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ID0205902800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954 3005 59. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 3005 B, 3017 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 128 betr. kriminalpolizeiliche Durchsuchung der Wohnung des Senators a. D. Dr. Klein in Bonn (Drucksachen 968, 1065) 3005 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Haushaltsgesetz 1955) (Drucksache 1100) 3005 C Schoettle (SPD) 3005 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 3017 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 3028 D Dr. von Merkatz (DP) 3033 A Unterbrechung der Sitzung . 3038 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 3038 D Ritzel (SPD) 3043 D Niederalt (CDU/CSU) 3052 D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 3058 A Dr. Gülich (SPD) 3060 B, 3066 A Dr. Luchtenberg (FDP) . . 3064 A, 3066 A Krammig (CDU/CSU) 3067 B Bauknecht (CDU/CSU) 3069 C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3073 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 3075 D Nächste Sitzung 3076 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Rede von Dr. Paul Luchtenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder von Steuern noch von Renten möchte ich sprechen. Ich möchte vielmehr ein friedlicheres Kapitel aufschlagen und mich mit Forschung und Wissenschaft befassen. Wer von hier aus über Forschung und Wissenschaft spricht und sich zum Anwalt ihrer Disziplinen aufwirft, der darf vielleicht die erfreuliche Überzeugung haben, zugleich das Mandat aller Parteien zu besitzen. Jedenfalls möchte ich versuchen, meine Ausführungen so zu gestalten, daß ich hoffen darf, Ihre Zustimmung zu finden.
    Forschung und Wissenschaft gehören offenbar im Bundeshaushaltsplan zu den Veilchen, die im Verborgenen blühen. Das ist verständlich; denn die breitere Öffentlichkeit befaßt sich herzlich wenig mit der wissenschaftlichen Forschung.

    (Abg. Dr. Gülich: Leider!)

    Sie ist dankbar für die Ergebnisse der Forschung, will aber herzlich wenig von den mannigfachen Voraussetzungen wissen, die dazu notwendig waren. Infolgedessen nimmt sie nur peripheres Interesse an der wissenschaftlichen Forschung. Die eigentlich Betroffenen, die Forscher und Wissenschaftler selbst, sind nicht geneigt, sie lieben es nicht und sie sind auch nicht dazu berufen, auf die Märkte und in die Gassen zu gehen und das eigene Anliegen dort propagandistisch zu vertreten. Sie vertrauen vielmehr auf die Einsicht der Parlamente und der Regierungen und hoffen, daß dort soviel Verantwortungsbewußtsein sei, daß ihnen geholfen wird, das soziale Niveau und die kulturelle Substanz des Volkes zu erhalten und, wenn möglich, 1 zu steigern.
    Was der Bundeshaushaltsplan uns an Zahlen vorlegt, ist so erfreulich, daß es nicht notwendig ist, auf die Analyse der einzelnen Zuweisungen einzugehen. Es ist in den schon wiederholt zitierten Vorbemerkungen zu dem Kapitel „Forschung und Wissenschaft" gesagt, daß „der Bund innerhalb seiner Kompetenz große, von Jahr zu Jahr steigende Leistungen erbracht hat". Die Übersicht, die geboten wird, beweist, daß diese Äußerung stimmt. Wir sehen, daß von 1954 auf 1955 wieder eine Steigerung der Mittel vorgesehen ist und daß wir nun über eine Gesamtsumme von 79 1/2 Millionen DM verfügen können. Es wird mit besonderer Freude von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, jenem Organisationszentrum der deutschen Forschungspflege, quittiert werden, daß der Bund seine Beiträge für das Normalverfahren von 3 auf 4 Millionen DM erhöht und daß er seine Schwerpunktmittel von 10 auf 15 Millionen DM erhöht hat, so daß also insgesamt ein Mehr von 6 Millionen garantiert ist. Man kann also im Hinblick auf den vorgelegten Haushaltsplan im Sinne der Anerkennung — wohlverstanden! — sagen: es ist sehr viel geleistet worden, aber es ist noch nicht genug geleistet worden.
    Man weiß, daß in den Zahlen, die hier angegeben wurden, nur ein Bruchteil dessen eingefangen ist, was überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland der Förderung der Forschung zugedacht ist. Neben dem Bund arbeiten nämlich an der Förderung der Forschung selbstverständlich die Länder; daneben gibt es ERP-Mittel zur Forschungsförderung; ferner sind die Gemeinden in der Lage, der Forschung wesentliche Mittel zur Verfügung zu stellen — im
    Jahre 1953 etwa 10 Millionen DM —; dann ist der Förderungsarbeit des Stifter-Verbandes zu gedenken und nicht zuletzt der privaten Initiative zur Entwicklung der Industrieforschung. Für diese werden hohe Beiträge gegeben, die sich auf eine Zuteilung von 1 bis 10 % des jährlichen Umsatzes der in Betracht kommenden Unternehmungen belaufen; natürlich werden diese Gelder in den industrieeigenen Forschungsstätten verwandt.
    Das Entscheidende für unsere Überlegungen, die in den Allgemeinen Vorbemerkungen geradezu gefordert werden, ist dies, daß das Königsteiner Abkommen in das Gefüge der Zuteilung eine sehr bemerkenswerte und merkwürdige Note hineinträgt. Darüber müßte noch im einzelnen gesprochen werden.

