ob trotzdem bis zum Inkrafttreten des Überleitungsvertrages formelle Genehmigungen durch die zuständigen Stellen der drei westlichen Mächte zu erteilen sind, ist Gegenstand von Besprechungen. Der deutsche Flugdienst wird aber durch diese Rechtsfrage nicht berührt. 2. Es wurde auf gewisse Benachteiligungen der deutschen Luftverkehrsgesellschaften durch die Bestimmungen des Art. 4 über die Kabotage abgehoben. Die Regierung wies darauf hin, daß die hier gegebenen, allerdings zeitlich begrenzten Vorrechte ausländischer Luftverkehrsgesellschaften in Abs. 2 eingeschränkt sind, da diese Privilegien zurückgezogen werden können, „falls und sobald ein deutsches Luftverkehrsunternehmen eine Linie einrichtet, die das öffentliche Verkehrsbedürfnis auf einer oder mehreren Strecken deckt, die auf Grund gegenwärtiger Kabotageprivilegien einer ausländischen Luftverkehrsgesellschaft bedient werden". H. Satzung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland Die Satzung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland, die dem Überleitungsvertrag als Anhang beigefügt ist, blieb in vollem Umfang unverändert. J. Das Abkommen über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Steuerabkommen) 1. Das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder und das Protokoll vom 26. Juli 1952, durch das die Zuständigkeit der Schiedsgerichte auf Streitigkeiten aus diesem Abkommen erstreckt (Dr. Furler) wird, sind Gegenstand eines besonderen Gesetzes vom 28. März 1954 (BGBl. II S. 333 ff.). Die materiellrechtlichen Grundsätze des Steuerabkommens sind die bisherigen geblieben. Dieses Abkommen erfuhr aber formelle Änderungen, die in der Liste V zum Protokoll vom 23. Oktober 1954 niedergelegt sind. Neben der allgemein durchgeführten Veränderung der Einleitungsformel wurde Art. 5 dem neuen Art. 9 Abs. 2 des Deutschlandvertrages angepaßt, also auch vorgesehen, daß die Anrufung des Schiedsgerichts nicht nur durch Schiedsverhandlungen, sondern auch durch eine Beilegung der Streitigkeit vermieden werden kann, die auf eine andere zwischen allen Unterzeichnerstaaten vereinbarte Weise erfolgt. Die gestrichenen Abs. 1 und 2 des Art. 6 waren durch die Ratifikationsbestimmungen des Art. 3 des Protokolls vom 23. Oktober 1954 überholt. Die Streichung des Abs. 3 des Art. 6 war durch den veränderten Abs. 3 des Art. 1 des Truppenvertrages notwendig geworden. 2. Aus Art. 8 Abs. 1 Buchstabe b des hier geänderten Deutschlandvertrages ergibt sich, daß auch das Steuerabkommen nur noch ein vorläufiges ist. Dieses Steuerabkommen soll in dem gleichen Rahmen und unter denselben Gesichtspunkten neu abgeschlossen werden, die für den Truppenvertrag gelten und dargelegt sind. Das endgültige Steuerabkommen ist also im Geiste der hier vorliegenden Vereinbarungen zwischen den NATO-Staaten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der ausländischen Streitkräfte in der Bundesrepublik zu gestalten. 3. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat es bedauert, daß die Devisen-, Zoll- und steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder noch nicht dem NATO-Verfahren angeglichen worden ist. Der Auswärtige Ausschuß stimmt mit dem Finanzausschuß hier in der Forderung überein, daß dies im Zusammenhang mit dem neu abzuschließenden Steuerabkommen geschehe. Der Finanz- und Steuerausschuß hat weiterhin darauf hingewiesen, daß die Frage nicht ausdrücklich geregelt wurde, ob sich die steuerlichen Bestimmungen des Abkommens auch auf die Gemeindesteuern beziehen, was nach Meinung der Bundesregierung der Fall ist. 4. Im Haushaltsausschuß hat bei der Bewertung dieses Abkommens die Minderheit auf die Gefahr der Einfuhr beträchtlicher unverzollter Werte nach Deutschland (Kaffee, Tabak usw., auch Mineralöle) hingewiesen. Die Mehrheit des Ausschusses hat demgegenüber darauf abgehoben, daß nach den im Rahmen der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft üblichen Abkommen die Bundesrepublik sich in der Sorge über unkontrollierte Einfuhren durch NATO-Streitkräfte in der gleichen Lage befinde wie andere Länder, insbesondere wie Frankreich und Holland. K. Das Zustimmungsgesetz Der Auswärtige Ausschuß beschloß, den Entwurf des Zustimmungsgesetzes in Drucksache 1000 in folgenden Punkten zu ändern: 1. Auf Vorschlag des Bundesrates wurden in den einleitenden Satz die Worte eingefügt: „mit Zustimmung des Bundesrates". Der Auswärtige Ausschuß will damit weder für dieses Gesetz noch grundsätzlich dazu Stellung nehmen, unter welchen Voraussetzungen ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf. 2. In den Text des Art. 1 wurde aufgenommen: „ . . . . und dem Briefwechsel vom 23. Oktober 1954 betreffend Erleichterungen für Botschaften und Konsulate Dieser Briefwechsel war bisher der Begründung zu Drucksache 1000 als Anlage B II beigefügt gewesen. Der Auswärtige Ausschuß folgt auch hier einer von der Bundesregierung gebilligten Anregung des Bundesrates. Der erwähnte Briefwechsel enthält eine Regelung über die Entschädigung für die Eingriffe in deutsches Eigentum, die im Zusammenhang mit der Benutzung von Gebäuden für Botschaften und Konsulate stehen. Er bringt auch eine Ausgestaltung des Art. 13 des Ersten Teils des Überleitungsvertrages. Die Aufnahme des Briefwechsels in das Zustimmungsgesetz erschien daher erforderlich. Hieraus ergab sich eine formelle Änderung des Art. 2. 3. Aus Art. 2 Abs. 1 des Entwurfs wurden die Worte „mit Gesetzeskraft" gestrichen. Der Ausschuß entschloß sich, in Art. 2 Abs. 1 die Formel „mit Gesetzeskraft" zu streichen. Damit soll keine Änderung in der Rechtswirkung der Zustimmungsgesetze eintreten, sondern lediglich die formelle Praxis der Weimarer Zeit wiederaufgenommen werden. Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie diese Praxis auch bei allen künftigen Zustimmungsgesetzen nach Art. 59 Abs 2 GG üben wird. Diese Änderung wurde in allen Zustimmungsgesetzen vorgenommen, die mit den Pariser Verträgen zusammenhängen. Sie gilt also für die Entwürfe in den Drucksachen 1000, 1060, 1061 und 1062. L. Abschluß und Antrag Der Deutschlandvertrag und die Vereinbarungen, die sich um ihn gruppieren, stehen in einem großen Zusammenhang. Sie regeln Probleme, die aus dem Krieg und dem Zusammenbruch hervorgingen. Sie ziehen einen Schlußstrich unter die Vorgänge, die die Jahre der Besetzung für das Gebiet der Bundesrepublik gebracht haben. Zugleich beenden sie auch formell die Zeit, in der die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich der Bundesrepublik als Alliierte gegenüberstanden und als Besatzungsmächte die hoheitlichen Funktionen in unserem Land ausübten. Diese Verträge schließen aber nicht nur einen Zeitraum ab. Sie eröffnen zugleich einen neuen Weg, indem sie die Souveränität der Bundesrepublik anerkennen und ihr Freiheit und Gleichberechtigung gewähren. Sie schaffen damit auch eine Voraussetzung dafür, daß die Deutschen in einem freien und gleichberechtigten Staate vereinigt sein werden. In dieser Überzeugung empfiehlt der Auswärtige Ausschuß dem Hohen Hause, diesen Verträgen die Zustimmung zu geben. Bonn, den 15. Februar 1955 Dr. Furler Generalberichterstatter Anlage A (Vgl. S. 3604 D) Übersicht über die voraussichtliche finanzielle Auswirkung des Überleitungsvertrages Belastungen jährlich einmalig Erster Teil: Allgemeine Bestimmungen 100 000 DM — Zu Art. 6 und 7 Gemischter Ausschuß und Gemischter beratender Gnadenausschuß Deutscher Anteil an den Kosten Zu Art. 7 Abs. 4 Haftkasten 1 000 000 DM — Geschätzte Belastung der Länder . . . . . . . Zu Art. 10 und 12 Gemischter Ausschuß für Umgestaltung der deutschen Kohlen-, Eisen- und Stahlindustrie und Prüfungsausschuß . . . . . . . 100 000 DM — Zu Art. 13 Weiterbenutzungsrecht von diplomatischen Gebäuden für Übergangszeit, wenn überhaupt — 1 000 000 DM Zweiter Teil: Dekartellisierung und Entflechtung Fortgefallen — — Dritter Teil: Innere Rückerstattung 2 200 000 DM — Zu Art. 3 Kosten des Verfahrens Zu Art. 4 Verpflichtung des Bundes begrenzt auf . — 1 500 000 000 DM Zu Art. 5 Steuer- und Abgabefreiheit der Nachfolgeorganisation und Treuhänderkörperschaften, — — gemeinnützig, nicht zu schätzen . . . . . . . . Zu Art. 6 Errichtung des Obersten Rückerstattungsgerichts 500 000 DM 1 500 000 DM Vierter Teil: Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung — 4 200 000 000 DM Die Kosten des Bundesergänzungsgesetzes werden geschätzt auf Es ist eine Novelle in Bearbeitung, deren endgültiges Ergebnis noch nicht geschätzt werden kann. 50 000 000 DM — Verwaltungsaufwand der Länder . . . . . . . Fünfter Teil: Äußere Restitutionen — — Zu Art. 1 Verwaltungsdienststelle Die Verwaltungsdienststelle wird voraussichtlich beim Auswärtigen Amt errichtet. Der Arbeitsanfall wird voraussichtlich gering sein, der Aufwand läßt sich nicht schätzen. . . Zu Art. 4 Abs. 4 Erfüllung von Restitutionsansprüchen, die von den drei Mächten gebilligt worden sind (Jugoslawischer Kupferclaim) . . . . . — 27 000 000 DM Sechster Teil Reparationen In den internen Verhandlungen ist von alliierter Seite mehrfach zum Ausdruck gebracht worden, daß Erleichterungen in der Verhandlungsfreiheit über deutsches Auslandsvermögen bzw. Freigabe Belastungen jährlich einmalig in USA nach einer vorherigen Bereinigung der Vermögensprobleme in Portugal, Spanien und Schweden gewährt werden könnte. Dabei scheint man vorauszusetzen, daß gewisse Opfer aus dem Bundeshaushalt erbracht werden. Der Vollständigkeit halber wird diese Möglichkeit erwähnt. — — Zu Art. 5 100 000 000 DM — Nach Art. 5 wird die Bundesrepublik Vorsorge treffen, daß die früheren Eigentümer, deren Werte auf Grund alliierter Maßnahmen beschlagnahmt worden sind, entschädigt werden. Die Entschädigung ist dem zukünftigen deutschen Gesetzgeber vorbehalten. Im Kriegsfolgenschlußgesetz ist beabsichtigt, vorerst nur in Härtefällen Leistungen zu erbringen und zur Behebung größerer wirtschaftlicher Schäden Kredite zu gewähren. Ansatz Siebenter Teil: Verschleppte Personen und Flüchtlinge 1 500 000 DM -- Zu Art. 1 Finanzierung der Arbeiten des Internationalen Suchdienstes, Instandhaltung von Gräbern ziviler Kriegsopfer, Pilgerfahrten und Instandhaltung von Kriegergräbern . . . . . . . Neunter Teil: Gewisse Ansprüche gegen fremde Nationen und Staaten — 400 000 000 DM Zu Art. 3 Besatzungslasten Gesetzliche Regelung in Vorbereitung Kosten (1955 etwa 150) . . . . . . . . . . . Zu Art. 4 JEJA-Komplex — — Zehnter Teil: Ausländische Interessen in Deutschland 27 000 000 DM — Zu Art. 6 Befreiung von Steuern und Abgaben Ausfall an Vermögensabgabe infolge der Vergünstigungen für die Angehörigen der Vereinten Nationen (AVN) Geschätzter Jahresausfall Zwölfter Teil: Zivile Luftfahrt 500 000 DM — Übernahme der sich aus der Lufthoheit der Bundesrepublik ergebenden Lasten Anhang: Satzung der Schiedskommission für Güterrechte und Interessen in Deutschland Errichtung der Kommission Unkosten Summe: 182 900 000 DM 6 129 500 000 DM b) Besondere Berichte beteiligter Ausschüsse 1. Besonderer Bericht des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit (6. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Erler Der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit berichtet ausschließlich über die militärischen und Sicherheitsfragen dieses Vertrages. Er weist infolgedessen auf Art. 2 Nr. 1 des Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes hin, wonach die den drei Westmächten zustehenden Befugnisse auf den Gebieten der Abrüstung und der Entmilitarisierung ihnen weiterhin bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag zustehen. Der Briefwechsel auf S. 70 und 71 der Drucksache 1000 zählt die einzelnen in Frage kommenden Bestimmungen auf. Zu erwähnen sind vor allem das Gesetz Nr. 7 der Alliierten Hohen Kommission über Uniformen und Abzeichen und das Gesetz Nr. 16 über Ausschaltung des Militarismus. In den Briefen des Bundeskanzlers vom 23. Oktober 1954 an die drei Hohen Kommissare wird festgestellt, daß diese Angelegenheit gegen Ende des Jahres 1954 überprüft werden soll. Die vier Regierungen sind übereingekommen, daß die Ausübung der Kontrollen im Hinblick darauf überprüft wird, daß die Bundesrepublik in die Lage versetzt wird, ihren künftigen Verteidigungsbeitrag vorzubereiten. Die Verhandlungen hierüber haben begonnen, sind aber noch nicht abgeschlossen. Im Grundsatz sollen also die Demilitarisierungsbestimmungen der Westmächte in dem Umfange gelockert werden, wie dies zur Vorbereitung des deutschen Verteidigungsbeitrages notwendig ist. Das Militärische Sicherheitsamt in Koblenz wird mit dem Inkrafttreten des Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes aufgelöst. Die Kontrolle auf den Gebieten der Abrüstung und Entmilitarisierung wird in der Folge durch einen gemeinsamen Viermächteausschuß ausgeübt, der mit Mehrheit entscheidet. Zu Liste I mit den Änderungen zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten ist an dieser Stelle auf Art. 4 hinzuweisen. Daraus ergibt sich, daß die Aufgabe dieser Streitkräfte die Verteidigung der Bundesrepublik und Berlins ist und ihre Stationierung in der Bundesrepublik künftig auf einer doppelten Rechtsgrundlage beruht. Im Verhältnis zwischen den drei Westmächten und der Bundesrepublik ist als Rechtsgrundlage der neue Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 1060 — abgeschlossen worden. Im Hinblick auf die Vorbehaltsrechte der drei Mächte in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands steht aber den drei Mächten nach der angeführten Bestimmung des Art. 4 Abs. 2 auch weiterhin ein Stationierungsrecht zu. Dies gilt vor allem für das Verhältnis zwischen den drei Mächten und der Sowjetunion. Der Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland, als Truppenvertrag bekannt, ist in der Liste II nicht sehr erheblich geändert worden. I. Gegenstand dieses Berichtsteils ist der Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland — zu Drucksache 1000 S. 20 ff. — genannt Truppenvertrag, unter Einbeziehung der durch die Liste II des Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland herbeigeführten Änderungen, jedoch mit Ausnahme des Zweiten Teils (Art. 6 bis 16), der Gerichtsbarkeit und Verfahren behandelt, sowie der Art. 32 bis 36 und 17, 18, 37 bis 45, die Finanz- und Wirtschaftsfragen betreffen. Die nachfolgenden Artikel- und Paragraphenangaben beziehen sich, soweit nicht ausdrücklich anders bemerkt, auf den Truppenvertrag. II. Eine politische Wertung des Truppenvertrages hinsichtlich seiner Stellung im gesamten Vertragswerk wurde von anderer Seite vorgenommen. Immerhin darf festgehalten werden, daß er durch die Änderung des Art. 8 des Deutschlandvertrages (Hauptvertrag) — siehe Liste I zum Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland — seine juristische Qualifikation insofern geändert hat, als ihm nunmehr der Charakter einer Übergangsregelung beigelegt ist. Der genannte Art. 8 sagt hierzu ausdrücklich, daß der Truppenvertrag bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen über die Rechte und Pflichten der Streitkräfte der drei Mächte und sonstiger Staaten, die Truppen auf dem Gebiet der Bundesrepublik unterhalten, in Kraft bleibt. Er sagt ferner: Die neuen Vereinbarungen werden auf der Grundlage des in London am 19. Juni 1951 zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über den Status ihrer Streitkräfte unterzeichneten Abkommens (NATO-Truppenvertrag) getroffen, ergänzt durch diejenigen Bestimmungen, die im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse in bezug auf die in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte erforderlich sind. Leider sind zahlreiche Abweichungen in dem NATO-Truppenvertrag einerseits und dem jetzt nur übergangsweise geltenden Truppenvertrag des Deutschlandvertrages andererseits bestehen geblieben. Der Ausschuß erwartet, daß sie durch die zu treffenden neuen Vereinbarungen mit Rücksicht auf die prinzipiell gleiche Rechtsstellung aller Mitgliedstaaten der NATO beseitigt werden. Die Massierung von Truppen in der Bundesrepublik darf den Aufenthaltsstaat rechtlich nicht schlechter stellen, sondern müßte eher ein Grund sein, ihm besondere Einwirkungsmöglichkeiten zuzugestehen. Der Inhalt des Truppenvertrages kann im allgemeinen zwar nicht als hochpolitisch bezeichnet werden, wird sich aber in der Praxis als besonders bedeutsam erweisen für die Tätigkeit der Verwaltung und der Justiz sowie für das tägliche Leben des Staatsbürgers. Es dürfte deshalb von besonderer Bedeutung sein, daß Streitigkeiten aus dem Truppenvertrag der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegen. (Erler) III. Im Ersten Teil des Truppenvertrages wird eine Reihe von Begriffen (diesbezüglich siehe Art. 1) und allgemeinen Bestimmungen festgelegt. Die Bestimmung der gegenseitigen Pflichten und Rechte soll auf den Grundsätzen der Gleichberechtigung der Vertragspartner und der Anerkennung der deutschen Staatshoheit beruhen. So übernehmen die Mitglieder der Streitkräfte, soweit nicht ausdrücklich anderes vereinbart wird, die Pflicht zur Beachtung des deutschen Rechts, ihre Behörden die Pflicht zur Durchsetzung dieses Rechts gegenüber den Mitgliedern der Streitkräfte (Art. 2 Abs. 1). Die letzteren enthalten sich jeder Betätigung, die mit dem Geist des Truppenvertrages unvereinbar ist, insonderheit jeder politischen Betätigung (Art. 2 Abs. 2). Die Streitkräfte nehmen grundsätzlich bei der Geltendmachung ihrer Rechte auf die deutschen Interessen, seien sie öffentlicher oder privater Art, Rücksicht, insonderheit auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, sowie den wesentlichen innerdeutschen und Ausfuhrbedarf der Bundesrepublik und Westberlins (Art. 3 Abs. 1). Die deutschen Behörden verpflichten sich, auf dem Gebiet der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ihre verfassungsmäßigen Befugnisse im Interesse des Schutzes und der Sicherheit der Streitkräfte, ihrer Mitglieder und des Eigentums beider auszuüben und die Befriedigung des Bedarfs der Streitkräfte zu gewährleisten (Art. 3 Abs. 2). Hierbei ist nicht an eine, naturgemäß verfassungswidrige, unterschiedliche Auslegung von Rechtsnormen gedacht, sondern nur an die Ausfüllung des Ermessensspielraums. Jede Diskriminierung der Streitkräfte, ihrer Mitglieder und ihres Eigentums gegenüber den für im Inland ansässige Ausländer üblichen Bestimmungen, dem Völkerrecht und der internationalen Praxis ist ausgeschlossen (Art. 3 Abs. 4). Die Vertragspartner verpflichten sich zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung bei der Förderung und Wahrung der Sicherheit der Bundesrepublik und einer der beteiligten Mächte sowie der im Bundesgebiet stationierten Streitkräfte. Diese Zusammenarbeit erstreckt sich auch auf die Sammlung und den Austausch, sowie auf den Schutz der Sicherheit aller einschlägigen Nachrichten. Eine enge gegenseitige Verbindung zwischen den deutschen Behörden und denen der Streitkräfte ist gewährleistet (Art. 4 und 5). Zugleich mit dem Truppenvertrag treten gemäß Art. 3 Abs. 3 die Vorschriften des Anhangs A zum Vertrag in Kraft. Diese gewährleisten als Strafvorschriften den Schutz der drei Mächte, der Streitkräfte und ihrer Mitglieder durch Bestimmungen über den Verrat militärischer Angelegenheiten, Sabotage, Untergrabung der Dienstbereitschaft und Manneszucht der Streitkräfte, Beschimpfungen der Streitkräfte und entsprechende Anwendung von im einzelnen aufgeführten Vorschriften des deutschen Strafgesetzbuchs zugunsten der Streitkräfte. Die Bundesrepublik verpflichtet sich, den hierdurch gewährleisteten Rechtsschutz nicht zu vermindern. Wegen des Fehlens entsprechender Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuchs haben sich die drei Mächte im Truppenvertrag nicht mit der Anwendung der Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuchs begnügt. Es bleibt bedauerlich, daß sie sich auch nicht mit der Verpflichtung zu einer ergänzenden Gesetzgebung durch die verfassungsmäßigen Organe der Bundesrepublik begnügt haben, sondern auf einer unmittelbar bindenden Festlegung der Strafvorschriften bestehen. Deshalb muß angestrebt werden, die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs so schnell wie möglich insoweit zu ergänzen. Dem sachlichen Inhalt nach dürfte ein wesentlicher Unterschied zwischen dem nach beiden Methoden zu erreichenden Ergebnis nicht bestehen. Allerdings muß auch in diesem Zusammenhang auf die Bedenken hingewiesen werden, die gegen § 2 Abs. 4 des Anhangs A bestehen (Nichtanwendbarkeit des § 100 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs auf militärische Geheimnisse). Über diese Frage wird indessen von anderer Seite berichtet. IV. Aus den oben angeführten Grundsätzen werden im Dritten Teil die Konsequenzen für die einzelnen Gebiete der Verwaltung und Versorgung der Truppen zu ziehen versucht. Dabei behandelt der Abschnitt I „Einzelne Verwaltungsgebiete" (Art. 17 bis 36) die hoheitliche, der Abschnitt II „Versorgung" (Art. 37 bis 48) die obligatorische Seite der Rechte und Pflichten der Vertragspartner. Hier interessiert nur ein Teil der dort aufgeführten Bestimmungen. Zur Durchführung von Manövern und sonstigen Übungen haben die deutschen Behörden nach rechtzeitiger vorheriger Verständigung auf Antrag der Streitkräfte die notwendigen Verwaltungsmaßnahmen zu treffen, an deren Durchführung die Streitkräfte mitwirken können. Die deutschen Verwaltungsmaßnahmen sind genügend weit zu halten, um den Streitkräften selbst zu gestatten, die zur Erfüllung des militärischen Zwecks erforderlichen Einzelmaßnahmen zu treffen (Art. 19). Damit ist das besatzungsrechtliche autonome Manöverrecht der Stationierungstruppen beseitigt und der Umfang des künftigen Manöverrechts klargestellt worden. An einer solchen Bestimmung bestand ein besonderes deutsches Interesse. Unmittelbar der Verteidigung dienende Anlalagen und Werke sowie Sicherheitsvorrichtungen errichtet und ändert die Bundesrepublik in dem für die Verteidigung erforderlichen Ausmaß. Nur sofern ein besonderes Geheimhaltungs- oder Sicherheitserfordernis vorliegt, können die Streitkräfte nach vorheriger Konsultation der Bundesregierung derartige Anlagen und Werke selbst errichten und ändern. Diesbezüglich und im Hinblick auf die Rechte der Streitkräfte in bezug auf diese Anlagen sowie die Abgrenzung deutscher und alliierter Rechtsvorschriften sind weitere Vereinbarungen getroffen (Art. 20 und 21). Die Streitkräfte und ihre Mitglieder besitzen besondere Privilegien: Anlagen, Archive, Dokumente und Postsendungen unterliegen mit gewissen Einschränkungen nicht dem Zutritt, der Durchsuchung und Beschlagnahme oder der Zensur durch deutsche Behörden (Art. 22). Bei Ein- und Ausreisen bzw. Aufenthalten in der Bundesrepublik werden Mitglieder der Streitkräfte von einigen allgemein bindenden Bestimmungen freigestellt (Art. 25). Mitglieder der Streitkräfte können nur von der beteiligten Macht aus dem Bundesgebiet entfernt werden (Art. 28 Abs. 1). Ein formales Recht der Bundesbehörden, die Ausweisung eines Mitgliedes der Streitkräfte zu verlangen, besteht also im Gegensatz zu den Rechten (Erler) der Aufenthaltsstaaten nach dem NATO-Abkommen nicht. Ein Bedürfnis hierzu hat auch nicht in dem gleichen Maße bestanden, da dann, wenn die drei Mächte in Deutschland Personen als Mitglied der Streitkräfte führen, die nach den Bestimmungen des Truppenvertrages nicht Mitglieder der Streitkräfte sein dürfen, die Möglichkeit besteht, das Schiedsgericht anzurufen, eine Möglichkeit, die bei NATO nicht besteht. Über ein Ersuchen um Auslieferung von Mitgliedern der Streitkräfte entscheidet die beteiligte Macht, also diejenige Macht, deren Rechte und Verpflichtungen im konkreten Fall betroffen sind. Erhalten die deutschen Behörden ein Auslieferungsersuchen von einer anderen Regierung als einer der drei Mächte, so teilen sie, falls eine solche Auslieferung nach deutschem Recht nicht unzulässig ist, dieses den Behörden der drei Mächte schriftlich mit. Die Behörden der drei Mächte können binnen 21 Tagen bei den deutschen Behörden Einwendungen gegen die Auslieferung erheben. Beabsichtigen die deutschen Behörden dennoch die Auslieferung zu bewilligen, so entscheidet ein Schiedsrichter (Art. 27). Hiernach kann kein deutscher Zivilist ausgeliefert werden. Schwierigkeiten wegen deutscher Staatsangehöriger können sich unter Umständen nur ergeben, wenn ein solcher Mitglied der Streitkräfte einer der drei Mächte ist. Man wird allerdings nicht leugnen können, daß ein solcher deutscher Staatsangehöriger durch die Eingliederung in einen fremden militärischen Verband in gewissem Umfang aus den Bindungen zu seinem Heimatstaat gelöst wird. Praktisch kann es sich hierbei nur um solche Personen handeln, die im Ausland Mitglieder der amerikanischen Streitkräfte geworden sind, also um einige wenige Grenzfälle von Emigranten. Die Polizei der Streitkräfte hat das Recht zum Streifendienst gegenüber den Mitgliedern der Streitkräfte (Art. 23), die durch die zuständige Behörde der beteiligten Mächte mit Personalausweisen zu versehen sind (Art. 24). Für das Verhältnis zwischen der deutschen Polizei und der Militärpolizei gilt der in Art. 4 festgelegte Grundsatz der gegenseitigen Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Förderung und Wahrung der Sicherheit der Bundesrepublik und der beteiligten Mächte sowie der Sicherheit der Streitkräfte, ihrer Mitglieder und des Eigentums der Streitkräfte und ihrer Mitglieder. Deutsche und alliierte Sicherheitsinteressen sind demnach bei der Zusammenarbeit von allen Seiten gleichermaßen zu wahren. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Streitkräfte nur solche Polizeibefugnisse haben, die im Truppenvertrag ausdrücklich umschrieben sind. Die Polizeibefugnisse der Streitkräfte gegenüber Personen, die der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, bestehen außerhalb von Anlagen nur in Ausnahmefällen nach Art. 7 des Truppenvertrages; entsprechendes gilt für die Befugnisse der deutschen Polizei gegenüber Mitgliedern der Sreitkräfte. Im Rahmen des Grundgesetzes und der internationalen Abmachungen über den Reiseverkehr arbeiten die deutschen Behörden mit denen der drei Mächte zusammen, um die unerwünschte Einreise oder Ausreise von solchen Personen zu verhindern, die seitens einer oder mehrerer der drei Mächte als der Sicherheit der Streitkräfte abträglich erachtet wird (Art. 26). Sind die Behörden der drei Mächte der Auffassung, daß der Aufenthalt einer solchen Person im Bundesgebiet ihre Sicherheit gefährdet, so können sie den deutschen Behörden die nach dem Grundgesetz zulässigen Maßnahmen hinsichtlich des Aufenthalts der betreffenden Personen empfehlen (Art. 28 Abs. 2). Die verfassungsmäßigen Grundrechte bleiben also gewahrt. Die Behörden der Streitkräfte regeln die Voraussetzungen, unter denen bei den Streitkräften beschäftigte Personen Waffen besitzen oder gebrauchen dürfen. Diese bedürften hierzu eines Waffenscheins, der nur für Personen aufgestellt werden darf, gegen die keine begründeten Bedenken bestehen. Die Bestimmungen über den Waffengebrauch werden sich im Rahmen des deutschen Notwehrrechts halten (Art. 29). Die Behörden der Bundesrepublik und der Streitkräfte arbeiten in Fragen des Gesundheitswesens und der sanitären Maßnahmen in vollem Umfange zusammen, insbesondere im Hinblick auf die Kontrolle ansteckender Krankheiten. Auf Antrag der Behörden der Streitkräfte treffen die deutschen Behörden in der Umgebung von Anlagen der Streitkräfte diejenigen gesundheitlichen und sanitären Maßnahmen, die zum Schutze der Gesundheit der Streitkräfte erforderlich sind. In diesen Bestimmungen darf man wohl insbesondere eine Grundlage für Maßnahmen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten erblicken (Art. 30 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1). Auch innerhalb ihrer Anlagen haben die Streitkräfte die deutschen Vorschriften auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheit zu befolgen, soweit ihre eigenen nicht gleichwertige oder höhere Anforderungen stellen. Unter Umständen können die Streitkräfte ihre eigenen Vorschriften unter der Voraussetzung anwenden, daß sie hierdurch nicht die öffentliche Gesundheit, Sicherheit und Ordnung außerhalb der Anlagen gefährden. Sie teilen dies den deutschen Behörden rechtzeitig mit (Art. 21 Abs. 1). Sind die deutschen Behörden nicht in der Lage, hinsichtlich der Müllabfuhr, der Ungezieferbekämpfung oder der Wasserreinigung in Gebieten außerhalb der Städte angemessene Maßnahmen zur Erfüllung der militärischen Erfordernisse zu treffen, so können die Streitkräfte selbst diese Maßnahmen ergreifen. In Städten dagegen, in denen Streitkräfte stationiert sind, treffen die städtischen Behörden und die Streitkräfte Vereinbarungen über die Normen für die Wasserreinigung (Art. 30 Abs. 2 Satz 2 und 3). Damit sind die Streitkräfte nicht mehr in der Lage, einseitige Bestimmungen über die Chlorung des Trinkwassers zu treffen. Die Streitkräfte sind berechtigt zur Anlegung eigener Friedhöfe sowie zum Erlaß angemessener hygienischer Vorschriften über Bestattung, Exhumierung und Überführung verstorbener Mitglieder der Streitkräfte (Art. -31). Die Regelung des Jagd- und Fischereirechts (Art. 46) sucht den Interessen aller Beteiligten gerecht zu werden. V. Durch die Liste II zum Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland hat der Wortlaut des Truppenvertrages keine wesentlichen Änderungen erfahren. Das erklärt sich aus der in London und Paris angewandten Verhandlungsmethode und der bereits erwähnten Tatsache, daß er ohnehin nur mehr als Übergangsregelung gelten soll. (Erler) Die Bezugnahmen auf die EVG waren zu streichen und die sich aus diesen Streichungen ergebenden redaktionellen Änderungen vorzunehmen. Sie beziehen sich im wesentlichen auf solche Bestimmungen, die gemeinsame Ausschüsse mit Vertretern der EVG und gemeinsame Versorgungsverfahren vorsahen (Versorgungsausschuß, Frequenzausschuß, Durchführung der Liegenschaftsprogramme — Art. 39, Anhang B Abs. 3, Art. 38 — usw.). Außerdem sind dort Änderungen vorgenommen worden, wo in der bisherigen Fassung berücksichtigt war, daß Frankreich bei Wirksamwerden der EVG nicht mehr den Bestimmungen des Truppenvertrages unterliegen würde (Änderung Art. 44 Abs. 10, Streichung des Art. 50 und des Anhangs C). Desgleichen war die Kollisionsnorm des Art. 49 über das Verhältnis zur EVG zu streichen. Der Änderung der juristischen Situation der Bundesrepublik mit Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag wurde durch Änderung der Definition „anderer Entsendestaat" (Art. 1 Abs. 3) Rechnung getragen. Es wurde textlich klargestellt, daß nach Inkrafttreten dieser Abmachungen eine Stationierung von Streitkräften einer Macht, die bis dato keine Truppen in der Bundesrepublik stationiert hat, nur mehr auf Grund einer Vereinbarung mit der Bundesrepublik möglich ist. Schließlich darf auf die Neufassung des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 hingewiesen werden. Dieser Satz lautet im ursprünglichen Text: „Deutsche, die im 2. Besonderer Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl (Mehrheitsauffassung) Wie die Drucksache zu 1000 ausweist, sind große Teile des Deutschlandvertrages und seiner Zusatzverträge unverändert geblieben. Aber inzwischen haben die verfassungsrechtlichen Bedenken, die im Jahre 1952 den Rechtsausschuß beschäftigten, durch die Ergänzung des Grundgesetzes vom 26. März 1954 viel von ihrem Gewicht verloren. In der Tat ist durch die Novelle zum Grundgesetz klargestellt worden, daß der damalige Deutschlandvertrag und seine Zusatzverträge mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Neue verfassungsrechtliche Probleme könnten daher nur dann auftreten, wenn in den Veränderungen, die inzwischen vereinbart worden sind, andere Verstöße gegen das Grundgesetz enthalten wären, als damals erörtert und nunmehr durch die erwähnte Klarstellung gedeckt worden sind. Schon damals hat die Mehrheit des Rechtsausschusses auf dem Standpunkt gestanden, daß sowohl die grundsätzlichen Zweifel an der Vereinbarkeit des Deutschlandvertrages mit dem Grundgesetz wie die zahlreichen Einzelbedenken gegen gewisse Bestimmungen der Berechtigung entbehrten. Es wird insoweit auf die Mehrheitsauffassung verwiesen, die 'der Unterzeichnete schon damals die Ehre hatte, idem Hohen Hause vorzutragen, ohne Dienst der Streitkräfte arbeiten, unterliegen allen Verpflichtungen, die sich aus der Zugehörigkeit der Bundesrepublik zur EVG ergeben". Es ist bedeutsam, daß die Bestimmung nicht, wie andere Bezugnahmen auf die EVG, ersatzlos gestrichen wurde. Vielmehr ist an ihre Stelle folgender Wortlaut getreten: „Deutsche, die im Dienst der Streitkräfte arbeiten, unterliegen allen Verpflichtungen, die sich aus den Abmachungen über einen deutschen Verteidigungsbeitrag ergeben". Damit ist klargestellt, daß ein deutscher Wehrdienst den Dienstleistungen für andere Streitkräfte vorgeht. Die Bestimmung des Art. 51, nach der der Truppenvertrag unbeschadet des Art. 10 des Deutschlandvertrages auf Antrag eines Partners nach zwei Jahren überprüft werden kann, ist aufrechterhalten worden. Das mag wegen des transitorischen Charakters des Truppenvertrages überflüssig erscheinen, gewährt aber der Bundesrepublik eine zusätzliche Sicherung. Die Kumulierung derartiger Sicherungen ist wegen der eingangs erwähnten großen Bedeutung jedes Truppenvertrages für die Praxis des täglichen Lebens zu begrüßen, zumal nicht sicher ist, wie zeitraubend sich die Verhandlungen über die Anpassung an den NATO-Truppenvertrag gestalten. Bonn, den 11. Februar 1955 Erler Berichterstatter daß die ganzen Argumente noch einmal vorgetragen werden sollen. Es genügt der Nachweis, daß die neuen Formulierungen neue verfassungsmäßige Bedenken nicht aufgeworfen haben. Der Rechtsausschuß hat sich mit der Frage beschäftigt, ob man die Änderung des Grundgesetzes in diesem Sinne noch heranziehen könne, obwohl nunmehr die Zustimmung nicht mehr zu den damals gescheiterten Verträgen, sondern zu einem veränderten Vertragstext gefordert wird. Da aber das neue Abkommen expressis verbis die alten Vereinbarungen, die mit ihrem ursprünglichen Datum zitiert werden, in Kraft setzt und rechtstechnisch die Neuerungen in der Weise bewältigt, daß nur eine Liste von Abänderungen beschlossen warden ist, umfaßt die Zustimmung zu den neuen Verträgen auch 'die Zustimmung zu den alten Verträgen, und nachdem der Verfassungsgeber seinen Willen im Wege der authentischen Interpretation dahin bekundet hat, daß die damals vorgeschlagenen Bestimmungen mit dem Grundgesetz vereinbar seien, sind die Änderungen nur dann ein verfassungsrechtliches Problem, wenn sie selbst neue Verstöße gegen idas Grundgesetz enthalten. Das ist aber nicht der Fall, wie sich schon aus der allgemeinen Tendenz der Verträge ergibt, Deutschlands Selbständigkeit rechtlich weiter auszubauen und demgemäß die Eingriffe in das innere Gefüge und die Zuständigkeiten der einzelnen Bundesorgane noch mehr zu beschränken, als in dem Vertrag von 1952 vorgesehen war. (Dr. Wahl) Die Erörterungen entzündeten sich besonders an folgenden Bestimmungen, wobei nicht nur ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, sondern auch ihre verfassungsrechtliche Bedeutung umstritten war. Daß mit der Neufassung der Einleitung und dem Weglassen der Präambel der Wille zum Ausdruck gekommen ist, die Gleichberechtigung der Bundesrepublik mit den Vertragspartnern zu unterstreichen und ihre Selbständigkeit bei der Gestaltung ihrer politischen Zukunft zum Ausdruck zu bringen, liegt auf der Hand. Wenn die Bundesrepublik als Subjekt und nicht mehr bloß als Objekt der. internationalen Politik erscheint, lag es nahe, die im Abs. 7 der Präambel enthaltene Festlegung, daß die Wiedervereinigung Deutschlands über die europäische Integration führe, nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu streichen. Ob die Bundesrepublik nach dem Inkrafttreten der Verträge wirklich als souveräner Staat bezeichnetwerden kann, ist angesichts der alliierten Vorbehalte auf lebenswichtigen Gebieten angezweifelt worden, aber durch die Bezugnahme auf diesen 'völkerrechtlichen Begriff ist jedenfalls die Vermutung für die alleinige Zuständigkeit der Bundesrepublik in allen nicht vorbehaltenen Materien gesichert. Auch die Regelung des Art. 4 ist zweifellos ein Fortschritt gegenüber der Lösung des Jahres 1952, insofern als der Vorbehalt der Truppenstationierung im Verhältnis zur Bundesrepublik nur auf Grund eines Einvernehmens mit dieser ausgeübt werden soll. Was Art. 5 betrifft, so war auf Grund ides Wortlauts die Hauptsorge des Rechtsausschusses, daß die in dem Vertrag vorgesehene Aufgabe der alliier) ten