Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Fraktionskollege und Parteifreund Haasler hat heute vormittag die grundsätzliche Einstellung unserer Partei und Fraktion zu den Pariser Verträgen dargelegt. Diese Einstellung zu den Verträgen ist positiv. Sie ist es deshalb, weil wir zum Unterschied von der Sozialdemokratie nicht der Meinung sind, daß durch die Ratifizierung und auch die Praktizierung der Pariser Verträge die letzte Möglichkeit zur deutschen Wiedervereinigung, an der uns allen liegt, verbaut würde. Wir sind vielmehr der Meinung, daß eine echte Chance für die deutsche Wiedervereinigung darin gesucht werden muß, daß wir uns von den Westmächten und insbesondere von den Vereinigten Staaten von Amerika eine Zusicherung geben lassen, daß sie mit den Sowjets über Fragen, die für die Sowjets von lebenswichtiger Bedeutung sind, nicht eher verhandeln und abschließen, bis die Sowjets dafür den Preis der deutschen Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit angeboten haben.
Bei der Berliner Konferenz zu Beginn dieses Jahres mußte, obwohl von Wiedervereinigung Deutschlands programmgemäß gesprochen wurde, doch von den Sowjets klar empfunden werden: Hier will der Westen von uns, dem Osten, etwas, ohne uns eine Gegenleistung dafür zu bieten. Die Sowjets hatten klar erkannt, daß nach der Wiedervereinigung Deutschlands dann bald der Tag kommen würde, da ganz Deutschland sich für den freien Westen und vielleicht auch für das Verteidigungssystems des freien Westens, wie es damals noch vor uns stand, entscheiden würde. Vielleicht haben wir von deutscher Seite auch etwas überflüssigerweise und voreiligerweise gesagt, daß sich Gesamtdeutschland in dieser Richtung entscheiden würde, und damit die Russen geradezu darauf hingewiesen.
Wir meinen aber, es gibt in der Weltpolitik nicht nur Situationen, in denen der Westen ohne Gegenleistung etwas vom Osten haben will. Wir wissen, daß die Sowjets vor wenigen Wochen auf der UNO-Versammlung ihren Vorschlag zu einer weltweiten Abrüstung gemacht haben. Wir wissen, aus welchen Gründen die Sowjets an einem solchen Abrüstungssystem weltweiter Art interessiert sind, wenn wir die innere Entwicklung Rußlands z. B. auf dem industriellen Sektor beobachten. Wir wissen auch, aus welchen politischen Gründen die Russen daran interessiert sein müssen, eines Tages die Anerkennng Rotchinas zu erlangen, wenn wir daran denken, wie sehr selbstbewußt Tschu En Lai beispielsweise in Moskau
auftrat, nachdem er in Genf Erfolge errungen hatte, die den Sowjets bei ihrem Bemühen, als Vormund des großen chinesischen Staates für diesen die Anerkennung bei den UN zu erreichen, bisher versagt geblieben sind. Wir sind also der Auffassung, daß es eine Reihe von Problemen gibt, an deren Lösung die Sowjets unbedingt interessiert sind und die in für sie positivem Sinne nur gelöst werden können, wenn die Westmächte eines Tages ihre Zustimmung dazu geben. Wir sind aber der Meinung, daß die Westmächte erst dann bereit sein werden, diese und ähnliche weitere Fragen zu verhandeln und abzuchließen, wenn hier vor dem Eisernen Vorhang, hier im gefährdeten europäischen Raum, die Verteidigungsgemeinschaft in der Art einer Koalition steht, die sie erst in die Lage versetzt, mit den Sowjets, wenn ich so sagen darf, vom Standpunkt „Ich Herr, Du Herr" zu verhandeln.
Aus diesem Grunde sind wir der Meinung, wir sollten diesen Weg der Pariser Verträge gehen. Wir sehen darin eine Voraussetzung dafür, daß eines Tages die Frage der deutschen Wiedervereinigung in einem weltweiteren Rahmen und nicht in der Separation, in der sie jetzt oft gesehen wird, mit Aussicht auf Erfolg verhandelt und behandelt werden kann. An dieser Wiedervereinigung liegt uns allen, wie ich sagte, sehr viel.
