Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Wie ich dem maßgebenden Herrn Ihrer Fraktion schriftlich mitgeteilt habe, ist die von einer Agentur verbreitete Meldung, ich hätte Spanien und Deutschland als die beiden Träger der westeuropäischen Verteidigung bezeichnet, völlig falsch. Was ich gesagt habe und was ich auch in einer von Ihnen sicherlich gelesenen.. Zeitung, dem „Rheinischen Merkur", geschrieben habe, ist, daß Deutschland wie Spanien beide gegen die Gefahr des Bolschewismus immun sind. Ich glaube, diese Frage gehört an dieser Stelle nicht in die Diskussion.
Ich bin jedoch durchaus bereit, mit Ihnen hier oder anderswo darüber zu diskutieren, wenn Sie es wünschen.
— Das von den Säulen der Verteidigung nicht. Das übrige darf ich Sie bitten, im „Rheinischen Merkur" nachzulesen; ich habe es schriftlich gegeben.
— Damit Sie es genau wissen: ich bin auch bereit, in einer sozialdemokratischen Zeitung zu schreiben, wenn man meine Artikel dort unverändert abdruckt.
Die Berichtigung, die ich dem „Neuen Vorwärts" geschickt habe, hat er leider nicht abgedruckt. Ich kann nichts dafür.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen vorhin schon einleitend ausgeführt, daß die Erhaltung der westdeutschen Sicherheit die Voraussetzung
für die Erreichung unseres höchsten Zieles, der deutschen Wiedervereinigung ist. Auch die Erlangung der westdeutschen Souveränität ist ein Schritt auf diesem Wege, weil wir in dem Maße, in dem wir diese Souveränität erlangen, selbst nicht nur Herren im eigenen westdeutschen Hause sind, sondern auch Partner an einem jeden Verhandlungstisch. Vor allem aber haben wir durch die Verträge die Zusagen der anderen großen Mächte und das Bündnis der 14 NATO-Staaten für die friedliche Erreichung des Zieles: Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit.
Herr Kollege Erler hat am heutigen Vormittag gesagt, er sei gegen die Verträge und er sei gegen eine deutsche Wiederaufrüstung, weil sie dafür sorgen würden, daß man einem provisorischen Teilstaat einen vollendeten Charakter gäbe. Meine Damen und Herren, wir haben nicht die Absicht, das Provisorium der Bundesrepublik als eine Endlösung hinzustellen, die sie nach unserem Willen gar nicht ist und gar nicht sein kann, aber wir haben eine Absicht: Wir wollen, daß die Freiheit, unter der wir in der Bundesrepublik leben, nicht provisorisch ist, sondern endgültig,
und zu diesem Zweck müssen wir aufrüsten.
Der Herr Kollege Erler hat auch gesagt, es sei traurig und es müsse verhindert werden, daß zwei deutsche Staaten in West und Ost aufgerüstet gegeneinander stehen.
Er hat bis zu einem gewissen Grade recht. Traurig ist es bestimmt; verhindert werden kann es nicht. Herr Kollege Erler hat nämlich einige Augenblicke später, als die Frage, die zum Schluß der Debatte besprochen wurde, zur Diskussion stand, geäußert, daß für einen Teil, nämlich den Osten, die Aufrüstung bereits stattgefunden hat. Das hat er hier erklärt. Sie haben es alle gehört. Nun, meine Damen und Herren, wenn die östliche Armee bereits steht, dann haben wir doch nur die Wahl, entweder im Westen auch eine Armee aufzustellen oder einst die östliche deutsche Armee als Zwingherrn hier im Lande zu haben.
Herr Kollege Ollenhauer hat gestern gesagt, wenn man die junge Generation gewinnen wolle, müsse man zuerst eine überzeugende Anstrengung für den Frieden und die Einigung machen. Ich glaube, was wir dafür tun können, haben wir getan. Die Berliner Konferenz hat es doch an einem ganz einfachen Beispiel bewiesen. Ich meine gar nicht uns Deutsche, ich meine Österreich. Österreich ist doch das Land, in dem die Viermächtebesetzung noch klappt. Österreich ist sozusagen neutralisiert. Österreich hat alle Friedensbedingungen der Russen angenommen, und trotzdem hat man sich über den Staatsvertrag nicht geeinigt, weil eben der gute Wille im Osten fehlt.
Solange das kleine, strategisch und wirtschaftlich im Vergleich zu Deutschland immerhin nicht so bedeutungsvolle Österreich seine Freiheit, obwohl es neutralisiert ist, nicht erreicht, lohnt es sich gar
nicht, von einem echten Versuch der Aussprache über Deutschland überhaupt nur zu reden.