Notstandsbefugnisse davon abhängig sein könnte, daß die Alliierten die Notstandsbefugnisse, die die deutschen Behörden durch eine Ergänzung des Grundgesetzes erhalten sollen, als ausreichenden Ersatz für ihre Notstandsrechte anerkennen und sich damit zum Richter über die Grundgesetzänderung aufschwingen könnten. Durch einen Briefwechsel zwischen der Bundesregierung und den Alliierten, der im Rechtsausschuß den Mi'tglied'ern zur Kenntnis gebracht wurde, verlor diese Besorgnis sehr an Gewicht. In diesem Briefwechsel ist keine Festlegung der erwarteten deutschen Notstandsbefugnisse im einzelnen erfolgt, sondern nur der Gegenstand bezeichnet, auf den sich die Reform beziehen soll. Zu besonders eingehenden Erörterungen gab Art. 7, insbesondere der Abs. 2, Anlaß, der ein wiedervereinigtes Deutschland, das in die europäische Gemeinschaft integriert ist, als gemeinsames Ziel der Politik der unterzeichneten Staaten, festlegt. Hier wurde der Einwand, der schon im Jahre 1952 gegen diese Vorschrift erhoben wurde, er führe zu einer Festlegung 'der Richtlinien der deutschen Politik, die darauf verzichten müsse, die Wiedervereinigung auch auf anderem Wege zu verwirklichen, mit neuer Schärfe wiederholt. Aber er verliert ja 'dadurch viel von seiner politischen Bedeutung, daß, wie die Erklärung Edens vor dem englischen Unterhaus vom 18. November 1954 zeigt, das wiedervereinigte Deutschland die freie Entscheidung über die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Vertrage haben wird. Die Streichung von Art. 7 Abs. 3 hat diese Freiheit der Entscheidung des wiedervereinigten Deutschland nicht beseitigen wollen, sondern nur die einseitige Bindung der Alliierten ,aufgehoben, dem wiedervereinigten Deutschland die Rechte aus den Verträgen zu gewähren, wenn es sich bereit erklären würde, die daraus entspringenden Verpflichtungen zu übernehmen. Auch ist die Revisionsklausel verbessert, indem die Überprüfung des Vertrages nicht mehr bloß an den Fall der Wiedervereinigung selbst angeknüpft ist, sondern auch an eine sonstige internationale Verständigung über Maßnahmen zur Herbeiführung der Wiedervereinigung Deutschlands, die freilich unter Beteiligung oder mit Zustimmung aller unterzeichneten Staaten zustandegekommen sein muß. Endlich sei auf die wichtige Änderung in den Funktionen des Schiedsgerichts hingewiesen, das heute nicht mehr befugt ist, eine Rechtsvorschrift, von der es annimmt, daß die Bundesrepublik auf Grund der Verträge zu ihrem Erlaß verpflichtet sei, selbst mit bindender Wirkung für die deutschen Bürger und Staatsorgane einzuführen. Daß damit die im Jahre 1952 viel erörterten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Vereinbarung behoben worden sind, liegt auf der Hand. Die Hauptdiskussion schloß sich aber an die Behandlung der Grenzfrage in idem gesamten neuen Vertragswerk an. Die Frage erhob sich, ob durch den neuen Deutschlandvertrag vor allem im Zusammenhang mit der Verwendung des Ausdrucks souveräner Staat und der Verpflichtung im Nordatlantikvertrag, die deutschen Grenzen nicht mit Gewalt zu verändern, nicht ein deutscher Teilstaat im Geltungsbereich des Grundgesetzes konstituiert werde, der mit den Zielsetzungen des Grundgesetzes unvereinbar wäre. Demgegenüber hat der Rechtsausschuß in großer Einmütigkeit an seiner alten Auffassung festgehalten, daß Deutschland 'durch die Übernahme der Regierungsgewalt seitens der Alliierten im Jahre 1945 nicht untergegangen ist, daß vielmehr das Grundgesetz die Reorganisation dieses Staates überall da gebracht hat, wo die deutschen Staatsorgane tätig werden können, daß also die durch die Nachkriegsereignisse verursachte faktische Unmöglichkeit, das Grundgesetz in allen Gebietsteilen nach den Grenzen von 1937 durchzusetzen, die Grenzen Deutschlands im Staats- und völkerrechtlichen Sinne nicht verändert hat. Das neue Vertragswerk stimmt mit dieser Auffassung voll überein. Nicht nur, weil die Alliierten in 'der Londoner Schlußakte den Grundsatz anerkannt haben, daß in allen deutschen Angelegenheiten die Bundesrepublik als Sprecher für ganz Deutschland bestätigt wird, sondern auch deshalb, weil die Verleihung der vollen Macht eines souveränen Staates an die Bundesrepublik nach unserer Auffassung nichts anderes bedeutet als das Freiwerden :der deutschen Souveränität von besatzungsrechtlichen Schranken, die nun wieder abgebaut werden. Wenn die Frage sich erhob, ob die Verpflichtung des Nordatlantikvertrages, die deutschen Grenzen nicht mit Gewalt zu ändern, mit dieser Staatskonzeption vereinbar sei, weil Irland dem Nordatlantik vertrag nicht beigetreten sei, um nicht durch eine analoge Verpflichtung seine territorialen Ansprüche auf Nordirland zu gefährden, so tritt dem die Mehrheit des Ausschusses mit der Auffassung entgegen, daß der Gewaltverzicht wirklich nicht als Grenzverzicht aufgefaßt werden kann, zumal im Art. 7 des Deutschlandvertrages in Übereinstimmung mit der Londoner Schlußakte die Grenzfrage ausdrücklich dem späteren Friedensvertrag vorbehalten ist. Es ist ein alter Grundsatz des Rechts, daß Verzichte nicht (Dr. Wahl) vermutet werden können, daß also die freiwillige Aufgabe von Rechten eines deutlichen Ausdrucks bedarf, und solange alle Bundesorgane — das Parlament in seinen Entschließungen, ,die Bundesregierung in Regierungserklärungen und den theoretischen Darlegungen ihrer Rechtsberater, das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen — nach den Absichten des Grundgesetzgebers an der Meinung festhalten, daß zwischen der Bundesrepublik und dem Staate Deutschland im Rechtssinne Identität besteht, kann aus den Bestimmungen der neuen Verträge nicht die Anerkennung eines deutschen Teilstaates gefolgert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung über das Wirtschaftsabkommen mit der Saar den Grundsatz aufgestellt, daß im internationalen Verkehr der ausdrückliche Vorbehalt des eigenen Rechtsanspruchs nicht immer wiederholt zu werden braucht, besonders wenn er dem Verhandlungspartner bekannt ist. Wenn in den Ausschußberatungen von den Regierungsvertretern erklärt worden ist, daß die Aufrüstungsverpflichtung nur für den Geltungsbereich des Grundgesetzes übernommen sei, so mag darin eine stärkere Betonung des Geltungsbereichs des Grundgesetzes, ein Ausbau seiner Funktionen liegen, der nach dem äußeren Eindruck auf den außenstehenden Beobachter die faktischen Unterschiede zwischen den einzelnen Teilen Deutschlands vergrößert und deswegen die gegenwärtige Trennung noch schmerzlicher als bisher empfinden läßt. Aber niemand kann sich den Auftrag des Grundgesetzes, die deutsche Einheit in Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt (Minderheitsauffassung) I. Die Gesetzesvorlagen sind nicht formgerecht. Sie genügen Art. 59 GG nicht. Bei einem sachlich einheitlichen Vertragswerk müssen sämtliche für sein Verständnis, seine Auslegung und Anwendung bedeutsamen Schriftstücke — mögen sie Noten, Briefwechsel, Gedächtnisprotokolle usw. sein — mit Gegenstand der gesetzgeberischen Zustimmung werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die einzelne Erklärung, für sich allein genommen, der Form des Art. 59 Abs. 2 GG nicht bedürfte; gehört sie zu einem Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 2 GG, so darf sie für das gesetzgeberische Verfahren von ihm nicht losgelöst werden. Die Gesetzesvorlagen der Bundesregierung dagegen teilen vielfach solche Erklärungen nur „zur Kenntnis" mit, ohne sie den gesetzgebenden Körperschaften zur Zustimmung zu unterbreiten. Das genügt nicht. Dies gilt insbesondere für die — nicht einmal im authentischen Wortlaut bekanntgegebene — Londoner Schlußakte — Drucksache 1000 Anlage A —. Einzelne Schriftstücke, so z. B. die Erklärungen zur Notstandsklausel in Art. 5 des Generalvertrages, sind dem Bundestag sogar vorenthalten. Dieses Verfahren verletzt Art. 59 GG und wird die staats- und völkerrechtliche Ungültigkeit der Ratifikation zur Folge haben. Wind in den Gesetzen die Bestimmung gestrichen, daß die Verträge „mit Gesetzeskraft" zu veröffentlichen sind, so werden die Vertragsvorschriften Freiheit zu vollenden, als eine Aufgabe vorstellen, die einfach so gelöst werden kann, daß denjenigen deutschen Gebietsteilen, die von der Geltung des Grundgesetzes bisher ausgeschlossen sind, im Verhandlungswege einfach die Möglichkeit des Beitritts zu dem Grundgesetz eröffnet werden könnte. Eine solche Auffassung der gesamtdeutschen Mission der Bundesrepublik wäre illusionistisch. Wer mit den Realitäten der deutschen Frage vertraut ist, wird der Bundesrepublik, und zwar auch im Sinne der Grundgesetzgeber, einen politischen Spielraum gewähren müssen, und wenn die Bundesrepublik kein anderes Mittel sieht, dem Ziel der deutschen Wiedervereinigung näher zu kommen, als sich dem Westen anzuschließen, so ist sie dazu verpflichtet, dieses Mittel zu ergreifen. Dieser Gedankengang ist schon auf Seite 35 der Drucksache Nr. 3900 der 1. Wahlperiode angeklungen; ich weise ausdrücklich darauf hin. Es mag eine Tragik der deutschen Situation sein, daß wir keinen anderen Weg sehen, der deutschen Wiedervereinigung näher zu kommen, als über die Westintegration, die zunächst nur die Gegensätze zwischen Ost- und Westdeutschland zu vertiefen scheint, aber ein verfassungsrechtliches Problem liegt deswegen nicht vor. Bonn, den 11. Februar 1955 Dr. Wahl Berichterstatter nicht als Recht für jedermann verbindlich. Ein Zustimmungsgesetz nach Art. 59 GG hat eine doppelte Bedeutung: es ermächtigt ,das Staatsoberhaupt zur Ratifikation des völkerrechtlichen Vertrages und formt zugleich die Vertragsabreden, die zu einer solchen Umformung fähig und ihrer bedürftig sind, in innerstaatliches Recht um. Unterbleibt die Bestimmung, daß die Verträge Gesetzeskraft haben sollen, so fehlt diese Umformung. II. Der Name des Protokolls ist falsch und irreführend. Das Protokoll bezieht sich nicht auf die Bundesrepublik Deutschland, sondern lediglich auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes. Die Bezeichnung „Bundesrepublik" wird — teils aus Nachlässigkeit, teils mit Absicht — in zwei verschiedenen Bedeutungen gebraucht. „Bundesrepublik" im Sinne des Bonner Grundgesetzes ist die Bundesrepublik Deutschland als der im Jahre 1867 gegründete und das ganze deutsche Volk in den Grenzen von 1937 umfassende Staat Deutschland, der für nur einen Teil seines Volkes und Gebietes 1949 durch das Grundgesetz reorganisiert wurde. Auf dieses rechtliche Verständnis des Begriffs Bundesrepublik hat der Rechtsausschuß des 1. und des 2. Bundestages stets einhellig Gewicht gelegt. Es liegt zahlreichen Entschließungen des Bundestages, insbesondere zur Saarfrage, zugrunde, auch den Erklärungen der Bundesregierung — z. B. aus Anlaß der sogenannten Souveränitätserklärung der angeblichen „Deutschen Demokratischen Republik" —, daß es nur den einen deutschen Staat gebe. In der Gesetzessprache wird des- (Dr. Arndt) halb richtig der Geltungsbereich des Grundgesetzes vom Bundesgebiet unterschieden, weil Bundesgebiet das Gebiet innerhalb der deutschen Staatsgrenzen von 1937 ist. „Bundesrepublik" im Sinne der Pariser Verträge und des Sprachgebrauchs der Bundesregierung in ihrer amtlichen Begründung und in ihren Erklärungen zu den Vertragsgesetzen ist dagegen etwas anderes, nicht der Staat Deutschland, sondern ein Bruchstück dieses Staates innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes, der Inbegriff der vom Grundgesetz eingesetzten Verfassungsorgane. Jede Verständigung ist unmöglich, wenn das Wort „Bundesrepublik" nebeneinander in diesen beiden unvereinbaren Bedeutungen gebraucht wird. An Stelle von „Bundesrepublik" im Sinne des Grundgesetzes wird darum hier vom Staat Deutschland, an Stelle von „Bundesrepublik" im Sinne der Vierträge wird hier von Westdeutschland gesprochen werden. Im einzelnen sind folgende Bedenken verfassungsrechtlicher und rechtspolitischer Art besonders hervorzuheben. 1. Der Art. 1 Abs. 2 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (Generalvertrag) in der Neufassung des Pariser Protokolls vom 23. Oktober 1954 ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Durch diese Abrede wird Westdeutschland als ein Staat anerkannt und verselbständigt und somit als ein anderer und neuer Staat aus dem Staate Deutschland herausgelöst. Die Beendigung des Besatzungsregimes in Art. 1 Abs. 1 bezieht sich nicht auf den Staat Deutschland, sondern nur auf Westdeutschland. Vom Staat Deutschland wird in Art. 4 des zugehörigen Überleitungsvertrages als vom „früheren" Deutschen Reich im Sinne eines nicht mehr oder zur Zeit nicht bestehenden Staates gesprochen — zu Drucksache 1000 S. 127 —. In Art. 1 des zugehörigen Truppenvertrages wird Bundesgebiet als Geltungsbereich des Grundgesetzes definiert — zu Drucksache 1000 S. 20 —. Der Art. 1 Abs. 2, worin von Westdeutschland als einem „Staat" die Rede ist, will im Zusammenhang mit der Londoner Schlußakte und dem Nordatlantikvertrag verstanden sein. Der Nordatlantikvertrag setzt als Partner Staaten mit Staatsgebieten voraus, die sich zum Zwecke der kollektiven Selbstverteidigung untereinander durch Art. 4 und Art. 6 die Unversehrtheit dieser Staatsgebiete gewährleisten — Drucksache 1061 S. 38 —. Durch den Beitritt zu diesem Pakt erkennt ein Staat die Unversehrtheit seines Staatsgebietes an, ein Tatbestand, durch den sich Eire gehindert sieht, Mitgliedstaat dieses Paktes zu werden. Um die Unversehrtheit eines Staatsgebietes für Westdeutschland als einen Staat zu konstruieren, hat anläßlich des Beitritts zum Nordatlantikvertrag sich deshalb Westdeutschland — unter Verletzung des Art. 59 Abs. 2 GG — „insbesondere verpflichtet", die Änderung seiner gegenwärtigen Grenzen niemals mit gewaltsamen Mitteln herbeizuführen, wie es unter V. in der Schlußakte der Londoner Neun-MächteKonferenz heißt — Drucksache 1000 Anlage A S. 50 —. Der Verzicht auf angreifende Gewalt ist in Art. 26 Abs. 1 GG schon zwingend ausgesprochen; verfassungswidrig aber ist es, die in West und Ost durch die Demarkationslinien der Besatzungsmächte dem Geltungsbereich des Grundgesetzes gezogenen tatsächlichen Schranken als gegenwärtige Staatsgrenzen anzuerkennen. Der Art. 1 Abs. 2 hat den Sinn, Westdeutschland als Staat mit einem eigenen Staatsvolk und einem eigenen Staatsgebiet natofähig zu gestalten. Die Vertreter der Bundesregierung haben hierzu keine befriedigenden Erklärungen geben können. Der Bundeskanzler und der Bundesminister der Justiz sowie sein Staatssekretär haben dem Ausschuß zu Auskünften nicht zur Verfügung gestanden, der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes nur vereinzelt, kurzfristig und jeweils in Zeitnot. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat zwar erklärt, daß insoweit die Londoner Schlußakte von Grenzen nicht im Sinne von Staatsgrenzen spreche; weder aber genügt ohne überzeugende Begründung eine bloße Behauptung, noch steht diese Behauptung im Einklang mit der amtlichen Begründung, worin es heißt (S. 37), Westdeutschland werde „mit der Beendigung des Besatzungsregimes ein souveräner Staat ...". Verfehlt ist die Einwendung, daß Westdeutschland mit idem Staat Deutschland „identisch" sei. Die nach 1945 und vor Erlaß des Bonner Grundgesetzes entwickelte Identitätslehre hat den Sinn, daß der Staat Deutschland durch die militärische Kapitulation nicht unterging, sondern — mit sich gleich — in seinen Grenzen von 1937 fortbesteht. Der Parlamentarische Rat hat zum Ausdruck gebracht, daß sich hieran durch das Grundgesetz nichts ändere; es hat weder einen Staat ,,gegründet", noch haben sich durch das Grundgesetz die Länder der drei westlichen Besatzungszonen „zu einem Bund zusammengeschlossen", sondern das Grundgesetz hat den Staat Deutschland als gegenwärtige Geschichtstatsache vorausgesetzt und ihn für ein Teilstück innerhalb des grundgesetzlichen Geltungsbereichs nur neugeordnet. Der — mit dem Staat Deutschland identische — Bund besteht nicht allein aus den in Art. 23 GG aufgezählten Ländern, sondern nur die Geltung der Verfassungsordnung beschränkt sich „zunächst" auf diesen Staatsteil. Die Behauptung, daß es derzeit „faktisch" zwei deutsche Teilstaaten gebe, ist von den Kommunisten aufgestellt. Gäbe es sie, könnte es sich dabei nur um Nachfolgestaaten handeln, von denen keiner mehr mit dem Staat Deutschland identisch wäre. Denn idas rechtliche Wesen eines Staates ist als eine Gemeinschaft von den bestimmten Menschen, die als idas Staatsvolk sich zusammengeschlossen haben, nicht ablösbar. Solange das deutsche Staatsvolk eine — in seiner vollen Handlungsfähigkeit nur durch die Besatzungsmächte beeinträchtigte — Geschichtstatsache ist, und es ist sie, ist es nicht bloß sinnlos, sondern widersinnig, ein angebliches Gleichsein (Identität) der mehr als 70 Millionen Deutschen — an der Saar, in Westdeutschland, in Berlin, in der sowjetisch besetzten Zone und jenseits der Oder und Neiße — mit den 50 Millionen Deutschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu behaupten. Eine nur einen Teil des deutschen Staatsvolkes umfassende Organisation in Westdeutschland kann unmöglich dasselbe sein wie der das deutsche Staatsvolk als Ganzes umfassende Staat Deutschland. Die vom Grundgesetz eingerichteten Verfassungsorgane üben zwar deutsche Staatsgewalt aus, aber nicht die deutsche Staatsgewalt; die Bundesregierung ist zwar eine deutsche Regierung und die einzige in Deutschland, (Dr. Arndt) die eine demokratische Legitimation besitzt, weil sie im Geltungsbereich des Grundgesetzes aus dort freien Wahlen hervorging, aber die Bundesregierung ist nicht die Regierung des Staates Deutschland. Deutschland als Staat ist auch kein bloßer „Anspruch", der erst durch eine Wiedervereinigung zu verwirklichen wäre. Der Staat Deutschland besteht sowohl rechtlich als auch tatsächlich durch sein Volk gegenwärtig. Deshalb verpflichtet das Grundgesetz, die Einheit dieses gegenwärtigen, das gesamte deutsche Volk ganz umfassenden Staates zu wahren und in Freiheit zu vollenden. In Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und in Ausübung der von ihm geordneten Gewalt darf deshalb Westdeutschland niemals zu einem selbständigen Staat mit eigener Souveränität und gegenwärtigen Grenzen gemacht werden. 2. Der Art. 5 Abs. 2 begegnet in seiner Neufassung weniger Bedenken; doch bleibt seine Zulässigkeit verfassungsrechtlich zweifelhaft. Es konnte keine Klarheit darüber gewonnen werden, wer im Streitfall entscheidet, ob die von den Besatzungsmächten in Anspruch genommenen Notstandsbefugnisse erloschen sind. Auswärtigen Staaten darf jedoch nicht ein Recht eingeräumt werden, darüber zu urteilen, ob eine deutsche Verfassungsvorschrift richtig ist und den Vereinbarungen entspricht. Rechtspolitisch geht es nicht an, in so ungewisser Weise eine Verfassungsänderung in Aussicht zu stellen. Die Vertreter der Bundesregierung haben erklärt, daß es hierüber ein Schriftstück gebe, aber das Schriftstück nicht vorgelegt. Warum das Schriftstück geheimzuhalten sei, haben sie nicht dartun können, zumal die geplante Änderung des Grundgesetzes sich doch nicht geheim vollziehen läßt. Für eine gesetzgebende Körperschaft, die der Bundestag sein soll, ist es unzumutbar und unerträglich, daß ihm eine Zustimmung aasgesonnen wird, aber die Regierung, zu deren Kontrolle er berufen ist, ihm die volle Kenntnis des Sachverhalts rechtswidrig verweigert. 3. Gegen Art. 7 Abs. 2 richteten sich seit jeher die entscheidendsten Bedenken verfassungsrechtlicher Art, auch wenn man sie totzuschweigen suchte und so zu tun pflegte, als streite man nur um den 3. Absatz dieses 7. Artikels. In Art. 7 Abs. 2 wird gesagt, daß die Vertragspartner — bis zum Abschluß eines Friedensvertrages — zusammenwirken werden, um ein wiedervereinigtes Deutschland als ihr gemeinsames Ziel friedlich zu verwirklichen, wobei jedoch dieses wiedervereinigte Deutschland in doppelter Hinsicht dadurch gekennzeichnet wird, daß es eine freiheitlich-demokratische Verfassung besitzen und in die europäische Gemeinschaft integriert sein müsse. Es erheben sich daher die Fragen, welchen Gehalt die von den Westmächten übernommene Verpflichtung hat und welche Bedeutung der Abrede zukommt, daß Deutschland in die europäische Gemeinschaft integriert sein soll. Die Ausschuß-Mehrheit vertritt den Standpunkt, daß insoweit verfassungsrechtliche Zweifel unbegründet, jedenfalls aber durch das verfassungsändernde Gesetz behoben seien, das einen Art. 142 a in dais Grundgesetz eingefügt habe. Die Minderheit vermag diese Auffassung sich nicht zu eigen zu machen. Im Grundgesetz gibt es einen Art. 142 a nicht. Der Art. 79 Abs. 1 GG, daß das Grundgesetz nur ausdrücklich durch eine Änderung seines Wortlautes geändert werden könne, ist unabänderlich. Der Versuch, unter Verletzung dieser Vorschrift sowie unter Verstoß gegen die Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 92 und Art. 79 Abs. 3 GG) durch eine „Klarstellung" das Grundgesetz auszulegen, hat nicht einmal den Schein eines Rechts erzeugt. Alle gegen den Bonner und den Pariser Vertrag vom 26./27. Mai 1952 erhobenen Bedenken verfassungsrechtlicher Art bestehen daher unvermindert fort, soweit sie nicht durch eine Änderung der Verträge gegenstandslos wurden. Weilchen Gehalt die Abrede in Art. 7 Abs. 2 rechtlich hat (daß auf ein 'wiedervereinigtes Deutschland als gemeinsames Ziel hinzuwirken sei), ist fragwürdig. Es ist weder erkennbar, daß sich die Vertragspartner über das gegenwärtige Bestehen des Staates Deutschland einig wären, noch ersichtlich, ob sie über Deutschland als Staat gemeinsame Vorstellungen haben. Die Vertreter der Bundesregierung haben eingeräumt, daß Art. 7 Abs. 2 keine Rechtspflicht begründe, die Saar bei Deutschland zu belassen. Es ließ sich keinerlei Klarheit darüber schaffen, ob die Vertragspartner überhaupt Schritte zu unternehmen haben oder wann und wie etwas tatsächlich von ihnen zu tun ist, um die Einheit des Staates Deutschland aufrechtzuerhalten, zu wahren und in Freiheit zu vollenden. Insbesondere blieb ungewiß, ob ein Bemühen um die Einheit eines freien Staates Deutschland auch unabhängig von einer der Freiheit Polens, der Tschechoslowakei und der übrigen Satellitenstaaten durch eine Neuordnung Osteuropas gewidmeten Politik geboten ist oder ob friedliche Versuche, die Freiheit Deutschlands zu verwirklichen, nach dem Ermessen der Vertragspartner bis zur Möglichkeit einer Neuordnung Osteuropas zurückgestellt werden dürfen. Unklar ist auch, warum ein Friedensvertrag nach Art. 7 Abs. 1 mit Deutschland nur „für ganz Deutschland", nicht aber für Deutschland als Ganzes auszuhandeln ist. Ist es so einerseits rechtlich nichtgreifbar, welche Pflichten die Vertragspartner hinsichtlich der Einheit Deutschlands übernehmen, so muß es andererseits verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, daß die Einheit Deutschlands an die Voraussetzung der Integration in die europäische Gemeinschaft geknüpft wird. Als seinerzeit die französische Regierung den insoweit gleichlautenden Bonner Vertrag vom 26. Mai 1952 der französischen Nationalversammlung zur gesetzgeberischen Zustimmung vorlegte, hat sie in der amtlichen Begründung ausgeführt, der Art. 7 Abs. 2 enthalte mit dieser Integrationsklausel eine Bedingung, durch die sich auch der deutsche Vertragspartner verpflichte, keiner anderen Formel der Wiedervereinigung zuzustimmen. Hierzu haben die Regierungsvertreter im Ausschuß geltend gemacht, daß sich der Sinn des Art. 7 Abs. 2 geändert habe, weil der Vorspruch des Vertrages gestrichen wurde und der Vertrag nicht mehr mit der Gründung einer supranationalen organisierten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft gekoppelt sei. Integration sei jedenfalls nunmehr nicht dahin zu verstehen, daß Deutschland sich in eine Gemeinschaft mit supranationaler Struktur eingliedern müsse. Die Regierungsvertreter haben jedoch nach Meinung der Minderheit nicht hinreichend 'erläutern können, warum im Unterschied zur Londoner (Dr. Arndt) Schlußakte die Klausel in Art. 7 Abs. 2 stehen blieb, daß Deutschland in die europäische Gemeinschaft integriert sein müsse. Diese Klausel ist um so weniger verständlich, als sie selbständig neben die — gewiß als Bedingung gemeinte —Klausel tritt, daß der Staat Deutschland eine freiheitlich-demokratische Verfassung haben müsse. Sicherlich braucht Integration nicht supranationale Organisation zu bedeuten. Ein Regierungsvertreter hat den Begriff Integration so erklärt, er heiße: verbinden, zum Bestandteil machen. Die Verträge verwenden den Begriff der Integration mehrfach und bringen dadurch in der Tat zum Ausdruck, daß durch das Bilden einer Gemeinschaft ein gewisser Grad von Unselbständigkeit und Abhängigkeit der zu einer höheren Einheit zusammengefügten Teile erreicht werden soll. So ist in der Entschließung des Nordatlantikrats zur Durchführung von Abschnitt IV der Londoner Schlußakte unter Nr. 8 Buchstabe a von einer Integration der Streitkräfte die Rede — Drucksache 1061 S. 63 —. Die Westeuropäische Union wird von der Bundesregierung als Ansatz der „europäischen Integration" bezeichnet, und zwar, weil z. B. die Befugnisse des Ministerrats „über das sonst für Organe internationaler Organisationen übliche Maß hinausgehen" — Drucksache 1061 S. 46 —. Es ist zu billigen, daß die Einheit des Staates Deutschland nicht anders verwirklicht werden darf als durch eine freiheitlich-demokratische Verfassung. Das entspricht nicht nur der politischen Zielrichtung aller demokratischen Kräfte, deren keine bereit ist, die Freiheit der Einheit zu opfern oder auch nur Einbußen der Freiheit in Westdeutschland durch Zugeständnisse an die Sowjet-Union in Kauf zu nehmen, sondern es ist durch das Grundgesetz auch allen von ihm gebildeten Verfassungsorganen rechtlich verwehrt, die Einheit anders als in Freiheit zu vollenden. Es wäre auch kein Einwand 'dagegen zu erheben, daß als politisches Ziel eine Einigung Europas anzustreben ist und der Staat Deutschland sich politisch zu Europa, beispielsweise durch Zugehörigkeit zum Europarat in Straßburg, zählen will, — steht doch die unlösbare Verbundenheit des deutschen Volkes mit der freien Welt völlig außer Frage. Eine solche Zielsetzung würde ebenfalls nur dem Grundgesetz entsprechen, das neben die verfassungskräftige Rechtspflicht, die Einheit Deutschlands zu wahren, ein politisches Bekenntnis gesetzt hat, daß Deutschland in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen wolle. Ist dagegen Art. 7 Abs. 2 als eine rechtliche Bedingung und Bindung zu verstehen, daß die Einheit Deutschlands, auch wenn sie eine Einheit in Freiheit durch eine freiheitlich-demokratische Verfassung wäre, vertraglich ausgeschlossen werden soll, falls nicht der Staat Deutschland insgesamt durch ein Bündnis seine Wehrkraft und sein Rüstungspotential in die Verteidigungsorganisation des Westens eingliedern würde, so ist ein solcher Rechtsverzicht auf die deutsche Einheit verfassungswidrig. Kein Verfassungsorgan, auch nicht der verfassungsändernde Gesetzgeber, ist nach dem Grundgesetz befugt, der Einheit Deutschlands zu entsagen oder sie von irgendeiner anderen Bedingung als einzig der der Freiheit abhängig zu machen. Ohne die einwandfreie und völkerrechtlich gesicherte Klarstellung, daß Art. 7 Abs. 2 mit diesem zwingenden Verfassungsgebot im Einklang steht, ist der Vertrag unannehmbar. 4. Welche Wirkung es — insbesondere in Verbindung mit Art. 10 — hat, daß Art. 7 Abs. 3 gestrichen wurde, konnte nicht geklärt werden. Auf die Frage, ob bei Vollendung der Wiedervereinigung der Staat Deutschland an diese von Westdeutschland eingegangenen Verträge gebunden bleibe, haben die Regierungsvertreter keine eindeutigen Antworten gegeben. Die Frage, warum in den Verträgen über den Beitritt zur Westeuropäischen Union und zur Nordatlantikvertragorganisation sich keine dem Art. 10 des Generalvertrages entsprechende Klausel finde sowie, ob die Wiedervereinigung zum Ausscheiden aus dem Nordatlantikvertrag berechtige, ist unbeantwortet geblieben. In der französischen Nationalversammlung hat der Abgeordnete Jacques Isorni am 20. Dezember 1954 als Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses die Auffassung vertreten, daß es rechtlich mehrere Möglichkeiten der Wiedervereinigung gebe und das wiedervereinigte Deutschland dann gebunden sein werde, wenn es dadurch entstehe, daß Westdeutschland Ostdeutschland absorbiere. Die Vorstellung, daß der Staat Deutschland gegenwärtig besteht, ist 'dem französischen Denken fremd. Auch das Denken 'der Vertreter der Bundesregierung bei ihren Äußerungen im Ausschuß zeigte sich von der Vorstellung beherrscht, daß der Staat Deutschland, der sog. „gesamtdeutsche Staat", ein vermeintlich erst „künftiger Staat" sei. Halte man es für möglich, haben die Regierungsvertreter ausgeführt, daß der Staat Deutschland die staats- und völkerrechtliche Fortsetzung Westdeutschlands werde, so würden die Verträge den Staat Deutschland binden, allerdings nach der völkerrechtlichen clausula rebus sic stantibus nur insoweit, als die Vertragsgrundlage nicht fortgefallen sei und eine Bindung des Staates Deutschland nach der „Natur" der Verträge und nach dem Willen der Partner nicht ausgeschlossen sein sollte. Es ist unerfindlich, wie diese Auffassung mit Art. 10 vereinbart werden soll. Auch ist eine clausula rebus sic stantibus völkerrechtlich keineswegs anerkannt. Die Minderheit kann daher nur feststellen, daß in diesen Fragen eine 'grenzenlose Verwirrung herrscht und eine rechtliche Beurteilung weder möglich ist noch es erlaubt, eine Verantwortung zu übernehmen. Bot das Bestehen des Art. 7 Abs. 3 schon Grund zu vielfältigen Meinungsverschiedenheiten, so kann seine Streichung noch mehr die Ursache von Streitigkeiten und Konflikten werden. Weil es unklar war, was Art. 7 Abs. 3 bedeuten sollte, hat der Verzicht auf diese Bestimmung die Unklarheit noch vergrößert. Jedenfalls läßt sich die negative Folge des Wegfalls dieser Vorschrift nicht ausschließen, daß die Regierung des Staates Deutschland nicht mehr die begrenzte Entscheidungsfreiheit des früheren Art. 7 Abs. 3 haben wird, sondern daß ohne eine rechtliche Mitsprachebefugnis der Vertragspartner die Regierung des Staates Deutschland nicht gebildet und ihr Status nicht bestimmt werden kann. 5. Verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen die Nebenverträge zum Generalvertrag erhoben wurden, sind bestehengeblieben, soweit nicht Änderungen dieser Verträge den Bedenken Rechnung trugen. Diese Bedenken werden als bekannt vorausgesetzt, so daß sich eine Wiederholung erübrigt. Sie sind auch nicht durch einen Art. 142 a im Grundgesetz ausgeräumt, da jene Bestimmung nicht einmal die Vermutung einer Gültigkeit für sich hat. Hervorhebung verdienen jedoch die ver- (Dr. Arndt) fassungsrechtlichen und rechtspolitischen Einwände gegen die Strafvorschriften im Anhang A zum Truppenvertrag. Es ist demütigend, daß keine Streichung des § 2 Abs. 4 erreicht werden konnte, der die Unanwendbarkeit des § 100 Abs. 3 StGB bestimmt und in die Rechtsstellung ,der Mitglieder des Bundestages eingreift. Die Tatbestände sind teilweise, so z. B. bei § 12, so unbestimmt, wie dies nur in totalitären Staaten üblich und mit den Erfordernissen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar ist. Um so bedenklicher muß es sein, daß die von ausländischen Mächten zum Schutze ihrer Streitkräfte geforderten und mit 'ihnen völkerrechtlich vereinbarten Strafvorschriften teilweise sogar den Verlust der Mitgliedschaft im Bundestage oder einem Landtage zur Folge haben sollen (§ 9). Werden die Rechtsstellung der Volksvertreter und die Sicherheit ihres Mandats zum Gegenstand des Handelns mit fremden Staaten gemacht, so muß hierin insoweit ein Verlust der Freiheit und der Selbstbestimmung gesehen werden. Bonn, den 11. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter II. Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 1060 - Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) Generalberichterstatter: Abgeordneter Dr. Furler I. Allgemeines Der Vertrag vom 23. Oktober 1954 über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Aufenthaltsvertrag) wurde in Ausführung des Artikels 4 Abs. 2 Satz 3 des Deutschlandvertrages geschlossen. Er regelt die Rechtsgrundlage der Stationierung dieser ausländischen Streitkräfte für die Zeit nach Inkrafttreten der Vereinbarungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag. Er handelt nicht von den Rechten und Pflichten, die diese Streitkräfte im Gebiete der Bundesrepublik haben. Diese Rechtsstellung der ausländischen Streitkräfte ist Gegenstand des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland (Truppenvertrag) — BGBl. II S. 78 ff. —, verändert durch Liste II des Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954 — Drucksache 1000 S. 12 ff. —. Die Rechtsgrundlage für den Aufenthalt ausländischer Truppen ist nach Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag keine hoheitliche mehr, sondern eine vertragliche. Aus Art. 4 Abs. 2 des Deutschlandvertrages und aus dem Aufenthaltsvertrag ergibt sich der Wille der drei Mächte, ihr Stationierungsrecht aus einem hoheitlichen in ein vertragliches Recht umzuwandeln. Dieser Wille wird mit dem neuen Status der Bundesrepublik, nämlich demjenigen der Souveränität, und weiterhin damit begründet, daß die drei Mächte die Stationierung von Streitkräften in der Bundesrepublik nur in vollem Einvernehmen mit dieser durchzuführen beabsichtigen. Aus diesem Grunde wird „diese Frage" — also diejenige des Stationierungsrechtes — in diesem besonderen Aufenthaltsvertrag geregelt. Der Wortlaut des Art. 4 deutet darauf hin, daß die Umwandlung des Stationierungsrechtes Gegenstand von Auseinandersetzungen war, bei denen zunächst gewisse Gegensätzlichkeiten hervortraten. Wie die Regierung dem Auswärtigen Ausschuß mitteilte, sind die Formulierung des Art. 4 Abs. 2 und der ganze Aufenthaltsvertrag aus deutschen und amerikanischen Vorschlägen hervorgegangen. Deshalb ist für die Auslegung auch die Stellungnahme des Staatssekretärs Dulles gegenüber idem Präsidenten der Vereinigten Staaten (besonders bedeutsam, in der zur Frage der Rechtsgrundlage der Stationierung gesagt wird: „Die Bedeutung dieses Vertrages liegt darin, daß die in Deutschland stationierten Streitkräfte dort nicht mehr auf Grund von Vorbehaltsrechten stationiert sein werden, die wir durch das Potsdamer Abkommen und die Kapitulationsbedingungen erhalten hatten, sondern auf Grund eines neuen Vertrages, der von Deutschland freiwillig abgeschlossen worden ist und der von den verantwortlichen parlamentarischen Körperschaften in Deutschland gebilligt werden muß. In dieser Beziehung wird Deutschland also den anderen alliierten Ländern gleichgestellt sein." Der Auswärtige Ausschuß ist mit der Regierung der Auffassung, daß für das Gebiet der Bundesrepublik nach dem Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag nur noch ein vertragliches Stationierungsrecht besteht. Es erscheint dem Ausschuß auch nicht möglich, zwischen dem Recht und seiner Ausübung zu unterscheiden und zu sagen, bei fortbestehendem Hoheitsrecht sei dessen Ausübung gegenüber der Bundesrepublik nicht mehr oder nur noch mit deren Zustimmung zulässig, wie dies in den Ausführungen des Berichterstatters des Auswärtigen Ausschusses in der französischen Nationalversammlung vom 20. Dezember 1954 zum Ausdruck kommt. Diese Trennung widerspräche der Tatsache der Aufhebung des Besatzungsregimes, der starken Begrenzung der alliierten Vorbehalte, der Entstehung der neuen Rechtslage und Existenz und Sinn des Aufenthaltsvertrages. Sie ist zur Wahrung der Interessen der drei Mächte auch deshalb nicht erforderlich, weil die Bundesrepublik die rechtliche und tatsächliche Hoheit über ihr Gebiet hat, den drei Mächten also vertraglich ein Stationierungsrecht einräumen kann, das das frühere, aus der Besatzung hervorgegangene, hoheitliche Recht voll zu ersetzen vermag. Zur Aufrechterhaltung der Berliner und der gesamtdeutschen Rechte gegenüber Sowjetrußland ist aber ein hoheitliches Stationierungsrecht in der Bundesrepublik nicht erforderlich. Mit Inkrafttreten des deutschen Verteidigungsbeitrages ist also jede hoheitliche Legitimation für eine Truppenstationierung innerhalb des Bundesgebietes erloschen. Die Rechte der drei Mächte ergeben sich aus der im Deutschlandvertrag und dem hier vorliegenden Aufenthaltsvertrag freiwillig übernommenen Verpflichtung der Bundesrepublik. (Dr. Furler) II. Die einzelnen Bestimmungen Artikel 1 1. Art. 1 Abs. 1 gibt den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Vereinigten Königreich und Frankreich und außerdem allen Staaten, die von der Möglichkeit, dem Aufenthaltsvertrag beizutreten, Gebrauch machen, das vertragliche Recht, im Gebiete der Bundesrepublik Streitkräfte der gleichen Nationalität und Effektivstärke, wie zur Zeit des Inkrafttretens der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag, zu stationieren. Damit wird das Einverständnis der Bundesrepublik zu dieser Stationierung — Art. 4 Abs. 2 Satz 2 — in einen vertraglichen Konsens umgewandelt. 