    (Abg. Dr. Gülich: Es ist doch ein Staatsvertrag der Länder!)

    Es ist ein Staatsvertrag der Länder, wie Herr Kollege Gülich schon sagt, eine sehr merkwürdige Konstruktion, eine politische Anomalie, kann man wohl sagen, ein kulturpolitischer Staatenbund, der gewissermaßen in die Bundesrepublik hineingesetzt ist und an dem der Bund nicht beteiligt ist — und werden soll. Das ist das Seltsame dieser Konstruktion.
    Das ist um so bedauerlicher, als die Forschungsmittel, die im ganzen gegeben werden und den Eindruck erwecken, als ob unendlich viel getan würde, doch bei weitem nicht ausreichen, um den Vergleich etwa mit dem Ausland auszuhalten. Man wird gegenüber derartigen Vergleichszahlen mit Recht immer skeptisch sein; denn derartige Zweckberechnungen haben allzuoft ihren Haken. Aber wenn diese Berechnung von einem so seriösen und honorigen Rechner wie dem Stifter-Verband angestellt wird, darf man ihren Ergebnissen doch wohl einige Bedeutung zumessen. Wenn vom StifterVerband z. B. festgestellt wird, daß im Jahre 1952 in den USA vom Gesamtvolumen der Zuteilungen für die Förderung der Forschung auf den Kopf der Bevölkerung 92 Mark entfallen, wenn sich in Großbritannien 27 Mark auf den Kopf der Bevölkerung ergeben und es in der Bundesrepublik nur 8,80 Mark sind, so ist das offenbar ein Beweis dafür, daß hier noch nicht genug getan wird. Am Volkseinkommen gemessen nehmen sich die Relationen folgendermaßen aus: in den USA wird 1 % des Volkseinkommens für die Förderung der Forschung verwandt, in Großbritannien sind es 0,8 % und in der Bundesrepublik 0,45 %.

    (Abg. Dr. Gülich: Dafür werden aber jetzt die Zuwendungen an Parteien steuerbegünstigt!. — Abg. Dr. Menzel: Auch ein Fortschritt!)

    — Ja, leider, muß ich von mir aus sagen!
    Diese vielfältigen Quellen, die angebohrt und ausgeschöpft werden können, um die Forschung zu fördern, genügen nicht. Sie erwecken zwar den Eindruck, daß die Forschung in der Bundesrepublik wohl keinen Anlaß haben könne, viel über großen Mangel zu klagen. Aber wer das „Buch der Wünsche" aufschlägt, das im vorigen Jahre von Freunden und Förderern ausgerechnet der Universität München herausgegeben worden ist, der wird überrascht und erstaunt sein über die erschütternde Armseligkeit, die sich dort enthüllt und von der nun ein Stiefkind leben soll, das Forschung heißt. Im Rahmen der Beratung des Haushaltsplans ist es deswegen durchaus notwen-


    (Dr. Luchtenberg)

    dig, einmal auf dieses Problem der Organisation der Förderungsmaßnahmen für die deutsche Forschung einzugehen. Denn unter deutscher Forschung darf ja unter keinen Umständen nur eine Summation von Länderforschungen verstanden werden. Wer sich dem Organisationsproblem der Förderungsmaßnahmen zuwendet, sieht sich hineingestellt in ein organisatorisches Dornengestrüpp der deutschen Forschungspflege, aus dem er kaum herauszufinden weiß.