Ich darf, weil heute vormittag der Herr Kollege Dr. Mommer an meinen Parteifreund und Fraktionskollegen Haasler die Frage richtete, wie unsere Partei und unsere Fraktion denn zur Saarfrage steht, hier erklären, daß wir auch die Saarfrage in erster Linie als ein Teilproblem der deutschen Wiedervereinigung sehen.
Der Herr Kollege Haasler hat gesagt, daß ich zur Saarfrage für den Gesamtdeutschen Block/BHE hier sprechen würde. Ich kann das tun, weil sowohl unsere Fraktion wie auch die maßgeblichen Gremien unserer Partei an Hand des uns vorgelegten Abkommens über das Statut der Saar zu dieser Frage sehr eindeutig Stellung genommen haben. Wir haben einen qualifizierten Mehrheitsbeschluß, der die Partei und die Fraktion — nicht den einzelnen, aber die Partei als solche und die Fraktion als solche — bindet, gefaßt. Dieser Beschluß lautet, daß der Gesamtdeutsche Block/BHE zu dem Abkommen über das Statut der Saar in der jetzt vorliegenden Fassung nein sagt.
Ich möchte dieses Nein begründen, obwohl es vielleicht heute gar nicht so etwas Besonderes ist, wenn zu diesem Statut in der vorliegenden Fassung nein gesagt wird.
Denn nach dem, was wir gestern auch vom Herrn Bundeskanzler über die Mängel dieses Statuts gehört haben, und seitdem uns bekannt ist, wie die französische Seite dieses Abkommen auslegt, wird sich nach meiner Meinung kaum jemand in der Bundesrepublik finden, der bei diesem vorliegenden Text zu dem Abkommen noch bewußt ja sagen könnte.
Gerade wir haben uns um diese Frage sehr lange die Köpfe zerbrochen, das können Sie mir glauben. Es sind auch Versuche genug unternommen worden, uns, ich möchte sagen, beruhigende Erklärungen darüber zu geben, wie dieses Abkommen im Falle seines Zustandekommens im prodeutschen,
im uns günstigen Sinne ausgelegt werden würde. Wir haben alle diese Interpretationen des Statuts, wie sie auch später von offizieller deutscher Seite gegeben worden sind, schon vor vier Wochen gehört. Aber wir ahnten damals schon, welcher Art die Interpretationen von französischer Seite sein würden, und das war gar nicht so schwer zu erraten. Wir waren deshalb gestern auch gar nicht erstaunt, als wir genau das von französischer Seite hörten, was wir uns schon vor vier Wochen unter der französischen Interpretation vorgestellt hatten.
Ich darf daran erinnern, daß gestern der Herr Kollege Dr. Dehler etwa gesagt hat: Wir müssen doch heute erkennen, daß, wenn ich das umschrieben so ausdrücken darf, der europäische Gedanke zumindest seit jenem Tage im August, da die französische Kammer den EVG-Vertrag ablehnte, an der politischen Börse Europas niedriger notiert wird, als es früher der Fall war, und daß wir es heute eigentlich wiederum rings um uns herum mit nationalstaatlichem Denken zu tun haben. Wir gehen ja auch heute mit diesen Verträgen nicht einer Integration des freien Westeuropas, sondern einer Koalition — politisch gesehen — von Nationalstaaten entgegen. Darüber hat uns die französische Kammer Ende August belehrt, und vielleicht ist manchem — auch mir persönlich — die Brille, die wir vorher sozusagen im Arsenal der Europäer gefaßt hatten, nun wiederum gegen eine deutsche Brille vertauscht worden. Ich meine, wir sollten nunmehr erkennen, daß wir im geistigen Bereich durchaus den Gedanken eines echten europäischen Zusammenschlusses weiter verfechten können, wie wir ihn immer vertreten haben und auch heute noch und für die Zukunft vertreten werden. In der praktischen Politik müssen wir uns aber jener Methoden bedienen, die auch unsere politischen Partner, in diesem Falle vornehmlich Frankreich, anwenden. Das heißt, wir müssen heute auch auf die Wahrung unserer nationalstaatlichen deutschen Interessen bedacht sein.