Wenn man in kleinen Dingen schon nicht Recht tut, wie soll man uns das Recht geben?
Nun, meine Damen und Herren, damit bin ich dann bei dem Punkt angelangt, der auch den Herrn Kollegen Dr. Arndt wie uns alle in besonderer Weise interessiert, nämlich bei dem Ressentiment, das gegen das Soldatwerden zweifellos besteht. Ich gebe dem Herrn Kollegen Ollenhauer recht. Die Sache ist zweifellos nicht nur vom Osten geschürt. Es ist zum Teil auch ein natürliches Ressentiment, es geht aber zum Teil auch auf die Schuld der deutschen Sozialdemokratie.
Herr Kollege Erler hat heute früh gesagt, die Bundesregierung habe zwei Zungen, eine für den Hausgebrauch und eine für die freie Welt.
Das ist zweifellos eine herbe Kritik, die ich nicht zurückzuweisen brauche. Das wird sicherlich eine berufenere Stelle tun. Aber wenn wir schon von zwei Zungen reden, dann, glaube ich, ist in dieser Frage bei der sozialdemokratischen Politik festzustellen, daß sie für die Welt anders spricht als für den Hausgebrauch.
Hier im Deutschen Bundestag haben von dem verstorbenen Kollegen Dr. Schumacher bis zu den jetzigen Führern der Sozialdemokratie die namhaften Männer sich gegen den Ohne-Mich-Standpunkt mit überzeugenden Argumenten ausgesprochen.
Was tut man draußen? Im ganzen Lande Bayern, vermutlich auch in den anderen Ländern, hat man Schwarz auf Gelb die Plakate angeschlagen: Ergebnis der Pariser Konferenz: 500 000 Deutsche in die Kasernen. Unterschrift: SPD.
Ich frage Sie: Ist das kein Spekulieren auf den Ohne-Mich-Komplex?
Das heißt doch auf deutsch: Wähle die Partei, deren Namen darunter steht, und du mußt nicht in die Kaserne gehen! — So viel Logik müssen Sie dem deutschen Wähler zutrauen!
Dann noch etwas sehr Ernstes. Sie verweisen bei Gelegenheit auf den Widerstand, der erst in der Gewerkschaftsjugend und jetzt leider im Deutschen Gewerkschaftsbund gegen den Wehrbeitrag zutage getreten ist, und Sie operieren damit, Sie müßten diesem stets vorhandenen Widerspruch in Ihrer Politik Ausdruck geben. Meine Damen und Herren, die Organisationen, die den Abgeordneten der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union nahe stehen, insonderheit die Organisationen, aus denen die jüngeren Abgeordneten
unserer Fraktion kommen, sind vor drei Jahren zu mehr als zwei Dritteln geschlossen Gegner eines Wehrbeitrags gewesen.
Wir sind aber der Meinung, daß der Abgeordnete nicht auf irgendeine Stimmung zu hören hat, sondern auf sein Gewissen. Und weil wir uns nach reiflicher Überlegung für einen deutschen Verteidigungsbeitrag entschieden haben, haben wir uns vor ,die Organisationen, aus denen wir kommen, hingestellt, und es ist uns in harter Arbeit und in echt demokratischer Diskussion gelungen, die große Mehrheit der dort organisierten Menschen für den Verteidigungsbeitrag zu gewinnen.
Wir machen eben eine Politik aus dem Gewissen und nicht eine Politik nach der Stimmung oder der Bequemlichkeit. Und wenn Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, seit drei Jahren mit derselben Entschiedenheit in den Organisationen, die Ihnen nahestehen, für einen deutschen Verteidigungsbeitrag eingetreten wären, dann gäbe es keine Ohne-mich-Stimmung mehr im deutschen Volk!
— Das bestreite ich Ihnen doch gar nicht, weder Ihnen persönlich noch anderen!
— Das verlange ich von Ihnen keineswegs.
Nun darf ich zur Frage des Wehrbeitrags noch etwas sagen, was gerade die junge Generation auch versteht. Wir haben unter uns einen von mir persönlich besonders geschätzten Kollegen, der ein ausgesprochener Anhänger des Pazifismus ist. Dieser Mann ist kürzlich in der Eisenbahn überfallen worden.
Die Presse hat sich darüber aufgehalten, daß er von anderen nicht verteidigt wurde. Sehen Sie, meine Damen und Herren, wie es einem im Privatleben geht, geht es einem auch im öffentlichen Leben: wenn man nicht gerüstet ist, ist man nicht geschützt.