2. Die Begrenzung des vertraglichen Stationierungsrechtes nach Nationalität und Effektivstärke wird in Abs. 2 des Art. 1 insofern bekräftigt, als hier jede Erhöhung der Effektivstärke der stationierten Streitkräfte an die Zustimmung der Bundesregierung gebunden wird. Damit werden auch die für die Übergangszeit geltenden Vorschriften des Art. 5 Abs. 1 des Deutschlandvertrages abgelöst. Selbst im Falle eines drohenden Angriffs wäre daher die Einwilligung der Bundesrepublik für die Herbeiführung weiterer Streitkräfte erforderlich. Soweit es sich um Streitkräfte der Staaten der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft handelt, sind die besonderen Vorschriften der NATO über Stationierung und Dislozierung von Truppen zu beachten, die ein Einvernehmen mit den beteiligten Staaten voraussetzen. 3. Die Durchführung des vertraglichen Prinzips verpflichtet die Vertragsstaaten, die Zustimmung der Bundesrepublik auch dann einzuholen, wenn zusätzliche Streitkräfte für Übungszwecke bis zur Höchstdauer von jeweils 30 Tagen das Gebiet der Bundesrepublik betreten sollen — Art. 1 Abs. 3 —. 4. Die aus dem Nordatlantikvertrag sich ergebenden Transitrechte werden in Abs. 4 des Art. 1 auf der Basis der völligen Gleichstellung der Bundesrepublik umrissen und hinsichtlich der durch die Besetzung Österreichs gegebenen Situation ausdrücklich geregelt. Für Berlin war die Vereinbarung solcher Transitrechte nicht notwendig, weil hier das besondere Vorbehaltsrecht der drei westlichen Mächte ausreichend ist. Entsprechende Transit- oder Durchmarschrechte außerhalb der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft bestehen nicht. Sollten sich hier aus der militärischen Gesamtsituation besondere Notwendigkeiten ergeben, dann wäre jeweils die ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung einzuholen. Artikel 2 Dem Aufenthaltsvertrag können alle Staaten beitreten, die am 23. Oktober 1954 Streitkräfte im Bundesgebiet stationiert hatten. Damit wird für diese Staaten die Möglichkeit eröffnet, ein vertragliches Stationierungsrecht für Truppen in der Bundesrepublik zu erhalten. Die Grenzen hinsichtlich Nationalität und Effektivstärke und alle Vorschriften des Art. 1 gelten für die beitretenden Staaten entsprechend. Die Möglichkeit des Beitritts besitzen Belgien, Dänemark, Kanada, Luxemburg und die Niederlande. Tritt ein Staat dem Aufenthaltsvertrag nicht bei, dann hat dies die Beendigung der Stationierung seiner Truppen mit Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag zur Folge. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, daß die Bundesrepublik auf Grund besonderer Vereinbarungen auch nachträglich noch vertragliche Stationierungsrechte einräumt, wobei sie auf die soeben genannten Staaten nicht beschränkt ist. Die bisherige Möglichkeit der drei Mächte, fremde Truppen über ihre eigenen Hoheitsrechte in die Bundesrepublik zu bringen, erlischt aber ebenso wie die Übergangsregelung des Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b des Deutschlandvertrages. Artikel 3 1. Der Aufenthaltsvertrag tritt mit dem Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung mit Deutschland außer Kraft. Die Folge dieses Außerkrafttretens ist nicht, daß die früheren hoheitlichen Stationierungsrechte wieder aufleben. Deren Erlöschen ist ein endgültiges. Der Aufenthaltsvertrag tritt weiterhin dann außer Kraft, wenn die Unterzeichnerstaaten schon vor dem Abschluß eines Friedensvertrages dahin übereinkommen, daß die Entwicklung der internationalen Lage neue Abmachungen rechtfertigt. Es ist also zu einer Änderung unter diesem Gesichtspunkt das Einvernehmen der vier Unterzeichnerstaaten notwendig. Zu ihnen gehören in diesem Zusammenhang nicht die später beitretenden Staaten. 2. Der Aufenthaltsvertrag besitzt in Abs. 2 des Art. 3 daneben eine ausdrückliche Revisionsklausel. Der Inhalt dieser Klausel deckt sich in vollem Umfange mit Art. 10 des Deutschlandvertrages. Es wird auf die Ausführungen zu diesem Art. 10 im Generalbericht zu Drucksache 1000 Bezug genommen. Artikel 4 Der Vertrag ist ratifikationsbedürftig. Die Ratifikation erfolgt durch Hinterlegung der betreffenden Urkunden bei der Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Der Vertrag tritt in Kraft, sobald alle Unterzeichnerstaaten diese Hinterlegung vorgenommen haben und darüber hinaus die Beitrittsurkunde der Bundesrepublik zum Nordatlantikvertrag bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hinterlegt worden ist. III. Der Auswärtige Ausschuß billigte den Aufenthaltsvertrag. Er bittet daher das Hohe Haus, diesem Vertrag die von der Bundesregierung vorgeschlagene Zustimmung zu geben. Bonn, den 15. Februar 1955 Dr. Furler Generalberichterstatter III. Entwurf eines Gesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag - Drucksache 1061 - a) Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) Generalberichterstatter: Abgeordneter Brandt (Berlin) A. Einleitung Die Frage der Wiederbewaffnung hat unser Volk wie kaum eine andere seit dem Ende des zweiten Weltkrieges bewegt, und sie bewegt es noch. Die Schwere der vom Bundestag zu treffenden Entscheidung — darauf wurde bereits im Generalbericht zum EVG-Vertrag (Drucksache Nr. 3900 der 1. Wahlperiode) hingewiesen — ergibt sich aus dem Einschnitt, den die Wiederbewaffnung in das Leben des Volkes, in erster Linie seiner jungen Generation bedeutet, aus den Konsequenzen wirtschafts- und finanzpolitischer Art, vor allem aber auch aus der unterschiedlich beurteilten Ausstrahlung auf das gesamtdeutsche Schicksal. Die gemeinsame Diskussionsgrundlage des Strebens nach Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit und nach friedlicher Zusammenarbeit der Völker, die gemeinsam erkannte Bedrohung demokratischer Rechtsstaatlichkeit durch die Kräfte des Totalitarismus und die Gefahr, daß die Spaltung Deutschlands als ein bis auf weiteres nicht zu verändernder Bestandteil der internationalen Beziehungen hingenommen werden könnte, haben nichts daran zu ändern vermocht, daß die unser Volk bewegenden gegensätzlichen Meinungen auch den Ausschußberatungen ihren Stempel aufgedrückt haben. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat sich mit dem hier zu behandelnden Teil des Pariser Vertragswerks in einer Reihe von Sitzungen vorwiegend, aber nicht allein unter politischen Aspekten befaßt. Die militärpolitischen und technischen Fragen sind im einzelnen außerdem im Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit beraten worden; darüber liegt ein besonderer, durch die Abg. Dr. Jaeger und Erler erstatteter Bericht vor. Im Generalbericht wird außerdem auf Berichte des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen, des Ausschusses für Wirtschaftspolitik und des Haushaltsausschusses Bezug genommen. Der federführende Ausschuß empfiehlt aus formalen Gründen — die Begründung ist im Bericht zur Drucksache 1000 gegeben —, aus dem Zustimmungsgesetz Art. 3 die Worte „mit Gesetzeskraft" zu streichen. B. Von der EVG zu den neuen Verträgen Vor knapp zehn Jahren zogen der Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes und die bedingungslose Kapitulation eine völlige Entmilitarisierung Deutschlands nach sich. Aber schon wenige Jahre später stand das Thema einer deutschen Wiederbewaffnung auf der Tagesordnung der internationalen Politik. Als Ergebnis des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und nach Ausbruch des Krieges in Korea setzten sich die Westmächte unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika für einen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik ein. Der Bundeskanzler hatte diese Frage seinerseits in einem Memorandum aufgeworfen, das den Außenministern der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs im August 1950 übermittelt wurde. In der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands war der Aufbau einer „volkspolizeilich" getarnten militärischen Kader-Organisation zu diesem Zeitpunkt bereits weit vorgeschritten. Aus dem Grundsatzbeschluß der Westmächte vom September 1950 über die aktive Einbeziehung der Bundesrepublik in das atlantische Sicherheitssystem erwuchs der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vom Mai 1952. Die Auseinandersetzungen über dieses Projekt, dem der Deutsche Bundestag seine Zustimmung erteilt hatte, fanden ihr Ende durch die negative Entscheidung der französischen Nationalversammlung vom 30. August 1954. Obgleich der Gedanke einer überstaatlichen Lösung auf französische Initiative zurückging, hatte sich gezeigt — zuletzt auf der Brüsseler Konferenz vom August 1954 —, daß es nicht möglich sein würde, die Zustimmung Frankreichs zum EVG-Vertrag in seiner ursprünglichen Form zu erlangen. Die Bundesregierung hat bei der Begründung zum neuen Vertragswerk darauf hingewiesen, daß durch die Entscheidung der französischen Nationalversammlung eine ernste politische Krise herbeigeführt worden sei. In der schriftlichen Begründung der Bundesregierung, auf die insoweit Bezug genommen werden kann, ist dargelegt worden, wie es auf dem Wege über Initiativen des britischen und des amerikanischen Außenministers zur Londoner Konferenz kam, deren Ergebnisse in der Schlußakte vom 3. Oktober 1954 zusammengefaßt wurden. Vorbereitet durch Verhandlungen von Regierungsvertretern, fand dann die Pariser Außenministerkonferenz statt, die mit der Unterzeichnung des neuen Vertragswerks, darunter der hier zu erörternden Sicherheitsverträge, am 23. Oktober 1954 abgeschlossen wurde. Ergänzend wurde während der Ausschußberatungen klargestellt, auch das Auswärtige Amt habe sich seit dem Frühjahr 1954 (Brandt [Berlin]) mit der Erarbeitung von Ersatzlösungen an Stelle des EVG-Vertrages befaßt. Die Vorstellungen der britischen Regierung über eine Erweiterung und Neufassung des Brüsseler Vertrages sowie über die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO deckten sich weitgehend mit Überlegungen, die auf deutscher Seite angestellt worden waren. Eine dieser Überlegungen war, die neue Lösung müsse möglichst viel jener Sicherheitselemente enthalten, von denen man überzeugt war, daß sie durch die EVG geschaffen worden wären. Die neue Lösung sollte nicht weniger Beistandsverpflichtungen enthalten, als sie die alte Lösung enthalten hatte; sie sollte vor allem die automatische Beistandspflicht der europäischen Vertragspartner einschließlich Großbritanniens retten. Eine andere wichtige Überlegung ging dahin, daß die Entwicklung zur politischen „Integration", zum Zusammenschluß der westeuropäischen Staaten, nicht verbaut werden dürfte. Die EVG hatte ,die Lösung des westdeutschen Verteidigungsbeitrages gleichzeitig mit der politischen Integration des westlichen Europa lösen sollen. Die neuen Verträge gehen einen anderen Weg. Sie sollen jedoch den gleichen Zielen dienen. C. Unveränderte Zielsetzung Die Bundesregierung hat dargelegt, ihre außenpolitischen Aktionen seien an großen und unveränderlichen. Zielen zu messen. Diese Ziele seien durch die Worte Einheit, Freiheit, Sicherheit gekennzeichnet; es gelte, Bundesgenossen für die Verfolgung dieser Ziele zu gewinnen. Insbesondere wurde betont, die Bundesrepublik müsse aus ihrem — rechtlich gesehen noch immer bestehenden — Objektzustand befreit und zu einem Faktor des internationalen Geschehens gemacht werden. Dadurch werde sie auch in der Lage sein, im Ringen um die deutsche Einheit stärkeren Einfluß auszuüben. Ihre Beurteilung der internationalen Situation hat die Bundesregierung so zusammengefaßt, „daß die Bedrohung der Sicherheit der Bundesrepublik und der freien Welt überhaupt nicht geringer geworden ist trotz der Änderung der Taktik, die die sowjetrussische Politik seit dem Tode Stalins eingeschlagen hat." Obwohl nicht mit der akuten Gefahr eines sowjetischen Angriffs gerechnet werde, bedürfe es eines Ausbaues des westlichen Sicherheitssystems. Die Entwicklung der modernen Waffen ändere nichts daran, daß eine Verstärkung der westeuropäischen Verteidigung durch deutsche Streitkräfte dringend geboten sei. Bereits in der Berichterstattung zum EVG-Vertrag war betont worden, die Planungen der NATO gingen von der Voraussetzung aus, daß deutsche Truppen auf die eine oder andere Weise in das westliche Verteidigungssystem eingegliedert würden; vor allem mit Hinblick auf die Landstreitkräfte glaube man, eine effektive Verteidigungsposition im westlichen Europa ohne deutsche Streitkräfte nicht aufbauen zu können. Vor dem Ausschuß wurde mit Nachdruck betont, daß sich nach Meinung der Bundesregierung an diesen Voraussetzungen nichts geändert habe. Die Planung der NATO stehe und falle mit dem deutschen Verteidigungsbeitrag. Darüber hinaus bestehe die ernste Gefahr, daß die amerikanische Politik zum Nachteil Europas verändert werde oder sich gar von Europa abwende, wenn die Verteidigungsverträge und der deutsche Verteidigungsbeitrag nicht verwirklicht würden. Die Bundesregierung hat sich auch davon leiten lassen, daß es gelte, unter veränderten Bedingungen unvermindert für den westeuropäischen Zusammenschluß zu wirken. Sie hofft, daß es mit Hilfe eines solchen Zusammenschlusses und gestützt auf eine stärkere Einheitlichkeit und festere Verteidigung der westlichen Welt möglich wäre, nicht nur die Gefahr einer sowjetischen Aggression abzuwehren, sondern auch einer internationalen Entspannung den Weg zu ebnen und dabei das Problem der Wiedervereinigung Deutschlands seiner Lösung entgegenzuführen. Die Mehrheit des Ausschusses hat sich die Meinung zu eigen gemacht, daß es mit Hilfe der neuen Verträge möglich sein werde, diesen Zielen näherzukommen. Die Einwände der Minderheit haben sich u. a. auf die Frage bezogen, ob nicht das Streben nach internationaler Entspannung durch die militärische Eingliederung der beiden Teile Deutschlands in das jeweilige Pakt-System des Westens und des Ostens wesentlich erschwert würde und ob nicht durch die Eingliederung der Bundesrepublik in die NATO mögliche Chancen für die Wiedervereinigung verlorengehen könnten. Es ist auch bezweifelt worden, daß es zur Erhaltung und Festigung des westlichen Sicherheitssystems eines deutschen Verteidigungsbeitrages in der vorgesehenen Form bedürfe. Der Auswärtige Ausschuß hat — wie zuvor 'der Sicherheitsausschuß — einen Bericht über die strategische Lage, wie sie sachverständige Berater der Bundesregierung sehen, entgegengenommen. Die Voraussetzungen für die Notwendigkeit und die Form eines westdeutschen Verteidigungsbeitrages haben sich demnach nicht wesentlich geändert. Die Minderheit hielt jedoch an ihren Bedenken fest, daß a) die Entwicklung der Atomwaffen die bisherige strategische Planung habe veralten lassen, b) die Erklärungen über die NATO-Strategie nicht die Gewißheit geben, daß das westdeutsche Bundesgebiet wirksam geschützt werde, c) deutsche Streitkräfte gegenüber einem modern gerüsteten Gegner vermutlich ins Hintertreffen geraten würden und d) die erkennbaren Maßnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung für den Fall eines Krieges völlig unbefriedigend seien. Andererseits darf festgehalten werden, daß sich Mehrheit und Minderheit des Ausschusses — unbeschadet ihrer in vielem unterschiedlichen Beurteilung der Verträge und der auswärtigen Politik überhaupt — eine Reihe gemeinsamer Überzeugungen zu eigen machen: Beide Teile bekennen sich, in Übereinstimmung mit den wiederholten Beschlüssen des Bundestages, zur Wiedervereinigung als dem vordringlichen Ziel deutscher Politik. Beide Teile halten daran fest, daß die deutsche Politik von einem besonderen Interesse an der Erhaltung des Friedens geleitet sein muß. Beide Teile bejahen die Gemeinschaft des deutschen Volkes mit den freien Nationen der Welt und das Streben nach Einigung unter den europäischen Völkern. D. Wiederbewaffnung und Wiedervereinigung Durch eine Erklärung des Bundeskanzlers vom 3. Oktober 1954 hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, die in Art. 2 der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Verpflichtungen zu übernehmen und insbesondere „die Wiedervereinigung Deutschlands oder die Änderung der gegenwärti- (Brandt [Berlin]) gen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland niemals mit gewaltsamen Mitteln herbeizuführen". Daraufhin haben sämtliche Mitgliedstaaten der NATO ihrerseits erklärt, daß sie — wie es die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Fran-reich zuvor getan hatten — die Bundesregierung als die einzige deutsche Regierung ansehen, die berechtigt ist, als Vertreter des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten zu sprechen, daß ein frei ausgehandelter Friedensvertrag mit Deutschland sowie die Herstellung eines freien und vereinigten Deutschland zu den grundlegenden Zielen ihrer Politik gehört und daß sie die Sicherheit und das Wohl Berlins als wesentliches Element einer freien Welt betrachten. Daraus ist im Verlauf der Ausschußberatungen gefolgert worden, mit Inkrafttreten des Vertragswerks würden alle NATO-Mächte zur Unterstützung der Politik der Wiedervereinigung völkerrechtlich verpflichtet. Dem ist von seiten der Minderheit entgegengehalten worden, die Erklärungen der drei Mächte bzw. der NATO-Staaten seien nicht konkret genug; sie seien nur von der einen Seite abgegebene Grundsatzerklärungen, und die Sonderlage Deutschlands als eines gespaltenen Staates werde durch die Verträge nicht berücksichtigt. Es wurde auch der Befürchtung Ausdruck gegeben, die Bezugnahme auf die „Grenzen der Bundesrepublik Deutschland" in der Erklärung des Bundeskanzlers könne als eine Anerkennung der Demarkationslinien als tatsächlicher Staatsgrenzen aufgefaßt werden. Abg. Dr. Arndt bemerkt im Minderheitsgutachten des Rechtsausschusses, es sei „rechtlich nicht greifbar, welche Pflichten die Vertragspartner hinsichtlich der Einheit Deutschlands übernehmen". Das erwähnte Gutachten hält auch die Frage für unbeantwortet, ob die Bundesrepublik im Falle der B) Wiedervereinigung zum Ausscheiden aus dem Nordatlantikvertrag berechtigt ist. Von Regierungsseite wurde betont, der Tatbestand der Wiedervereinigung würde völkerrechtlich zweifellos eine Überprüfung der Verträge rechtfertigen. Weiter wurde ausgeführt, die Verträge seien der besonderen Situation der Bundesrepublik durchaus angepaßt. Dafür sprächen u. a. das Bekenntnis der NATO-Mächte zur Wiedervereinigung, die Sicherheitsgarantie für Berlin und die Gewaltverzichtserklärung der Bundesrepublik. Das Verhältnis des Vertragswerks, vor allem seines militärischen Teils, zur Frage der deutschen Einheit hat den Ausschuß eingehend beschäftigt. Er hat dazu ein Referat des Abg. Dr. Lenz (Godesberg) und ein Korreferat des Abg. Wehner gehört. Vom Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen ist ihm ein ausführlicher schriftlicher Bericht unterbreitet worden. Es ist jedoch gerade auf diesem Gebiet nicht gelungen, zu einer einheitlichen Beurteilung zu gelangen. Während der Berichterstatter des federführenden Ausschusses zu den Sicherheitsverträgen, Abg. Fürst von Bismarck , sein die Annahme befürwortendes Votum einerseits damit begründete, daß mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge alle NATO-Mächte zur Unterstützung der 'deutschen Wiedervereinigungspolitik verpflichtet würden, andererseits mit dem Eindruck, der dadurch auf die Sowjetunion erzielt würde, führte Abg. Erler als Mitberichterstatter aus, er sehe zwar in den neuen Verträgen manche Fortschritte gegenüber der EVG, komme aber wegen der befürchteten Gefährdung der deutschen Einheit zu einem negativen Gesamtvotum. Im Verlauf dieser Erörterungen wurde auch auf die Erklärung von sowjetischer Seite hingewiesen, daß die Sowjetunion nach der Ratifizierung der Verträge Viermächteverhandlungen über die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands für gegenstandslos halte. Die Minderheit betonte in diesem Zusammenhang, ihrer Meinung nach sei es erforderlich, für Gesamtdeutschland einen militärischen Status anzustreben, der von beiden Seiten — den Westmächten und der Sowjetunion — akzeptiert werden könnte. Ein im Verhältnis zu den gegenwärtigen Militärpakten der westlichen und der , östlichen Seite nicht gebundenes Deutschland könne sehr wohl seinen Platz in einem System kollektiver Sicherheit finden. Es sei nicht zu erwarten, daß die Sowjets einer Wiedervereinigung Deutschlands zustimmen würden, bei der die bisher ihrer Kontrolle unterstehende Zone in die gegnerische Allianz „hineinvotiert" würde. Die vorgetragenen Argumente unterschieden sich nicht wesentlich von denen, die schon bei den Beratungen zum EVG-Vertrag im 1. Bundestag eine Rolle gespielt hatten. Die Bundesregierung und die Mehrheit der Ausschusses wiesen auch diesmal darauf hin, das Anstreben eines Status der Bündnislosigkeit sei ihrer Meinung nach mit der Gefahr verbunden, daß Deutschland die Freundschaft des Westens einbüße und in der weiteren Folge zu einem Opfer sowjetischer Expansion werde. Im übrigen sei keine automatische Verbindlichkeit der Verträge für Gesamtdeutschland vorgesehen. Auch die Sowjetunion werde erkennen müssen, daß die Bundesrepublik durch ihre Eingliederung in die Verträge nicht aggressiv werden könne; sie werde im Gegenteil in ein System der Rüstungsbeschränkung und Rüstungskontrolle einbezogen. Den Sowjets müsse auch ihrerseits daran liegen, den Westmächten gegenüber gewisse vertragliche Rechtstitel in der Deutschlandfrage zu behalten. Unbeschadet ihrer Drohungen würden sie zu Verhandlungen vermutlich dann bereit sein, wenn es ihnen aus eigenen Interessen zweckdienlich erscheine. Der Bundeskanzler erklärte, daß er nach der Ratifizierung der Verträge, ohne Voraussetzungen anderer Art, auf neue Viermächteverhandlungen über die Frage der deutschen Wiedervereinigung hinzuwirken und eine Verständigung über eine der allgemeinen Abrüstung zustrebende Regelung der europäischen Sicherheitsprobleme zu fördern beabsichtige; solche Verhandlungen erforderten allerdings eine sorgfältige diplomatische Vorbereitung. In diesem Zusammenhang wiederholte der Bundeskanzler die früher bekundete Bereitschaft, sich nach Inkrafttreten der Verträge um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion bemühen zu wollen. E. Umfang und Möglichkeiten des Brüsseler Vertrages Der im EVG-Vertrag unternommene Versuch einer einheitlichen Lösung politischer und militärischer Fragen ist gescheitert. Die gleichen Teilnehmerstaaten, einschließlich Großbritanniens, werden nach der neuen Lösung der Westeuropäischen Union (WEU) angehören. Eine wesentliche Aufgabe dürfte zunächst darin zu sehen sein, die Bundesrepublik unter gewissen Bedingungen, auf die vor allem die französische Regierung Wert legte, in den Nordatlantikvertrag (NATO) einzugliedern. Diesem Gesichtspunkt wird vor allem in (Brandt [Berlin]) den gegenüber der EVG zum Teil erheblich abgeschwächten Bestimmungen über die Beschränkung der Truppenstärken und der Rüstung Rechnung getragen. Der Brüsseler Vertrag des Jahres 1948 (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Niederlande) wird also zur Westeuropäischen Union umgestaltet. Die Bundesrepublik und Italien treten dem Vertrag bei, dem seine gegen Deutschland gerichtete Tendenz genommen wird. Hierzu wurde freilich schon 1952 im Zusammenhang mit der EVG seitens der Bundesregierung die Meinung vertreten, daß dieser Vertrag seine Spitze gegen Deutschland verloren habe. Zwischen den neuen sieben Vertragspartnern wird die automatische Beistandspflicht statuiert. Die als streng defensiv deklarierte Zielsetzung der WEU wird über die Verpflichtung zur kollektiven Selbstverteidigung hinaus — durch eine Neufassung der Präambel des Vertrages — dahin bestimmt, daß die Einheit Europas gefördert und seiner fortschreitenden Integrierung Antrieb gegeben werden soll. Nach Meinung der Bundesregierung ist damit im Ansatz eine weitere Entwicklung der europäischen Integration und die, wenn auch langsamere, Herbeiführung einer engeren politischen Einigung ermöglicht. Der aus Ministern der beteiligten Staaten bestehende Rat der WEU soll — anders als der nur konsultative Rat des alten Brüsseler Vertrages — mit echten Entscheidungsbefugnissen ausgestattet werden. Einstimmigkeit bleibt die Regel, aber gewisse Entschließungen des Rates, vor allem in Fragen der Rüstungskontrolle, werden mit Mehrheit gefaßt. Der Ministerrat kann auch — über das vorgesehene Amt für Rüstungskontrolle hinaus — nachgeordnete Stellen schaffen, die gegebenenfalls selbständige Befugnisse auszuüben vermögen. Durch das Saarabkommen entstehen für die WEU zusätzliche Aufgaben. Sie werden im Generalbericht zur Drucksache 1062 behandelt. Ein Ausbau der Organisation der WEU auf Grund der dem Rat übertragenen Organisationsgewalt steht offen. Es wird unterschiedlich beurteilt, wie stark man sich dieser Möglichkeit bedienen soll und ob es wünschenswert ist, daß die WEU ein stärkeres Eigenleben entwickelt. Dies könnte gewiß in Anlehnung an den in der Präambel bekundeten Vorsatz geschehen, die bereits zwischen den Teilnehmerstaaten bestehenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bindungen zu stärken. Die Bundesregierung hatte denn auch in ihrer Begründung zum Vertrag von einem „neuen Ausgangspunkt für eine intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb des vergrößerten Brüsseler Rahmens" gesprochen. Es herrscht Klarheit darüber, daß die dem ursprünglichen Brüsseler Vertrag zugedachten militärischen Aufgaben rasch auf die NATO übergegangen sind. Mancher der übrigen Aufgaben, die sich die damaligen Partner des Brüsseler Vertrages gestellt hatten, haben sich andere Organisationen — wie der Europäische Wirtschaftsrat (OEEC), die Europäische Zahlungsunion und der Europarat — angenommen. Im Ausschuß ist einerseits die Meinung vertreten worden, man sollte deutscherseits bemüht sein, der WEU eine möglichst starke Ausgangsstellung zu geben; auf diesbezügliche Äußerungen des früheren französischen Ministerpräsidenten Mendès-France wie auch des britischen Außenministers wurde Bezug genommen. Andererseits ist ausgeführt worden, daß es nicht sinnvoll sein würde, die WEU auf solchen Gebieten auszubauen, auf denen umfassendere Organisationen um die Lösung gemeinsamer europäischer Aufgaben bemüht sind. Sonderanstrengungen der sieben Mächte auf nichtmilitärischen Gebieten sollten auf das notwendige Maß beschränkt bleiben, zu keiner „Sonderbündelei" führen und umfassenderen Regelungen nicht im Wege stehen. Vertreter der Bundesregierung pflichteten dieser Meinung bei. Als „eine Art parlamentarischer Körperschaft" ist eine Versammlung der WEU — bei der NATO gibt es ein entsprechendes Gremium nicht — vorgesehen. Sie soll aus den Vertretern der Brüsseler Vertragsmächte bei der Beratenden Versammlung des Europarats bestehen. Der Rat soll ihr jährlich über seine Tätigkeit, in erster Linie über die Rüstungskontrolle, Bericht erstatten. Direkte Entscheidungsbefugnisse sind ihr nach den getroffenen Vereinbarungen zunächst nicht verliehen. Die Bundesregierung berichtete, daß über die Stellung der Versammlung zwischen Regierungsvertretern der sieben Mächte verhandelt werde. Der WEU-Vertrag bestimmt, daß keine der Vertragsparteien in Zukunft ein Bündnis abschließen oder an einer Koalition teilnehmen wird, die sich gegen eine andere Vertragspartei richten könnte, und die Bundesregierung hat in ihrer schriftlichen Begründung darauf hingewiesen, daß diese Feststellung insbesondere auch für das deutsch-französische Verhältnis von Bedeutung sei. Im Ausschuß wurden jene Verträge zur Sprache gebracht, die noch aus der Zeit des zweiten Weltkriegs zwischen Frankreich und der Sowjetunion bzw. zwischen Großbritannien und der Sowjetunion bestehen, und es wurde der Meinung Ausdruck gegeben, daß solche Verträge gegen den Geist des neuen WEU-Vertrages verstoßen könnten. Die Vertreter der Bundesregierung erläuterten hierzu, die betreffenden Partner hätten durch den in Frage stehenden Artikel des Brüsseler Vertrages erklärt, ihre Verträge mit der Sowjetunion seien nicht so zu verstehen, daß sie gegen die WEU verstoßen. Zu einem anderen in der Debatte befindlichen Punkt war bereits in Paris protokollarisch festgehalten worden, die Bezeichnung Westeuropäische Union schließe in der weiteren Entwicklung keineswegs Länder aus, die im geographischen Sinne nicht zum westlichen Europa gehören. Diese Feststellung wurde durch die Bundesregierung unterstrichen. F. Internationaler Gerichtshof — Schiedsgerichtsbarkeit der WEU Im Vertragswerk ist festgelegt, daß sich die WEU zur Schlichtung von Streitigkeiten grundsätzlich der Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs (Haager Gerichtshof) bedient. Der Brüsseler Vertrag sieht jedoch auch die Errichtung eigener schiedsgerichtlicher Instanzen für Fälle vor, die — wie die Bundesregierung in ihrer schriftlichen Begründung ausführte — „ihrer Natur nach nicht geeignet sind, von einem Gerichtshof behandelt zu werden, der lediglich für völkerrechtliche Fälle geschaffen wurde". Die Bundesregierung hatte überdies ein Verfahren für die Regelung solcher Fälle angeregt, deren Behandlung vor dem Haager Gerichtshof schon deshalb unzweckmäßig ist, weil sie nicht völkerrechtlicher, sondern eher verwaltungsrechtlicher oder privatrechtlicher Natur sein (Brandt [Berlin]) werden. Dieser Vorschlag war von den Regierungen der anderen Unterzeichnerstaaten angenommen worden. Für die Bundesrepublik — wie für Italien — ergibt sich jedenfalls die Notwendigkeit, sich der Gerichtsbarkeit der Haager Cour zu unterwerfen; dies ist auch für solche Staaten möglich, die nicht Mitglied der Vereinten Nationen sind. Eine entsprechende Erklärung wird seitens der Bundesregierung abgegeben werden, wenn feststeht, daß der Bundestag das Vertragswerk billigt. Auf Wunsch einiger beteiligter Staaten, insbesondere Großbritanniens, hat die Regierung inoffiziell mitgeteilt, daß die Bundesrepublik bereit sei, sich der Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofes zu unterwerfen. Hiervon ist dem Ausschuß Mitteilung gemacht worden. Er hat zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung gewisse Vorbehalte angemeldet hat: Die Bundesrepublik unterwirft sich der genannten Gerichtsbarkeit unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit. Im übrigen hat sich die Bundesregierung hinsichtlich einer besonderen Schiedsgerichtsbarkeit der WEU auf das oben Ausgeführte bezogen. Ein solches Verfahren ist bereits für den Fall vorgesehen, daß die Tätigkeit des Rüstungskontrollamtes Rechte der einzelnen verletzt. Nach Meinung der Bundesregierung wird zu prüfen sein, wieweit man darüber hinaus, etwa noch für die allgemeinen Fragen der Auslegung des Vertrages, ein internes westeuropäisches Verfahren vorsehen kann. G. Beitritt zur NATO 1952 war es nicht möglich gewesen, die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO durchzusetzen. In den damaligen Verträgen war nur eine mittelbare Eingliederung und eine begrenzte Mitwirkung vorgesehen. Durch das neue Vertragswerk wird die Bundesrepublik Vollmitglied der NATO. Der Sicherheitsausschuß weist in Abschnitt D VII seines Besonderen Berichts—über eine allgemeine Analyse des NATO-Beitritts hinaus — auf die Verpflichtungen besonderer Art hin, die sich hieraus für die Bundesrepublik ergeben. In einem besonderen Protokoll zum Pariser Vertragswerk sind die 14 Mitgliedstaaten des Nordatlantikvertrages aus dem Jahre 1949 bzw. 1951 (Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal, USA, Griechenland, Türkei) übereingekommen, die Bundesrepublik zum Beitritt einzuladen. Wirksam wird dieser Beschluß erst, sobald sämtliche Staaten nach parlamentarischer Ratifizierung den USA die entsprechende endgültige Erklärung übergeben haben. Danach wird die Bundesrepublik, wenn sie ihrerseits die Ratifikationsurkunden für die Protokolle zum Brüsseler Vertrag und die Urkunden für das Abkommen über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik hinterlegt hat, eine Einladung der Vereinigten Staaten erhalten und daraufhin die Erklärung über den Beitritt zum Nordatlantikvertrag abgeben können. In den vorliegenden Begründungen wird auf die Feststellung Wert gelegt, daß auch für die NATO der ausschließliche Verteidigungscharakter maßgebend sei; wie die WEU beruft sich die NATO auf die Grundsätze der Vereinten Nationen. Auch der Nordatlantikvertrag sieht die Zusammenarbeit auf nichtmilitärischen Gebieten vor. Sein Schwergewicht liegt jedoch eindeutig auf dem Gebiet der t Bemühungen um die militärische Sicherheit. Durch den Beitritt entsteht für die Bundesrepublik eine — wenn auch nicht automatische — Beistandspflicht im Verhältnis zu den Vertragspartnern; das entspricht dem Atlantik-Protokoll des gescheiterten Vertragswerkes. Dadurch, daß die Besatzungsstreitkräfte in das zu verteidigende Gebiet einbezogen sind, war eine „passive" Beteiligung der Bundesrepublik an der NATO auch bisher schon gegeben. Im Ausschuß wurde festgestellt, daß die früher von den Westmächten ausgesprochene Verpflichtung, einen Angriff auf das westdeutsche Bundesgebiet oder auf Berlin als Angriff auf ihre eigenen Staaten zu werten, mit Inkrafttreten des neuen Vertragswerks nicht erlischt. Es bleibt bei der Bestimmung des Nordatlantikvertrages, daß auch die Streitkräfte Gegenstand der Beistandspflicht sind, auch sofern sie außerhalb des Heimatgebiets — beispielsweise in Berlin — stationiert sind. Die spezielle Garantie, die in dieser Hinsicht 1950 gegeben wurde, ist durch die neuen Verträge konsumiert. Die Erklärungen des Außenministers der Vereinigten Staaten, durch die er im Zusammenhang mit der Londoner Konferenz weiterhin einen angemessenen amerikanischen Beitrag zur Verteidigung Europas zusicherte, wurde nicht von allen Mitgliedern des Ausschusses für befriedigend gehalten. Es wurde jedoch beachtet, daß der Präsident der Vereinigten Staaten nur sich selbst binden kann, nicht seinen Nachfolger. Die Bundesrepublik wird, wenn das Vertragswerk in Kraft tritt, an allen Entscheidungen der Organisation des Nordatlantikvertrages direkt beteiligt sein, insbesondere auch an den Planungen im Rat, in dem sämtliche Vertragspartner vertreten sind. Hiermit entfallen Einwände, die bei der Erörterung des früheren Vertragswerks dagegen erhoben worden waren, daß die Bundesrepublik einer Organisation hätte Truppen zur Verfügung stellen sollen, auf deren Entschlüsse sie nur geringen Einfluß gehabt haben würde. Es ist allerdings darauf hingewiesen worden, daß die gegenwärtig aus den Stabschefs der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs bestehende sogenannte Ständige Gruppe (standing group) des Militärausschusses in Washington den maßgeblichen Einfluß auf die strategischen Entscheidungen ausübe. Im federführenden Ausschuß ist hierzu der gleichen Erwartung Ausdruck gegeben worden, die im Bericht des Sicherheitsausschusses ausgesprochen wird, „daß der Bundesrepublik mit Rücksicht auf die Besonderheit ihrer Aufgaben für die Verteidigung des Westens in Zukunft eine Vertretung in der Ständigen Gruppe eingeräumt wird". H. Die militärische Struktur der neuen Lösung Statt der ursprünglich geplanten europäischen Armee sieht der WEU-Vertrag eine Lösung vor, bei der die militärischen Befugnisse grundsätzlich, soweit nicht Ausnahmen vorgesehen sind, in der nationalen Zuständigkeit verbleiben. Der Sicherheitsausschuß hat im einzelnen dargelegt, welche praktischen Konsequenzen sich daraus ergeben. Die Bundesregierung hatte seinerzeit in ihrer Begründung zum EVG-Vertrag die Meinung vertreten, eine nationale Armee im traditionellen Sinne sei „weder politisch sinnvoll noch psychologisch tragbar"; die Bundesrepublik verfüge außerdem nicht (Brandt [Berlin]) über die wirtschaftliche Kraft, um eine eigene Armee mit ausreichender moderner Bewaffnung aufzustellen. Bei den damaligen Beratungen war darauf hingewiesen worden, daß die im EVG-Vertrag vorgesehene Struktur nicht die einzig mögliche Alternative zu den traditionellen Formen einer Nationalarmee sei; in der NATO sei beispielsweise auf höherer Ebene ein beträchtlicher Grad der „Integrierung" erreicht. Die neue Lösung entspricht dem Typus einer Koalitionsarmee, freilich mit starken Zügen der Integration, und zwar deswegen, weil im westeuropäischen Gebiet durch die NATO eine einheitliche und jedenfalls auf der höheren Ebene verschmolzene Militärorganisation besteht