Zu Beginn dieses Jahres hat uns ein Wort des amerikanischen Außenministers Dulles, gesprochen während der Berliner Konferenz, sehr viel Hoffnung gegeben. Der amerikanische Außenminister hat damals in Berlin bei der Viermächtekonferenz erklärt, daß die Westmächte es nicht mehr für vertretbar halten würden, dem künftigen Gesamtdeutschland einen Frieden mit diskriminierenden Bedingungen aufzuerlegen. Wir haben diese Ausführungen so verstehen wollen und meinten sie so verstehen zu dürfen, daß man zumindest von westlicher Seite bei einem Friedensschluß mit Gesamtdeutschland darauf verzichten würde, uns deutsche Menschen, deutsche Bürger und deutsches Land zu nehmen. Wir haben das auch in Übereinklang bringen wollen mit jenem neuen Geist einer europäischen Gemeinschaft, der nicht mehr die alten Werkzeuge nationalstaatlicher Politik, mit der bisher Kriege liquidiert wurden, gebrauchen will.
Wir haben eine zweite Erklärung, die, ich glaube, von Außenminister Eden als Antwort auf eine Frage Molotows abgegeben worden ist, dankbar entgegengenommen, nämlich, daß die künftige gesamtdeutsche Regierung freier Verhandlungspartner beim Friedensvertrag sein würde und daß sie das Recht der Handlungsfreiheit im Rahmen der Grundsätze und Ziele der UN-Satzung genießen sollte. Wir haben uns das folgendermaßen ausgelegt. Wenn es das Ziel der deutschen Außenpolitik ist, dafür zu sorgen, daß künftig wieder alle
jene Gebiete zusammengeschlossen werden, die rechtlich einwandfrei zum Deutschen Reich gehörten, das den Krieg verloren hat und mit dem ein Frieden zu schließen ist, dann muß die künftige gesamtdeutsche Regierung bei Friedensverhandlungen für alle jene Gebiete, die uns vielleicht vom Osten bestritten werden oder die strittig sind, unter Hinweis auf die Satzung der UN das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Bevölkerung fordern können. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wird in der UN-Satzung nur erwähnt; interpretiert wird es in der Atlantik-Charta. Aber die UN-Satzung fußt bekanntlich auf der AtlantikCharta. Man kann diese Interpretation, die auch mit der bisherigen Anwendung, mit der Praxis des Selbstbestimmungsrechts in den letzten Jahrzehnten übereinstimmt, ruhig zur Kenntnis nehmen. Es heißt dort:
Die Nationen wünschen nicht, daß territoriale Veränderungen zustande kommen, die nicht mit den frei geäußerten Wünschen der betroffenen Bevölkerung übereinstimmen.
Wir haben damals allerdings nicht geahnt, daß wir eines Tages werden damit rechnen müssen, dieses Selbstbestimmungsrecht auch gegenüber Ansprüchen, die von westlichen Staaten an Gesamtdeutschland gestellt werden, für uns reklamieren zu müssen. Denn es ist für uns nicht leicht, überhaupt zugeben zu müssen, daß ein Teil der deutschen Bevölkerung, der mit seinem Land einwandfrei zu Deutschland in den Grenzen von 1937 gehört, nachdem er sich erst vor nicht einmal zwei Jahrzehnten unter internationaler Kontrolle eindeutig für Deutschland ausgesprochen hat, nun neuerdings darüber entscheiden soll, ob er bei Deutschland verbleiben, einem anderen Staate angehören oder im Wege der Selbständigwerdung einfach aus Gesamtdeutschland ausscheren will.
Trotzdem waren wir besonders im Hinblick auf die Gefahren, die uns im Zeitpunkt von Friedensverhandlungen aus dem Osten drohen können, und im Hinblick auf die sehr starke Verzahnung der Volkstumsgrenzen im mittel- und osteuropäischen Raum der Meinung: wir können es hinnehmen, der deutschen Bevölkerung in Gebieten, die zum Deutschen Reich gehörten, das Selbstbestimmungsrecht in dem Falle einzuräumen, daß uns diese Gebiete oder Teile dieser Gebiete streitig gemacht werden.
Aber nun wird mit diesem Abkommen über das Statut der Saar der Versuch sichtbar, das, was man uns in Berlin nur unverbindlich zugesichert hatte, wasaber jetzt in der Londoner Akte in der Dreimächteerklärung schriftlich niedergelegt ist, das Selbstbestimmungsrecht, in ein bloßes Billigungsrecht umzufälschen, wenn ich es so sagen darf.
