Rede von
Dr.
Ferdinand
Friedensburg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn hier noch jemand von der Christlich-Demokratischen Union das Wort ergreift, der nicht beruflich mit der Rechtspflege zu tun hat, so bitte ich, darin ein besonderes Anerkenntnis meiner Freunde zu sehen, wie sehr uns das Anliegen interessiert und bewegt, das von den sozialdemokratischen Kollegen hier vorgetragen worden ist.
Grundsätzlich sind wir mit dem Herrn Justizminister und mit Ihnen, Herr Kollege Arndt, über die Dringlichkeit und die Notwendigkeit einer Regelung dieser Materie wohl völlig einig, und es bedarf hierzu keiner weiteren Ausführungen. Man kann sogar fragen — und ich würde diese Frage noch nicht unbedingt verneinen wollen —, ob nicht die Dringlichkeit so groß ist, daß wir schon vor der Inangriffnahme der allgemeinen Straßprozeßreform zu einer Neuregelung kommen sollten. Die
Gründe, die Kollege Welskop dagegen angeführt hat, sind ja sehr wichtig und ernst zu nehmen. Aber wenn sich das Verfahren, das wir in den letzten Jahren kennengelernt haben, mit diesen rasch ergehenden gerichtlichen Beschlagnahmeverfügungen, mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen, erst einmal herumspricht und verbreitet, so kann das unter Umständen Konsequenzen haben, die wir nicht mehr verantworten können. Es wird deshalb sehr ernst zu fragen sein, ob nicht eine gewisse Reform vorweggenommen werden sollte. Vielleicht kann uns der Herr Justizminister sagen, wie bis zum Inkrafttreten der Reform sonst etwa für Abhilfe gesorgt werden könnte. Nach einer Auskunft, die wir im Arbeitskreis bekommen haben, soll ja nur die Hoffnung bestehen, daß die neue Strafprozeßreform noch im Rahmen der jetzigen Wahlperiode erledigt werden wird. Diese Hoffnung erscheint mir reichlich vage. Es würde also jedenfalls noch eine Reihe von Jahren dauern, und ich muß den sozialdemokratischen Antragstellern zugeben, daß es ein wenig gefährlich erscheint, so lange Zeit mit einer von uns für dringlich und notwendig gehaltenen Reform zu warten.
In der Bejahung des Grundsatzes der Pressefreiheit sind wir wohl alle einig. Dazu muß aber noch etwas gesagt werden. Man hört das Wort Pressefreiheit allmählich so oft, daß dieser Begriff anfängt, etwas inhaltlos zu werden. Es geht so wie mit der Demokratie oder dem öffentlichen Interesse und mit allen möglichen schön klingenden Grundsätzen: sie werden allmählich so abgegriffen, daß der verpflichtende Charakter nicht mehr richtig erkannt wird. Soviel die Pressefreiheit zitiert wird und soviel sie auch grundsätzlich bejaht wird, so erleben wird doch immer wieder, daß der Betreffende, der das eben noch ausgesprochen hat, sehr rasch von den Grenzen der Pressefreiheit zu sprechen anfängt, wenn die Presse irgend etwas tut, was ihm nicht behagt. Freiheit und insbesondere die Pressefreiheit fängt überhaupt erst da an, wo ich der Presse gestatte, Dinge zu sagen, die mir nicht gefallen. Jede andere Berufung auf die Pressefreiheit ist leeres Gerede.
Gerade in dem Komplex, der durch den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion angesprochen wird, liegt für die nicht zu eng aufgefaßte Pressefreiheit ein großer praktischer Wert. In den Fällen, um die es sich hier handelt, haben wir es doch erlebt, daß die Presse — und nicht einmal die besonders seriöse Presse — die letzte Zuflucht des beunruhigten Staatsbürgers gewesen ist, wenn sich infolge besonderer Verfilzung behördlicher und politischer Interessen jeder gescheut hat, Mißstände, die in der ganzen Stadt bekannt waren, beim Namen zu nennen, und wenn nur in der Presse noch die Notwendigkeit einer Reinigung ausgesprochen worden ist. Das ist ein so dringendes und wichtiges Anliegen, daß wir uns hüten sollten, allzu engherzig vorzugehen. Es ist wirklich auch in unser aller Interesse sehr mißlich, wenn deshalb, weil die Presse, wie das bei solchen Gelegenheiten fast unvermeidlich ist, irgendeine tatsächliche Einzelheit in einem Riesenkomplex nicht mit der letzten Beweisbarkeit ausgesprochen hat oder weil irgendein Wort, irgendeine Silbe nicht sorgfältig genug formuliert worden ist, eine Handhabe entsteht, um die ganze Aktion abzuwürgen und damit eine notwendige Reinigung zu unterbinden. Also wir sind uns über die Schwierigkeit und die Empfindlichkeit dieses Problems mit den sozialdemokratischen Kollegen, glaube ich, ganz einig,
und sie dürfen da unserer Unterstützung in der weiteren Bearbeitung gewiß sein.