bzw. geschaffen wird. Gegenüber dem ursprünglichen Brüsseler Vertrag, der vor der Gründung der NATO zustande gekommen war, wird die enge Zusammenarbeit mit der NATO unter Vermeidung jeder Doppelarbeit im WEU-Vertrag ausdrücklich festgelegt. Von der Unterstellung unter die NATO sind allerdings solche Streitkräfte ausgenommen, die für die überseeischen Gebiete eines Mitgliedstaates vorgesehen sind, oder die nach Anerkennung durch die NATO unter nationalem Befehl verbleiben. Der Gedanke der Integration auf dem europäischen Festland wird durch den Beschluß des Atlantikrates zur Londoner Schlußakte konkretisiert. Das gilt sowohl in bezug auf die Streitkräfte — wobei die Regelung elastischer ist als im EVGVertrag — wie in bezug auf das Nachschubwesen und die Truppenverteilung im großen. Die Stationierung im einzelnen setzt im Gegensatz zur EVG die Zustimmung der einzelnen Mitgliedstaaten voraus. Das Kriterium der militärischen Schlagkraft soll dafür entscheidend sein, ob schon unterhalb der Armee-Ebene integriert wird. Dem Alliierten Oberbefehlshaber Europa (SACEUR), der erweiterte militärische Befugnisse erhält, werden die deutschen Armeekorps sämtlich unterstellt. Ihm ist auch aufgetragen, dafür zu sorgen, daß sich der deutsche Verteidigungsbeitrag innerhalb der festgesetzten Höchstgrenze hält. Im übrigen setzt die NATO im Rahmen einer Jahreserhebung die von ihr als erwünscht angesehenen Rüstungsstärken fest; diese Festsetzungen sind rechtlich nicht verbindlich, sie sind jedoch Empfehlungen von starkem politischen Gewicht. Für die Brüsseler Vertragsmächte dürfen die vereinbarten Gesamtstärken auch im Verfahren der NATO-Erhebung nur mit einstimmiger Zustimmung erhöht werden; jeder Mitgliedstaat verfügt also über ein Vetorecht. Im französischen Ratifizierungsgesetz ist festgelegt worden, daß die Regierung einer Erhöhung der deutschen Gesamtstärke nicht zustimmen darf, ohne den zuständigen parlamentarischen Ausschuß befragt zu haben. Hinsichtlich des territorialen Umfangs der einzugehenden Verpflichtungen wurde klargestellt: Die automatische Beistandspflicht, wie sie der WEU-Vertrag festlegt, bezieht sich auf den geographischen Begriff Europa. Der Ausschuß nahm zu Protokoll, daß die nordafrikanischen Provinzen Frankreichs, obgleich sie zum Mutterland gehören, nicht hierunter fallen. Die Beistandspflicht des Nordatlantikvertrages erstreckt sich auf a) Europa und Nordamerika, b) die algerischen Departements Frankreichs und die außereuropäische Türkei, c) die den Mitgliedstaaten zugehörigen Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses, d) Streitkräfte, Schiffe und Fahrzeuge der beteiligten Mächte, die sich — wie oben erwähnt — in dem durch den Vertrag gedeckten Gebiet befinden. Die militärische Integration, wie sie durch den NATO-Oberbefehlshaber Europa bewirkt wird, ererstreckt sich jedoch nicht auf Nordafrika und ist durch die Aufteilung in vier regionale Kommandobehörden gekennzeichnet. Wenn es bei der bisherigen Regelung bliebe, würde der größte Teil der Bundesrepublik zum Abschnitt Mitte, ein kleinerer Teil zum Abschnitt Nord gehören. Der Bericht des 6. Ausschusses führt dazu aus: „Da die Teilung eines einheitlichen Gebietes in verschiedene Abschnitte für seine Verteidigung nicht von Vorteil ist, ist es der Wunsch des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit, daß die Bundesrepublik nach Beitritt zum Nordatlantikvertrag ihre Bemühungen dahin richtet, das gesamte Bundesgebiet einem einzigen Abschnittskommando zu unterstellen und die Abschnittsgrenzen dementsprechend zu ändern." Während der Ausschußberatungen wurde seitens der Bundesregierung klargestellt, nach den Verträgen bestehe eine Verpflichtung der Bundesrepublik, an der Verteidigung der freien Welt mitzuwirken, nur insoweit, als es sich um Staaten handelt, die durch die gegenseitigen Beistandsabreden gebunden sind. Es bestehe also keine Verpflichtung der Bundesrepublik, sich beispielsweise für die Verteidigung Spaniens oder Jugoslawiens zu engagieren. Das schließe nicht aus, daß man es im Falle eines Angriffs auf ein solches außerhalb der Verträge stehendes Land nach dem allgemeinen völkerrechtlichen Begriff der kollektiven Selbstverteidigung doch im gemeinsamen Interesse für notwendig erachte, für die Verteidigung dieses Landes einzustehen. Jedes Land ist völkerrechtlich berechtigt, ein anderes Land zu verteidigen, das Opfer eines rechtswidrigen Angriffs geworden ist; dieser Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts hat in der Charta der Vereinten Nationen noch einmal seinen besonderen Ausdruck gefunden. In diesem Sinne wäre eine Beteiligung der Bundesrepublik an der Verteidigung auch eines außerhalb der Verträge stehenden Landes denkbar; eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Zu dem Begriff der „freien Welt", der in die übrigen Bündnisbestimmungen eingeordnet ist, war schon bei den Beratungen im Jahre 1952 die Frage aufgeworfen worden, ob es sich um die Freiheit im Sinne einer demokratischen Grundordnung oder nur um Freiheit von sowjetischer Herrschaft handele. Es war der Besorgnis Ausdruck gegeben worden, daß ausschließlich militärpolitische Erwägungen zu bedenklichen politischen Konsequenzen führen und die Bundesrepublik etwa durch eine Mitverantwortung für die Kolonialpolitik anderer Mächte belasten könnten. Andererseits, so wurde damals festgestellt, dürfte der Begriff der freien westlichen Welt nicht so ausgelegt werden, als ob er einen Gegensatz zu den Völkern Asiens enthielte. J. Begrenzung und Kontrolle der Rüstungen Durch die Protokolle Nr. II bis IV zum WEU-Vertrag werden die begrenzenden Elemente des frühe- (Brandt [Berlin]) ren EVG-Vertrages weitgehend wiederaufgenommen. Die der NATO unterstellten Streitkräfte der kontinentaleuropäischen Vertragsstaaten werden auf das für die EVG festgelegte Höchstmaß begrenzt. Darüber hinaus erfolgt eine Begrenzung der Gesamtstärke. Im gleichen Protokoll ist die britische Verpflichtung festgelegt, vier Divisionen und eine taktische Luftflotte auf dem Kontinent zu halten. Wie erwähnt, wird die Überwachung der Einhaltung der Höchstgrenzen der Truppenstärke, soweit die Truppen der NATO unterstellt sind, von dieser und nicht von der WEU durchgeführt. Die Waffenrüstung der Bundesrepublik wird — über die allgemeine Kontrolle hinaus — durch die Verzichterklärung der Bundesregierung begrenzt sein, einmal unabdingbar hinsichtlich der Herstellung atomarischer, biologischer und chemischer Waffen (ABC-Waffen), zum andern hinsichtlich der Herstellung weiterer schwerer Waffen (Großkriegsschiffe, Langstreckenbomber, ferngelenkte Geschosse); im letzteren Fall in gegenüber dem EVGVertrag abgeschwächter Form. Der Begriff der „strategisch gefährdeten Zone" taucht im neuen Vertragswerk nicht mehr auf. Die zivile Forschung und Produktion sollen nicht beeinträchtigt werden. Änderungen und Streichungen in der Liste, die die schweren Waffen enthält, auf deren Herstellung die Bundesrepublik verzichtet, können mit Zweidrittelmehrheit durch den WEU-Rat beschlossen werden. Die Möglichkeit zur Entgegennahme von off-shore-Aufträgen ist gegeben. Nach dem EVG-Vertrag waren Rüstungen verboten, soweit sie nicht ausdrücklich erlaubt waren. Nach dem WEU-Vertrag sind sie grundsätzlich erlaubt, soweit nicht ein ausdrückliches Verbot vorliegt. Die Höhe der Bestände an ABC-Waffen auf dem Kontinent wird durch Mehrheitsbeschluß festgelegt. Das Verzeichnis der der Kontrolle unterliegenden Rüstungstypen ist neu zusammengestellt worden; Änderungen erfordern Einstimmigkeit. Das Rüstungskontrollamt der WEU übt eine Bestands-, nicht eine Herstellungskontrolle aus. Einblick in Herstellungsverfahren braucht ihm nicht gegeben zu werden. Möglichkeiten der Industriespionage sollen ausgeschaltet werden. Das Amt ist auf die Kontrollfunktion beschränkt. Maßnahmen auf Grund des Ergebnisses der Kontrollen kann nur der Rat ergreifen. In diesem Zusammenhang ist darauf hingewiesen worden, daß diese elastische Form der Kontrolle, von der es heißt, sie sei „im Geist einer harmonischen Zusammenarbeit" auszuführen, sicherlich manchen Bedenken Rechnung trägt, die gegen eine straffere Regelung vorgebracht werden können. Es wurde jedoch zu bedenken gegeben, daß das für die WEU vorgesehene Verfahren einem System kollektiver Sicherheit kaum als Modell dienen könne; eine Überwachung der Herstellung von Atomwaffen auf größeren Gebieten als dem der westdeutschen Bundesrepublik werde auf diese Weise nicht möglich sein. Der Berichterstatter verweist im übrigen auf den Besonderen Bericht des Sicherheitsausschusses unter C III und IV. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat sich ,gleichfalls mit den Fragen der Rüstungskontrolle befaßt und nach Prüfung der Vertragstexte festgestellt: „a) Der Ausschuß trug trotz der begrüßenswerten Fortschritte gegenüber Art. 107 des EVGVertrages Bedenken dahingehend vor, daß die Einrichtung des Amtes für Rüstungskontrolle geeignet sei, Industriespionage in den Mitgliedländern zu treiben. Diesem Einwand wurde seitens der Regierungsvertreter unter Hinweis auf Art. 10 des Protokolls Nr. IV und die Präambeln zu den Anlagen II und III des Protokolls Nr. III begegnet. Danach darf sich das Amt nur mit dem Ausstoß an Fertigfabrikaten und Bestandteilen der in den Anlagen II, III und IV zu Protokoll Nr. III genannten Gegenstände befassen und nicht mit dem Herstellungsverfahren. Außerdem soll die mengenmäßige Lagerkontrolle bei den Fertigungsbetrieben nicht in deren Fertigungsabteilungen, sondern in ihren Depots und in den militärischen Arsenalen durchgeführt werden (vgl. Protokoll Nr. IV Art. 7 Abs. 2 Buchstabe b). Die an dieser Stelle und in Art. 12 des Protokolls Nr. IV erwähnten Stichproben, Besichtigungen und Inspektionen in den Anlagen (Fertigungsabteilungen) beziehen sich nur auf die Kontrolle der Einhaltung der Herstellungsverzichte, nicht aber auf die mengenmäßigen Lagerkontrollen für die im Protokoll Nr. III Anlage IV aufgeführten Gegenstände. Die Präambeln zu den Anlagen II und III des Protokolls sollen sicherstellen, daß Einrichtungen, Geräte und Substanzen für zivile Zwecke nicht von der Kontrolle des Amtes erfaßt werden. Im übrigen wird es auf die noch zu vereinbarende Geschäftsordnung des Amtes ankommen, inwieweit der Werkspionage vorgebeugt werden kann. Eine private widerrechtliche Ausnutzung der im Dienst erworbenen Kenntnisse der Angestellten des Amtes ist nach der Auffassung der Regierungsvertreter gemäß Art. 6 des Protokolls Nr. IV unterbunden worden. b) Im Anschluß hieran nahm der Ausschuß Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers zu den Pariser Verhandlungen über einen Rüstungspool entgegen. Eine Präjudizierung durch die am 17. Januar 1955 in Paris begonnenen Sachverständigen-Besprechungen ist entgegen der Ansicht einer Minderheit im Ausschuß nicht zu befürchten, da die Bundesregierung dargetan hat, daß die Entschließung über Rüstungsproduktion und -standardisierung der Neunmächte-Konferenz am 21. Oktober 1954 nicht zu den ratifizierungsbedürftigen Anlagen des vorliegenden Gesetzes gehört. (Vgl. Art. 1 des Gesetzes, nach dem nur die am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichneten Protokolle und Anlagen zu ratifizieren sind.)" K. Verpflichtung zu Wiederbewaffnung? Vor dem Ausschuß wurde darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik nach dem EVG-Vertrag nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet war, 12 Divisionen zu stellen. Im WEU-Vertrag ist eine obere Grenze gesetzt, die die Bundesrepublik nicht überschreiten darf. Das sei gewissermaßen der grundsätzliche Rahmen, während das Maß des deutschen Beitrags durch das vorliegende Vertragswerk rechtlich nicht fixiert sei. Daraus ergab sich die Frage, ob für die Bundesrepublik eine Verpflichtung bestehe, die vorgesehenen 12 Divisionen zu stellen. Es wurde darauf hingewiesen, daß der Nordatlantikvertrag die militärische Hilfeleistung im Falle eines Angriffs nur als eine von mehreren Möglichkeiten der Beistandsleistung vorsieht und in das Ermessen des einzelnen Staates stellt. Nach dem Wortlaut des Vertrages sind die Mitglieder — wie es in der Begründung der Bundesregierung (Brandt [Berlin]) heißt — „nicht verpflichtet, mit militärischen Mitteln Beistand zu leisten, vielmehr steht es ihnen frei, ob sie ihre Beistandspflicht mit diesen oder mit sonstigen Mitteln erfüllen wollen". Was der einzelne Vertragspartner des Nordatlantikvertrages zu stellen hat, wird durch die vorerwähnte jährliche Empfehlung des NATO-Rates, der die Mindestleistung bestimmt, festgelegt. Diese Empfehlung setzt Einstimmigkeit voraus, d. h. daß auch im deutschen Fall die Zustimmung der Bundesrepublik erforderlich wäre und zumindest theoretisch die Möglichkeit bestünde, die Verpflichtung der Bundesrepublik auf eine geringere Zahl von Streitkräften zu begrenzen. Da die Bundesregierung dem Bundestag verantwortlich ist und da der Bundestag in der Feststellung des Haushalts die Mittel für eine geringere Zahl von Streitkräften bewilligen kann, sei, so wurde argumentiert, durchaus offen, wie hoch der Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik sein werde. In gleichem Zusammenhang wurde auch erörtert, welche rechtlichen und politischen Folgen eintreten würden, wenn sich die Bundesrepublik entschlösse, keine bewaffneten Streitkräfte aufzustellen oder sie später wieder aufzulösen. Von seiten der Bundesregierung wurde geantwortet: Man müsse davon ausgehen, daß die Beistandspflicht des NATO-Vertrages, vor allem aber des WEU-Vertrages, die Rechtspflicht zur Aufstellung von Streitkräften einschließe. Die Bundesrepublik müsse „nach Treu und Glauben", entsprechend dem Maß ihrer Kräfte, grundsätzlich im gleichen Umfang wie die in vergleichbarer Lage befindlichen anderen Teilnehmerstaaten, zur Hilfeleistung mit militärischen Machtmitteln imstande sein. Rechtlich ergebe sich die Pflicht insbesondere aus der automatischen militärischen Hilfeleistung, wie sie der WEU-Vertrag vorsieht, aber auch die formal einer freien Entscheidung vorbehaltene Hilfeleistung nach dem NATO-Vertrag unterliege einem gewissen Automatismus. Wenn man sich dort mit einer allgemein gehaltenen Zusage der Hilfeleistung begnüge, so sei das im wesentlichen durch das Verfassungsrecht der Vereinigten Staaten bedingt. Die politische und organisatorische Entwicklung lasse ein gemeinsames militärisches Auftreten der NATO-Mächte im Falle eines Angriffs vermuten. Der Sicherheitsausschuß kommt auch zu der Feststellung, daß politisch ein Unterschied zwischen der Wirkung der beiden Verträge im Augenblick kaum bestehen dürfte. Seiner Meinung nach „wäre der Gedanke sinnwidrig, die Bundesrepublik sei bei Ratifizierung des Vertragswerkes im Hinblick auf die vorerwähnte derzeitige formale Lücke im Vertragstext in der Lage, auf die Aufstellung von Streitkräften überhaupt zu verzichten". Nichtsdestoweniger ist vor dem federführenden Ausschuß festgehalten worden, daß der Bundestag in bezug auf die Bestimmung des konkreten Maßes des deutschen Beitrags das letzte und entscheidende Wort habe, und es ist von seiten der Bundesregierung vorausgesetzt worden, daß dabei politische Erwägungen eine Rolle spielen werden. Eine Herabsetzung der deutschen Leistungen, die hinter dem üblicherweise Zumutbaren offensichtlich zurückbleiben würde, könnte freilich auf den Willen der anderen Vertragsstaaten, ihrerseits die Verteidigung Deutschlands wirksam zu übernehmen, beträchtlichen Einfluß haben. L. Weitere verfassungsrechtliche und rechtspolitische Gesichtspunkte Der Berichterstatter verweist auf die durch die Abg. Dr. W a hl und Dr. Arndt erstatteten Gutachten der Mehrheit und der Minderheit des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Das Mehrheitsgutachten vertritt die Meinung, Zweifel über die verfassungsmäßige Vereinbarkeit der Zustimmungsgesetze zum vorliegenden Vertragswerk seien durch die Änderung des Grundgesetzes ausgeräumt. Während der Beratungen des federführenden Ausschusses wurde, wie auch von den Berichterstattern des Rechtsausschusses erörtert, die Frage aufgeworfen, wie die Bundesregierung das Recht der Kriegserklärung zu klären gedenke. Vertreter der Regierung legten dar, diese Frage sei dem Staatsrecht vorbehalten, und es werde erwogen, welche Ergänzungen des Grundgesetzes und welche Akte der Gesetzgebung nach der Ratifizierung und nach näherer Prüfung erforderlich seien, um das Vertragswerk durchführen zu können. Es wurde festgestellt, daß ein Junktim zwischen dem Deutschlandvertrag und dem Verteidigungsbeitrag technisch und rechtlich nicht mehr bestehe. Wenn man aber den politischen Gehalt der beiden Vertragskomplexe betrachte, so erkenne man, daß ein politischer, sachlicher und praktischer Zusammenhang zwischen den beiden Komplexen weitgehend aufrechterhalten ist. WEU und NATO sind, wie die Texte ausweisen, auch rechtlich miteinander verzahnt; der Beitritt der Bundesrepublik zur WEU ist erst mit dem Beitritt zur NATO geregelt. Aber auch für den Zusammenhang zwischen den übrigen Verträgen ist durch die Pariser Vereinbarungen ein tatsächliches Junktim hergestellt worden. In der Entschließung des Nordatlantikrates heißt es beispielsweise, der Rat erkenne an, daß alle Vereinbarungen, die sich aus der Londoner Konferenz ergeben, Teile einer allgemeinen Regelung bilden; sie gingen unmittelbar oder mittelbar alle NATO-Mächte an und würden daher dem Rat zur Kenntnisnahme und zur Beschlußfassung vorgelegt. Das Junktim bezieht sich allerdings nicht auf das Abkommen über das Statut der Saar. Die Erkenntnis von der Einheitlichkeit des gesamten Vertragswerks hat bei der Abgabe der Voten im Ausschuß eine Rolle gespielt. Von seiten der Bundesregierung wurde auf Befragen darauf hingewiesen, der Deutschlandvertrag könne an sich auch in Kraft treten, ohne daß gleichzeitig die Abmachungen über den Verteidigungsbeitrag in Kraft gesetzt würden. Die tatsächliche Entwicklung im politischen Raum, wurde hinzugefügt, mache es freilich überaus unwahrscheinlich, daß dieser Fall eintreten könne. Das gilt insbesondere, nachdem die französische Regierung durch ein inneres Junktim gebunden ist, nämlich durch das „Amendement Palewski", das bei der Ratifizierungsdebatte der französischen Nationalversammlung angenommen wurde. In Anknüpfung an Art. 10 des Deutschlandvertrages wurden Betrachtungen wegen einer Revisionsmöglichkeit des WEU- und des NATO-Vertrages angestellt: Der NATO-Vertrag sieht eine Revisionsklausel vor, die nach zehnjähriger Dauer des Vertrages, also vom 4. April 1959 an, wirksam wird, wenn ein Staat einen entsprechenden Antrag stellt; im übrigen gilt der Pakt auf zwanzig Jahre. Der Vertrag über die WEU enthält eine derartige Klausel nicht. Hier ist nur jeder Staat nach Ablauf (Brandt [Berlin]) eines Zeitraums von fünfzig Jahren zum Austritt berechtigt. Über diese Bestimmungen hinaus gelte jedoch, so legten die Vertreter der Regierung dar, bei allen Verträgen der völkerrechtliche Grundsatz, der bei einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten zu einer Überprüfung der getroffenen Vereinbarungen berechtigt. Das Minderheitsgutachten des Rechtsausschusses bestreitet diese Rechtsauffassung. Auf die grundsätzliche Frage, ob eine Anwendung der Revisionsklausel des Deutschlandvertrages irgendeine Rückwirkung auf die Rechtskraft der Verträge über die WEU oder die NATO haben würde, wurde seitens der Regierungsvertreter geantwortet: Ohne Kenntnis weiterer Einzelheiten der Lage, die sich im Augenblick einer solchen Revision des Deutschlandvertrages vorfinden würde, lasse sich nicht sagen, ob eine Anpassung oder Abänderung der genannten Verträge dann gefordert werden könne. M. Wirtschaftspolitische Gesichtspunkte Im federführenden Ausschuß wurde u. a. die Frage erörtert, ob die vorgesehenen Methoden der Rüstungskontrolle von einer einseitigen, diskriminierenden Wirkung auf die deutsche Wirtschaft sein könnten. Die Frage wurde verneint. Der Ausschuß nahm außerdem Informationen über die Verhandlungen über eine Rüstungsgemeinschaft und über die dazu von französischer Seite unterbreiteten Vorschläge entgegen. Von seiten der Bundesregierung wurde die Bereitschaft zur Zusammenarbeit auch auf diesem Gebiet betont, jedoch 31 nicht in der Form eines mechanischen Zwangs. Die Regierung ist überzeugt, zu einer Regelung gelangen zu können, die neben den gemeinsamen Interessen der WEU-Staaten auch den berechtigten Interessen der einzelnen Volkswirtschaften Rechnung trägt. Zu den möglichen Auswirkungen der Rüstungskontrolle auf die deutsche Wirtschaft wird auf die unter J dieses Berichts wiedergegebenen Erwägungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses verwiesen, außerdem auf den Besonderen Bericht des Sicherheits-Ausschusses unter D V. Letzterem Bericht sind „Leitsätze" für die Zusammenarbeit zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Verteidigungsressort beigefügt. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat dem federführenden Ausschuß einen Beschluß unterbreitet, in dem es heißt, „daß die Durchführung der Verträge ohne eine den sozialen Fortschritt hemmende Belastung des Güter- und Arbeitsmarktes und ohne eine Störung des Wirtschaftsablaufs sichergestellt werden kann". Der Ausschuß habe anerkannt, daß „der Vertrag über den Beitritt der Bundesrepublik zur Westeuropäischen Gemeinschaft und zum Nordatlantikvertrag bei der Aufstellung der deutschen Truppen und deren Ausrüstung die eigene Verantwortlichkeit wahrt und daß der Erlaß der hierzu erforderlichen Gesetze allein in deutscher Zuständigkeit liegt". In einem durch Abg. Dr. Löhr unterbreiteten Bericht des gleichen Ausschusses wird im einzelnen zu Problemen des Beschaffungswesens und der Arbeitsmarktentwicklung Stellung genommen. Zum ersteren wird darauf Bezug genommen, daß das Beschaffungswesen nach den Pariser Verträgen eine nationale Angelegenheit geblieben sei. Der Ausschuß führt im einzelnen aus: a) Dem für die Rüstungszwecke notwendigen Finanzbedarf stellt der Bundeswirtschaftsminister die Entwicklung des Sozialprodukts gegenüber. Er verweist auf das im Jahre 1954 auf 145 Milliarden DM angestiegene deutsche Sozialprodukt, dem im ersten Jahre nach Inkrafttreten der Pariser Verträge ein Rüstungsaufwand von 9 Milliarden DM gegenüberstehe. Die Bundesregierung sei bestrebt, den Rüstungsbedarf mit den Mitteln der sozialen Marktwirtschaft zu decken. Dieses bedeute, daß der rüstungswirtschaftliche Bedarf kein Fremdkörper in der deutschen Volkswirtschaft sein dürfe, so daß durch die Deckung des rüstungswirtschaftlichen Bedarfs der Lebensstandard der Bevölkerung nicht absinken werde. b) Die Vertreter der Opposition vermochten sich diesen Ausführungen nicht anzuschließen. Eine Minderheit des Ausschusses begehrte Näheres über den Finanzbedarf für die Rüstung für die nächsten Jahre zu erfahren. Von Seiten der Bundesregierung wurde diesem Wunsch mit dem Hinweis darauf begegnet, daß sich der finanzielle Aufwand auf Grund von einstimmig zu fassenden NATO-Empfehlungen gestalten würde, die die angestrebte Schlagkraft der Truppe in Verbindung mit ihrer Ausrüstung zum Gegenstand habe. Bei diesen Empfehlungen würde das für jeden Mitgliedstaat „zumutbare Maß" am Sozialprodukt dieses Staates gemessen. Selbst wenn aber diese Empfehlungen über das für einen Mitgliedstaat erträgliche Maß hinausgehen sollten, so wäre dieser nicht verpflichtet, die Mittel in der empfohlenen Höhe bereitzustellen, wenn die gesetzgebenden Körperschaften ihr Einverständnis hierzu nicht gäben. c) Eine Minderheit des Ausschusses trug darüber hinaus Bedenken vor, ob die Deckung des Rüstungsbedarfs unter Anwendung der Regeln des freien Wettbewerbs tatsächlich zufriedenstellend und ohne Schädigung des zivilen und sonstigen Bedarfs erfolgen könne. Demgegenüber wurde von Seiten der Bundesregierung angedeutet, daß in Fortführung der Liberalisierungs- und der Zollpolitik weitere geeignete Maßnahmen getroffen werden könnten. In diesem Zusammenhang stellte der Bundeswirtschaftsminister für die wirkungsvolle Handhabung der Zölle erforderlichenfalls einen besonderen Antrag in Aussicht. d) Für die Errichtung und schlagkräftige Arbeitsweise einer Beschaffungsorganisation wurde von seiten der Bundesregierung auf die Leitsätze vom 2. November 1954 verwiesen, die für die Zusammenarbeit zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Verteidigungsressort — unbeschadet der Zuständigkeit anderer Ressorts — vereinbart wurden. Nach den Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers erheben die Leitsätze keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie bedürfen der Ergänzung insbesondere im Hinblick auf die Erstellung von Verfahrensrichtlinien. Eine eingehende Diskussion der Leitsätze fand nicht statt. Der Ausschuß wird sie in Verbindung mit dem Wirtschaftssicherungsgesetz eingehender beraten. (Brandt [Berlin]) Zur Arbeitsmarktentwicklung heißt es, die Bundesregierung habe auf die Tatsache hingewiesen, daß einer relativ großen Zunahme der Beschäftigtenzahl eine verhältnismäßig geringe Abnahme der Arbeitslosenziffer gegenübersteht, und daß somit der Kreis der Menschen, der zum Arbeitsmarkt drängt, wesentlich größer ist, als das bei der Verringerung der Arbeitslosenziffer sichtbar wird. Für diese Erscheinung sei ursächlich, daß in den letzten Jahren die wesentlich stärkeren Geburtenjahrgänge in das Wirtschaftsleben getreten seien und daß der Kreis der Menschen, die, ohne ihre Arbeitskraft anzubieten, leben, ständig abnehme. Schließlich vergrößere sich laufend der Prozentsatz der arbeitenden Frauen. Die Arbeitslosenziffer betrage zur Zeit im Jahresdurchschnitt 1,2 Mio, worin mindestens eine weitere Reserve von 600 000 arbeitsfähigen Menschen enthalten sei. Der Ausschuß trägt Bedenken dahingehend vor, daß die künftigen Jahrgänge der Schulentlassenen wesentlich schwächer seien als die Jahrgänge in der heutigen Zeit, daß der Andrang weiblicher Arbeitskräfte einmal seine Grenze erreiche und daß schließlich eine auf technischem Gebiet gut ausgerüstete Streitmacht mindestens zu 35 v. H. aus Facharbeitern rekrutiert werden müßte. Erschwerend wirkt sich hierbei aus, daß auch an die zahlreichen Arbeitskräfte, die zur Erhaltung der Schlagkraft der Truppen eingesetzt und daher ebenfalls der Wirtschaft entzogen werden, besondere berufliche Anforderungen zu stellen sind. Demgegenüber weist der Bundesarbeitsminister auf den fortschreitenden Rationalisierungsprozeß in der gesamten Wirtschaft hin, der auch menschliche Arbeitskräfte freimache. Weitere Arbeitskräfte seien aus der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge, deren Zubringerbetrieben, den Dienstgruppen und dem sonstigen Personal der Besatzungsmächte zu aktivieren. Durch eine geschickte Finanzierungspolitik lasse sich auch die Bausaison nicht unbeträchtlich verlängern, so daß auch dem in etwa zu erwartenden Mangel an Baufacharbeitern die größte Wirkung genommen werden kann. Diese Auffassung wird sowohl von den maßgeblichen Vertretern der Bauwirtschaft als auch der Gewerkschaft gestützt. Der Regierungsvertreter widersprach der Befürchtung des Ausschusses, daß der Wohnungsbau oder die Bauvorhaben der öffentlichen Hand von dem Mangel an Bauarbeitern berührt werden. Zur Koordinierung der verschiedenen Bauprogramme sei ein interministerieller Ausschuß vorgesehen, in dem alle auf dem Bausektor als Bedarfsträger auftretenden Ressorts vertreten sein sollen. Dieser Ausschuß hat die Aufgabe, die Bauvorhaben von der Programmseite her abzustimmen. N. Finanzielle und haushaltsmäßige Gesichtspunkte Der Berichterstatter verweist hierbei zunächst auf den Besonderen Bericht des Sicherheitsausschusses unter D V „Versorgung". Darin heißt es, es sei offensichtlich, „daß die Ansätze im Haushalt der Bundesrepublik nicht ausreichen, um den einmaligen Aufwand für die Aufstellung der vorgesehenen deutschen Streitkräfte zu decken". Nicht zuletzt werde es vom Umfang der Außenhilfe abhängen, ob der vorgesehene Zeitplan für die Aufstellung westdeutscher Streitkräfte eingehalten werden kann, wenn eine übermäßige Inanspruchnahme der deutschen Leistungskraft vermieden werden soll. Der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit gibt in Übereinstimmung mit dem federführenden Ausschuß der Erwartung Ausdruck, „daß die Bundesregierung im Atlantikvertrag keinerlei Empfehlungen über materielle oder finanzielle Leistungen der Bundesrepublik zustimmt, bevor sie die zuständigen Ausschüsse des Bundestages gehört hat". Der Haushaltsausschuß hat durch Abg. Dr. Vogel einen Mehrheitsbericht unterbreiten lassen, in dem die künftigen finanziellen Belastungen durch den Verteidigungsbeitrag erörtert werden: Angesichts der Tatsache, daß das Programm für die Ausstattung der Verbände und die Eigenproduktion an Gerät noch nicht ausgearbeitet sei, könne das Bundesfinanzministerium die volle Höhe der Kosten der Wiederaufrüstung noch nicht beziffern. Gesamtkosten könnten deshalb nicht genannt werden, weil das Materialprogramm Millionen von Einzelposten umfaßt. Es sei auch noch nicht über die Ausstattung der einzelnen Divisionen und über die Frage entschieden, welches Gerät bei uns produziert und welches vom Ausland bezogen wird. Man gehe davon aus, daß die Vereinigten Staaten bei der Erstausstattung die Hauptkosten tragen werden. Zu festen finanziellen Leistungen habe sich die Bundesregierung in London nicht verpflichtet. Die andere Seite erwarte von uns aus einem wachsenden deutschen Sozialprodukt entsprechend wachsende Leistungen. Die Bundesrepublik bleibe jedoch Herr der Entscheidung, die andere Seite könne ihr nichts vorschreiben. In bezug auf die laufenden Kosten sei die Bundesregierung der Überzeugung — heißt es weiter im Bericht des Haushaltsausschusses —, sie könnten von einem wachsenden deutschen Sozialprodukt getragen werden. Führe das vorgesehene Dreijahresprogramm für die Aufstellung der Streitkräfte zu einer Überforderung unserer finanziellen und wirtschaftlichen Leistungskraft, dann werde man mehr Zeit brauchen: „Eine Gesamtkostenziffer kann nicht etwa deswegen nicht genannt werden, weil man einen zu hohen Betrag fürchtet, sondern weil infolge der vorgetragenen Einzelheiten noch keine sichere Kalkulationsbasis vorliegt. Man hat bis jetzt von keiner Seite, auch nicht von seiten der Dienststelle Blank, verbindlich Ziffern wie 60 Milliarden DM in drei Jahren nennen hören. Für das Haushaltsjahr 1955 hat die Bundesregierung über den Betrag von 9 Milliarden DM hinaus keine neuen Mittel angefordert. Da sie nach ihren Angaben keine bindenden Verpflichtungen für kommende Haushaltsjahre eingegangen ist, die das Bewilligungsrecht des Parlamentes einschränken würden, liegen Verteidigungsausgaben der folgenden Haushalte im Ermessen des Parlaments." Die Minderheit des Haushaltsausschusses hat demgegenüber durch Abg. Ritzel ausführen lassen, sie befürchte, daß das Gleichgewicht des Bundeshaushaltes durch von der Bundesregierung nicht genannte tatsächliche Belastungen erschüttert werde. Sie befürchte welter, daß diese Belastung auf die Dauer in einem krassen Mißverhältnis zum Nationaleinkommen stehe. Die Bundesregierung habe über den Aufbau der deutschen Streitkräfte verbindliche Angaben nicht gemacht. Nach Aussagen sachverständiger Militärs und auf Grund ernsthafter Pressemeldungen bestehe für die Minderheit kein Zweifel darüber, daß die Kosten für den Aufbau von 12 deutschen Divisionen in der vorgesehenen Dreijahresperiode mindestens 60 Mil- (Brandt [Berlin]) liarden DM betragen werden. Hinzu kämen die Ausgaben für zivilen Luftschutz, die auf mindestens 12 Milliarden DM geschätzt würden: Eine solche Belastung kann nach Auffassung der Minderheit auch aus einem wachsenden Sozialprodukt nicht aufgebracht werden. Es ist zu befürchten, daß eine zum Teil sogar erkennbar gewollte Einschränkung der deutschen Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt die unabwendbare Folge sein wird. Das innenpolitische Ergebnis sieht die Minderheit in einer Gefährdung der Währung und in einer Bedrohung des Sozialetats. O. Verteidigungsbeitrag und Truppenstationierung Zu der Problematik, die sich aus dem deutschen Beitritt zur WEU und NATO einerseits und der Anwesenheit von Streitkräften der WEU- und NATO-Mächte auf deutschem Boden andererseits ergibt, wird auf den Bericht zum Stationierungsvertrag verwiesen. Als ein Sonderthema wurde während der Ausschußberatungen die Frage aufgeworfen, ob sich aus der Ausrüstung der Stationierungstruppen mit taktischen Atomwaffen zusätzliche Gefahren für die Bundesrepublik ergeben können. In diesem Zusammenhang wurde auch erörtert, was für den Fall einer Auseinandersetzung mit Atomwaffen zum Schutz der Zivilbevölkerung getan werden kann, Der Vertreter der Bundesregierung betonte, daß der Regierung bekannt sei, in welchem Umfang die Truppen der derzeitigen Besatzungsmächte mit atomarischen Waffen ausgerüstet sind; vor der ersten Zuführung solcher Waffen sei die Bundesregierung konsultiert worden. Es wurde weiter festgestellt, daß nach Inkrafttreten der Verträge nicht die Möglichkeit bestehen wird, taktische Atomwaffen oder andere Atomwaffen ohne Einverständnis der Bundesregierung auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu stationieren. Die Regierung sei nicht der Meinung, so wurde ausgeführt, daß sich aus der Ausrüstung der bei uns stationierten ausländischen Truppen mit Atomwaffen zusätzliche Gefahren ergeben. Sie sehe hierin vielmehr eine Verstärkung der Abwehrkraft. Was den Schutz der Zivilbevölkerung angehe, so sei die Bundesregierung bereits seit einigen Monaten an den Arbeiten jenes Ausschusses der NATO beteiligt; der mit der Bearbeitung dieses Problems befaßt ist. Im Ausschuß herrschte Einverständnis darüber, daß im Falle eines militärischen Konflikts über den Einsatz atomarischer Waffen nicht allein unter militärischen Gesichtspunkten und durch militärische Befehlsorgane entschieden werden dürfte, sondern daß die Entscheidung bei den verantwortlichen politischen Organen liegen müsse. Hierzu wurde — in Übereinstimmung mit Ausführungen Sir Anthony Edens vor dem britischen Unterhaus — mitgeteilt, im Rahmen der NATO werde die Entscheidung hierüber nicht beim militärischen Oberkommando, sondern beim Rat liegen. P. Votum des Ausschusses Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ist nach Prüfung dieses Teils des Vertragswerks und auf Grund der in vorliegendem Bericht zusammengefaßten Gesichtspunkte in seiner Mehrheit zu dem Ergebnis gelangt, dem Bundestag die Annahme des Zustimmungsgesetzes betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag empfehlen zu sollen. Bonn, den 16. Februar 1955 Brandt (Berlin) Generalberichterstatter b) Besondere Berichte beteiligter Ausschüsse 1. Besonderer Bericht des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit (6. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Erler (für Ziffern C IV und D V) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jaeger (für den übrigen Teil) Gliederung A. Die militärpolitische Konstruktion des Vertragswerkes B. Gemeinsame Probleme der Westeuropäischen Union und der Nordatlantikvertragorganisation I. Beistandspflicht II. Inkrafttreten III. Vertragsdauer IV. Deutsche Gleichberechtigung C. Die Westeuropäische Union (WEU) I. Aufgaben und Bedeutung des Brüsseler Vertrages II. Organe der WEU III. Begrenzung der Streitkräfte IV. Rüstungskontrollen D. Die Nordatlantikvertragorganisation (NATO) I. Aufgaben II. Politische Organisation III. Militärische Organisation (Kommandobehörden) IV. Eingliederung der nationalen Streitkräfte in die Organisation der NATO V. Versorgung VI. Berichtswesen, Inspektion und Ausbildung VII. Besondere Verpflichtungen (Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jaeger) A. Die militärpolitische Konstruktion des Vertragswerkes Das Vertragswerk, das an die Stelle des alten Deutschlandvertrages und des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft mit ihren Nebenabkommen tritt, bringt gegenüber den im Jahre 1952 vorgesehenen Vereinbarungen wesentliche Modifikationen auf militärpolitischem Ge- (Dr. Jaeger) biet. Sie kommen in der Hauptsache in den im vorliegenden Gesetzentwurf genannten Verträgen zum Ausdruck. Die neuen Verträge dienen u. a. dem Zweck, den gleichen Grad der militärischen Sicherheit zu erreichen, wie er durch die Europäische Verteidigungsgemeinschaft erzielt werden sollte, aber sie verfolgen diesen Zweck auf zum großen Teil völlig anderen Wegen. Im wesentlichen bedeuten die neuen Verträge eine Verlagerung von der supranationalen in die nationale Zuständigkeit. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft war eine zum Teil komplizierte, aber einheitliche Konstruktion. Ihre Elemente sind zum großen Teil heute noch vorhanden, jedoch transformiert in mehrfache, voneinander unterschiedene, wenn auch miteinander verzahnte Konstruktionen. Das Vertragswerk erscheint damit nicht mehr als von einer Stelle beherrscht oder wenigstens dirigiert. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft sollte unmittelbar der Einigung Europas durch die Schaffung einer supranationalen Militärunion dienen. In erster Linie sollte die militärische Integration, die sonst im allgemeinen erst in Kriegszeiten erfolgt, jetzt, da sie als unvermeidbar erkannt wird, bereits im Frieden vorgenommen werden und damit für den Ernstfall die Wirksamkeit des militärischen Schutzes erhöhen. Sodann aber sollte sie durch Überwindung ides nationalstaatlichen Souveränitätsgedankens an seiner entscheidenden Stelle, nämlich auf dem Gebiet der Militärhoheit, und Schaffung supranationaler Entscheidungsinstanzen auf militärischem Gebiet den förderativen Zusammenschluß Europas nicht nur vorbereiten, sondern im kritischen Punkte bereits verwirklichen. Dieses politische Ziel wird durch das neue Vertragswerk nicht erreicht, wenn auch der Weg zu einer politischen Integration im allgemeinen und einer militärpolitischen Integration im besonderen nicht verbaut ist, ja durch einige Ansatzpunkte in Zukunft erleichtert werden kann. Es ist jedoch keine supranationale europäische Militärhoheit geschaffen, sondern es sind durch den Brüsseler Vertrag nur negativ einige Beschränkungen der nationalen Militärhoheit — und zwar für alle beteiligten Nationen — ausgesprochen. Das Ziel einer militärischen Integration wird jedoch auf dem Wege über den Nordatlantikvertrag angestrebt und in anderer Weise erreicht. Während beim alten Vertragswerk trotz mancher verbliebenen nationalen Zuständigkeiten und trotz des Einbaues der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in die Nordatlantikvertragorganisation das Schwergewicht der Kompetenzen bei den Institutionen der Verteidigungsgemeinschaft, also an europäischer supranationaler Stelle lag, verteilen sich nunmehr die Zuständigkeiten auf drei Ebenen, die nationale, die der Westeuropäischen Union (WEU) und die der Nordatlantikvertragorganisation (NATO). Dabei gilt als Grundsatz, daß alle Fragen, für die nicht eine Zuständigkeit der WEU oder der NATO vertraglich begründet wurde, im Bereich der nationalen Kompetenz verbleiben. Rechtlich liegt das Schwergewicht auf der nationalen Ebene. In ihre Zuständigkeit fällt die Mehrzahl der früher geplantenmilitärischen Kompetenzen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Ein großer Teil des Inhalts des Berichts des 50. Bundestagsausschusses zur Mitberatung des EVG-Vertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen (Drucksache Nr. 3900 der 1. Wahlperiode, Bericht der Abg. Strauß, Erler und Dr. Jaeger auf Seiten 98 ff.) ist damit nicht mehr Gegenstand der gegenwärtigen Regelung und des vorliegenden Berichts. Das gilt insbesondere auch für die Fragen der Wehrverfassung, des inneren Gefüges, des Personalwesens, des Haushalts und der mit dem Aufbau der Streitkräfte zusammenhängenden Gerichtsbarkeit. Auf allen diesen Gebieten werden nach Inkrafttreten des Vertragswerkes nationale Regelungen getroffen werden müssen. Am meisten begrenzt sind die Zuständigkeiten auf der zweiten Ebene, der Westeuropäischen Union. Ihre positive Bedeutung liegt in der präzisen Formulierung der Beistandsverpflichtung, im übrigen hat sie einige restriktive Bestandteile der EVG übernommen, nämlich gewisse Rüstungskontrollen. Ansätze zur Integration, etwa durch die Schaffung einer Gemeinsamen Versammlung, sollten nicht übersehen werden, vermögen aber gegenwärtig der Westeuropäischen Union nicht einmal annähernd jene Bedeutung zu geben, die der EVG zugekommen wäre. Stärker ist die dritte Ebene, die der NATO, ausgebaut. Hier erscheinen die erhalten gebliebenen positiven militärischen Regelungen der EVG. Sie finden zwar keine so exakte juristische Ausprägung und schaffen damit keine so strenge politische Bindung wie bei der EVG, aber sie erreichen doch die notwendigen Voraussetzungen der militärischen Organisation für eine gemeinsame Strategie. Man muß zwar den Inhalt des Nordatlantikvertrages wohl noch als internationales und nicht als supranationales Recht ansprechen; aber in dem Maße, in dem der Ausbau der Organisation des Nordatlantikvertrages vervollständigt und der Rahmen der Kompetenzen ihrer Organe ausgefüllt und in Zukunft wohl auch erweitert wird, können sich Behörden und Kompetenzen entwickeln, die sich in ihrer Wirksamkeit supranationalen Regelungen annähern. Vor allem aber wird durch die NATO eine militärische Integration schon jetzt bewirkt. Rechtlich muß man die deutschen Streitkräfte, die auf Grund des neuen Vertragswerkes entstehen sollen, als eine Nationalarmee ansprechen. Die durch WEU und NATO verbundene Streitmacht muß deshalb rechtlich als Koalitionsarmee bezeichnet werden. Faktisch stellt sie jedoch (und zwar nicht auf Grund der Bestimmungen der WEU, sondern auf Grund der Bestimmungen der NATO) mehr als eine Koalitionsarmee dar. Die Integration sowie die gemeinsamen Kommandostellen schaffen militärisch zumindest auf dem Boden des europäischen Kontinents eine einheitliche Organisation. Insoweit bedeuten auch die neuen Verträge für den europäischen Kontinent eine wesentliche Änderung des Begriffs der Nationalarmee. B. Gemeinsame Probleme der Westeuropäischen Union und der Nordatlantikvertragorganisation I. Beistandspflicht Das Kernstück der Verträge über die WEU und die NATO bildet, wie es zum Wesen eines Verteidigungspaktes gehört, die Beistandspflicht zwischen den Vertragspartnern. Sie ist im Rahmen der WEU prägnanter formuliert und damit mit noch stärkeren Verpflichtungen ausgestattet als in der NATO. Nach Art. V des Brüsseler Vertrages werden alle Mitgliedstaaten der vertragschließenden Macht, die Ziel eines bewaffneten Angriffs in Europa (Dr. Jaeger) wird, „alle in ihrer Macht stehende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung leisten". Es handelt sich demnach um eine automatische Beistandspflicht, also die wirksamste Form einer Beistandsverpflichtung, die im Rahmen eines Verteidigungspaktes denkbar ist. Diese Verpflichtung entspricht sachlich völlig dem Art. 2 § 3 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (BGBl. II 1954 S. 343 ff.) und den Art. 1 und 2 des Vertrages zwischen dem Vereinigten Königreich (Großbritannien) und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (BGBl. II 1954 S. 421 ff.). Die Beistandsverpflichtung des Nordatlantikvertrages ist etwas elastischer gehalten. In Art. 5 dieses Vertrages verpflichtet sich jede Partei dazu, einem angegriffenen Vertragspartner „Beistand zu leisten, indem jede von ihnen unverzüglich für sich im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebietes wiederherzustellen und zu erhalten". Hier wird die militärische Hilfeleistung nur als eine von mehreren Arten des Verwirklichung der Beistandsverpflichtung betrachtet und in das Ermessen des einzelnen Staates gestellt. Diese Form der Beistandsverpflichtung ist wohl aus Rücksicht auf das Verfassungsrecht der Vereinigten Staaten elastischer gehalten als die des früher abgeschlossenen Brüsseler Vertrages. Politisch dürfte im Augenblick ein Unterschied zwischen der Wirkung beider Verträge kaum bestehen. Insbesondere der organisatorische Ausbau der NATO durch Aufstellung von schon im Frieden bestehenden Verteidigungseinrichtungenwürde im Ernstfall praktisch ebenfalls einen automatischen Beistand bewirken. Da Art. 51 der Charta 'der Vereinten Nationen nur eine Anerkennung des naturrechtlich begründeten Rechtes eines Staates, sich gegen einen Angriff sofort zur Wehr zu setzen, enthält, bedeutet die Bezugnahme auf diesen Artikel in der hier behandelten Bestimmung keinerlei Abschwächung. II. Beitritt Die völkerrechtliche Grundlage für den Beitritt der Bundesrepublik zur NATO ist das Protokoll zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 1061 S. 59). Nach Art. 1 und 2 dieses Protokolls wird die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika der Bundesrepublik Deutschland eine Einladung zum Beitritt zum Nordatlantikvertrag übermitteln, wenn alle Mitgliedstaaten des Nordatlantikvertrages dieses Protokoll angenommen haben, die Ratifikation der Protokolle zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrages und des Abkommens über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland durch die beteiligten Staaten erfolgt ist und die erforderlichen Mitteilungen hierüber gemacht sind. Umgekehrt bestimmt Art. 6 des Protokolls zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrages, daß dieses Protokoll nach Ratifizierung durch die sieben beteiligten Regierungen und nach Hinterlegung der deutschen Beitrittsurkunde zum Nordatlantikvertrag in Kraft tritt. Damit wird das Inkrafttreten eines Teils der Bestimmungen von idem Inkrafttreten anderer Teile abhängig gemacht und das diesbezügliche Vertragswerk miteinander verknüpft. Es bildet insoweit rechtlich eine Einheit. III. Vertragsdauer Der Brüsseler Vertrag und der Nordatlantikvertrag sind auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Nach Art. XII des Brüsseler Vertrages besteht erst 50 Jahre nach seinem ursprünglichen Inkrafttreten eine Kündigungsmöglichkeit mit einjähriger Frist für jeden Vertragspartner. Die Vertragsdauer entspricht der Vertragsdauer des Vertrages über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (Art. 128). Nach Art. 13 des Nordatlantikvertrages ist eine Kündigungsmöglichkeit nach zwanzigjähriger Geltungsdauer mit ebenfalls einjähriger Frist gegeben, jedoch kann zusätzlich nach Art. 12 des gleichen Vertrages schon nach zehnjähriger Geltungsdauer auf Antrag einer Partei eine Revision des Vertrages stattfinden. IV. Deutsche Gleichberechtigung Der unmittelbare Beitritt der Bundesrepublik zur NATO, der nach dem EVG-Vertrag noch nicht vorgesehen war, verschafft ihr auch im eigentlichen militärischen Bereich die volle Gleichberechtigung. C. Die Westeuropäische Union (WEU) I. Aufgaben und Bedeutung des Brüsseler Vertrages Der Brüsseler Vertrag wurde am 17. März 1948 zwischen den fünf westeuropäischen Staaten Belgien, Frankreich, Luxemburg, Niederlande und Großbritannien abgeschlossen als ein „Vertrag über Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten und zur kollektiven Selbstverteidigung" (Präambel). Die militärischen Absichten des Vertrages sollten im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen erfüllt werden und insbesondere eine Erneuerung einer deutschen Aggressionspolitik verhindern. Inzwischen haben sich die Zielsetzungen des Vertrages weitgehend geändert. Die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenarbeit gedachten Bestimmungen haben im Laufe der Zeit dadurch an Bedeutung verloren, daß nach Abschluß des Brüsseler Paktes der Europarat in Straßburg und die Organization for European Economic Cooperation (OEEC) in Paris diese Aufgaben in größerem Rahmen übernommen haben. Die vorgesehenen Aufgaben der militärischen Organisation haben sich durch die Gründung der NATO, die eine solche Organisation aufgebaut hat, erledigt. Die militärische Zielsetzung ist, soweit sie sich gegen Deutschland richtete, gegenstandslos geworden. Im Protokoll vom 23. Oktober 1954 wird deshalb die Stelle der Präambel, die sich gegen eine deutsche Aggressionspolitik richtet, gestrichen und durch den neuen Gedanken ersetzt, daß der Vertrag die Einheit Europas fördern und seiner fortschreitenden Integrierung Antrieb geben solle. Die wichtigste Bestimmung ist die schon erwähnte automatische Beistandspflicht der Mitglieder. Eine besonders positive Bedeutung erlangt die WEU gegenüber der EVG dadurch, daß sich im Protokoll Nr. II (Art. 6) Großbritannien erstmals in seiner Geschichte verpflichtet, im Frieden eine bestimmte Streitmacht (vier britische Divisionen und die Zweite Taktische Luftflotte) auf dem Festland an der Seite der Streitkräfte der anderen sechs Partner zu belassen und diese Streitkräfte nicht gegen den Willen der Mehrheit der Vertragspartner zu- (Dr. Jaeger) rückzuziehen, ausgenommen bei Eintritt eines akuten Notstandes in Übensee. Die durch das schon erwähnte Protokoll vom 23. Oktober 1954 erfolgte Revision des Brüsseler Vertrages gibt der Organisation des Vertrages den Namen Westeuropäische Union und stattet sie mit bestimmten Organen aus. Aufgaben dieser Westeuropäischen Union sind jedoch auf militärischem Gebiet lediglich die Festsetzung der Höchststärke der in Friedenszeiten auf dem europäischen Festland unterhaltenen Streitkräfte der Vertragspartner und gewisse Kontrollen über Bestände und Herstellung bestimmter Waffen. Damit steht die WEU zweifellos teilweise in einem inneren Gegensatz zur NATO, da die zuletzt genannten Bestimmungen die Bemühungen der NATO, die Streitkräfte ihrer Mitgliedstaaten möglichst zu stärken, bis zu einem gewissen Grad bremsen. Eine solche Regelung erscheint aus politischen Gründen notwendig. Auf positive militärische Aufgaben für die Organe der WEU wurde bewußt verzichtet, da man eine Parallel-Organisation zu den militärischen NATO-Stäben zwecks Vermeidung von Doppelarbeit unterlassen hat und eigens auf eine Zusammenarbeit mit der NATO hinweist (siehe insbesondere Art. IV des Brüsseler Vertrages). II. Organe der WEU Das bedeutsamste Organ ist der „Rat der Westeuropäischen Union". Er besteht aus Ministern der beteiligten Staaten. Dieser Rat war bisher ein reiner Konsultativrat, also lediglich ein Beratungsgremium; er erhält nunmehr selbständige Entscheidungsbefugnisse. Der Rat beschließt grundsätzlich einstimmig, wendet jedoch auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle auch andere Abstimmungsverfahren (Zweidrittelmehrheit, einfache Mehrheit) an. Diese unterschiedlichen Abstimmungsvorschriften bedeuten einen Unterschied zur bisherigen Praxis des Rates des Brüsseler Vertrages, der keine Abstimmungsregel kannte, also für einen Beschluß der Einstimmigkeit bedurfte. Hier liegt ein Ansatzpunkt für den Übergang von internationaler zu supranationaler Politik. Ein solcher ist auch in der Versammlung enthalten, die jährlich einen Bericht des Rates über seine Tätigkeit, insonderheit auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle, entgegenzunehmen hat (Art. IX des Brüsseler Vertrages). Diese Versammlung, die aus den Vertretern der Brüsseler Vertragsmächte bei der Beratenden Versammlung des Europarates besteht, entbehrt jedoch noch eigener Aufgaben. Es ist vorerst nicht einmal bestimmt, in welcher Weise sie den Rat nach Erstattung des Berichts zur Verantwortung ziehen kann. Dies ist zweifellos ein Rückschritt gegenüber den Vollmachten der Gemeinsamen Versammlung der EVG (Art. 33 'bis 38 des Vertrages über die Gründung der EVG). Der Rat erhält ausdrücklich das Recht, eigene Organe einzurichten, insbesondere ein Amt für Rüstungskontrolle. 'Dieses untersteht der allgemeinen Verwaltungskontrolle des Generalsekretärs (Art. 2 des Protokolls Nr. IV). Auch die Errichtung eigener Gerichte der WEU zur Regelung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragspartnern und zum Schutz privater Interessen ist in Aussicht genommen. III. Begrenzung der Streitkräfte Das Protokoll Nr. II über die Streitkräfte der Westeuropäischen Union wurde, wie in der Präambel ausdrücklich bemerkt, nach Konsultation des Nordatlantikrates beschlossen. Es wird hier der Versuch des Ausgleichs zwischen der Notwendigkeit, die militärische Schlagkraft zu stärken, und den Wünschen auf Begrenzung der Friedensstärke unternommen. Die Höchstgrenze ist nur allgemein nach Gesamtstärke und Anzahl der Verbände festgelegt (Art. 1 des Protokolls Nr. II). Die Anzahl der Verbände kann nach der gleichen Bestimmung, um den Bedürfnissen von NATO zu entsprechen, auf den neuesten Stand gebracht und angepaßt werden, vorausgesetzt, daß eine gleichwertige Kampfkraft erhalten bleibt und die Gesamtstärken nicht überschritten werden. Die Höchststärken entsprechen für die 'kontinentalen Mitgliedstaaten der WEU der geplanten Stärkeihrer Kontingente im Rahmen der EVG. Während in der EVG, als einer supranationalen Institution, weder Höchst- noch Mindestgrenzen festgelegt wurden, sondern eben das Ausmaß der Truppenstärke geregelt wurde, ist in der WEU nur eine Begrenzung nach oben ausgesprochen. Die Festlegung dieser Höchststärke 'gibt zwar jedem Vertragsteil das Recht, Streitkräfte dieser Stärke aufzustellen oder zu unterhalten, legt ihm aber keineswegs die Pflicht auf, dies zu tun. Über die Mindeststärke sind im Rahmen der WEU keine Regelungen getroffen. Für die Mitgliedstaaten der WEU, außer der Bundesrepublik, ergibt sich die Mindeststärke ihrer Streitkräfte aus der jährlichen NATO-Empfehlung. Die tatsächliche Stärke der Streitkräfte dieser Staaten kann also zwischen dem mit ihrer Zustimmung in der NATO-Empfehlung ausgesprochenen Mindestmaß und der im Protokoll Nr. II festgelegten Höchstgrenze liegen. Da die Bundesrepublik bisher noch nicht an der NATO-Jahreserhebung und der daraus resultierenden NATO-Empfehlung beteiligt war, ist formell vorerst keine Mindeststärke für die Streitkräfte der Bundesrepublik festgelegt. Da es jedoch nach der Präambel des Brüsseler Vertrages das Ziel dieses Vertrages ist, die Sicherheit zu festigen, und der Beitritt der Bundesrepublik diesem Ziele dienen soll, da nach der Entschließung über Rüstungsproduktion und -standardisierung der WEU (Drucksache 1061 S. 26) die Schlagkraft der gemeinsamen Verteidigungsstreitkräfte auf den Höchststand gebracht werden soll, da zudem der Nordatlantikvertrag nach seiner Präambel der gemeinsamen Verteidigung und der Erhaltung des Friedens und der Sicherheit dienen soll, ein Ziel, das durch den Beitritt der Bundesrepublik in stärkerem Maße verwirklicht werden soll, wäre der Gedanke sinnwidrig, die Bundesrepublik sei bei Ratifizierung des Vertragswerkes im Hinblick auf die vorerwähnte derzeitige formale Lücke im Vertragstext in der Lage, auf die Aufstellung von Streitkräften überhaupt zu verzichten. Sollte in Zukunft die NATO in ihrer Jahresempfehlung für einen Mitgliedstaat, der gleichzeitig Mitglied der WEU ist, eine Erhöhung der Gesamtstärke der Streitkräfte über die oben erwähnte Höchstgrenze hinaus festlegen, so darf der betreffende Staat die empfohlene Erhöhung nur annehmen, wenn die Partner des Brüsseler Vertrages ihre Billigung entweder im Rat der WEU oder in der Organisation des Nordatlantikvertrages einstimmig zum Ausdruck bringen (Art. 3 des Protokolls Nr. II). Stärke und Bewaffnung der Polizeikräfte und der Streitkräfte für die bodenständige Verteidigung (Dr. Jaeger) (der Streitkräfte also, die nicht operativ tätig, sondern territorial gebunden sind und der Abwehr feindlicher Luftangriffe, dem Objektschutz und der Verhinderung von Sabotageakten im Gebiet der Mitgliedstaaten dienen) werden durch ein besonderes Abkommen festgelegt, und zwar unter Berücksichtigung der eigentlichen Aufgaben, des Bedarfes und der vorhandenen Stärke dieser Kräfte (Art. 5 des Protokolls Nr. II). Jedoch entfällt mit Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag der in Art. 2 des Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes aufrechterhaltene Entmilitarisierungs- und Abrüstungsvorbehalt. Von diesem Zeitpunkt an bestehen daher besatzungsrechtliche Beschränkungen hinsichtlich des Aufbaues und der Stärke der Polizeikräfte nicht mehr. (Berichterstatter: Abgeordneter Erler) IV. Rüstungskontrollen Das Protokoll Nr. III enthält die materiellen Bestimmungen über die Rüstungskontrolle. Aus diesem Protokoll und seinen Anlagen ergibt sich, in welchem Umfange bestimmte Länder auf die Herstellung gewisser Waffen verzichtet haben, welche weiteren Waffen allgemein der Kontrolle durch die vorgesehene Organisation unterliegen, und infolgedessen auch, daß andere Waffen und Geräte unter keinerlei Kontrollvorschriften fallen. Das Protokoll Nr. IV enthält die Vorschriften über das Amt für Rüstungskontrolle, also über die Art der Durchführung der Kontrolle. Sagt Protokoll Nr. III, was kontrolliert wird, so sagt Protokoll Nr. IV, wie kontrolliert wird. Schließlich ist auf Art. IV Nr. 4 des Protokolls zur Änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrages hinzuweisen, ) dessen zweiter und dritter Satz das Abstimmungsverfahren im Ministerrat der Westeuropäischen Union in Fragen der Rüstungskontrolle behandelt. Ferner hat der Atlantikrat mit Ziffer 14 der Entschließung zur Durchführung von Abschnitt IV der Schlußakte der Londoner Konferenz (Drucksache 1061 S. 64) die Einsetzung eines Offiziers von hohem Rang der Nordatlantikvertragorganisation veranlaßt, der befugt ist, dem Rat der Westeuropäischen Union über die Streitkräfte der Mitglieder der Westeuropäischen Union auf dem europäischen Festland Informationen zu übermitteln, die sich insbesondere auch auf die Rüstungskontrolle beziehen. Bei der Abfassung der Pariser Verträge ist man von dem ehemaligen Art. 107 des EVG-Vertrages ausgegangen. Der EVG-Vertrag sah eine Genehmigungspflicht für die Produktion, die Ein- und Ausfuhr von Waffen, die Produktionsmittel und die technische Forschung vor. Jetzt ist die Lage so, daß die Bundesrepublik Deutschland auf die Herstellung von Atom-, biologischen und chemischen Waffen, von Großkriegsschiffen, Langstreckenbombern und ferngelenkten Geschossen verzichtet hat. Andere Mitgliedstaaten der Westeuropäischen Union haben derartige Verzichterklärungen bisher nicht abgegeben. Bei der Westeuropäischen Union ist als integrierte Behörde das Rüstungskontrollamt gebildet worden. Es hat die Aufgabe, zu kontrollieren, daß in den Staaten, die Verzichterklärungen abgegeben haben, dieser Verzicht eingehalten wird und daß ferner auf dem europäischen Kontinent in allen Teilnehmerstaaten die Bestände an Waffen der in Anlage IV bezeichneten Art mit den Bedürfnissen übereinstimmen. Für alle dem Nordatlantikvertrag unterstehenden Streitkräfte steht dem Rüstungskontrollamt kein eigenes Inspektionsrecht zu. Es muß sich vielmehr auf die Angaben beschränken, die ihm der von der Atlantikorganisation hierfür bestellte Offizier macht. Das Rüstungskontrollamt führt zwei Arten von Kontrollen durch, eine rechnerische Kontrolle und eine Inspektion. Die Inspektion erstreckt sich nur auf diejenigen Streitkräfte und Einrichtungen, die nicht der Atlantikorganisation unterstehen. Die rechnerische Kontrolle hat zu überprüfen, ob die angegebenen Mengen mit dem tatsächlichen Bedarf übereinstimmen. Zu diesem Zweck hat der Atlantikrat in Ziffer 10 der erwähnten Entschließung zur Durchführung von Abschnitt IV der Schlußakte der Londoner Konferenz bestimmt, daß der Alliierte Oberbefehlshaber in Europa künftig im Benehmen mit den zuständigen nationalen Stellen den Bedarf an logistischen Mitteln festzulegen habe, d. h. also den Bedarf an sämtlichem Gerät einschließlich Waffen, der für die Führung längerer Kampfhandlungen erforderlich ist. Für die bodenständigen Streitkräfte und die Polizei sind innerhalb der Westeuropäischen Union noch besondere Vereinbarungen zu treffen, aus denen sich nicht nur die Stärke dieser Streitkräfte, sondern auch die Art und der Umfang ihrer Bewaffnung zu ergeben hätten. Schwierig ist die Durchführung der Rechnungskontrolle für sonstige nationale Streitkräfte, die nicht der Atlantikorganisation unterstellt sind. Völlig aus der Kontrolle heraus fallen die Streitkräfte mit ihren Waffen, die sich nicht auf dem europäischen Kontinent befinden. Die Inspektion etwa in den Fabriken erfaßt lediglich die Lagerbestände und nicht die Herstellungsverfahren. Diese Form der Kontrolle ist auch gewählt worden für die Überwachung der Einhaltung der Verzichterklärungen auf Herstellung bestimmter Waffen. Nur wenn ein konkreter Anhalt vorliegt, daß ein Verstoß gegen eine solche Erklärung gegeben ist, kann das Rüstungskontrollamt über die bloße Bestandskontrolle hinausgehen. Das Rüstungskontrollamt hat etwa von ihm festgestellte Verstöße dem Rat der Westeuropäischen Union mitzuteilen. Auf die Verteilung der den einzelnen Mitgliedstaaten der Westeuropäischen Union zufließenden Außenhilfe hat das Rüstungskontrollamt keinen Einfluß. Nach Art. 23 des Protokolls Nr. IV übermittelt der Rat der Westeuropäischen Union dem Amt die ihm von der Regierung der Vereinigten Staaten und von der Regierung von Kanada gemachten Angaben über die militärische Hilfe, die den auf dem Festland befindlichen Streitkräften der Mitglieder der Westeuropäischen Union gewährt werden soll. Hier wird deutlich, daß Großbritannien den Kontrollvorschriften überhaupt nur insoweit unterliegt, als es sich um seine auf dem Festland stationierten Streitkräfte handelt. Scharf zu trennen von den Bestimmungen über die Rüstungskontrolle sind die Verhandlungen über eine gemeinsame europäische Rüstungsproduktion. Am 17. Januar 1955 haben hierüber bekanntlich auf Anregung der französischen Regierung Verhandlungen begonnen, die zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht abgeschlossen sind. (Dr. Jaeger) D. Die Nordatlantikvertragorganisation (NATO) I. Aufgaben Wie der Brüsseler Vertrag, bekennt sich auch der Nordatlantikvertrag zu den Grundsätzen der Vereinten Nationen und faßt seine Zielsetzung nicht nur militärisch auf. In der Präambel des Vertrages steht das Bekenntnis zu dem gemeinsamen Erbe und der gemeinsamen Zivilisation der Völker des atlantischen Raumes, in seinen Artikeln die Verpflichtung zur friedlichen Regelung jedes Streitfalles, zur Festigung der freien Einrichtungen, zur Förderung des allgemeinen Wohlergehens und zur Beseitigung der Gegensätze in der internationalen Wirtschaftspolitik. Die eigentliche Bedeutung des Nordatlantikvertrages liegt jedoch zweifellos im Bereich der Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe. Die Bedeutung der Beistandsverpflichtung wurde bereits an anderer Seite (B I) gewürdigt. Wenn rechtlich auch das Schwergewicht bei den nationalen Vertragspartnern verbleibt und der schon erwähnte Grundsatz gilt, daß nur diejenigen Fragen unter die Zuständigkeit der NATO fallen, die ihr ausdrücklich vertraglich zugewiesen sind, so hat sich doch seit dem Abschluß des Nordatlantikvertrages, militärisch gesehen, das Schwergewicht dadurch immer mehr zur NATO verlagert, daß diese den weitgehaltenen Rahmen ihrer vertraglichen Zuständigkeit in immer größerem Maße durch Vorschriften und organisatorische Maßnahmen ausfüllt. Die Selbständigkeit der Nationalarmeen wird dadurch immer mehr beschränkt, ihre Führung immer stärker verschmolzen. Bahnbrechend auf diesem Wege waren insbesondere der Beschluß des Nordatlantikrates vom 18. September 1950, nach dem die Freiheit Europas so schnell wie möglich durch die Schaffung einer integrierten Streitmacht gesichert werden sollte, und der weitere Beschluß vom 26. September 1950, der ein ins einzelne gehendes Programm für eine straffere Organisation des militärischen Kommandos dieser gemeinsamen Streitmacht aufstellte, sowie die Entschließung des Nordatlantikrates zur Durchführung des Abschnitts IV der Schlußakte der Londoner Konferenz vom 22. Oktober 1954, über die nachfolgend noch gesprochen wird. II. Politische Organisation Die Organisation der NATO hat sich im Laufe der Jahre immer mehr ausgeweitet, spezialisiert und damit kompliziert. An der Spitze ihres institutionellen Systems steht nach Art. 9 des NATO-Vertrages der Rat. Er tagt in doppelter Form, periodisch als Rat der Minister und ständig als Rat ihrer bevollmächtigten Vertreter. Während bei den Ministertagungen der Vorsitz turnusmäßig wechselt, liegt er bei den Sitzungen des ständigen Rates der Vertreter in den Händen des Generalsekretärs. Abstimmungsregeln sind im Vertrag nicht vorgesehen. Demgemäß werden im Rat formelle Abstimmungen vermieden. Beschlüsse können nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts nur einstimmig gefaßt werden. Der Generalsekretär und sein international zusammengesetzter Stab leiten den zivilen Teil der Organisation, insonderheit die Abteilungen für politische Angelegenheiten, Produktion und Logistik sowie Wirtschaft und Finanzen. Die oberste Instanz des militärischen Zweiges ist der Militärausschuß (Military Committee). Er ist in Verteidigungsfragen das oberste beratende Organ des Rates und gibt den nachgeordneten militärischen Instanzen Richtlinien und Weisungen. Er besteht aus Vertretern aller Mitgliedstaaten, und zwar aus jeweils einem ihrer Stabschefs. Die Tagungen sind periodisch. Ständig tagt hingegen der Ausschuß der militärischen Vertreter (Military Representatives Committee). Er besteht aus den Vertretern der Stabschefs aller Mitgliedstaaten und ist für diejenigen militärischen Angelegenheiten zuständig, die nicht bis zur nächsten Sitzung des Militärausschusses zurückgestellt werden können. Der praktisch wohl bedeutsamste Teil des Ausschusses der militärischen Vertreter ist die dreiköpfige Ständige Gruppe (Standing Group) in Washington. Sie besteht aus den Vertretern der Stabschefs der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Sie ist das eigentliche Exekutivorgan militärischer Art und hat u. a. die besondere Aufgabe, den gemeinsamen Verteidigungsplan für den gesamten Bereich der NATO aufzustellen. Ihr sind die Oberbefehlshaber der NATO-Oberkommandos unterstellt. Sie bedient sich zur Durchführung ihrer Arbeit militärischer Fachausschüsse. Der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit gibt der Hoffnung Ausdruck, daß der Bundesrepublik mit Rücksicht auf die Besonderheit ihrer Aufgaben für die Verteidigung des Westens in Zukunft eine Vertretung in der Ständigen Gruppe eingeräumt wird. III. Militärische Organisation (Kommandobehörden) Unterhalb der Ständigen Gruppe und dieser unterstellt beginnen die Kommandobehörden, die nicht nach dem Prinzip der Einstimmigkeit beschließen, sondern nach dem militärischen Grundsatz der Kommandogewalt befehlen. An ihrer Spitze stehen Befehlshaber, die jeweils durch Beschluß des Rates auf Vorschlag des Militärausschusses ernannt werden. Die Führungsspitze der NATO-Streitkräfte gliedert sich in die Oberkommandos Europa, Atlantik und Kanal, neben denen noch die Regionale Planungsgruppe USA — Kanada besteht. Dem Oberbefehlshaber Europa — Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) — und seinem Hauptquartier — Supreme Headquartes Allied Powers Europe (SHAPE) — unterstehen die vier Kommandobehörden Nord, Mitte, Süd und Mittelmeer. Nach der bisherigen Regelung gehört der größte Teil der Bundesrepublik zum Abschnitt Mitte, ein kleinerer Teil zum Abschnitt Nord. Da die Teilung eines einheitlichen Gebietes in verschiedene Abschnitte für seine Verteidigung nicht von Vorteil ist, ist es der Wunsch des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit, daß die Bundesrepublik nach Beitritt zum Nordatlantikpakt ihre Bemühungen dahin richtet, das gesamte Bundesgebiet einem einzigen Abschnittskommando zu unterstellen und die Abschnittsgrenzen dementsprechend zu ändern. IV. Eingliederung der nationalen Streitkräfte in die Organisation der NATO Nach Ziffer 4 der Entschließung des Nordatlantikrates zur Durchführung von Abschnitt IV der Schlußakte der Londoner Konferenz vom 22. Oktober 1954 (Drucksache 1061 S. 61 ff.) werden alle auf dem europäischen Kontinent befindlichen (Dr. Jaeger) Streitkräfte der NATO unterstellt; ausgenommen hiervon sind Streitkräfte, die für die Verteidigung überseeischer Gebiete bestimmt sind oder nach Anerkennung der NATO unter nationalem Befehl verbleiben können. Nach Ziffer 5 der gleichen Entschließung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, dem NATO-Rat zwecks Prüfung und Anerkennung einen ersten Bericht über diejenigen Streitkräfte zu erstatten, die sie im Bereich SACEUR für die gemeinsame Verteidigung beizubehalten, nicht aber der NATO-Organisation zu unterstellen beabsichtigen. In diesem Bericht ist zu begründen, warum die genannten Streitkräfte NATO nicht unterstellt werden. Der NATO-Rat entscheidet über diese Berichte. Für spätere Änderungsvorschläge gelten die im Rahmen der laufenden NATO-Erhebungen gefaßten Beschlüsse des NATO-Rates. Um den Umfang der Streitkräfte festzulegen, nimmt die NATO alljährlich eine Prüfung über die Leistungskraft und die tatsächlichen Beiträge der Mitgliedstaaten zur Verteidigung des nordatlantischen Gebietes vor. Auf Grund diesbezüglicher Fragebogen verabschiedet der NATO-Rat Empfehlungen, deren Befolgung anläßlich der Jahreserhebung ebenfalls überprüft wird (Ziffer 2 der oben erwähnten Entschließung). Die Bedeutung dieser Empfehlung in ihrem Verhältnis zu den in der WEU festgesetzten Höchstgrenzen der Streitkräfte wurde unter C III bereits behandelt (siehe auch Ziffer 3 der genannten Entschließung). Ebenso erhält der Nordatlantikrat Informationen über die im Rahmen der Westeuropäischen Union getroffenen Vereinbarungen über die Polizeikräfte und die Streitkräfte für die bodenständige Verteidigung der Mitgliedstaaten (Ziffer 6 der genannten Entschließung). Die operativen Planungen der NATO sind ebenso von der Beurteilung des möglichen Gegners wie von der Schlagkraft der eigenen Streitkräfte abhängig und damit Änderungen unterworfen. Die Planungen werden sich demgemäß auch mit der fortschreitenden Aufstellung deutscher Streitkräfte ändern. Da die Bundesrepublik im NATO-Rat und im Militärausschuß vertreten ist, hat sie die Möglichkeit, an der entscheidenden Stelle die deutschen Interessen strategischer Art zu wahren. Die Verteilung der Truppen auf die Großräume (Dislozierung) sowie die Festlegung der Standorte (Stationierung) erfolgt in Übereinstimmung mit den operativen Plänen von NATO in Vereinbarung zwischen SACEUR und den beteiligten nationalen Stellen. Eine selbständige Änderung in der Dislozierung sowie ein operativer Einsatz bedürfen der Zustimmung von SACEUR (Ziffer 7 der genannten Entschließung). Truppenbewegungen zu Manöverzwecken und Einsatz bei inneren Unruhen werden hiervon nicht berührt. Im Rahmen der EVG war die Divison als höchste nationale Einheit vorgesehen, die Verschmelzung der nationalen Streitkräfte (Integration) sollte auf der Ebene des Korps erfolgen. Im Rahmen der NATO gilt in der Regel das Korps als die höchste nationale militärische Einheit. Die Integration soll im allgemeinen erst auf der Ebene der Armee vorgenommen werden. Eine Integration auf unteren Ebenen bleibt jedoch möglich; die Integration auf der Ebene der Heeresgruppe bleibt unter allen Umständen aufrechterhalten. Für die Einheiten der Luftwaffe gilt Entsprechendes (Ziffer 8 der genannten Entschließung). Diese Regelung darf als Fortschritt im Hinblick auf die Erhöhung der Schlagkraft der Verteidigung angesprochen werden. (Berichterstatter: Abgeordneter Erler) V. Versorgung Mit Versorgung ist hier nicht die Versorgung von Soldaten nach ihrem Ausscheiden aus den Streitkräften gemeint, sondern die Versorgung der Streitkräfte mit Waffen, Gerät und sonstigem Bedarf (Logistik). Da auch bei der neuen Organisation Streitkräfte verschiedener Nationalitäten gemischt werden, muß von einer gewissen Ebene an die Versorgung der Streitkräfte von den atlantischen Stäben aus koordiniert und sogar zentralisiert werden. Dabei ist aber ausdrücklich erklärt worden, daß die Verantwortung der nationalen Regierungen für die Bereitstellung und Zuführung der Versorgung ihrer Streitkräfte davon nicht berührt wird. Es soll nur im Einvernehmen mit den nationalen Regierungen im großen Rahmen die sogenannte logistische Unterstützung der Streitkräfte gesichert werden. Mit dieser Einschränkung ist also die Versorgung der Truppe im Frieden eine nationale Aufgabe. Lediglich gewisse Aufwendungen der Nordatlantikvertragorganisation für die gemeinsame Infrastruktur werden aus einem gemeinsamen Haushalt bezahlt, zu dem auch die Bundesrepublik ihren Beitrag zu leisten hätte. Die Höhe der bisherigen gemeinsamen, nicht unmittelbar in den nationalen Haushalten, sondern nur global darin als Beitrag an die Atlantikorganisation geleisteten Beträge konnte bisher noch nicht festgestellt werden. Ober die volkswirtschaftliche Größenordnung, die Auswirkung auf das Preisgefüge, auf die Wirtschaftspolitik und etwaige Engpässe äußert sich nicht der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit. Das ist Aufgabe des Ausschusses für Wirtschaftspolitik. Das Beschaffungswesen soll in der Bundesrepublik Deutschland so organisiert werden, daß eine enge Verbindung zwischen den Dienststellen des Verteidigungsressorts und dem Bundeswirtschaftsministerium gesichert ist. Die Rüstungswirtschaft darf kein Fremdkörper werden. Es sind bereits Leitsätze (siehe Anlage B*) für die Zusammenarbeit zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Verteidigungsressort ausgearbeitet worden, die allerdings noch der Billigung durch das Bundeskabinett bedürfen. Für die Bauprogramme ist selbstverständlich ein Einvernehmen mit dem Wohnungsbauministerium erforderlich. Dem Verteidigungsressort würde die Ausarbeitung der taktisch-technischen Anforderungen obliegen. Dabei sind der neueste Stand der technischen Entwicklung, der Zeitplan der Aufstellung der Streitkräfte und natürlich auch die mögliche Organisation und Ausrüstung des Gegners zu beachten. Dann hat das Bundeswirtschaftsministerium zu prüfen, ob die Produktion der geforderten Waffen und Geräte in der Bundesrepublik nach diesen taktisch-technischen Forderungen überhaupt möglich ist. Es ist nicht an die Errichtung eines besonderen Waffenamtes für diesen Zweck gedacht. Die Beschaffung in den mit dem Bundeswirtschaftsministerium abgesprochenen volkswirtschaftlich vertretbaren Grenzen ist natürlich Sache des Bedarfsträgers, d. h. Sache des Verteidigungsressorts. In den nächsten Jahren werden schwere Waffen, also Artillerie, Flugzeuge und Panzer, in der Bundesrepublik nicht hergestellt werden können. Sie *) Siehe Anlage B Seite 3644B. (Erler) können also in dieser Zeit nur durch Kauf oder durch Schenkung auf dem Wege der Außenhilfe beschafft werden. Um zu prüfen, ob die Streitkräfte materiell gesehen ein wirklich schlagkräftiges Instrument werden können, müssen die voraussichtlich entstehenden Gesamtkosten und die Möglichkeit ihrer Aufbringung nach Zeit und Höhe erörtert werden. Der Bericht des 1. Deutschen Bundestages zum EVGVertrag (Drucksache Nr. 3900 der 1. Wahlperiode) wies auf S. 109 darauf hin, daß die damals vorgesehenen Rüstungsvorhaben 39 Milliarden DM — ohne den jährlichen Unterhaltsaufwand von 7000 bis 9000 DM je Kopf — gekostet hätten. Die Ausschußberatungen jetzt haben ergeben, daß die Veränderung in der Bewaffnung und Ausstattung der Streitkräfte und die Veränderungen im Preisgefüge, soweit sie bisher eingetreten sind oder auch für die nächsten Jahre sich nicht genau voraussehen lassen, eine so genaue Obersicht im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gestatten. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, den Verteidigungsansatz für das Haushaltsjahr 1955 von 9 Milliarden DM zu erhöhen. Sollte das gesamte Sozialprodukt in der Bundesrepublik in den nächsten Jahren weiterhin steigen, so müßte allerdings nach den Grundsätzen der NATO mit Zustimmung der Bundesregierung und des Bundestages auch ein höherer Verteidigungsbeitrag als 9 Milliarden DM in Ansatz gebracht werden. Es ist aber offensichtlich, daß die Ansätze im Haushalt der Bundesrepublik nicht ausreichen, um den einmaligen Aufwand für die Aufstellung der vorgesehenen deutschen Streitkräfte zu decken. Die Lücke muß durch die Außenhilfe geschlossen werden. Allerdings ist zu beachten, daß die Außenhilfe nicht nur in Form von Schenkungen, sondern auch in Form von zinslosen oder verzinslichen Darlehen gegeben werden kann. Die Vereinigten Staaten haben bisher noch kein Verteidigungshilfeabkommen mit der Bundesrepublik getroffen, so daß die Art der Hilfeleistungen und die Bedingungen, unter denen sie gewährt werden, noch näherer Vereinbarung bedürfen. Die sich auf die schweren Waffen und einen Teil des leichteren Materials beziehenden Zusagen der verantwortlichen amerikanischen Staatsmänner sind nicht schriftlich, sondern in den Verhandlungen mündlich abgegeben worden. Danach soll, wie früher schon erklärt wurde, die Bundesrepublik den übrigen NATO-Partnern gleichgestellt werden. Der zahlenmäßige Wert dieser Zusagen ist unter diesen Umständen nicht genau zu bestimmen. Nicht zuletzt wird es vom Umfang der Außenhilfe abhängen, ob der vorgesehene Zeitplan für die Aufstellung westdeutscher Streitkräfte eingehalten werden kann, wenn eine übermäßige Inanspruchnahme der deutschen Leistungskraft vermieden werden soll. Die vom Atlantikrat gegebenen Empfehlungen über die von den einzelnen Mitgliedstaaten aufzubringenden personellen und materiellen Verteidigungsanstrengungen werden nur einstimmig gegeben. Infolgedessen kann eine die Bundesrepublik Deutschland betreffende Empfehlung nicht ohne oder gegen die deutsche Stimme zustande kommen. Der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit erwartet, daß die Bundesregierung im Atlantikrat keinerlei Empfehlungen über materielle oder finanzielle Leistungen der Bundesrepublik zustimmt, bevor sie die zuständigen Ausschüsse des Bundestages gehört hat. Die Bereitstellung von Material für ausgebildete Reservisten zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt ist bisher noch nicht in Aussicht genommen. (Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jaeger) VI. Berichtswesen, Inspektion und Ausbildung Nach Ziffern 11 und 12 der schon früher erwähnten Entschließung zur Durchführung von Abschnitt IV der Schlußakte der Londoner Konferenz vom 22. Oktober 1954 erhält SACEUR die erweiterte Befugnis, Berichte über Umfang und Schlagkraft, Bewaffnung, Ausrüstung und Verbrauchsgüter sowie über Organisation und Stationierung der logistischen Einrichtungen der ihm unterstellten Streitkräfte anzufordern. Er kann in diesem Bereich auch die erforderlichen Inspektionen an Ort und Stelle durchführen. Die Mitgliedstaaten haben ihm die entsprechenden Berichte vorzulegen und die Inspektion zu unterstützen. Die Befugnisse von SACEUR erstrecken sich nicht nur auf die Zusammenfassung der ihm unterstellten Streitkräfte zu einer schlagkräftigen, integrierten Streitmacht, sondern auch auf deren Ausbildung. Er ist befugt, die höhere Ausbildung aller ihm in Friedenszeiten zur Verfügung gestellten Streitkräfte unmittelbar zu leiten und zu überwachen. Er ist bei der Inspektion der Ausbildung der Streitkräfte von den Mitgliedstaaten zu unterstützen (Ziffer 13 der genannten Entschließung). In den Rahmen der Zuständigkeiten von NATO auf dem Gebiet der Ausbildung gehört die Verteidigungsakademie der NATO in Paris, in der in halbjährigen Kursen Offiziere im Range eines Generals oder Obersten zusammen mit Beamten des diplomatischen Dienstes und der höheren Verwaltungslaufbahn sich dem Studium der Verteidigungsprobleme des NATO-Bereiches widmen. VII. Besondere Verpflichtungen Durch den Beitritt zum Nordatlantikvertrag übernimmt die Bundesrepublik naturgemäß auch die Verpflichtungen, die sich aus den seit dem Inkrafttreten des Nordatlantikvertrages in seinem Rahmen zustande gekommenen Abkommen und Beschlüssen sowie aus der inzwischen entwickelten Organisationsform der NATO ergeben. Im einzelnen ergeben sich hieraus folgende Verpflichtungen: Die Bundesrepublik muß 1. der zivilen und militärischen Struktur der NATO und der von dieser geleisteten Arbeit zustimmen, 2. einen Ständigen Vertreter und eine entsprechende Delegation ernennen, 3. bereit sein, dem Generalsekretär der NATO sowie SACEUR geeignete Persönlichkeiten namhaft zu machen, welche die für einen neuen Mitgliedstaat vorgesehenen Stellen besetzen können, 4. sich an der Finanzierung der Organisation und des Infrastrukturprogramms (Militärbauprogramme jeder Art) unter Beachtung des bereits gültigen Verfahrens beteiligen, wobei über die jährlichen deutschen Beiträge noch verhandelt werden muß, 5. bestimmten Abkommen beitreten. Es handelt sich hierbei um folgende Abkommen: a) Abkommen über die Rechtsstellung der Organisation des Nordatlantikvertrages, der Nationalen Vertreter und des Internationalen Stabes, unterzeichnet am 20. September 1951 in Ottawa. (Dr. Jaeger) Das Abkommen regelt die Rechte, Privilegien und Pflichten der Nationalen Vertreter und des Internationalen Stabes sowie die Rechtsstellung der NATO. b) Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Streitkräfte, unterzeichnet am 19. Juni 1951 in London (sog. NATO-Truppenvertrag). Das Abkommen regelt die Rechtsstellung der NATO-Streitkräfte, die einen anderen NATO-Mitgliedstaat durchqueren oder dort stationiert sind, und setzt einen Schadensschlüssel für durch NATO-Streitkräfte hervorgerufene Schäden fest (Art. VIII). Der Beitritt eines neuen Mitgliedstaates unterliegt der Billigung seitens des Nordatlantikrates, der gegebenenfalls weitere Bedingungen hierfür festlegen kann (Art. XVIII). Für die Bundesrepublik wird dieses Abkommen gemäß Art. VIII Abs. 1 Buchstabe (b) des Deutschlandvertrages als Grundlage für die Vereinbarungen dienen, die den bisherigen Truppenvertrag ersetzen sollen. c) Protokoll über die Rechtsstellung der gemäß dem Nordatlantikvertrag gebildeten internationalen Militärischen Hauptquartiere, unterzeichnet am 28. August 1952 in Paris. Das Protokoll regelt die Privilegien der Militärischen Hauptquartiere in bezug auf die Befreiung von Steuern und Zöllen, es setzt gewisse Vorrechte fest und definiert die Rechtsstellung der Hauptquartiere. Auch der Beitritt zu diesem Abkommen unterliegt der Billigung seitens der Nordatlantikrates. Bonn, den 11. Februar 1955 Erler Dr. Jaeger Berichterstatter Anlage B (zu D V) Bonn, den 2. November 1954 Leitsätze für die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und dem Verteidigungsressort — unbeschadet der Zuständigkeiten anderer Ressorts — Die Verantwortung für die gesamte Wirtschaftspolitik trägt das Bundesministerium für Wirtschaft. Um die Deckung des Verteidigungsbedarfs entsprechend den wirtschaftspolitischen Grundsätzen des Bundesministeriums für Wirtschaft zu sichern, wird für die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und dem Verteidigungsressort folgendes festgelegt: 1. Das Bundesministerium für Wirtschaft prüft die wirtschaftliche Durchführbarkeit der vom Verteidigungsressort nach Art, Menge und Zeit aufgestellten Bedarfsprogramme unter Wahrung der allgemeinen wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte und der Grundsätze des Wettbewerbs. Die Beschaffungsprogramme werden von dem Verteidigungsressort im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft aufgestellt. Das gleiche gilt auch für die Bauprogramme. Wird keine Einigung erzielt, entscheidet der Kabinettsausschuß. 2. Das Bundesministerium für Wirtschaft trifft im Zusammenhang mit den jeweiligen Beschaffungsprogrammen die von ihm für erforderlich gehaltenen, im Rahmen seiner allgemeinen Zuständigkeit liegenden Maßnahmen, namentlich auf den Gebieten der Investitionen, der Außenwirtschaft, der Bevorratung, der Kapazitäten, der Anwendung des Sicherstellungsgesetzes, des Energienotgesetzes usw. Maßnahmen auf den Gebieten der Preisbildung und Preisüberwachung obliegen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen dem Bundesministerium für Wirtschaft. 3. Die Typenauswahl und die Bereitstellung der technischen Unterlagen sind Aufgaben des Verteidigungsressorts. In Angelegenheiten mit erheblichen Auswirkungen auf die Produktion, z. B. bei Forschungsvorhaben, Entwicklungsaufträgen und der Festlegung eines Prototyps sowie der Geheimhaltung und Auswertung von Erfindungen ist das Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft herbeizuführen. Die Bildung von Sachverständigengremien für Fragen des Verteidigungsbedarfs erfolgt unter beiderseitiger Beteiligung. 4. Die in Ausführung der Programme (Ziff. 1) vorzunehmende Beschaffung, die Auftragsvergebung, die Vereinbarung der Preise, die Abnahme, die Bezahlung und der Verkauf von Material obliegen einem dem Verteidigungsressort nachgeordneten Beschaffungsamt. Das Beschaffungsamt befaßt sich nicht mit Aufgaben der in Ziff. 3 genannten Art; diese Aufgaben obliegen einem dem Verteidigungsressort nachgeordneten Technischen Amt. Unbeschadet der den für die Preisbildung und Preisüberwachung zuständigen Behörden nach den Vorschriften der Verordnungen PR 30/53 und PR 32/53 obliegenden Prüfungen wird das Verteidigungsressort etwa erforderliche vertragliche Preisprüfungsrechte nur im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft vereinbaren und ausüben. Der Bundesminister für Wirtschaft wird bei seinen Prüfungen Sachverständige des Verteidigungsressorts hinzuziehen. Eine enge Zusammenarbeit wird sichergestellt. 5. Um die notwendige ständige Zusammenarbeit beider Häuser sicherzustellen, wird ein Arbeitsausschuß gebildet. Dem Arbeitsausschuß gehören an: je ein hauptverantwortlicher Vertreter beider Ministerien und je zwei fachliche Berater als ständige Mitglieder. Die Entscheidungen des Arbeitsausschusses, die mit den Stimmen der beiden hauptverantwortlichen Vertreter zustande kommen, sind für beide Häuser und deren nachgeordnete Dienststellen verbindlich. Sie können nur von beiden Häusern einvernehmlich geändert oder aufgehoben werden. Kommt eine Einigung beider Häuser nicht zustande, so entscheidet der Kabinettsausschuß. Dem Arbeitsausschuß sind zur Entscheidung vorzulegen: a) Alle Fragen, in denen das Einvernehmen beider Häuser in den Ziff. 1 bis 4 vorgesehen ist. b) Grundsatzfragen der Beschaffung und des Beschaffungsverfahrens einschließlich Lieferungs- und Zahlungsbedingungen sowie Streuung der Aufträge, Berücksichtigung mittelständischer Betriebe und der Notstandsgebiete. c) Grundsätze der Abnahme. d) Allgemeine Fragen der Bevorratung und des Verkaufs von überschüssigem Material. c) Aufträge von besonderer wirtschaftlicher, wirtschaftspolitischer oder handelspolitischer Bedeutung (die Bestimmung wird nach einer Erfahrungszeit von 6 Monaten näher präzisiert). f) Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverwaltungen der Länder und den Organisationen der gewerblichen Wirtschaft. Der Ausschuß kann Ausnahmen von den von ihm festgelegten Grundsätzen im Einzelfall oder allgemein bewilligen. Jedes Haus kann jederzeit Zweifels- und Streitfragen an den Arbeitsausschuß herantragen. 2. Besonderer Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl (Mehrheitsauffassung) Wenn man in verfassungsrechtlicher Hinsicht das Vertragswerk von 1952, insbesondere, soweit es auf die Schaffung ,der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft abzielte, mit den militärischen Verträgen vergleicht, die in den Drucksachen 1060 und 1061 dem Bundestag zur Zustimmung vorgelegt sind, so hat die Änderung des Grundgesetzes von 1954 die Zweifel über die Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Ratifikationsgesetze mit dem Grundgesetz ausgeräumt: In der Tat ist nun klargestellt, daß der Bund auf dem Gebiet der Landesverteidigung Gesetze erlassen kann, und da die Verträge I einstweilen nur die Verpflichtung begründen, eine nationale Armee aufzustellen bzw. die Ermächtigung zur Aufstellung von Truppen erteilen, brauchen die in der Grundgesetzänderung noch nicht behandelten Fragen, die sich auf die Organisation der Armee beziehen, erst dann gelöst zu werden, wenn der Gesetzgeber darangeht, durch den Erlaß eines Wehrgesetzes die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen bzw. von den erteilten Ermächtigungen Gebrauch zu machen. Im übrigen wird auf die früheren Darlegungen verwiesen, insbesondere auch darüber, daß eine Kriegserklärung schon heute entsprechend unserer Verfassungstradition nur durch Gesetz erfolgen kann, was man aus der Analogie zu Art. 59 ableiten könnte. Bonn, den 11. Februar 1955 Dr. Wahl Berichterstatter Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt (Minderheitsauffassung) Die amtliche Begründung kennzeichnet als Ziel dieser Verträge zutreffend die kollektive Selbstverteidigung — Drucksache 1061 S. 46, 47 und 54 — und stellt richtig fest, daß der Nordatlantikvertrag sich auf Art. 51 der UN-Satzung stützt. Beide Verträge sind also keine Systeme der kollektiven Sicherheit, sondern Militär-Allianzen (Bündnisse). Sie können nicht nach Art. 24 GG, sondern müssen unter den Voraussetzungen und in den Formen des Art. 59 GG abgeschlossen werden. Die Verpflichtung zur Kriegserklärung kann verfassungsrechtlich nicht übernommen werden, weil das Grundgesetz keine Vorschriften über eine Kriegserklärung enthält und sie somit nicht zuläßt. Während die amtliche Begründung zum Nordatlantikvertrage ausführt — Drucksache 1061 Art. 5 S. 55 —, die Mitglieder seien nicht verpflichtet, mit militärischen Mitteln Beistand zu leisten, vielmehr steht es ihnen frei, ob sie ihre Beistandspflicht mit diesen oder mit sonstigen Mitteln erfüllen wollen, hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes — im Widerspruch hierzu — auf Befragen erklärt, daß „nach Treu und Glauben" die Gesamtheit des Vertragswerkes Westdeutschland zur Aufstellung bewaffneter Streitkräfte verpflichte. Rechtlich konnte eine Klarheit in dieser Frage nicht gewonnen werden. Bonn, den 11. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter IV. Entwurf eines Gesetzes betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar - Drucksache 1062 - a) Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) Generalberichterstatter: Abgeordneter Dr. Pfleiderer Inhaltsverzeichnis KAPITEL I Allgemeine Bemerkungen Politische Vorbemerkung Das Junktim Die Legitimation der vertragschließenden Teile Die Rechtsnatur des Abkommens Das Verhältnis des Statuts zu Art. 23 Satz 2 GG „Mit Gesetzeskraft" Die Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland Die Grenzen des Saargebiets Die Saar — kein Staat KAPITEL II Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Abkommens KAPITEL III Der Antrag KAPITEL I Politische Vorbemerkung Die französische Saarpolitik ist seit Kriegsende von dem Bestreben .ausgegangen, das Saargebiet politisch von Deutschland abzutrennen und seine Wirtschaft mit derjenigen Frankreichs zu verbinden. Die Gründe für diese Politik scheinen ebensosehr politischer wie wirtschaftlicher Art gewesen zu sein. Unter anderem hat auf französischer Seite der Wunsch eine Rolle gespielt, ein Gleichgewicht zwischen der deutschen und der französischen Schwerindustrie herzustellen und zu diesem Zweck die Wirtschaftskraft des Saargebiets derjenigen Frankreichs hinzuzufügen. Außerdem sind von französischer Seite Reparationsgesichtspunkte vorgebracht worden, die eine französische Sonderstellung im Saargebiet und einen Eingriff in die Privatrechte daselbst rechtfertigen sollen. Der deutsch-französische Saarstreit ist 1945 in einer ganz anderen Lage entstanden, als sie jetzt durch die Notwendigkeit und Möglichkeit der deutsch-französischen Zusammenarbeit gegeben ist. Die unter damaligen Verhältnissen angestrebte Veränderung des deutschen Gebietsstandes erweist sich heute als unvereinbar mit den Grundsätzen der Westeuropäischen Union, in der Deutschland und Frankreich gemeinsam Gebiet und Freiheit verteidigen sollen. Was die Reparationen anbelangt, so glaubt der Auswärtige Ausschuß, daß solche weder von Gebietsteilen noch von Privatpersonen, sondern nur von Staaten im ganzen 'geschuldet werden. Der Auswärtige Ausschuß ist hinsichtlich des Saargebiets zu der Überzeugung gelangt, daß es wirtschaftlich in lebenswichtiger Weise sowohl mit Deutschland als auch mit Frankreich verbunden ist. Deshalb billigt er das Bestreben der deutschen Außenpolitik, den Lebensinteressen der deutschen Bevölkerung im Saargebiet, dem deutschen Rechtsanspruch in bezug auf das Saargebiet und den berechtigten Interessen, die Frankreich im Saargebiet besitzt, Rechnung zu tragen. Der Auswärtige Ausschuß .ist einhellig der Ansicht, daß die deutsch-französischen Beziehungen für die deutsche Außenpolitik, wie sie auch geführt werden möge, von grundlegender Bedeutung seien; der Ausschuß ist ferner der Ansicht, daß befriedigende und nutzbringende deutsch-französische Beziehungen nicht geschaffen werden könnten ohne eine Regelung der Saarfrage. Der im Saargebiet bis heute bestehende Schwebezustand ist auf die Dauer unerträglich, und die von Frankreich unter Besatzungsrecht geschaffenen Verhältnisse können nicht fortbestehen, ohne die Beziehungen zu Deutschland zu vergiften und die Befriedung Europas zu beeinträchtigen. Es erscheint dem Ausschuß daher unerläßlich, daß die Saarfrage geregelt werde, und zwar durch ein Abkommen zwischen den beteiligten Hauptmächten, der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik. Wenn nun auch die beiden Staaten im letzten Ziel ihrer Saarpolitik noch keine Übereinstimmung erzielt haben, so sollen und wollen sie doch den fortdauernden Streit um der notwendigen Verständigung willen ausschalten. Dies bedeutet, daß eine vorläufige Lösung gefunden werden muß; es bedeutet ferner, daß diese Lösung von den im Saargebiet geschaffenen Tatsachen auszugehen hat, die insofern aber von deutscher Seite nicht als rechtmäßig anerkannt, sondern nur hingenommen werden; es bedeutet schließlich, daß .diese vorläufige Lösung alles vermeiden muß, was die Endlösung vorwegnehmen oder beeinträchtigen könnte. Es entspricht der Lage, die Vorläufigkeit der Lösung, wie es in dem Abkommen über das Statut (Dr. Pfleiderer) der Saar jetzt auch geschehen ist, bis zum Friedensschluß zu begrenzen. Sollte jedoch ein Friedensschluß in angemessener Zeit nicht zustande kommen, besonders etwa deshalb nicht, weil sich die ehemals kriegführenden Staaten in West und Ost nicht einigen können, dann würde dies nach Auffassung des Ausschusses dazu führen müssen, daß die Regeln des allgemeinen Völkerrechts zur Geltung kämen. Der Vertagung der endgültigen Lösung der Saarfrage bis zum Friedensvertrage hat der Ausschuß in der Hoffnung zugestimmt, daß diese endgültige Lösung bis dahin in einer für beide Teile befriedigenden Weise gefunden werden kann. Auf der Moskauer Konferenz von 1947 begründete Frankreich seine Ansprüche mit dem Wunsch, Deutschland eines Teils seines Kriegspotentials zu berauben, und forderte wörtlich: „Die Saar wird der Zuständigkeit des interalliierten Kontrollrats in Berlin entzogen. Sie hört auf, einen Teil des deutschen Staatsgebiets zu bilden." Dieser französischen Forderung auf Ausgliederung des Saargebiets aus der Zuständigkeit des Kontrollrats und aus dem deutschen Staatsgebiet haben die anderen Mächte allerdings nicht zugestimmt. Die zwischen 1947 und 1950 von den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich gegebenen Zusagen, die französischen Ansprüche auf der Friedenskonferenz zu unterstützen, hält der Ausschuß deshalb für überholt. Der Ausschuß war ferner der Ansicht, daß die schwierigen Bedingungen, unter denen eine vorläufige Lösung heute notwendigerweise steht, auf allen Seiten Verständnis für die Gegenseite und für die Besonderheit der Lage verlangen und daß guter Wille und Mäßigung bei Durchführung der vorläufigen Lösung unumgänglich seien. Keine Seite darf ihren Organen erlauben, die schwache Grundlage an Vertrauen zu zerstören, auf der das Abkommen ruht. Die Befriedung des Erdteils hängt weithin von der Lösung der Saarfrage ab. Wenn in diesem Bericht zu dem Saarstatut vom 23. Oktober 1954 Stellung zu nehmen ist, dann wird dies dadurch erheblich erschwert, daß das Statut für sich allein nicht ausreicht, um die Verhältnisse zu beurteilen, die nach seinem Inkrafttreten im Saargebiet herrschen werden. Der Ausschuß begrüßt die deutsch-französischen Abmachungen über die Überwachung der Volksabstimmung und die Stellung des Kommissars, die am 14. Januar in Baden-Baden getroffen wurden. Der Wert des Statuts wird grundlegend von den in Art. XII vorgesehenen französisch-saarländischen und deutsch-französisch-saarländischen Wirtschaftsabmachungen beeinflußt werden, die aber erst nach der Ratifikation des Statuts abgeschlossen werden können. Darüber hinaus fehlen bis zur Stunde eine Reihe saarländischer Gesetze, die zur Durchführung des Abkommens erlassen werden müssen, so das Gesetz zur Änderung der saarländischen Verfassung gemäß Art. VII und die Gesetze, durch die Art. VI verwirklicht werden soll. Der Ausschuß möchte nicht versäumen, im vollenBewußtsein seiner Verantwortung und mit all dem Ernst, den die Sache erfordert, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß jeder Versuch, den versöhnlichen Geist, in dem das Abkommen abgeschlossen worden ist, durch unbefriedigende Durchführungsabkommen oder -gesetze zu beeinträchtigen, auf deutscher Seite die tiefste Enttäuschung und den nachdrücklichsten Widerstand hervorrufen wird. Das Junktim Als die Verträge, die als Vorläufer der am 23. Oktober 1954 in Paris geschlossenen zu gelten haben, nämlich der Generalvertrag vom 26. Mai 1952 und der EVG-Vertrag vom 27. Mai 1952, unterzeichnet wurden, war nicht davon die Rede, daß die Regelung der Saarfrage eine Vorbedingung der Unterzeichnung oder der Ratifizierung bilde. Erst seit Januar 1953 kommt in den Investiturreden der französischen Ministerpräsidenten und in zahlreichen anderen außenpolitischen Verlautbarungen wechselnder französischer Regierungen die Absicht zum Ausdruck, die Ratifikation der europäischen Verträge von der vorherigen Regelung der Saarfrage abhängig zu machen. Als jedoch die beiden genannten Verträge am 30. August 1954 gescheitert waren und die Bundesregierung und die Regierungen der westlichen Welt ihre neue Politik in der Zeit vom 28. September bis zum 3. Oktober 1954 in London festlegten, war von einem Junktim mit der Saarfrage nicht wieder die Rede. In der Londoner Schlußakte vom 3. Oktober 1954 ist die Saarfrage nicht erwähnt. Erst am 7. Oktober gab der französische Ministerpräsident Mendès-France vor der französischen Nationalversammlung wieder die Versicherung ab, daß die Saarfrage zur gleichen Zeit geregelt werden müsse wie die anderen schwebenden europäischen Probleme. Kurz vor der Unterzeichnung der anderen Verträge, die heute dem Bundestag vorliegen, wurde dann von französischer Seite auf Grund eines Kabinettsbeschlusses vom 22. Oktober 1954 das Junktim mit der Saarfrage auch dem deutschen Bundeskanzler gegenüber in aller Form wiederhergestellt. Obwohl rechtliche und sachliche Gründe für ein solches Junktim nicht bestehen, wurde es in den Pariser Verhandlungen doch als politisch unumgänglich hingenommen. Die Mehrheit des Ausschusses ist mit der Bundesregierung der Ansicht, daß der Nachteil, den ein Scheitern der Verträge für die internationale Stellung der Bundesrepublik, für ihre Sicherheit und für die Wiederherstellung der inneren Freiheit sowie für die Lage im Saargebiet selbst mit sich gebracht hätte, größer gewesen wäre als die Unterzeichnung eines Abkommens, auch wenn es die deutschen Wünsche nicht ganz erfüllte. Von der Minderheit des Ausschusses wurde in Abwägung des Für und Wider darauf hingewiesen, daß es aber doch von Bedeutung sei, daß die französische Nationalversammlung idem Saarstatut mit großer Mehrheit zugestimmt habe, daß die Vorteile auf französischer Seite also offenbar größer seien als auf deutscher Seite. Hierfür spreche auch das hartnäckige französische Festhalten am Junktim. Der Ausschuß hat des längeren darüber beraten, was für eine Lage geschaffen würde, wenn die französischen gesetzgebenden Körperschaften nur den Saarvertrag und nicht auch die anderen Verträge ratifizierten, wenn daher für die Bundesrepublik, wenn sie alle Verträge ratifiziere, nur der Saarvertrag Geltung erlange. Der Ausschuß war einhellig der Ansicht, daß der Saarvertrag, der ja die Westeuropäische Union voraussetzt, fur sich allein nicht in Kraft treten könne, sondern daß beim Scheitern der anderen Verträge ein neues Saarabkommen geschlossen werden müßte. Die Legitimation der vertragschließenden Teile Im Hinblick auf die politische Aufgabe, eine vorläufige vertragliche Lösung 'der Saarfrage zu fin- (Dr. Pfleiderer) den, hatte der Ausschuß die völkerrechtliche Legitimation der beiden vertragschließenden Teile zu prüfen. Hierfür standen ihm zwei Gutachten des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, nämlich ein Mehrheits- und ein Minderheits-Gutachten zur Verfügung. Fest steht, daß die Legitimation der Bundesrepublik bzw. der Bundesregierung weder im Inland noch im Ausland einheitlich beurteilt wird. Die Bundesrepublik selbst betrachtet sich als identisch mit dem Deutschen Reich und hält sich für ermächtigt, als Sachwalterin gesamtdeutscher Interessen einen vorläufigen Modus vivendi zu schaffen. Der Ausschuß ist dieser Schlußfolgerung beigetreten. Auch ist durch die Erklärung der New Yorker Außenministerkonferenz vom September 1950, die in die Londoner Schlußakte vom 3. Oktober 1954 übernommen worden ist und der in Paris am 23. Oktober 1954 auch die NATO-Mächte beigetreten sind, nicht nur das politische Interesse der Bundesregierung an Gesamtdeutschland, sondern auch eine Art Treuhänderschaft oder Sachwalterschaft der Bundesregierung für Gesamtdeutschland anerkannt worden. Damit wäre eine Legitimation zum Abschluß eines Abkommens über einen vorläufigen Status gegeben. Inhaltlich muß jedoch die Legitimation der Bundesrepublik in doppelter Weise eingeschränkt werden. Einmal kann sie, da die Bevölkerung in den Gebietsteilen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes an der Willensbildung der Bundesrepublik nicht mitwirken kann, auf deutsches Staatsgebiet und deutsche Staatsangehörige nicht verzichten. Zum anderen ist die Souveränität der Bundesrepublik durch !die in Art. 2 des Deutschlandvertrages den Alliierten in bezug auf Deutschland als Ganzes vorbehaltenen Rechte beschränkt. Da aber in dem Abkommen weder auf deutsches Gebiet noch auf deutsche Staatsangehörige verzichtet wird, kann die Legitimation der Bundesrepublik zum Abschluß eines vorläufigen Modus vivendi nicht bezweifelt werden. Eine besatzungsrechtliche Legitimation ad hoc ist nach Ansicht des Ausschusses ausgeschlossen. Was nun die Legitimation der französischen Regierung zum Abschluß des Abkommens anbelangt, so ist sie vom Ausschuß nicht bezweifelt warden, wobei es dahingestellt bleiben konnte, inwieweit diese Legitimation aus der Stellung der französischen Republik als Besatzungsmacht in Deutschland oder aus ihrer über das Besatzungsrecht hinausgehenden tatsächlichen Machtstellung im Saargebiet herzuleiten sei. Auch Frankreich ist auf Grund des Art. 2 und des Art. 7 Abs. 2 des Deutschlandvertrages vor einem Friedensvertrag nur berechtigt, bei einer vorläufigen Regelung der Saarfrage mitzuwirken. Wegen der Einzelheiten darf auf die in der Anlage beigefügten Auffassungen der Mehrheit und der Minderheit im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht Bezug genommen werden. Die Rechtsnatur des Abkommens An weiteren Rechtsfragen war vorab zu prüfen, ob das Abkommen über das Statut der Saar, das in der Form eines Regierungsabkommens abgeschlossen worden ist, im Hinblick auf Art. 59 GG nicht wesentliche Formmängel aufweise, ob es der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften und der Ratifizierung bedürfe oder überhaupt nicht ratifizierbar sei. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten schloß sich der in dem Mehrheitsbericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht niedergelegten Auffassung an und glaubte, hinsichtlich der Form des Abkommens, hinsichtlich des Erfordernisses der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften und der Ratifikationsbedürftigkeit keine Einwendungen erheben zu müssen. Die Minderheit des Auswärtigen Ausschusses teilt die im Minderheitsgutachten des Rechtsausschusses niedergelegte abweichende Auffassung. Das Verhältnis des Statuts zu Art. 23 Satz 2 GG In Würdigung der in der Minderheitsauffassung des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht dargelegten Gesichtspunkte hat sich der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten auch mit der möglichen Rückwirkung des Statuts auf die Rechte nach Art. 23 Satz 2 GG befaßt. Die Minderheit war der Auffassung, daß diese Bestimmung des Grundgesetzes zusammen mit seiner Präambel eine „Offenhaltungspflicht" der Bundesrepublik festsetze, d. h. eine Rechtspflicht, jedem anderen Teil Deutschlands jederzeit den Beitritt zu ermöglichen; diese Rechtspflicht werde verletzt, wenn, wie es durch das Statut geschehe, dem Saargebiet der Beitritt auch nur zeitweise unmöglich gemacht werde. Die Mehrheit hat sich dem nicht angeschlossen; sie war vielmehr der Auffassung, daß in Art. 23 Satz 2 GG nur zum Ausdruck gebracht sei, daß in anderen Teilen Deutschlands das Grundgesetz in Kraft gesetzt werden müsse, nachdem ein Beitritt erfolgt sei; es sei aber offengelassen, in welcher Form ein solcher Beitritt erfolgen müsse. Abgesehen davon werde aber die erwähnte „Offenhaltungspflicht" zur Zeit hinsichtlich des Saargebiets gar nicht verletzt, da ein Beitritt des Gebiets zur Bundesrepublik vor einer friedensvertraglichen Regelung nicht im Bereich des Möglichen liege. „Mit Gesetzeskraft" Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten empfohlen, in Art. 2 des Entwurfs des Ratifikationsgesetzes die Formulierung „mit Gesetzeskraft" zu streichen. Auch in den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses schienen gerade bei dem Abkommen über das Statut der Saar Gründe für die Streichung zu sprechen, weil hier kein in innerdeutsches Staatsrecht umzuwandelnder Vertragsinhalt vorliege. Der Auswärtige Ausschuß entschloß sich aus diesen Gründen, in Art. 2 des Gesetzentwurfs die Formel „mit Gesetzeskraft" zu streichen. Auf die Begründung im Generalbericht zu Drucksache 1000 wird verwiesen (siehe S. 24). Die Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland Die Bundesrepublik kann zum Abschluß des Abkommens, wie oben ausgeführt, nur unter der Voraussetzung und unter der Einschränkung als legitimiert betrachtet werden, daß sie möglichen Verfügungen des künftigen Gesamtdeutschlands über deutsches Staatsgebiet nicht vorgreift. Dieser Standpunkt ist auch von den Westmächten anerkannt. Nichts von dem, was das Abkommen festsetzt, kann also als Veränderung der deutschfranzösischen Grenzen von 1937 angesehen werden. Somit bleibt das Saargebiet auch nach Abschluß des Abkommens, was es vorher stets gewesen war: ein Teil Deutschlands in den Grenzen von 1937. (Dr. Pfleiderer) Es besteht auch kein Zweifel daran, daß das Saargebiet zu Deutschland in den Grenzen von 1937 gehört, das am 5. Juni 1945 in vier Besatzungszonen aufgeteilt wurde. Das Bestreben der französischen Regierung, das Saargebiet aus ihrer eigenen Besatzungszone herauszulösen und einem Sonderregime zu unterstellen, hat an dieser Zugehörigkeit zu Deutschland in den Grenzen von 1937 nichts geändert. Die vier Mächte haben in ihrer Gesamtheit der Herauslösung des Saargebiets aus der zu ihrem Bereich gehörigen französischen Besatzungszone nie zugestimmt, noch gar eine Veränderung der deutschen Grenzen von 1937 vorgenommen. Nun haben die Bundesrepublik und die französische Republik einen Vertrag geschlossen, um einen Teil der französischen Besatzungszone einem europäischen Kommissar zu unterstellen, der seinerseits der Westeuropäischen Union untersteht, also einer Staatengemeinschaft, die von derjenigen der vier Besatzungsmächte wesentlich verschieden ist. Dies ist juristisch eine höchst bemerkenswerte, aus der politischen Lage zu erklärende Maßnahme, die aber niemals dahin ausgelegt werden kann, als seien die Grenzen Deutschlands endgültig verändert worden und als sei das Saargebiet seiner Zugehörigkeit zu Deutschland beraubt. In den Beratungen des Ausschusses ist darauf hingewiesen worden, daß sich der gesamtdeutsche Vorbehalt nach wie vor, auch nach Unterstellung des Saargebietes unter die treuhänderische Kontrolle der Westeuropäischen Union, auf das Saargebiet erstrecke. Nach Art. 1 des van-der-Goes-van-NatersPlanes sollte das Saargebiet mit der Bildung der Europäischen Gemeinschaft, jedoch unter Vorbehalt des Friedensvertrages, „europäisches Territorium" werden. Wenn nun schon zweifelhaft war, ob diese Bestimmung rechtswirksam werden konnte, so kann auf Grund des vorliegenden Abkommens, in dem eine ähnliche Bestimmung gar nicht mehr enthalten ist, erst recht nicht mehr von einer Abtrennung die Rede sein. Das neue Saarstatut spricht nirgends von einem „europäischen Territorium". Der Ausschuß war deshalb einmütig der Ansicht, daß das Saargebiet auch nach Inkrafttreten des Abkommens Bestandteil Deutschlands in den Grenzen von 1937 bleibe. Der Ausschuß für innere Verwaltung hat darüber hinaus mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß eine besondere Staatsangehörigkeit für die Bewohner des Saargebietes nicht anerkannt werden könne. In den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses ist von der Minderheit die Ansicht vertreten worden, die Bundesregierung habe als Sachwalterin gesamtdeutscher Interessen nicht nur den Gebietsstand zu wahren, sondern auch alles zu unterlassen, was es der künftigen gesamtdeutschen Regierung erschweren könne, das Staatsgebiet unversehrt zu erhalten. Mit dem Zugeständnis eines vorläufigen, von dem Vertragspartner als Europäisierung bezeichneten Sonderstatus sei aber bereits der Tatbestand der Erschwerung gegeben. Die Mehrheit hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen, sie hält die Sorgen. der Minderheit nicht für begründet. Im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist angeregt worden, die deutsche Auffassung über das Staatsgebiet und die Staatsangehörigen an der Saar in dem Zustimmungsgesetz selbst zu verankern und die Zustimmung von der bei der Ratifizierung der französischen Regierung zu notifizierenden Auffassung abhängig zu machen, daß das Statut keine Ausgliederung von Land und Leuten aus dem deutschen Staatsverband mit sich bringe. Die Mehrheit des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht lehnte diese Anregung jedoch ab, um die Ratifikation nicht zu erschweren, war doch auch in der französischen Nationalversammlung die Zustimmung nicht an die Annahme französischer Auslegungen durch die Bundesrepublik geknüpft worden. Die Mehrheit des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Die Grenzen des Saargebiets Im Zusammenhang mit den Grenzen stehen auch die von französischer Seite vorgenommenen einseitigen Veränderungen des Saargebiets. Bei der Herauslösung des Saargebiets aus der französischen Besatzungszone verliefen die Grenzen des Saargebiets gleichlaufend mit denen, die im Vertrag von Versailles festgesetzt worden waren. Am 1. August 1946 bezogen die französischen Behörden die Kreise Saarburg, Wadern und einige Gemeinden des Kreises Birkenfeld in das Saargebiet ein. Dadurch wurde ein breiter, aus saarländischem Gebiet gebildeter Korridor zwischen dem ursprünglichen Saarbecken und Luxemburg geschaffen. Im Jahre 1947 veranlaßten britische und amerikanische Schritte die französischen Behörden, den größten Teil dieses neuen Gebiets wieder zurückzugliedern, doch nahmen die Franzosen dafür in den Kreisen Birkenfeld und Kusel wieder andere Gemeinden in Anspruch. Die letzte Grenzänderung fand im März 1949 statt, als die Gemeinde Kirberg in das Saargebiet einbezogen wurde. Das Saargebiet von April 1949 war somit durch die Eingliederung von 103 Gemeinden um ein Drittel größer geworden, als dasjenige des Versailler Vertrages gewesen war. Die Grenzen des Saargebiets, wie sie seit 1949 bestehen, werden durch das vorliegende Statut nicht geändert. Die Saar — kein Staat Der Ausschuß hat unter Verwertung der Stellungnahme des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen auch geprüft, ob das Saargebiet durch das Statut Staatscharakter erhalte. Diese Frage ist unabhängig von der Frage der Zugehörigkeit des Saargebietes zu Deutschland. Wo Bestrebungen im Gange seien, das Saargebiet nach und nach in die Stellung eines zweiten Luxemburg zu bringen, hätten diese schon in den vergangenen Jahren auf der internationalen Ebene keine Unterstützung gefunden. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten verband dann in folgender Weise seine eigene Stellungnahme mit derjenigen des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen: Dem Saargebiet fehlen die wesentlichen Merkmale eines selbständigen Staatswesens. Wir haben es beim Saargebiet vielmehr mit einer teilweise autonomen Gebietseinheit eigener Art zu tun, nämlich einer Gebietseinheit mit eingeschränkter innerer Autonomie, die nach außen hin nicht als handlungsfähiges Rechtssubjekt in Erscheinung treten kann. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hob in seinen Beratungen dann noch besonders (Dr. Pfleiderer) hervor, daß nichts stärker die Staatlichkeit des Saargebiets verneine als sein nach dem Statut vorläufiger Charakter. Man könne nicht von einem Staatswesen sprechen, wenn sein Dasein nicht nur politisch, sondern auch juristisch unter einer auflösenden Bedingung stehe. KAPITEL II Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Abkommens Artikel I Art. I wirft vor allem drei Fragen auf: a) Er kündigt die Absicht an, dem Saargebiet im Rahmen der Westeuropäischen Union ein europäisches Statut zu geben. Die Bedeutung dieses Ausdruckes ist viel erörtert worden, um so mehr, als das Wort „europäisch" heute unbestimmter ist als je. Das Statut verdient das Beiwort „europäisch" nur insofern, als es in den Rahmen der Westeuropäischen Union gestellt ist und der Rat dieser Union einen Kommissar bestellt, der ihm verantwortlich ist. Das Statut ist jedoch nicht in dem Sinne europäisch, daß, wie nach dem van-der-Goes-van-Naters-Plan, ein „europäisches Territorium" geschaffen würde. b) Art. I enthält auch die sehr wesentliche Bestimmung, daß das Statut einer Volksabstimmung unterliegt. Der Ausschuß war einhellig der Ansicht, daß es an sich unerwünscht sei, einem Teil des Staatsvolkes das Recht zu geben, über eine Frage abzustimmen, die in gleicher Weise das Volk im ganzen angehe. Noch unerwünschter wäre es aber gewesen, wenn eine Volksabstimmung nur über das vorläufige Statut, nicht aber über die endgültige Lösung vereinbart worden wäre, weil dann die Volksabstimmung über das vorläufige Statut die Endlösung möglicherweise präjudiziert hätte. Da aber eine Volksabstimmung auch über die im Friedensvertrag zu treffende Endlösung vereinbart worden ist, wogen die Bedenken gegen die erste Volksabstimmung nicht mehr so schwer. Für die Bewertung der ersten Volksabstimmung, die das vorläufige Statut billigen oder verwerfen soll, ist es außerdem bedeutsam, daß sie sich nicht auf ein Begehren des Saargebiets, sondern auf ein Abkommen bezieht, das von der Bundesrepublik geschlossen worden ist. Die Volksabstimmung stellt somit nur eine qualifizierte Form der innerstaatlichen Zustimmung zu einem völkerrechtlichen Akt dar, die sonst den gesetzgebenden Körperschaften obliegt und die freilich besser einem von der Saarbevölkerung frei gewählten Landtag überlassen worden wäre. c) Was nun die Auslegung des in Art. I eingeführten Begriffs „in Frage stellen" anbelangt, so hat sie der Ausschuß mit besonderer Sorgfalt geprüft. Er hat dabei die Worte der Präambel: „in dem Bestreben, jeden Anlaß zu Streitigkeiten in den gegenseitigen Beziehungen zu beseitigen", herangezogen. Aus diesen Stellen geht die Absicht der beiden vertragschließenden Teile hervor, durch das Statut jeden Anlaß zu Streitigkeiten aus der Welt zu schaffen, und zwar für eine gewisse Dauer, bis eine Endlösung möglich ist. Die Entscheidung über die Zukunft des Saargebiets soll bis zum Friedensvertrag vertagt werden. Die mit der Annahme des Statuts getroffene Entscheidung soll während seiner Laufzeit nicht mehr „in Frage gestellt" werden können. Wenn heute das Saarabkommen abgeschlossen wird, so soll verhindert werden, daß die vertragschließenden Teile morgen den Kampf um seine Beseitigung beginnen. Hierzu sagt der dem Auswärtigen Ausschuß erstattete Bericht des Ausschusses für innere Verwaltung, die Formulierung „nicht mehr in Frage stellen" bedeute, daß die Gültigkeit des Statuts nicht bezweifelt und daß keine einseitige Abänderung vorgenommen oder gefordert werden dürfe. Dagegen könne im Falle der Nichtbewährung des Statuts von den beteiligten Parteien dessen Verbesserung angestrebt werden. Artikel II Art. II enthält allgemeine Bestimmungen über die Stellung und die Aufgaben des zukünftigen Europäischen Kommissars. a) Der Kommissar nimmt die Vertretung der Interessen des Saargebiets auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung wahr. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten sieht in seiner Mehrheit in der Übertragung dieser bisher von der französischen Regierung wahrgenommenen Aufgaben auf einen Kommissar, an dessen Ernennung die Bundesregierung ebenso beteiligt ist wie die französische Regierung und der dem Rat der Westeuropäischen Union verantwortlich ist, einen grundlegenden Wandel im Saargebiet und in diesem Wandel einen der wesentlichen Gründe für seine Zustimmung zum Statut. b) Die Aufgaben des Kommissars sind von zweierlei Art: Einerseits nimmt der Kommissar die Saarinteressen auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung wahr, andererseits überwacht er die Beachtung des Statuts. Der Ausschuß hält es für notwendig, daß der Europäische Kommissar zur Erfüllung seiner Aufgabe, die Durchführung des Statuts zu überwachen, Ersuchen an die Saarregierung richten kann, denen diese entsprechen muß. Im Bedarfsfalle muß es dem Kommissar auch möglich sein, sich mit einem Ersuchen unmittelbar an untere Behörden zu wenden. Bei der Überwachung des Statuts muß der Kommissar nach Ansicht des Ausschusses seine Hauptaufmerksamkeit auf zwei Gebiete richten: 1. auf die Bestimmungen über die Menschenrechte und Grundfreiheiten und 2. auf die Wirtschaftsbeziehungen des Saargebiets zu anderen Gebieten. Von der Handhabung dieser beiden Teile des Statuts wird es wesentlich abhängen, ob der erhoffte Erfolg — die Befriedung innerhalb des Saargebiets — eintritt. Die Ermächtigung des Kommissars, die Durchführung der Art. XI und XII zu überwachen, erwächst nach Ansicht des Ausschusses nicht nur aus der allgemeinen Überwachungsaufgabe nach Art. II, sondern stärker noch aus der Pflicht zur „Vertretung der Saarinteressen in auswärtigen Angelegenheiten", deren wesentlicher Teil für die Saar gerade auf wirtschaftlichem Gebiet liegt. Die Ermächtigung des Kommissars erstreckt sich demnach auf die Beziehungen zwischen dem Saargebiet, der Bundesrepublik, Frankreich und dritten Ländern. (Dr. Pfleiderer) d) Der Europäische Kommissar wird von dem Rat der Westeuropäischen Union mit einer Mehrheit ernannt, bei der sich die Stimmen sowohl der Bundesrepublik als auch Frankreichs befinden müssen. Die Zustimmung der Saarregierung ist ebenfalls erforderlich. Angesichts der Natur des Amtes und seiner Aufgaben mißt der Ausschuß der Wahl einer geeigneten, unabhängigen Persönlichkeit für diesen Posten die größte Bedeutung bei. Der Kommissar ist dem Rat der Westeuropäischen Union verantwortlich. Dadurch, daß seine Berichte an 'die Versammlung der Westeuropäischen Union weitergeleitet werden, ist auch eine Art parlamentarische Kontrolle gesichert. Der Kommissar legt dem Rat nicht nur einen jährlichen Rechenschaftsbericht vor, sondern hat dem Rat auf Ersuchen über besondere Fragen Bericht zu erstatten. Der Rat führt die Entscheidungen, zu deren Ausführung der Kommissar auf Grund seiner Unterstellung verpflichtet ist, durch Mehrheitsbeschluß herbei. Die Einführung von Mehrheitsbeschlüssen ist in diesem Zusammenhang begrüßenswert. Jede andere Regelung wäre geeignet gewesen, die Kontrollfunktion des Rates lahmzulegen. e) In Art. X des geänderten Brüsseler Vertrages ist vorgesehen, daß alle rechtlichen Streitfälle zwischen den Unterzeichnermächten durch internationale Gerichtsbarkeit entschieden werden sollen, welche vom Internationalen Gerichtshof im Haag oder einem besonderen, neu zu schaffenden Gericht innerhalb der Westeuropäischen Union ausgeübt wird. Artikel III In Art. III einigen sich die Bundesrepublik Deutschland und die französische Republik über gemeinsame Vorschläge, die sie machen werden, um die Wahrnehmung der Interessen des Saargebietes in den Ministerräten und parlamentarischen Versammlungen der europäischen Zusammenschlüsse zu regeln. Art. III lehnt sich an die Bestimmungen der Ziff. 7 des van-der-Goes-vanNaters-Planes an. Ausgangspunkt ist der Grundsatz, daß das Saargebiet als Nicht-Staat nicht unmittelbar in Ministerräten vertreten sein könne, die nur Vollmitgliedern offenstehen. Wohl aber könnten Abgeordnete aus dem Saargebiet Sitz und Stimme in Versammlungen haben, die entweder keine oder nur begrenzte Vollmachten besitzen. Der Europäische Kommissar vertritt deshalb im Ministerausschuß des Europarats und im Rat der Westeuropäischen Union die Interessen des Saargebiets mit beratender Stimme. Für den Besonderen Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist eine Ausnahme vorgesehen insofern, als bei Tagungen von Fachministern nicht, wie bei Tagungen von Außenministern, der Europäische Kommissar das Saargebiet vertritt, sondern der zuständige Fachminister, und zwar mit vollem Stimmrecht. Diese Bestimmung, die über Ziff. 7 des van-der-Goes-van-NatersPlanes hinausgeht, wurde offensichtlich getroffen, um der lebenswichtigen Bedeutung der Kohle- und Stahlwirtschaft für das Saargebiet gerecht zu werden. In der Beratenden Versammlung des Europarats tritt für die Abgeordneten des Saargebiets keine Änderung ein, während in der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorgesehen ist, nunmehr drei Abgeordnete aus dem Saargebiet zuzulassen. Die Versammlung der Westeuropäischen Union soll die saarländischen Abgeordneten der Beratenden Versammlung mitumfassen. Unter politischen Gesichtspunkten bringt die Regelung für die Gemeinsame Versammlung der Montangemeinschaft insofern eine Neuerung mit sich, als die saarländischen Vertreter, die bisher in der Zahl der französischen Vertreter enthalten waren, nunmehr für sich selbst gerechnet werden. Die französische Vertretung wird trotz des Ausscheidens der drei Stimmen der Abgeordneten aus dem Saargebiet mit ihren 18 Stimmen den Vertretungen der Bundesrepublik und Italien gleich bleiben. Es ergibt sich freilich die Notwendigkeit, sowohl den Vertrag über die Gründung der Montangemeinschaft als auch den Brüsseler Vertrag zu ändern, um einem nicht als Mitgliedstaat anzusprechenden Gebiet die Entsendung von Vertretern zu gestatten. Artikel IV Aus Art. IV ergibt sich, daß die Teilnahme des Saargebiets an der europäischen Verteidigung erst später, und zwar durch einen im Rahmen der Westeuropäischen Union zu schließenden Vertrag, festgelegt wird. Am Zustandekommen dieses Vertrags wird die Bundesrepublik beteiligt sein. Alle damit zusammenhängenden Fragen stehen somit noch offen, insbesondere auch die Frage, in welcher Form das Saargebiet seinen Wehrbeitrag leisten soll. Den Ausschuß interessierte die Frage, ob Frankreich weiterhin die Verteidigung des Saargebiets wahrnehmen wird, wie dies in Art. 9 des allgemeinen Vertrags zwischen Frankreich und dem Saarland vom 20. Mai 1953 vorgesehen ist. Diese Frage ist zu verneinen. Art. II des Statuts bestimmt, daß der Europäische Kommissar die Interessen des Saargebiets auf dem Gebiet der Verteidigung wahrnimmt, und Art. V sieht eine enge Zusammenarbeit zwischen ihm und SACEUR vor. Aus diesen Bestimmungen folgt, daß Frankreich keine Sonderstellung in bezug auf die Verteidigung des Saargebiets einnehmen soll. Der Ausschuß hat auch geprüft, ob bis zum Inkrafttreten des nach Art. IV im Rahmen der Westeuropäischen Union abzuschließenden Vertrags weiterhin französische Truppen im Saargebiet stationiert bleiben können. Da es gemäß Art. V des Statuts neben den Zuständigkeiten des Europäischen Kommissars nur Zuständigkeiten der Saarorganegibt, hat der Ausschuß dies einhellig verneint. Artikel V Die Formulierung des Art. V gleicht der von Ziff. 11 des van-der-Goes-van-Naters-Planes. Der Artikel spricht eine Kompetenzvermutung zugunsten der Regierung und der Behörden des Saargebiets aus. Was die Zuständigkeit des Kommissars auf wirtschaftlichem Gebiet anbelangt, wird auf die Ausführungen dieses Berichts zu Art. II verwiesen. Artikel VI a) Art. VI Abs. 1 geht von dem Grundsatz aus, daß die politischen Freiheiten an der Saar wiederhergestellt werden. Die Formulierung: „Die politischen Parteien, die Vereine, die Zeitungen und die (Dr. Pfleiderer) öffentlichen Versammlungen werden einer Genehmigung nicht unterworfen" entspricht dem Art. 16 des van-der-Goes-van-Naters-Plans. Die im Frühjahr 1954 in London und Paris im Rahmen des Allgemeinen Ausschusses des Europarates über diese Bestimmung geführten Erörterungen spitzten sich auf die Frage zu, ab trotzdem Parteien noch aus politischen Gründen verboten werden könnten. Die Erörterungen führten zur Annahme einer Bestimmung, die den Art. 16 ides van-der-Goes-vanNaters-Plans näher erläutert. Sie lautet: „Der Art. 16 soll so angewendet werden, daß sichergestellt wird, daß die politischen Parteien einer Genehmigung nicht unterworfen werden und daß sie aus politischen Gründen weder verboten noch suspendiert werden dürfen, es sei denn, daß sie danach trachten, die politischen Freiheiten zu zerstören oder das Statut durch undemokratische Mittel zu ändern." Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat in seiner dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vorgelegten ersten Entschließung diese vom Allgemeinen Ausschuß des Europarates beschlossene Auslegung des Art. 16 des Naters-Plans herangezogen und folgende Entschließung beantragt: „Der Deutsche Bundestag betrachtet jede Anwendung und Auslegung des Art. VI des Statuts, die nicht sicherstellt, daß die politischen Parteien, die Vereine und die Presse keiner Genehmigung mehr unterworfen sein werden und weder vor noch nach dem in Art. I vorgesehenen Referendum aus politischen Gründen verboten oder suspendiert werden können, es sei denn, daß sie darauf ausgehen, die politischen Freiheiten zu zerstören oder das Statut durch undemokratische Mittel zu ändern, als unvereinbar mit dem provisorischen Charakter dieses Statuts, dem Statut des Europarats und der Konvention des Europarats zur Wahrung der Menschenrechte." Dem Auswärtigen Ausschuß scheint es selbstverständlich, daß die Freiheit der Parteien, die durch die Aufhebung des Genehmigungszwangs wiederhergestellt wird, nicht erneut beeinträchtigt werden darf. b) Der Ausschuß hat sich eingehend mit der Frage befaßt, wie die Bestimmungen des Art. VI Abs. 2 auszulegen seien. Soll es Einzelpersonen und Parteien im Saargebiet verboten sein, sich schon während der Laufzeit Ides Statuts für eine 'bestimmte endgültige Regelung der Saarfrage im Friedensvertrag einzusetzen? Die Begründung der Bundesregierung verneint diese Frage. Tatsächlich wäre es mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar, wenn man eine entscheidende Frage wie die, welches das endgültige Schicksal des Saargebiets sein soll, aus der öffentlichen Erörterung im Saargebiet verbannen wollte. Legt man die Bestimmung anders aus, so würde das politische Leben an der Saar erneut in eine unerträgliche Zwangsjacke gepreßt, was nur zu weiterer Beunruhigung Anlaß geben könnte. Daß die Bevölkerung des Saargebiets ein Recht darauf hat, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, ergibt sich auch schon aus der Tatsache, daß gemäß Art. IX Bestimmungen des Friedensvertrags, die die Saar betreffen, der Billigung der Saarbevölkerung in freier Volksabstimmung unterliegen. In diesem Zusammenhang begrüßt es der Ausschuß, daß mittlerweile zwischen der deutschen und der französischen Regierung vereinbart worden ist, daß sich der europäische Kommissar bei Erfüllung seiner Aufgaben von der Konvention zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten leiten lassen wird. Hierbei wird der Kommissar zu beachten haben, daß es zu den Grundfreiheiten der Saarbevölkerung gehört, während der Dauer des Statuts frei und ungehindert die ihr im Friedensvertrag erwünschte Lösung zu erörtern, dies um so mehr, als das Statut vorläufig ist und die im Friedensvertrag zu treffende Lösung von ihrem Willen abhängt. c) Der Ausschuß begrüßt es ferner als eine zusätzliche Sicherung, daß mittlerweile zwischen der Bundesrepublik und Frankreich abgesprochen worden ist, daß Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen im Saargebiet, die sich durch eine Entscheidung des Kommissars 'in ihren Grundrechten und demokratischen Freiheiten verletzt fühlen, gegen diese Entscheidung eine unabhängige gerichtliche Instanz anrufen können. Das im Abs. 3 des Art. VI ausgesprochene Verbot der Einmischung gilt selbstverständlich gleichermaßen für Frankreich wie für die Bundesrepublik. Die Lage zwischen den beiden Nachbarn des Saargebiets ist allerdings insofern verschieden, als auf Grund der engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Saargebiet die Möglichkeiten einer unkontrollierbaren französischen Beeinflussung sehr viel größer sind. Artikel VII Der Artikel setzt die Verpflichtung fest, die die Annahme des Statuts durch Volksabstimmung für die Saarregierung nach sich zieht: a) Die Saarregierung muß die Bestimmungen des Statuts innehalten. b) Sie muß dafür sorgen, daß die durch die Annahme des Statuts notwendig gewordenen Änderungen an der Saarverfassung vorgenommen werden. Nach der einmütigen Auffassung des Ausschusses, die vom Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen geteilt wird, zielt diese Bestimmung in erster Linie auf die Präambel der Saarverfassung*), die der durch das Statut geschaffenen neuen Lage nicht entspricht. Insbesondere darf in der Saarverfassung eine Formulierung des Inhalts, daß das Saargebiet politisch vom Deutschen Reich unabhängig . sei, nicht mehr erscheinen. Des weiteren müßten nach Ansicht des beteiligten Ausschusses auch die dem Statut widersprechenden Bestimmungen des 1. Abschnitts des II. Hauptteils der Saarverfassung*) geändert werden. Es ist von besonderer Bedeutung, daß es dem Kommissar obliegen würde, die Durchführung dieser Änderungen zu überwachen. Der Ausschuß hat es bedauert, daß die Frist zwischen Volksabstimmung und Landtagswahlen nur ungenau bestimmt worden ist. Die loyale Durchführung des Abkommens erfordert, den bisher nicht zugelassenen Parteien an der Saar die ohnehin kurze Zeitspanne von drei Monaten voll zu gewähren, damit sie sich auf die Wahlen vorbereiten können. Artikel VIII Die Garantie des Statuts, die die Bundesrepublik und Frankreich nach Art. VIII geben sollen, er- *) siehe S. 3653 B. (Dr. Pfleiderer) gibt sich aus dem Sinn des Abkommens, an die Stelle des offenen Saarstreits eine bis zum Abschluß eines Friedensvertrages befristete vorläufige Lösung treten zu lassen. Aus dem Wortlaut ergibt sich allerdings auch die juristisch seltsame Lage, daß die Unterzeichner des Abkommens gleichzeitig „in eigener Sache" als Garantiemächte auftreten. Zur Bekräftigung sollen die Vereinigten Staaten und Großbritannien ebenfalls die Einhaltung des Statuts bis zu einem Friedensvertrag gewährleisten. Artikel IX Über die Bedeutung und die Tragweite des Art. IX haben im Ausschuß eingehende Erörterungen stattgefunden. Die hier vorgesehene zweite Volksabstimmung sichert, daß der die Verhältnisse des Saargebiets betreffende Teil der Friedensregelung in keinem Falle gegen den Willen der Saarbevölkerung verwirklicht werden kann. Artikel X a) Wer ist befugt, den Beginn der dreimonatigen Frist festzulegen, während derer die erste Volksabstimmung vorbereitet wird? Diese Frage hat den Ausschuß lange beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt müssen die in Art. VI Abs. 1 genannten Freiheiten hergestellt sein. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß das Vorliegen dieser Bedingungen verbindlich nur von der neutralen Kommission festgestellt werden kann, die nach der Übereinkunft der beiden Regierungen die Volksabstimmung zu überwachen hat. Dieser Kommission wird es obliegen, festzustellen, ob die in Art. VI Abs. 1 geforderte Befreiung der Parteien und Vereine, der Presse und Versammlungen vom Zulassungszwang verwirklicht ist. Zu diesem Zwecke ist — wie der Auswärtige Ausschuß nach dementsprechender Unterrichtung durch die Bundesregierung mit Befriedigung feststellt — mit der französischen Regierung abgesprochen warden, daß es der neutralen Kommission obliegt, den Zeitpunkt zubestimmen, an dem nach den Bestimmungen des Art. X die dreimonatige Frist zu laufen beginnt. Die Kommission muß ferner die Einhaltung der Regeln überwachen, die bei international vereinbarten Volksabstimmungen gebräuchlich sind. Um ihre Aufgaben durchführen zu können, ist sie befugt, Ersuchen an die Saarregierung zu richten, denen diese zu entsprechen hat. Auch dies ist mit der französischen Regierung abgesprochen worden. b) Der Ausschuß stellte fest, daß die Zeitspanne von drei Monaten zur Vorbereitung der Volksabstimmung sehr kurz bemessen ist. In der Aussprache wurde daran erinnert, daß es im Allgemeinen Ausschuß des Europarats im Frühjahr 1953 lebhaft bezweifelt worden sei, ob eine Vorbereitungszeit von sechs Monaten nicht unzumutbar sei und ob nicht statt dessen eine solche von einem Jahr gewährt werden müsse. Der Ausschuß mißt deshalb bei der Kürze der nun festgelegten Zeit dem Grundsatz gerechter „Startbedingungen" für alle Parteien aus demokratischen Gründen erhöhte Bedeutung bei. Wie der Ausschuß mit Befriedigung feststellte, soil die Kommission — wie gleichfalls mit der französischen Regierung abgesprochen werden ist — darüber wachen, daß alle Parteien gleiche Rechte und Einwirkungsmöglichkeiten, insbesondere auf dem Gebiet des Presse-, Rundfunk-, Fernseh- und Versammlungswesens,erhalten. c) In der Frage der Abstimmungsberechtigung lag dem Ausschuß eine Stellungnahme des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen vor, in der eine Zulassung der sog. „Graukärtler", Auszug aus der Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 Präambel Das Volk an der Saar, berufen, nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches sein Gemeinschaftsleben kulturell, politisch, wirtschaftlich und sozial neu zu gestalten, durchdrungen von der Erkenntnis, daß sein Bestand und seine Entwicklung durch die organische Einordnung des Saarlandes in den Wirtschaftsbereich der französischen Republik gesichert werden können, vertrauend auf ein internationales Statut, das die Grundlage für sein Eigenleben und seinen Wiederaufstieg festlegen wird, gründet seine Zukunft auf den wirtschaftlichen Anschluß des Saarlandes an die französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit mit ihr, die einschließen: die politische Unabhängigkeit des Saarlandes vom Deutschen Reich, die Landesverteidigung und die Vertretung der saarländischen Interessen im Ausland durch die französische Republik, die Anwendung der französischen Zoll- und Währungsgesetze im Saarland, die Bestellung eines Vertreters der Regierung der französischen Republik mit Verordnungsrecht zur Sicherstellung der Zoll- und Währungseinheit und einer Aufsichtsbefugnis, um die Beobachtung des Statuts zu garantieren, eine Organisation des Justizwesens, die die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Rahmen des Statuts gewährleistet. Der Landtag des Saarlandes, vom Volke frei gewählt, hat daher, um diesem Willen verpflichtenden Ausdruck zu verleihen und — nach Überwindung eines Systems, das die menschliche Persönlichkeit entwürdigte und versklavte — Freiheit, Menschlichkeit, Recht und Moral als Grundlage des neuen Staates zu verankern, dessen Sendung es sei, Brücke zur Verständigung der Völker zu bilden und in Ehrfurcht vor Gott dem Frieden der Welt zu dienen, die folgende Verfassung beschlossen: II. Hauptteil Ordnung und Aufgaben der öffentlichen Gewalt 1. Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen Artikel 60. Das Saarland ist ein autonom, demokratisch und sozial geordnetes Land und wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen. Artikel 61. Die Fahne des Landes besteht aus einem weißen Kreuz auf blaurotem Grund. Das Nähere darüber, sowie über das Landeswappen, bestimmt ein Gesetz. Artikel 62. Die oberste Gewalt geht vom Saarvolk aus. Das Volk übt sie durch die von ihm gewählten Vertreter und gemäß Artikel 101 durch Volksentscheid aus. Artikel 63. Die aus dem Einbau der Saar in den französischen Wirtschaftsbereich und in das französische Zoll- und Währungssystem sich ergebenden Bindungen, gegenwärtige und zukünftige Abmachungen und die Regeln des Völkerrechts sind Bestandteile des Landesrechts und genießen den Vorrang vor innerstaatlichem Recht. Artikel 64. Die verfassungsmäßige Trennung der gesetzgebenden, rechtsprechenden und vollziehenden Gewalt ist unantastbar. (Dr. Pfleiderer) d. h. derjenigen Bewohner des Saargebiets, die nicht den Saarpaß erhalten haben, der Ausgewiesenen und der an der Heimkehr Verhinderten gefordert wird. In ähnlichem Sinne äußerte sich der Ausschuß für innere Verwaltung in seiner zweiten Entschließung. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hält diese Forderung für berechtigt, und zwar nicht nur für die Volksabstimmung, sondern ebensosehr für die nachfolgenden Landtagswahlen. d) Der Ausschuß für innere Verwaltung hat in seiner zweiten Entschließung ferner eine Reihe von Bedingungen aufgestellt, die erfüllt sein müßten, ehe die in Art. X genannte Vorbereitungsfrist für die Volksabstimmung zu laufen beginnen könne. Die Frist, so heißt es in der Entschließung, könne nicht beginnen, solange 1. im französischen Staatshaushalt für politische Zwecke im Saargebiet vorgesehene Mittel weiter verwendet werden könnten, 2. der Vertreter Frankreichs und die ihm nachgeordneten politischen Beamten im Saargebiet, die französische Polizei und die französischen Truppen das Gebiet nicht verlassen und französische Bürger im Staatsdienst ihr Amt nicht niedergelegt hätten, 3. nicht allen im Saargebiet vertretenen politischen Parteien und Gruppen Rundfunk- und Fernsehsender gleichmäßig zur Verfügung gestellt würden, 4. nicht unter „von außen kommende Einmischung" auch die Unterstützung von Parteien, Vereinen und Verlagen durch nichtsaarländische Unternehmen im Saargebiet verstanden werde, 5. nicht sichergestellt sei, daß weder vor noch nach dem in Art. I vorgesehenen Referendum Mittel der öffentlichen Haushalte des Saargebietes für Propagandazwecke verwandt würden, 6. nicht alle Ausweisungen aus politischen Gründen aufgehoben worden seien, 7. nicht die Tätigkeit der politischen Polizei der jetzigen Saarregierung eingestellt worden sei. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ist zu der Schlußfolgerung gelangt, daß es Aufgabe der vorgesehenen neutralen Kommission und später des Kommissars sei, dafür zu sorgen, daß unzulässige Einflußmöglichkeiten ausgeschlossen würden. Artikel XI und XII Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat bei der Erörterung der wirtschaftlichen Bestimmungen des Saarstatuts dem nachstehend in seinen wesentlichen Teilen wiedergegebenen Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik — erstattet von Abg. Dr. Hellwig — besondere Beachtung geschenkt: „1. Wie das ganze Vertragswerk sind auch die die wirtschaftlichen Beziehungen regelnden Bestimmungen sehr kurz und elastisch gefaßt. Von den übrigen Bestimmungen unterscheiden sich die wirtschaftlichen aber insofern, als sie von vornherein als Rahmenbestimmungen gedacht sind, die ihre Konkretisierung noch durch besondere Abmachungen erhalten sollen (Art. XII A und D). Ein Urteil über die bisher vorliegenden Rahmenbestimmungen kann daher nur allgemeiner Natur sein, solange nicht das Ergebnis weiterer Abmachungen vorliegt. 2. Es war von Anfang an eine grundsätzliche deutsche Forderung, daß für die Bundesrepublik im Saargebiet zumindest die gleichen Rechte auf wirtschaftlichem Gebiet eingeräumt werden müßten, wie sie für Frankreich bestehen. Nur unter der Voraussetzung der Entwicklung eines gemeinsamen Marktes zwischen dem Saargebiet und der Bundesrepublik glaubte man deutscherseits die vertragliche Bestätigung der Bestimmungen einer französisch-saarländischen Konvention über einen gemeinsamen Markt zwischen Frankreich und dem Saargebiet vertreten und damit die bisherige ablehnende Haltung gegenüber den einseitigen Bindungen und Privilegien in den französisch-saarländischen Konventionen aufgeben zu können. 3. Eine weitere deutsche Forderung betraf die Aufhebung der diskriminierenden Behandlung, der deutsches Vermögen im Saargebiet seit 1945/46 unterliegt. 4. Es war nicht zuletzt auch ein Ziel der deutschen Politik, die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Saargebiets und der Saarbevölkerung zu erreichen, ein Ziel, das durchaus nicht mit den beiden vorgenannten in Widerspruch steht. An Hand des vorliegenden Abkommenstextes und des dazugehörenden Briefwechsels hatte der Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu prüfen, ob und inwieweit in der angedeuteten Richtung den deutschen Forderungen und Zielen Rechnung getragen wurde. 5. In dem Art. XI bringen die Bundesregierung und die französische Regierung ihren Willen zum Ausdruck, „gemeinsam alle Anstrengungen zu machen, die notwendig sind, um der saarländischen Wirtschaft Entwicklungsmöglichkeiten im weitesten Umfange zu geben". Dieser Artikel kann nur verstanden werden, wenn geprüft wird, welche Umstände bisher für die weitere Entwicklung der saarländischen Wirtschaft nachteilig waren. Sämtliche über die saarländische Wirtschaftslage zur Verfügung stehenden Unterlagen lassen erkennen, daß folgende Umstände als besonders nachteilig empfunden werden: a) Mangel an Investitionskapital und daher Rückstand in der Investitionstätigkeit und Wettbewerbsfähigkeit; b) einseitige Bindung hinsichtlich der Güterversorgung an die französische Einfuhrpolitik, mangelnde Bewegungsmöglichkeit für die Befriedigung des Importbedarfs der Saarwirtschaft, besonders von der Bundesrepublik her; c) Ausschaltung bestimmter auf den Export nach den benachbarten Absatzgebieten in der Bundesrepublik eingerichteter Wirtschaftszweige von einem erleichterten Zugang zu diesen Absatzgebieten. Für Kohle, Eisen und Stahl ist dieses Problem des unbehinderten Absatzes in die Bundesrepublik durch die Herstellung des Gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl im wesentlichen gelöst worden mit dem bemerkenswerten Ergebnis, daß von der saarländischen Kohlen-, Eisen- und Stahlproduktion in der letzten Zeit nahezu rund ein Drittel bereits in die Bundesrepublik geht. Art. XI des Saarabkommens kann im Hinblick auf diese Lage der Saarwirtschaft nur so interpretiert werden, wie es auch die Bundesregierung getan hat: nämlich in dem Sinne, daß auf der Grundlage der deutsch- (Dr. Pfleiderer) französischen Zusammenarbeit zur inneren Festigung der Saarwirtschaft durch Investitionen, Verbesserung der Außenhandelslage, besonders im Verkehr mit der Bundesrepublik, und ähnliche Maßnahmen beigetragen werden solle. Dieser Artikel bildet eine Norm für die Durchführung der wirtschaftlichen Bestimmungen des Abkommens. 6. Nach dem Vertragstext Art. XII A sollen die Grundsätze, auf denen die französischsaarländische Wirtschaftsunion gegenwärtig beruht, in ein zwischen Frankreich und der Saar abzuschließendes Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit aufgenommen werden. Die Durchführung der Bestimmungen des Art. XI und des Art. XII B bedeutet jedoch eine Änderung des bestehenden Zustandes. 7. Die Frage der Regelung der künftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet ist weiterhin wesentlicher Gegenstand des Art. XII, wobei „das Ziel" erreicht werden soll, „gleichartige Beziehungen zu schaffen, wie sie zwischen Frankreich und dem Saargebiet bestehen". Dabei handelt es sich bei dem angestrebten Ziel nicht um eine restlose Gleichstellung, denn im Text heißt es, man wolle „gleichartige Beziehungen" („relations semblables") schaffen. Das Ziel ist etappenweise zu erreichen, und zwar in „Blickrichtung" auf die ständige Ausweitung „der deutsch-französischen" und „europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit". „Die fortschreitende Erweiterung" der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet darf weder die französisch-saarländische Währungsunion noch die Durchführung der französisch-saarländischen Konventionen in „Gefahr bringen" ; besonders darf auch die Errichtung einer Zollgrenze zwischen Frankreich und dem Saargebiet nicht notwendig werden. Es ist allerdings durchaus möglich, daß die Einfuhr von Waren aus dem Bundesgebiet nach dem Saargebiet entsprechend dem Bedarf des Saargebiets kontingentsmäßig festgelegt wird, eine Technik, die bei dem deutsch-französischen Saar-Zollabkommen der Jahre 1926 bis 1935 angewandt wurde. Schließlich darf gemäß Art. XII D durch die neu abzuschließenden Abkommen über die Erweiterung des Wirtschaftsverkehrs zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet (Verhandlungspartner sind Frankreich, die Bundesrepublik und das Saargebiet) auch nicht die Zahlungsbilanz zwischen dem Frankengebiet und der Bundesrepublik „schwer beeinträchtigt" werden. 8. In der weiten Auslegungsfähigkeit liegt eine nicht zu verkennende Gefahr dieser Schutzklauseln des Vertrages. Wann sind die Währungsunion oder die Konventionen als gefährdet zu betrachten? Wann ist die Zahlungsbilanz „schwer beeinträchtigt", und wer befindet darüber? Auf diese Fragen gibt der Vertragstext keine eindeutige Antwort. 9. Zu der Herstellung „gleichartiger Beziehungen" zur Bundesrepublik gehört auch die Zulassung von Banken und Versicherungen. Dieses Problem ist nicht ausdrücklich im Vertrag selbst geregelt, sondern in dem Briefwechsel zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem französischen Ministerpräsidenten aufgegriffen. Es gehört in der Tat zu dem Komplex, der unter den Begriff „gleichartige Beziehungen" fällt, so daß man sich insofern auch auf den Vertrag stützen kann. In dem Briefwechsel wurde von französischer Seite in Aussicht gestellt: 1. „Daß die für die Zulassung von Banken zuständigen französischen Behörden die Anweisung erhalten werden, etwaige Anträge der deutschen Banken in einem Geiste der Zusammenarbeit zu prüfen". 