Was wir in Art. IX des Abkommens über das Statut der Saar vorliegen haben, hat mit dem Selbstbestimmungsrecht, wie es in der Atlantik-Charta definiert ist, wie es die UNO-Satzung meint und wie es seinerzeit selbst in Oberschlesien und Ostpreußen praktiziert wurde, aber auch nicht das Geringste gemein.
Es heißt hier, daß die Bestimmungen über die Saar
im Friedensvertrag, die also die Friedenskonferenz
festlegt, im Wege einer Volksabstimmung der Billigung durch die Saarbevölkerung unterliegen. Das
heißt, hier soll die betroffene Bevölkerung gar nicht mehr frei äußern können, was sie will, sondern hier sollen mehrere Mächte, die die Friedenskonferenz bilden, sagen und festlegen, was sie wollen, und die Bevölkerung an der Saar soll nur die Möglichkeit haben, dazu ja oder nein zu sagen.
— Es wird mir hier von Herrn Rinke, wenn ich ihn an der Stimme richtig erkannt habe, zugerufen: Das ist ja nicht der Fall.
— Herr Rinke, ich spreche von Art. IX, und da handelt es sich um das zweite Referendum; genau das meine ich ja. Meine Damen und Herren, hier wird gesagt: Es ist nicht der Fall. Ich kann, nachdem gestern auch vom Herrn Bundeskanzler hier ausdrücklich zugegeben wurde, daß die Auslegung all dieser Artikel in Bonn und in Paris verschiedenartig erfolgt, wenn ich heute zum Saar-Abkommen Stellung nehmen soll, nur von dem ausgehen, was in diesem Abkommen schwarz auf weiß gedruckt steht; und hier ist von „Billigung", nicht aber von Selbstbestimmung die Rede. Wir haben ja die Zeitungen gestern und heute gelesen. Wenn von französischer Seite nun gesagt wird, Frankreich werde bei der Friedenskonferenz das Statut, wie es jetzt nur vorläufig sein soll, auch als endgültige Lösung der Saarfrage vorschlagen, und wir dem entgegenhalten, daß wir uns bei dieser Friedenskonferenz dafür einsetzen werden, daß der Saarbevölkerung die Frage „Verbleiben bei Deutschland" vorgelegt wird, wo soll das hinführen? Ich weiß nicht, wer es wagen könnte, zu glauben, daß wir mit unserer Meinung im Rahmen der Friedenskonferenz unbedingt Sieger bleiben.
Wir könnten es hinnehmen, daß verschiedene Möglichkeiten der Saarbevölkerung zur Begutachtung vorgelegt würden. Sie müßte sich zwischen all den Möglichkeiten, die sie selber wünscht, frei entscheiden können, und eine davon müßte natürlich immer heißen: „Verbleiben bei Deutschland".
— Lieber Herr Kollege Rinke, wenn Sie behaupten, das sei so selbstverständlich, dann möchte ich Ihnen folgendes sagen. Wenn es so selbstverständlich wäre, daß auch die Frage „Verbleiben bei Deutschland" von der Friedenskonferenz gestellt wird, wozu — frage ich mich — sollten dann die Franzosen überhaupt an einem Abkommen über die Saar interessiert sein?
Allein die Tatsache, daß man von französischer Seite auch in den anderen Artikeln praktisch die Vorbedingungen dafür schafft, daß die Bevölkerung im Zeitpunkt der zweiten Abstimmung bestenfalls — selbst in unserem Sinne bestenfalls — über dieses in der Zwischenzeit praktizierte Statut befinden kann, zeigt doch, daß man hier unbedingt versuchen will, idas Saargebiet aus Gesamtdeutschland herauszuholen.
Wir sehen schon in Art. I eine Gefahr. In ihm ist von einem Europäischen Statut die Rede. Bei der letzten Saardebatte im Deutschen Bundestag am 29. April dieses Jahres ist von allen Parteien und, mit Nachdruck, vom Herrn Bundeskanzler erklärt worden — damals ging es noch um den Naters-Plan —, daß eine Europäisierung der Saar erst dann in Frage komme, wenn auch die Europäische Politische Gemeinschaft — man hoffte, in Verfolg der EVG — zustande gekommen sei.
Wir stehen aber heute vor der Tatsache, daß weder die EVG zustande gekommen ist noch die EPG, die Europäische Politische Gemeinschaft, uns nähergekommen wäre. Sie ist heute ferner denn je.
