Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schoettle hat heute morgen in der offiziellen Oppositionsrede zum Bundeshaushaltsplan zwei Probleme angeschnitten, zu denen ich kurz Stellung nehmen möchte. Das eine war die Frage nach einem Funktionenhaushaltsplan und das andere die nach einer Aufwands-und Leistungsrechnung im Haushaltsplan. Meine Damen und Herren, der Kaufmann stellt einen Dispositionsplan auf, um für das kommende Wirtschaftsjahr vorzuplanen. Dieser Dispositionsplan kann jederzeit geändert werden je nach den Marktverhältnissen. Beim Staat aber liegen die Dinge wesentlich anders. Der Haushaltsplan stellt die Vollzugsanweisung der Legislative an die Exekutive dar und ist insoweit Bestandteil eines Gesetzes, nämlich des Haushaltsgesetzes. Für jede Ausgabe wird jede einzelne Summe festgestellt, und jede Einnahme ist im voraus berechnet. Beides muß nach dem Grundgesetz summa summarum im Gleichgewicht sein. Die Verwaltung muß jede Abweichung von diesem Plan nachweisen und begründen, und zwar die Institution bzw. der Verwaltungszweig oder, noch besser gesagt, das Ressort, das abweicht. Das setzt aber voraus, daß ein Haushaltsplan institutionell, d. h. also nach Verwaltungszweigen gegliedert ist.
Man muß sehr wohl erwägen, ob man einen reinen Funktionenhaushalt fordern kann, wenn die Übersichtlichkeit und damit auch die Vollziehbarkeit des Haushalts durch die einzelnen Verwaltungszweige gewährleistet bleiben sollen. Ein solcher Haushaltsplan, also ein Funktionenhaushaltsplan, wäre nur noch für Experten verständlich. Er wäre noch schwieriger zu lesen als der jetzige Haushaltsplan. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn eine Übersicht zum Haushaltsplan gegeben oder in einem eigenen Nebenplan eine Gliederung nach Funktionen nachgewiesen würde, ließe sich doch hiervon am besten ablesen, wie und mit welchen Summen sich die Regierungspolitik im Haushalt niederschlägt und realisiert wird. Unser Haushaltsrecht ist gewiß reformbedürftig, aber auf diesem Gebiete empfielt sich größte Vorsicht und Bedachtsamkeit. Man sollte zunächst einmal die Erfahrungen kleinerer Gebietskörperschaften mit einer Revision des Haushaltsrechts abwarten, bevor man an die größte Gebietskörperschaft, nämlich den Bund, herangeht.
Herr Kollege Schoettle hat ein Zweites gesagt. Ich denke hierbei an die Bemerkungen, die aus dem Haushaltsplan eine Art Aufwands- und Leistungsrechnung machen wollen. Damit wird die Aufgabe eines Haushaltsplans einfach überfordert. Er kann kein Nachweis des Verhältnisses von Aufwand und Leistung sein; das gehört, meine ich, nicht in den eigentlichen Haushaltsplan, sondern in das Nebenwerk.
Meine Damen und Herren, wenn beide Vorschläge nicht im Haushaltsplan, sondern im Nebenplan bzw. in einer Nachweisung zum Haushaltsplan verwirklicht würden, trüge das sicher dazu bei, das Verständnis für das Wesen des Schicksalsbuchs eines Volkes, wie es Popitz ausgedrückt hat, nämlich des Haushaltsplans, zu erleichtern.
In der Debatte ist auch die Besoldungsreform angesprochen worden. Ich möchte das Bundesfinanzministerium bitten, dafür Sorge zu tragen, daß, wenn der Expertenausschuß zusammentritt, nicht nur an eine Besoldungsreform herangegangen, sondern zu gleicher Zeit eine Dienstpostenbewertung durchgeführt wird, die einmal die Besoldungsgesetze von 1909, 1920 und 1927 nebeneinanderstellt, damit man sieht, inwieweit einzelne Verwaltungsaufgaben in der Dienstpostenbewertung zurückgeblieben und andere über Gebühr hervorgehoben worden sind. Ich denke da insbesondere an eine Verwaltung, die im Bundesfinanzministerium ressortiert.