2. Die französische Regierung werde sich mit der saarländischen Regierung mit dem Ziele ins Benehmen setzen, „daß diese etwaige Anträge deutscher Versicherungsgesellschaften ebenfalls in einem Geiste der Zusammenarbeit prüft". Man wird deutscherseits unter den „gleichartigen Beziehungen", wie sie gegenüber der Bundesrepublik hergestellt werden sollen, auch die grundsätzliche Aufhebung aller diskriminierenden Bestimmungen gegenüber dem Niederlassungs- und Betätigungsrecht deutscher Unternehmungen im Saargebiet zu verstehen haben. Jede Abweichung von den für französische Unternehmungen bestehenden Freiheiten würde als Diskriminierung und im Widerspruch zu dem Ziel der ,,gleichartigen Beziehungen" zur Bundesrepublik aufgefaßt werden müssen. 10. Über das deutsche Wirtschaftsvermögen im Saargebiet wird im Vertrag außer über die Verwaltung der Saargruben nichts gesagt. In dem dem Abkommen beigefügten Briefwechsel ist dieses Problem aufgeworfen worden. In diesem Briefwechsel wurde in Aussicht gestellt: 1. Die Sequesterverwaltungen im Saargebiet sollen „vor der Volksabstimmung über das europäische Statut der Saar aufgehoben werden". 2. Was die Saarbergwerke betrifft, so wird die Saarregierung gemeinsam mit den Vertretern der französischen Regierung folgende Maßnahmen treffen: a) „Die Personalangelegenheiten und sozialen Fragen werden stets einer dem Vorstand der Saarbergwerke angehörenden saarländischen Persönlichkeit anvertraut werden." b) „Es werden alle in Betracht kommenden Maßnahmen getroffen werden, um den Anteil der Saarländer an dem mit Verwaltungs- und technischen Aufgaben befaßten Personenkreis auf allen Stufen der organisatorischen Gliederung der Saarbergwerke zu steigern. Diese Maßnahmen werden im Rahmen der von der französischen Regierung verfolgten Politik getroffen, dem Saargebiet fortschreitend die volle Verantwortung für die Gruben auf allen Gebieten zu überlassen." Mit der Aufhebung der Sequesterverwaltungen allein wird der vielgestaltige Bereich von Zwangsmaßnahmen gegenüber dem deutschen Vermögen im Saargebiet noch nicht geregelt. Der Ausschuß vertritt in Übereinstimmung mit der Bundesregierung die Meinung, daß die Aufhebung der diskriminierenden Eingriffe in das deutsche Vermögen im Saargebiet im Zuge der Herstellung „gleichartiger Beziehungen" nach Art. XII B erfolgen muß und in den vorgesehenen Verhandlungen angestrebt werden sollte. 11. Das Saarabkommen sieht einen Zusatzvertrag zwischen den beteiligten Regierungen über die Regelung der Vertretung des Saargebiets im (Dr. Pfleiderer) Ministerrat (Art. III b 1) und in der Gemeinsamen Versammlung (Art. III b 2) der Montan-Gemeinschaft vor. Nicht erwähnt ist im Saarabkommen eine etwaige Beteiligung des Saargebiets in der Hohen Behörde, im Beratenden Ausschuß und im Hohen Gerichtshof. Hier interessiert naturgemäß die Frage der Gewichtsverteilung innerhalb der Montangemeinschaft. Die Zuerkennung von je 18 Sitzen an die Bundesrepublik und Frankreich wurde im Montanvertrag Art. 21 damit begründet, daß die Vertreter der Saarbevölkerung in der Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten eingerechnet sind. Frankreich hat sich stets auf den Standpunkt gestellt, daß ein Gleichgewicht zwischen der Bundesrepublik und Frankreich gesichert werden müsse. Durch die Realisierung des Art. III B, der die Erhöhung der von Frankreich entsandten Abgeordneten auf 18 sowie 3 gesondert entsandte saarländische Abgeordnete für die Gemeinsame Versammlung vorsieht, kann dieses Gleichgewicht zugunsten Frankreichs in Frage gestellt werden." Soweit der Bericht ides Ausschusses für Wirtschaftspolitik. Der Auswärtige Ausschuß hat sich ferner die Auffassung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu eigen gemacht, die folgendermaßen lautet: „Der in den Art. XI und XII ides Saarstatuts niedergelegte Anspruch gibt die Möglichkeit, zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet gleichartige Beziehungen zu erreichen, wie sie auf Grund des französisch-saarländischen Abkommens über wirtschaftliche Zusammenarbeit eintreten werden. Es besteht auch eine deutsche Verpflichtung gegenüber der Saarbevölkerung, sie in der Rückgewinnung ihrer wirtschaftlichen Freiheit zu unterstützen." Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat es besonders begrüßt, daß die wirtschaftlichen Bestimmungen des Saarstatuts trotz ihrer Mängel und Lücken zwei zeitgemäßen Grundgedanken zu dienen versuchen: 1. der deutsch-französischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und 2. dem wirtschaftlichen Wohlergehen des Saargebietes selbst. Die mit der Saarfrage gestellten wirtschaftlichen Aufgaben könnten in der Tat nicht gelöst werden, wenn jeder der beiden Vertragspartner, die Bundesrepublik Deutschland und die französische Republik, nur seine eigenen Interessen im Auge hätte. Diese sollten daher auch in den kommenden Verhandlungen dem Gedanken der deutschfranzösischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit untergeordnet werden. Gelingt es, auf diesem Gebiete eine Verständigung zu erreichen, so ist damit ein wichtiger Beitrag zur deutsch-französischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit im ganzen geleistet. Art. XII hat recht, wenn er fordert, daß in dieser Blickrichtung die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet ausgestaltet werden sollen. Wichtig ist ferner, daß die wirtschaftlichen Bestimmungen des Saarstatuts nach Art. XI in erster Linie die wirtschaftliche Entwicklung des Saargebiets selbst fördern sollen. Für das Saargebiet handelt es sich bei der Festlegung seines künftigen wirtschaftlichen Status und seiner Verknüpfung mit der deutschen und der französischen Wirtschaft um eine Lebensfrage, d. h. um sehr viel mehr, als es sich bei den Beziehungen zum Saargebiet für Frankreich und die Bundesrepublik handelt. Der Auswärtige Ausschuß legt Wert auf die Feststellung, daß für die Bundesrepublik in allen wirtschaftlichen Fragen das Interesse des Saargebiets in erster Linie maßgebend war. Der Auswärtige Ausschuß glaubt, ebenso wie es der Ausschuß für Wirtschaftspolitik in seiner Stellungnahme zum Ausdruck gebracht hat, daß die Art. XI und XII des Saarstatuts die Möglichkeit eröffnen, zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet gleichartige wirtschaftliche Beziehungen herzustellen, wie sie zwischen Frankreich und dem Saargebiet bestehen und wie sie bereits im van-der-Goes-van-Naters-Plan ausdrücklich vorgesehen waren. Der Ausschuß erwartet von den kommenden Verhandlungen, daß diese gleichartigen Beziehungen auch tatsächlich auf allen Gebieten — mit der alleinigen Ausnahme des in Art. XII ausdrücklich erwähnten Währungsgebiets — hergestellt werden. Der Auswärtige Ausschuß ist ferner der Ansicht, daß es im Sinne der wirtschaftlichen Bestimmungen des Saarstatutus, insbesondere des Art. XI liegt, die gleichartigen Beziehungen zwar schrittweise, aber doch so schnell wie möglich herzustellen. Das nach Art. XII D abzuschließende dreiseitige Abkommen zwischen der Bundesrepublik, Frankreich und dem Saargebiet sollte hierüber Klarheit schaffen. Der Ausschuß verkennt nicht die Gefahren, die einige in Art. XII enthaltene Vorbehalte in sich bergen, wenn sie nicht im Geiste der Zusammenarbeit und nach dem wirtschaftlichen Interesse des Saargebiets gehandhabt werden. Der Ausschuß hält es daher für wichtig, daß die Vorbehalte in dem dreiseitigen Abkommen so gefaßt werden, daß sie den oben erwähnten beiden Grundgedanken entsprechen, denen die wirtschaftlichen Bestimmungen des Statuts zu dienen versuchen. Mit der Durchführung der Art. XI und XII wird im Verhältnis der Bundesrepublik zum Saargebiet eine Wirtschaftsbeziehung eigener Art entstehen, die möglicherweise eine besondere Entschließung des GATT und des Europäischen Wirtschaftsrats erforderlich machen wird. Zur Neuregelung des Verhältnisses der Bundesrepublik zum Saargebiet gehört ferner die Beendigung der Sequestermaßnahmen, die noch vor dem Volksentscheid erfolgen soll. Mit der im Briefwechsel zum Saarabkommen vereinbarten Aufhebung der Sequesterverwaltungen allein wird freilich der vielgestaltige Bereich von Zwangsmaßnahmen gegenüber dem deutschen Vermögen im Saargebiet noch nicht geregelt. Offen bleiben insbesondere folgende wichtige Punkte: 1. Die nach deutscher Auffassung unrechtmäßigen Reparationsmaßnahmen des französischen Staates gegen saarländische Industrieunternehmen. 2. Die französischen Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmungen, die durch politischen, wirtschaftlichen oder finanziellen Druck oder auf Grund der Reparationsforderungen geschaffen worden sind. 3. Die Enteignung der Geschäftsorganisation der deutschen Banken im Saargebiet durch diskriminierende Behandlung bei der Währungsumstellung: Reichsmark — Saarmark — Franken. (Dr. Pfleiderer) 4. Die Enteignung der deutschen Versicherungsunternehmungen im Saargebiet durch Zwangsübertragung ihres Geschäftsbestandes und Vermögens im Saargebiet auf französische Gesellschaften. 5. Die Regelung des ehemaligen Reichsvermögens, insbesondere des Eigentums des Reichs an den Saargruben. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat im zweiten Teil seiner Stellungnahme auf die deutsche Verpflichtung gegenüber der Saarbevölkerung, sie bei der Rückgewinnung ihrer wirtschaftlichen Freiheit zu unterstützen, hingewiesen. Das französischsaarländische Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit, mit dem gemäß Art. XII A des Statuts ,die bisherigen Konventionen über eine französisch-saarländische Wirtschaftsunion abgelöst werden, wird jedoch den Art. V, XI, XII B und E Rechnung tragen müssen. Insbesondere müßten nach Art. V auch die Zoll- und Devisenbehörden saarländische Behörden sein. Das neue französischsaarländische Verhältnis wird sich also von dem bisherigen in wesentlichen Punkten unterscheiden müssen. Hierbei kommt es vor allem darauf an, daß dem Saargebiet ein Höchstmaß an Selbstverwaltung einschließlich der entsprechenden gesetzgeberischen Maßnahmen eingeräumt wird; daß die bisherigen Elemente der wirtschaftspolitischen Unterordnung und Bevormundung durch eine saarländische Mitwirkung an den gemeinsam im Verhältnis Frankreich-Saargebiet zu regelnden Angelegenheiten ersetzt werden; und daß die französisch-saarländischen Vereinbarungen — mit Ausnahme der Währungsfrage — nichts enthalten, was mit dem Grundsatz der Herstellung gleichartiger Beziehung zwischen dem Saargebiet und der Bundesrepublik im Widerspruch stehen würde. Demnach muß bei dem neuen französisch-saarländischen Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit hinsichtlich der Grubenfrage darauf geachtet werden, daß nach Art. XII E das :Saargebiet „für die Verwaltung sämtlicher Kohlenvorkommen der Saar einschließlich des Warndt sowie der von den Saarbergwerken verwalteten Grubenanlagen" Sorge trägt. Besondere Bedeutung mißt der Ausschuß der Bestimmung bei, die klarstellt, daß auch die Verwaltung der umstrittenen Kohlevorkommen im Warndt Sache des Saargebiets ist, handelt es sich hierbei doch um eine Frage, die für die wirtschaftliche Zukunft des 'Saargebiets von entscheidender Bedeutung ist. Alle das Verhältnis Frankreich—Saargebiet betreffenden Fragen werden zwar nach Art. XII A zwischen dem Saargebiet und Frankreich verhandelt. Hierzu ist jedoch ein Doppeltes zu sagen: 1. Zu auswärtigen Verhandlungen, die auf Grund des Statuts geführt werden müssen, ist nach Art. II Abs. 1 Satz 1 des Statuts nur der Kommissar zuständig. Verträge, die durch andere Organe abgeschlossen werden, können keine Gültigkeit erlangen und keine Rechtskraft gegen Dritte erzeugen. Gerade die auswärtigen Wirtschaftsbeziehungen des Saargebiets werden einen wesentlichen, wenn nicht gar den wichtigsten Teil der Saarinteressen auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten bilden, die der Kommissar wahrzunehmen hat. 2. Die Bundesrepublik hat als Partner des Saarstatuts einen eigenen Anspruch darauf, daß das Ergebnis dieser Verhandlungen den einschlägigen Bestimmungen des Saarstatuts entspricht. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß das Verhältnis Frankreich-Saargebiet und das Verhältnis Bundesrepublik-Saargebiet nur in gleichzeitigen Verhandlungen befriedigend geregelt werden kann. Soll doch nach dem Wortlaut des Art. XII A des Statuts das französisch-saarländische Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit den Bestimmungen des Art. XII B, die sich mit den deutschsaarländischen Beziehungen befassen, Rechnung tragen. Der Ausschuß sieht nicht, wie in einem französischsaarländischen Abkommen dem Grundsatz der Herstellung gleichartiger Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet Rechnung getragen werden kann, wenn über diese Beziehungen nicht durch gleichzeitige Verhandlungen Klarheit geschaffen wird. Auch die Bestimmung des Art. XII, daß die deutsch-saarländischen wirtschaftlichen Beziehungen die Durchführung des Abkommens über die französischsaarländische Zusammenarbeit nicht in Gefahr bringen sollen, spricht dafür, diese beiden Verhältnisse von vornherein aufeinander abzustimmen. Artikel XIII Der Ausschuß hat sich zu dieser Frage nicht geäußert, da über sie noch Verhandlungen zwischen den sechs in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zusammengeschlossenen Regierungen stattfinden müßten. Artikel XIV Die Bestimmungen des Art. XIV ziehen die Schlußfolgerung aus der Tatsache, daß das Statut in den Rahmen der Westeuropäischen Union gestellt ist und ohne deren Bestehen nicht verwirklicht werden kann. KAPITEL III Der Antrag Das Abkommen über das Statut der Saar ist nicht vollkommen. Die Mehrheit des Ausschusses war jedoch trotz großer Bedenken der Ansicht, daß dieses Abkommen für die deutsch-französischen Beziehungen und für die Deutschen im Saargebiet angesichts der bestehenden allgemeinen politischen Situation besser sei als kein Abkommen. Der Wert des Abkommens wird aber letztlich von der Art und Weise seiner Durchführung bestimmt werden. Insofern ist die Zustimmung zu dem Abkommen ein Wagnis. Die Mehrheit des Ausschusses war der Ansicht, daß man, um ,aus der Sackgasse der Saarfrage herauszukommen, dieses Wagnis auf sich nehmen müsse im Vertrauen auf die fortschreitende deutsch-französische und europäische Zusammenarbeit. Die Lücken und Mängel des Abkommens haben den anderen beteiligten Ausschüssen und auch zahlreichen Mitgliedern des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten den Wunsch nahegelegt, ihre Auffassungen, sei es in Ergänzungen zum Ratifikationsgesetz, sei es in Entschließungen niederzulegen und diese dem Hohen Hause zur Annahme zu empfehlen. Die Tatsache jedoch, daß das Abkommen über das Statut der Saar in der Bundesrepublik und in Frankreich nur mühsam den Weg in die völkerrechtliche und politische Wirklichkeit findet, hat die (Dr. Pfleiderer) Mehrheit des Ausschusses veranlaßt, grundsätzlich alle Änderungs- und Entschließungsanträge abzulehnen, wie berechtigt diese im Einzelfall auch gewesen wären. Das betrifft auch zwei Anträge*), die die Minderheit des Ausschusses auf Ergänzung des Ratifikationsgesetzes gestellt hat. Im Gegensatz zu den anderen Verträgen, die bereits eine dauernde Wirklichkeit schaffen, ist das Statut der Saar vorläufig. In der Hoffnung, daß dieses vorläufige Statut den Deutschen im Saargebiet den Weg zu einem dauernden Frieden bereiten möge, empfiehlt der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten dem Hohen Hause, dem Gesetz betreffend das am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnete Abkommen über das Statut der Saar zuzustimmen. Bonn, den 17. Februar 1955 Dr. Pfleiderer Generalberichterstatter b) Besonderer Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl (Mehrheitsauffassung) A. 1. Das Saarabkommen führte im Rechtsausschuß zunächst wiegen seiner äußeren Aufmachung als Regierungsabkommen zu lebhaften Auseinandersetzungen. In seiner Mehrheit stellte sich der Rechtsausschuß jedoch auf den Standpunkt, daß im modernen internationalen Verkehr die äußeren Formen des Staatsvertrages weder für eine Verpflichtung der beteiligten Staaten wesentlich sind, noch die Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Ratifikation durch den Gesetzgeber, noch für die Transformation seines Inhalts in innerstaatliches Recht BI bilden. Die allgemeine Zeitströmung führt von dem Formalismus weg, auch im internationalen Verkehr gibt es Staatsverträge, die z. B. nur in einem Briefwechsel niedergelegt sind. Nachdem der Regierungsvertreter erklärt hat, die Ratifikationsurkunde solle auch für das Saarabkommen hinterlegt werden, bleibt zudem hier dem Herrn Bundespräsidenten der entscheidende Akt zur völkerrechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik vorbehalten. Das Zustimmungserfordernis hängt also allein von dem Inhalt der Vereinbarung ab. Deswegen wurde von der Mehrheit die gesetzliche Zustimmung zum Saarabkommen für erforderlich gehalten, da dieses Abkommen die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik betrifft. Ferner war die Mehrheit der Ansicht, daß es auch auf die Worte „mit Gesetzeskraft" in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes nicht ankommt, und hat deshalb ihre Streichung vorgeschlagen. Dabei wurde aber durch Erklärungen zur Abstimmung klargestellt, daß die Gründe, aus denen die Worte „mit Gesetzeskraft" gestrichen wurden, bei den einzelnen Mitgliedern des Rechtsausschusses verschieden waren. Ein Teil hielt gerade beim Saarvertrag die Worte „mit Gesetzeskraft" für entbehrlich, weil hier kein trans- *) 1. Nach Artikel I wird der folgende neue Artikel I a eingefügt: „Artikel I a Das Abkommen ändert nichts daran, daß die Deutschen an der Saar ein Teil des deutschen Staatsvolkes sind und daß der Geltungsbereich des durch das Abkommen errichteten Statuts ein Teil des deutschen Staatsgebietes ist." formierbarer Vertragsinhalt vorliege, andere glaubten, dieser Zusatz sei überhaupt überflüssig, zumal er in der Weimarer Zeit in allen Zustimmungsgesetzen zu internationalen Abmachungen gefehlt habe. 2. Bezüglich der Ratifizierbarkeit des Saarabkommens wurde weiter der Einwand erhoben, es liege in Wahrheit gar keine Einigung der Regierungschefs über die Saar vor, da die französische und ideutsche Auffassung, wie die amtlichen Dokumente in Bonn und Paris auswiesen, von so verschiedenen Auffassungen über den Sinn des Vereinbarten ausgingen, daß die für jeden Vertrag notwendige Willensübereinstimmung nicht festgestellt werden könne: vielmehr liege ein dissensus vor. Diese Auffassung teilt die Mehrheit des Rechtsausschusses nicht. Die nachstehend erwähnte Äußerung von Mendès-France in der französischen Kammer zeigt, daß der französische Ministerpräsident völlig mit der deutschen Auffassung darin übereinstimmt, daß erst der Friedensvertrag und die damit verbundene Volksabstimmung über das endgültige Schicksal der Saar entscheiden kann. Deswegen ist die Regelung des Saarabkommens provisorisch und deswegen ist, da dem Friedensvertrag die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands vorbehalten ist, auch ein endgültiger Verzicht auf die deutschen Grenzen nicht erklärt. 3. Die gleichen Gesichtspunkte wurden noch einmal unter der Fragestellung erörtert, ob die Bundesregierung zum Abschluß des Saarabkommens nach dem Grundgesetz überhaupt legitimiert sei. Man war sich darüber einig, daß in der Tat, trotz der Identität der Bundesrepublik mit dem alten Deutschen Reich ihre Kompetenzen in gesamtdeutschen Fragen beschränkt sind, weil in den faktisch abgetrennten Gebietsteilen die deutsche Bevölkerung an der demokratischen Willensbildung innerhalb der Bundesrepublik nicht mitwirken kann. Deswegen kann die Bundesrepublik auf .deutsches Staatsgebiet nicht verzichten. Daß dies in dem Ver- 2. Nach Artikel I a wird der folgende neue Artikel I b eingefügt: „Artikel I b Artikel VI Abs. 2 Ides Abkommens bedeutet, daß nach Billigung des Statuts die Konvention über die Grundfreiheiten und Menschenrechte an der Saar durchzuführen ist, insbesondere also die Saarbevölkerung das Recht hat, sich frei über den Zeitpunkt und den Inhalt des Friedensvertrages auszusprechen." (Dr. Wahl) tragswerk ausdrücklich anerkannt ist, hat der Rechtsausschuß mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. Ebensowenig ist ihr aber auch ein Verzicht auf deutsche Staatsangehörige möglich. Um ihre gesamtdeutsche Mission zu erfüllen, kann sie aber provisorische Maßnahmen ergreifen, besonders dann, wenn damit eine Verbesserung der als rechtswidrig bekämpften faktischen Zustände erreicht wird. Damit mündet aber auch diese Erwägung in die nunmehr zu treffende Feststellung ein, daß eine Besserung der deutschen Situation an der Saar durch das Abkommen erreicht wird. B. Was nun den Inhalt des Saarabkommens angeht, so stellt es hinreichend klar, daß das Statut provisorischen Charakter hat, keinen Verzicht auf die deutschen Grenzen umschließt (vergleiche oben), aber auch keinen Verzicht auf die deutschen Staatsangehörigen des Saargebiets enthält und im übrigen nur auf die faktische Hinnahme des Saarregimes ohne seine rechtliche Anerkennung hinausläuft. Um diesen Begriff gingen schon im Jahre 1952 die Erörterungen, und ich schrieb 'damals, was noch heute gilt: „Es ist zuzugeben, daß für den mit dem völkerrechtlichen Denken nicht Vertrauten eine Unterscheidung zwischen tatsächlicher Hinnahme und rechtlicher Anerkennung nicht leicht zu vollziehen ist. Aber es handelt sich hier um eine für das Verständnis der Verträge grundlegende Figur. Die Aufgabe der Bundesregierung war es, das Besatzungsstatut abzulösen. In vielen Fällen konnte dies nur in der Weise geschehen, daß die Alliierten an den durch ihre Politik in den letzten Jahren geschaffenen Tatbeständen festhielten und die Bundesregierung auf die Aufgabe beschränkt war, wenigstens eine Milderung ihres bisherigen Standpunktes zu vereinbaren. Daß damit die hingenommenen Tatbestände nicht als rechtmäßig im vollen Sinne anerkannt werden, liegt auf der Hand. Es mußte aber die Spannung zwischen Recht únd Wirklichkeit wenigstens abgeschwächt werden. Im internationalen Recht ist das Rechtsschutzsystem nicht voll ausgebaut. Völkerrechtswidrigkeiten werden deshalb häufig als Fakten hingenommen, weil es an der Instanz fehlt, die das verbotene Faktum annullieren könnte. Dies ist der Kern der De-facto-Doktrin, die sich auch hier auswirkt." Das bei dem Deutschlandvertrag erörterte Argument, es entstehe im Geltungsbereich des Grundgesetzes ein neuer Teilstaat, kehrte bei der Erörterung des Saarstatuts in der Weise wieder, daß man eine Ausgliederung des Saargebiets aus Deutschland befürchtet. Was oben für die Wiedervereinigungsfrage dargelegt wurde, gilt hier entsprechend. Man kann nicht uno actu das, was seit 1945 im Saargebiet geschehen ist, wegwischen, sondern man muß, genau wie es für die Bundesrepublik im Geltungsbereich des Grundgesetzes selbst geschehen ist, die deutsche Position schrittweise zu verbessern suchen. Zu dieser Politik gibt das Grundgesetz die rechtliche Möglichkeit, da nicht anzunehmen ist, daß seine Verfasser bei der Aufstellung des gesamtdeutschen Programms die Bundesregierung so beschränken wollten, daß sie nur den endgültigen Vollzug der gesamtdeutschen Mission der Bundesrepublik vornehmen dürfte. Damit erledigt sich auch der Einwand, daß das Saarstatut gegen das aus Art. 23 GG wohl zu folgernde Recht des Saargebiets, dem Grundgesetz beizutreten, verstoße. In der Tat ist vorläufig dies Recht nicht durchgesetzt. Aber nur dieser Umweg über das Saarstatut hat zum ersten Mal den Weg dazu eröffnet. Wenn Mendès-France auf die Frage des französischen Abgeordneten Liautey erklärte, daß, wenn die Saarbevölkerung bei der im Art. 7 vorgesehenen Volksabstimmung sich einfach für die Rückkehr der Saar zu Deutschland ausspreche, dann die Volksabstimmung sich gegenüber dem Friedensvertrag durchsetze, so ist damit seit 1945 zum ersten Mal eine vertragliche Grundlage für eine deutsche Politik an der Saar geschaffen. Mit der Grenzfrage hängt aufs engste die der Staatsangehörigkeit der Saarbevölkerung zusammen. Da auf die Grenzen nicht verzichtet ist, behalten die deutschen Bewohner der Saar die deutsche Staatsangehörigkeit, und zwar nicht nur die, die sie im Jahre 1945 schon besaßen, sondern auch diejenigen, die sie durch die Geburt von deutschen Eltern nach dem ius sanguinis, das schon immer das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht beherrschte, erworben haben. Das entspricht der bisherigen deutschen Staatspraxis, und es ist nicht einzusehen, wieso ihr durch das Saarabkommen die Grundlage entzogen sein sollte. Den Rechtsausschuß beschäftigte auch die Frage, ob die zuzulassenden Parteien an der Saar zwischen Inkrafttreten des Saarstatuts und dem Friedensvertrag schon die im Friedensvertrag zu findende Lösung des Saarproblems erörtern könnten. Dies wurde bejaht und als allein dem Vertragsinhalt entsprechend angesehen. Die wirtschaftlichen Lösungen haben den Rechtsausschuß am wenigsten befriedigt. Die Bundesregierung hat vor den versammelten Ausschüssen des Bundestages, die die Verträge zu prüfen haben, über die Verhandlungen in Baden-Baden berichtet, die auf den Ausbau eines Rechtsschutzes für die in dem Saarabkommen gewährten Freiheitsrechte gerichtet waren. Liegt auch zur Zeit. noch kein Zusatztext zu dem Saarabkommen vor, so hat doch der Rechtsausschuß von dem Verhandlungsergebnis mit Befriedigung Kenntnis genommen. C. Es war angeregt worden, die dargelegten wichtigen Auslegungsergebnisse über Staatsgebiet und Staatsangehörige an der Saar in dem Zustimmungsgesetz selbst zu verankern, indem die Zustimmung davon abhängig gemacht werden sollte, daß das Saarstatut wirklich keine Ausgliederung von Land und Leuten der Saar aus dem deutschen Staatsverband darstelle. Die Mehrheit widersetzte sich diesem Verlangen, weil die französische Nationalversammlung ihrerseits den entsprechenden Vorschlag des französischen Auswärtigen Ausschusses, die Zustimmung an den Vorbehalt der französischen Interpretation des Abkommens zu knüpfen, fallen ließ. Der französische Ministerpräsident Mendès-France hatte alle Zusatzanträge durch die Androhung der Demission (Vertrauensfrage) verhindert. Nur das Amendement Palewski, das praktisch ein Junktim des Saarabkommens mit den übrigen Verträgen herstellte, wurde aufrechterhalten, und zu allen Verträgen in der Nationalversammlung gemeinsam die Zustimmung erteilt. Gerade diese Tatsache macht nach der Mehrheitsauffassung einen entsprechenden Vorbehalt überflüssig, weil in dem Deutschlandvertrag, der auch die französische Unterschrift trägt, die Grenzregelung (Dr. Wahl) dem Friedensvertrag vorbehalten ist. Daß der Deutschlandvertrag keine rechtliche Anerkennung des Saarregimes enthält, ergibt sich aus dem im BGBl. 1954 II S. 307 veröffentlichten Briefwechsel, in dem der Bundeskanzler klarstellt, daß die Einbeziehung gewisser sich auf die Saar beziehender Verträge und Abkommen in die Liste der aufrechterhaltenen Verträge „in keiner Weise eine Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar durch die Bundesrepublik darstellt", ein Stand- Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt (Minderheitsauffassung) 1. Das Abkommen ist nicht ratifizierbar. Es herrschte Einigkeit darüber, daß es im Sinne des Art. 59 Abs. 2 GG die politischen Beziehungen des Bundes regelt. Eine solche Regelung kann, um wirksam zu sein, ausschließlich durch einen Vertrag geschehen, bei dem die förmliche und sachliche Zuständigkeit zur völkerrechtlichen Vertretung des Bundes allein beim Bundespräsidenten liegt. Die Vereinbarungen sind jedoch kein Vertrag zwischen den beiden Staaten — Frankreich und Deutschland —, sondern nur zwischen ihren Regierungen. Ein Regierungsabkommen ist nur zulässig und dann auch ratifizierbar, wenn die Regierung im Bereich ihrer ausschließlichen Zuständigkeit handelt und deshalb befugt ist, die Regierung als solche, mithin auch jede künftige Regierung und auf diese Weise mittelbar den Staat zu binden. Die Regelung der politischen Beziehungen des Bundes gehört nicht zur Zuständigkeit der Regierung, sondern nach der zwingenden Vorschrift des Art. 59 GG zur Zuständigkeit des Bundespräsidenten mit Ermächtigung der gesetzgebenden Körperschaften. Die Bundesregierung hat als ein absolut unzuständiges Organ gehandelt. Dieser Fehler kann auch durch eine Ratifikation nicht geheilt werden, soll das Abkommen doch gerade nicht als Staatsvertrag, sondern als Regierungsabkommen ratifiziert werden. Eine solche Ratifikation würde bedeuten, daß Bundespräsident und Bundestag die von der Bundesregierung (durch den von ihr im eigenen Namen vorgenommenen Abschluß des Abkommens) ausgeübte Kompetenz als ordnungsgemäß im Rahmen der Regierungszuständigkeit bestätigen. Eine solche Bestätigung ist ihnen durch Art. 59 GG verwehrt. Es mag sein, daß in Einzelfällen ohne Bedeutung der Unterschied zwischen Staatsverträgen und Regierungsabkommen vernachlässigt wurde. Überzeugende und gewichtige Beispiele hat die Bundesregierung nicht beibringen können. Jedenfalls könnte durch Unachtsamkeiten in der Staatspraxis der Art. 59 GG nicht aufgehoben werden. Der Rapallo-Vertrag ist unter besondersartigen Verhältnissen und zur Zeit einer noch unklaren Staatspraxis geschlossen worden, als die Weimarer Reichsverfassung keine insoweit dem Art. 4 59 GG voll entsprechende Vorschrift enthielt. Deutscherseits ist die Form des Regierungsabkommens gewählt, weil man das Erfordernis einer Zustimmung der Volksvertretung durch Gesetz vermeiden wollte. Französischerseits ist die Form des Regierungsabkommens gewählt, weil man das punkt, der in den Antwortbriefen der Verhandlungspartner „angenommen" worden ist. Andererseits glaubte der Rechtsausschuß dem Auswärtigen Ausschuß empfehlen zu sollen, in einer von den Zustimmungsgesetzen gesonderten Entschließung dem Bundestag die Klarstellung der deutschen Rechtsauffassung vorzuschlagen. Bonn, den 11. Februar 1955 Dr. Wahl Berichterstatter Saarstatut als eine res inter alienos facta behandeln will. Entsprechend ihrem 1950 notifizierten Standpunkt und der authentischen Interpretation der Formel über den rechtlichen Status Westdeutschlands und der Bundesregierung, an welcher Interpretation der französische Ministerpräsident am 12. Oktober 1954 vor der Nationalversammlung festgehalten hat (Journal Officiel S. 4667), will Frankreich keine „Jurisdiktion" Westdeutschlands an der Saar anerkennen. Deshalb sieht man die Bundesregierung und nur sie als kraft besatzungsrechtlicher Ermächtigung zu einem solchen Abkommen in fremder Sache bevollmächtigt an. Daß man die Ratifikation fordert, hat den Sinn, daß sich auch Westdeutschland an diesen Akt der Bundesregierung für gebunden halten, Westdeutschland also ein Einwand aus der Unzuständigkeit seiner Regierung verwehrt werden soll. Ein solches Abkommen ist nicht ratifizierbar. Im übrigen würde auch eine Ratifikation an seiner Nichtigkeit nichts ändern. 2. Das Abkommen ist mit Art. 23 GG unvereinbar. Das Grundgesetz geht verfassungskräftig vom Fortbestand des deutschen Volkes als einheitlichen Staatsvolks aus. Es kennt kein „Volk der Bundesrepublik", von dem in der Vorlage die Rede ist, die das State Department am 12. November 1954 für den amerikanischen Senat ausgefertigt hat. Es kennt kein „Bundesvolk", auch keinen Unterschied zwischen dem deutschen Volk und einer „Saarbevölkerung". Soweit der Parlamentarische Rat durch das Grundgesetz „für die Bundesrepublik Deutschland" als den Staat Deutschland „auch für jene Deutschen gehandelt" hat, „denen mitzuwirken versagt war", hat er als ihr Treuhänder jenen Deutschen Rechte eingeräumt, insbesondere die Grundrechte und das Recht aus Art. 23 GG. In allen Teilen des das ganze deutsche Volk als Staatsvolk umfassenden Staates Deutschland in seinen Grenzen von 1937 haben die Deutschen im Sinne des Art. 116 GG, zu denen auch die Deutschen an der Saar gehören, das verfassungskräftige Recht, in ihrem Gebiet idas Grundgesetz durch Beitritt in Kraft zu setzen. Dieses Recht wird den Deutschen an der Saar, in der sowjetisch besetzten Zone und in den polnisch verwalteten Gebieten östlich der Oder und Neiße zwar tatsächlich durch Besatzungszwang auszuüben verwehrt, steht ihnen jedoch nach deutschem Staatsrecht zu und kann ohne vorausgegangene Änderung des Grundgesetzes durch einen freiwillig geschlossenen Vertrag nicht abgedungen werden. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß dies durch d'as Abkommen für die Dauer des Statuts geschehen soll. (Dr. Arndt) 3. Das Abkommen ist mit Art. 25 GG unvereinbar. Die Konvention zum Schutze der Grundfreiheiten und Bürgerrechte ist ratifiziert und als allgemeine Regel des Völkerrechts anzusehen. Daher kann für keinen Teil des deutschen Staatsgebietes eine vertragliche Regelung getroffen werden, die dieser Konvention nicht vollauf entspricht. 4. Eine Zustimmung zu diesem Abkommen ist in der Sache nicht möglich und nicht statthaft, weil die Beteiligten zwar einen Text verabredeten, aber sich über seinen Sinn, seine Bedeutung und seine Folgen nicht einigten. Es liegt vielmehr ein offener Dissens vor, ein „désaccord", wie der Abgeordnete Paul Reynaud als Vorsitzender des Finanzausschusses am 22. Dezember 1954 vor der Nationalversammlung erklärte (Journal Officiel S. 6760). In der 61. Sitzung des Bundestages am 15. Dezember 1954 (Stenographischer Bericht S. 3129) hat der Bundeskanzler ebenfalls „offensichtliche Meinungsverschiedenheiten" festgestellt und ihre rechtzeitige Bereinigung versprochen. Das ist nicht geschehen. Nach der amtlichen Begründung der Bundesregierung soll durch das Abkommen „völlig klargestellt" sein, daß die Saar weiter zu Deutschland in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 gehöre. Nach französischer Auslegung wird die Saar durch das Abkommen zwar kein Staat, aber ein Subjekt des Völkerrechts mit eigenen Rechten und Pflichten und — wenn auch bis zum Friedensvertrag provisorischen — Gebietsgrenzen. In allen wichtigen Fragen schließen sich so die Auslegungen, die einerseits die Bundesregierung, andererseits die französische Regierung dem Abkommen zuteil werden lassen, gegenseitig aus. Unter diesen außerordentlichen Umständen kann es nicht die Aufgabe des Bundestages oder seiner einzelnen Mitglieder sein, eine eigene Meinung darüber zu entwickeln, wie das Abkommen zu verstehen ist. Denn nicht der Bundestag hat hierüber das letzte Wort zu sprechen, sondern im Streitfalle ein internationales Gericht. Die entscheidende Frage lautet daher, ob die Mitglieder des Bundestages es vor ihrem Gewissen, vor dem deutschen Volke und vor der deutschen Geschichte ihrer Überzeugung nach verantworten und gewährleisten können, daß im Streitfalle ein internationales Gericht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Auslegung der Bundesregierung als richtig und gerechtfertigt anerkennen wird. Um eine derartige Erwartung zu sichern, hat die Minderheit beantragt, dem Zustimmungsgesetz zwei Artikel einzufügen. Darin sollte als Grundlage der Zustimmung festgestellt werden, daß dieses Abkommen nichts daran ändere, daß die Deutschen an der Saar Teil des deutschen Staatsvolkes sind und ihr Gebiet Teil dies deutschen Staatsgebietes ist, ferner, daß die Artikel VI und IX des Abkommens die Grundfreiheiten und Bürgerrechte im vollen Sinne der auch an der Saar gültigen Konvention uneingeschränkt einräumen. Diese gesetzlichen Feststellungen sollten bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde der Republik Frankreich notifiziert werden. Die der Fraktion der CDU/CSU angehörenden Ausschußmitglieder haben mit ihrer Mehrheit diese Anträge, die der Auslegung der Bundesregierung entsprechen, abgelehnt und den Beschluß herbeigeführt, daß der Bundestag inhaltsgleiche Entschließungen fassen solle. Unter diesen Umständen kann es nicht verantwortet werden, dem Abkommen zuzustimmen und dadurch die Gewähr zu übernehmen, daß es rechtlich so zu verstehen ist, wie die Bundesregierung es erläutert. Bonn, den 11. Februar 1955 Dr. Arndt Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte, Herr Abgeordneter!


Rede von Herbert Schneider
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß wir uns hier in der außenpolitischen Debatte nicht mit Führungsfragen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu befassen haben?

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Fahren Sie fort, Herr Abgeordneter!