Wenn es sich aber, wie es im Sinne unserer gesamtdeutschen Bestrebungen richtig ist, nur um eine vorübergehende Lösung, um ein Provisorium bis zum Friedensvertrag handeln soll, dann wäre es doch sinnvoller, auch in Übereinstimmung mit der Meinung aller Parteien des Bundestages, wie sie Ende April hier geäußert wurde, man schriebe nicht „Europäisches Statut", sondern „Vorläufiges Statut über die Saar" hin. Damit wäre der Charakter dieses Statuts im deutschen Sinne einwandfrei klargestellt.
In Art. VI ist davon die Rede, oder man vermeint daraus herauslesen zu können, daß nunmehr an der Saar die politischen Freiheiten, die Grundfreiheiten gewährleistet sein sollen. Weil ich aus einem Lande komme, in dem man uns auch einmal Minderheitenschutzverträge und alle möglichen Freiheiten zugesichert hatte, die es dann in der Praxis nicht gab, darf ich vielleicht folgendes dazu sagen. Wenn man politische Parteien, Vereine, Zeitungen und öffentliche Versammlungen künftig nicht mehr genehmigen lassen muß, so heißt das noch lange nicht, daß die Redakteure in den Zeitungen schreiben dürfen, was sie wollen, und daß die Redner in den Versammlungen reden dürfen, was sie wollen.
Wo ist ein Schutz dagegen, daß der künftige saarländische Landtag, der ja mit der saarländischen Regierung für alle Dinge, die nicht dem Europäischen Kommissar vorbehalten sind, zuständig ist, nicht ein Gesetz zum Schutze des Statuts verabschiedet, mit dem die Meinung an der Saar weiter manipuliert werden kann?
Meine Damen und Herren, Sie werden sagen: Auch für die Saar gilt die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Diese Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ist von dem Innenminister Hector schon vor einigen Jahren, ich glaube, in Rom, unterzeichnet worden. Aber Sie werden nicht behaupten können, daß diese Grundfreiheiten und Menschenrechte an der Saar bis heute praktiziert worden wären.
Wir haben keine Garantie, daß das in Zukunft anders werden könnte.
Mit dem ersten Referendum liegt nun eine ganz bestimmte Absicht vor. Daß beim ersten Referendum die Saarbevölkerung unter Ansehung der heutigen Zustände — die schlechter sind als diejenigen, die nachher unter dem Statut bestünden, das gebe ich schon zu — ja sagen würde, das ist wohl sicher. Aber wenn nun bis zum Abschluß eines Friedensvertrages dieses Statut nicht in Frage gestellt werden darf und wenn die Bevölkerung nun das Gefühl hat, sie selbst habe sich schon einmal für dieses Statut entschieden, dann wird dieses Statut in den Augen der Bevölkerung so ein wenig sakrosankt. Weil die Möglichkeit, sie auf etwas anderes vorzubereiten, wahrscheinlich gar nicht gegeben ist — ich folge hier der französischen Interpretation —, hat sie bei dem zweiten Referendum gar keine andere Wahl, als sich wiederum für dieses Statut zu entscheiden.
Wir können zu einem Abkommen, das solche Unklarheiten — wenn wir bei diesem sanften Wort bleiben wollen — enthält, auf keinen Fall ja sagen.
Wir haben seinerzeit in Ansehung dieser Unklarheiten eine Reihe von Fragen zu diesem Abkommen an den Herrn Bundeskanzler gestellt. Die Fragen sind uns beantwortet worden. Ich muß allerdings zu meinem Bedauern sagen, daß diese Antwort durch die gestern oder vorgestern erfolgte französische Interpretation erheblich an Wert für uns verloren hat. Der Herr Bundeskanzler hat gestern selbst angekündigt, daß in absehbarer Zeit neue Verhandlungen über die Saarfrage geführt werden müssen.
Dem können wir nur beipflichten. Wir wünschen nur, daß bei diesen Verhandlungen aber auch alle Unklarheiten so geklärt werden, daß man vom deutschen, ich möchte sagen, vom gesamtdeutschen Standpunkt
mit gutem Gewissen zu einem solchen Abkommen ja sagen kann. Heute, zu diesem vorliegenden Abkommen können wir es zu unserem Bedauern nicht tun.