Bezüglich der formellen Erledigung allerdings kann ich dem Entwurf nicht recht folgen. Zunächst einmal hat sich ein gut Teil der praktischen Beschwerden aus der letzten Zeit gar nicht auf die strafprozessuale, sondern auf die zivilprozessuale Regelung bezogen, nämlich indem jemand einstweilige Verfügungen des Amtsgerichts zur Beschlagnahme erwirkt und damit sehr weitreichende Wirkungen ausgeübt hat. Ich glaube also, wir sollten uns für die Behandlung im Ausschuß, die ja wohl gesichert ist, vornehmen, auch die zivilprozessuale Seite von vornherein einzubeziehen; denn es ist jetzt ja jederzeit möglich, auf die einstweilige Verfügung auszuweichen, um das durchzuführen, was wir verhindern wollen.
Ich bin mit dem Herrn Minister und meinem Kollegen Welskop völlig einig in der Ablehnung der Sonderkammern. Ich glaube, es sollte unser aller Anliegen sein, daß die Gerichtsbarkeit nicht etwa dem Volke dadurch entfremdet wird, daß man überall besondere Sachverständige, besondere Fachleute einsetzt. Wenn wir den Schöffen und den Geschworenen zumuten, komplizierte Verkehrsunfälle oder schwierige ärztliche Kunstfehler zu beurteilen, dann müssen sie imstande sein, auch in solchen Pressefragen zu urteilen. Es ist, glaube ich, dringend notwendig im Interesse einer demokratischen Rechtspflege, daß wir nicht den Eindruck erwecken, als ob bestimmte Dinge nur von Standesgenossen erledigt werden könnten.
Wir wünschen allerdings — und das möchte ich durchaus auch im Einvernehmen mit meinem Kollegen Welskop betonen —, daß die Frage nun nicht lediglich unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit behandelt wird. Ich habe meine Auffassung von der Pressefreiheit deshalb so klar und scharf vorangestellt, um nun diese zusätzliche Forderung um so nachdrücklicher begründen und verantworten zu können. Der Schutz der persönlichen Ehre ist holdem jetzigen Verfahren tatsächlich nicht ausreichend gewährleistet. Ich will in dieser vorgerückten Stunde nicht lange eigene Erfahrungen hier vortragen. Der jetzige Zustand geht einfach nicht so weiter. Man ist tatsächlich vogelfrei, besonders wenn man im öffentlichen Leben steht. Es handelt sich nicht so sehr um strafrechtliche Bestimmungen als um die strafprozessualen Bestimmungen. Wenn nämlich wegen irgendeiner öffentlichen Beleidigung in der Presse oder in einem Flugblatt bestenfalls nach einem halben Jahr ein richterliches Verfahren erwirkt werden kann, dann ist längst alles vergessen. Die ungünstigen Wirkungen sind eingetreten, und es ist wertlos, unter diesen Umständen ein Strafverfahren überhaupt noch weiterführen zu wollen. Wir halben den Wunsch — ich spreche das ausdrücklich auch im Namen meiner politischen Freunde aus —, daß bei der Behandlung dieses Entwurfs auch die Verbesserung der Strafverfahren zum Schutz der persönlichen Ehre Gegenstand der Beratung wird.
Mit dem Herrn Minister sind wir ferner einig, daß auch die freiheitliche Rechtsordung, unsere demokratische Verfassung geschützt werden muß. Ich meine allerdings, daß das nicht so sehr die Aufgabe des Strafrechts und des Strafprozesses ist. Ich lege immer Wert darauf, auf den Art. 18 unseres Grundgesetzes hinzuweisen, von dem wir bisher leider noch nicht praktischen Gebrauch gemacht haben. Das ist der Artikel, wonach demjenigen, der die freiheitliche Rechtsordnung mißbraucht, um die freiheitliche Rechtsordnung des Staates zu untergraben, durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Berufung auf die freiheitliche Rechtsordnung untersagt werden kann. Ich glaube, das ist ein viel wirksamerer und viel gründlicherer Schutz als die Möglichkeit irgendeines strafrechtlichen Einschreitens.
Ich möchte zur Ergänzung dessen, was schon gesagt ist, nicht unerwähnt lassen, daß wir auch den Schutz des natürlichen Schamgefühls auf diesen Gebieten wünschen. Auch das wird sorgfältig in der Beratung zum Ausdruck kommen müssen.
Ich lasse es dahingestellt, ob wir mit der Neuregelung bis zur allgemeinen Strafrechtsreform warten können. Ich habe den Eindruck, daß das nicht gut geht und daß die Dinge jedenfalls mit großer Gründlichkeit und mit großem Ernst beraten werden müssen. Wir wünschen, daß die Pressefreiheit, deren Wert von uns allen anerkannt wird, nicht durch voreilige und einseitige Ausnutzung des jetzigen Rechts ernstlich beeinträchtigt wird.