Herr Kollege Ritzel hat einen Beitrag zur Debatte geleistet, der, wie schon bemerkt worden ist, eigentlich in die zweite Lesung gehörte. Seine Ausführungen stachen aus den übrigen auch dadurch hervor, daß er darin Dinge ansprach, die mit dem Bundeshaushaltsplan nichts zu tun haben. Wenn z. B. Ländern eine parteiische Justiz vorgeworfen wird, so ist das eine Sache, die mit dem Haushaltsplan weiß Gott nichts zu tun hat.
Herr Kollege Ritzel war der einzige Redner, der bekannte, daß er die Vorbemerkungen ganz gelesen habe. Ich habe sie nur teilweise studiert, weil die Zeit nicht reichte, sie ganz zu lesen. Aber ich habe im Gegensatz zum Herrn Kollegen Ritzel festgestellt, daß die Sozialaufwendungen im kommenden Jahr nicht niedriger sind als im vergangenen, sondern daß das Gegenteil der Fall ist, und zwar, daß sie sich in der Schlußsumme um 977,5
Millionen DM erhöhen. Der Herr Kollege Ritzel kann das auf Seite 144 der Vorbemerkungen nachlesen.
— Das kann nicht ganz stimmen, denn der jetzt laufende Haushalt hatte ein Volumen von rund 27 Milliarden, und der kommende wird eines von 27,8 Milliarden haben. Wenn wir im Sozialhaushalt ein Mehr von 977,5 Millionen feststellen, dann muß sich der prozentuale Anteil nicht ermäßigt, sondern erhöht haben.
— Ja, bitte, ich werde es nachrechnen; aber wir werden uns darüber auch im Haushaltsausschuß noch einmal unterhalten können.
Sie haben in diesem Zusammenhang gesagt, daß die Kriegsgefangenenentschädigung lediglich mit mit 150 Millionen DM verplant sei, und Sie haben der Bundesregierung vorgeworfen, sie habe wider besseres Wissen zusätzliche 100 Millionen DM nicht verplant, obwohl ihr bekannt sei, daß diese Mittel benötigt würden, um die Kriegsgefangenenentschädigung voll wirksam werden zu lassen. Diese Behauptung, Herr Kollege, steht zunächst im Raum; den Beweis dafür sind Sie schuldig geblieben. Ich hoffe, daß Sie das im Haushaltsausschuß nachholen.
Auch hinsichtlich des Wohnungsbaues muß ein Wort gesagt werden. Sie behaupten, daß für den Wohnungsbau im kommenden Haushaltsjahr weniger Bundesmittel zur Verfügung gestellt würden als im jetzt laufenden Haushaltsjahr bzw. in den vergangenen Jahren. Auch das ist unzutreffend. Wenn Sie sich den außerordentlichen Haushaltsplan ansehen, werden Sie feststellen, daß genau wie in diesem und im vorigen Rechnungsjahr wieder 500 Millionen DM eingestellt sind. Ja, ich darf Ihnen sagen, daß die zweite Novelle zum Wohnungsbaugesetz auch für das Jahr 1957 noch 500 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau vorsieht.
Auch bezüglich der Bundesbauten ist es erforderlich, einige Ihrer Angaben nicht unwidersprochen zu lassen. Auf Seite 174 der Allgemeinen Vorbemerkungen, die Sie selber als sehr vorbildlich zusammengestellt bezeichnet haben, ist klar herausgestellt, daß seit 1949 für Dienstgebäude im Bonner Raum 86,15 Millionen DM verplant worden sind, von denen für die nächsten zwei Jahre noch 20 Millionen DM zu verbauen sind. Das ist die Gesamtsumme, und es ist dort gesagt, daß nach diesem Zeitpunkt die Bautätigkeit für Dienstgebäude im Bonner Raum als abgeschlossen betrachtet werden kann. Sie, Herr Kollege Ritzel, wissen als Mitglied des Haushaltsausschusses genau so gut wie ich, daß ein Teil der Bauten erforderlich geworden ist, weil Diensträume, die mietweise zur Verfügung gestellt waren, gekündigt wurden und weil Diensträume, die mietweise zur Verfügung gestellt werden, auf die Dauer gesehen, viel mehr an Mieten gekostet hätten, als es kostet, die Dienstbauten zu erstellen. Auch das sollte man berücksichtigen.
Dann sind im Bonner Raum 6000 Wohnungen für Bundesbedienstete gebaut worden. Dafür ist ein Gesamtbetrag von 101 Millionen DM aufgewandt worden, wie auf Seite 175 der Vorbemerkungen zu lesen ist. Nun wollen Sie ja wohl nicht sagen, daß diese Wohnungen unnötigerweise gebaut würden; das haben Sie auch nicht gesagt. Wenn wir nach Berlin hätten gehen können, hätten wir die gleichen Mittel in Berlin aufwenden müssen, denn schließlich müssen ja die Bediensteten der Bundesbehörden auch einmal untergebracht werden.
Im übrigen werden ja die Wohnungen im Bonner Raum aller Voraussicht nach nicht leerstehen, wenn wir das Glück haben sollten, in absehbarer Zeit nach Berlin umzuziehen. Das nehme ich jedenfalls nicht an. Aber selbst wenn sie hier leerständen, hätten wir die Wohnungsnot überwunden, und das sollte uns, glaube ich, in eine solch glückliche Stimmung versetzen, daß wir sogar das Leerstehen dieser Wohnungen ertragen könnten.
Im gleichen Zeitraum sind außerhalb des Bonner Raums für Bundesbedienstete 127 Millionen DM für insgesamt 10 300 Dienst- und Mietwohnungen verbaut worden.
Herr Kollege Ritzel hat auch von den Investitionen gesprochen und hat in diesem Zusammenhang erwähnt, daß die Wirtschaft vermöge der Entwicklung in der Lage gewesen sei, unverhältnismäßig hohe Kapitalien zu investieren. Herr Kollege Ritzel, Sie lesen genau so wie ich Bilanzen, die veröffentlicht werden. Wenn Sie sich die Bilanzen einmal ansehen, dann werden Sie auf der Passivseite dieser Bilanzen feststellen, woher zum Teil die Mittel für Investitionszwecke gekommen sind, nämlich durch eine Schuldenaufnahme. Wenn Sie in dieser Hinsicht eine Wirtschaftsbilanz ziehen, werden Sie feststellen, daß unsere Wirtschaft außerordentlich verschuldet ist. Wenn ich das hier sage, der ich mich selber zu den Arbeitnehmern rechne und mitten in der Gewerkschaftsarbeit stehe, sage ich das nicht, weil ich nun vor den Wirtschaftsleuten Kotau machen will, sondern weil es einfach die Wahrheit ist und weil es auch einem Arbeitnehmer zu Gesicht steht, die Wahrheit zu sagen und nicht die Dinge so darzustellen, als ob die Wirtschaft hier etwas Besonderes für sich in Anspruch genommen hätte.
Meine Damen und Herren, was bewirken denn Investitionen? Doch nichts anderes als eine bessere Produktionsmittelausstattung, als eine Rationalisierung in ,den Betrieben, als ein höheres Sozialprodukt, das wir doch alle erstreben, um daraus einen besseren Lebensstandard zu haben. Wenn in den ersten Jahren der Stabilisierung nach 1948 überreichlich investiert worden ist, so ist das schließlich nicht denen allein zugute gekommen, die investiert haben, sondern insbesondere denen, die dort Arbeitsplätze gefunden haben.
Ich möchte es mir versagen, auf Einzelzahlen einzugehen. Ich werde Ihnen eine Aufstellung aus „Wirtschaft und Statistik" und aus den „Vierteljahresheften für Wirtschaftsforschung" zur Verfügung stellen, aus denen die Anteile der Löhne und der Investitionen usw. usw. am Volkseinkommen, nämlich dem Nettosozialprodukt zu Faktorkosten, ganz einwandfrei hervorgehen. Da werden Sie feststellen, daß der Lohnanteil sich bei ,dem Steigen des Sozialprodukts von 63,1 Milliarden DM im Jahre 1949 auf 103,7 Milliarden DM im Jahre 1953
etwa auf 63 % gehalten hat; ein Prozentsatz, der auch in der Schweiz — Sie kennen dieses Land besser als ich, Herr Kollege Ritzel — üblich ist.
Sie haben in Ihren Ausführungen auch vom Wahlgesetz gesprochen und gesagt, daß Sie eine Initiative der Bundesregierung erwarten. Ich meine, der Initiative der Mitglieder dieses Hauses sind überhaupt keine Grenzen gesetzt. Warum wollen Sie nicht selber einen Entwurf vorlegen? Warten wir doch gar nicht ab, bis die Bundesregierung damit kommt. Wir können das ja selbst machen und werden dann das richtige Wahlgesetz schon zustande bringen.
Meine. Damen und Herren, noch eine kurze Bemerkung — ich möchte die Zeit, die ich dem Herrn Präsidenten genannt habe, nicht überschreiten — zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Professor Gülich. Herr Kollege Professor Gülich sprach im Zusammenhang mit Verwaltungsvereinfachungen von der Mitzeichnung und dem Referatslauf in den Ministerien. Ich habe im vergangenen Jahr in den Haushaltsberatungen des Haushaltsausschusses schon darauf hingewiesen, die Kleinheit der Referate in den einzelnen Häusern sei zum Teil mit schuld daran, daß zu viele Referate an der Mitzeichnung beteiligt werden. Das Bundesfinanzministerium selbst, zu seinem Lobe muß das gesagt werden, hat eine Reorganisation in dieser Hinsicht durchgeführt. Ich möchte wünschen, daß das in anderen Häusern auch geschieht. Wir müssen dahin kommen, daß ein Referat wirklich einen Überblick über ein Teilgebiet des ganzen Aufgabengebietes eines Ressorts besitzt. Es geht nicht an, daß ein Referat — um ein Beispiel zu nennen — sich nur mit der Zündwarensteuer oder der Leuchtmittelsteuer beschäftigt; die gesamten Verbrauchsteuern sollten zusammengefaßt werden, damit auch einmal der Initiative auf 'diesen Einzelgebieten etwas gesteuert wird und der Referatsleiter aus der Übersicht über diese Dinge sagen kann: „Es ist nicht erforderlich, daß wir hier oder dort etwas tun, wir müssen das große Ganze im Auge haben." Wenn wir solche Referate schaffen, dann werden wir auch dazu kommen, daß wir in der Referatsbeteiligung und Mitzeichnung zu einem vernünftigen Maß kommen. Aber wie notwendig es ist, daß mitgezeichnet wird, zeigt das Beispiel einer Veröffentlichung im „Bulletin". Das Bundesministerium des Innern hatte zu der Besoldung der kriegsgefangenen Beamten einen Erlaß bekanntgegeben, der nicht vorn Bundesminister der Finanzen gegengezeichnet war und der insoweit widerrufen werden mußte. Bei der Überschneidung der Kompetenzen
— in Besoldungsfragen Bundesfinanzministerium, Mitberatung im Bundesministerium des Innern — ist ein Lauf der Akten von Ministerium zu Ministerium erforderlich. Wir dürfen bei dieser Gelegenheit auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß man das vernünftig regeln kann.