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr gut!)

    Fragen Sie irgendeinen Professor meinetwegen der Universität Bonn, wie die Mittel für die Forschung aufgebracht und wie sie verteilt werden. Sie können sich überzeugt halten, daß Sie niemanden finden, der Ihnen auf diese Frage eine eindeutig klare Antwort zu geben vermag. Ich bin überzeugt, Herr Staatssekretär Hartmann wird bestätigen, daß es auch in den Ministerien des Bundes kaum eine — und vielleicht sogar keine — Stelle gibt, die uns klare Auskunft über das geben könnte, was nun im ganzen für die deutsche Forschung vereinnahmt und verausgabt wird. Das liegt zweifellos an dem Kompetenzstreit, der zwischen dem Bund und den Ländern besteht. Die Zuständigkeiten sind nicht geklärt. Infolgedessen sind auch die Verpflichtungen nicht abgeklärt, und dieses ganze Tohuwabohu wird geregelt durch einige Abkommen, darunter das eben schon erwähnte Königsteiner Abkommen vom Jahre 1949 und das Verwaltungsabkommen vom Jahre 1951. Aber auch diese Abkommen haben den Irrgarten, in dem man sich befindet, wenn man sich um die Forschungsförderung müht, nicht lichten können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist vielleicht die einzige Stelle, die sich sozusagen als Kontaktsubstanz zwischen den autonomistischen Rivalen betätigt und sie als Geldgeber sozusagen unter einen Hut zu bringen trachtet. Dabei spielt auch die ganze Problematik der Länderautonomie in Kulturfragen mit.
    Bitte denken Sie nicht, ich wollte dieses Problem nun hier anschneiden. Aber eines möchte ich doch sagen: man mag in der „Pädagogischen Provinz" der Meinung sein, daß es recht und billig ist, die Lehrpläne und auch die Methoden in den Schulen aus der landsmannschaftlichen Eigenart zu gewinnen. Dieses Argument ist aber auf die wissenschaftliche Forschung unter keinen Umständen anwendbar. Wir haben es in der Forschung und in der Wissenschaft mit einem supranationalen Geltungscharakter zu tun, und man kann nicht einsehen, Wieso man die Forschung und die Wissenschaft nun in .die engen Fesseln einer Landesgrenze einschließen sollte, insbesondere dann nicht, wenn man sich klarmacht, daß wir in einer Epoche der Integration leben. Forschung ausschließlich oder vornehmlich als Landesaufgabe zu begreifen und zu betreiben, ist falsch, und deswegen stimmen wir auch dem zu, was der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft kürzlich in der „Deutschen Universitätszeitung" vom 6. September 1954 gegen den „falschen Föderalismus" schrieb. Da ist von ihm sehr deutlich gesagt worden, daß man sich wohl fragen dürfe, ob denn alles, was heute unter der Berufung auf das Grundgesetz als Föderalismus praktiziert wird, von diesem Grundgesetz auch wirklich gefordert sei und ob denn nicht die Organisationsformen der Forschungsförderung schließlich das Erreichen der Ziele verhinderten, die der Bund nach seiner Verfassung anzustreben habe. Es ist von ihm auch deutlich gemacht worden, daß sich diese konkurrierende Zuständigkeit von Bund und
    Ländern bisher nicht so fruchtbar ausgewirkt hat, wie es wünschenswert und wie es möglich wäre. Es fehlt eben an einer prinzipiellen Klarheit darüber, wann der Bund und wann ein Land oder mehrere oder alle Länder für die Forschung und ihre Förderung verantwortlich sind. Es fehlt an der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten.
    Das sind warnende Feststellungen, die der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf Grund seiner ständigen Bemühungen hin und her an den maßgebenden Stellen, bald im Bund und bald in den Ländern, als Ergebnis seiner Einsichten dankenswerterweise ausgesprochen hat.
    Wie sieht es denn nach diesem Königsteiner Abkommen aus? — Es wurde im März 1949 für fünf Jahre zwischen den Ländern vereinbart zur Förderung der Forschung in jenen Forschungseinrichtungen, die überregionale Bedeutung haben. Es gibt eine ganze Reihe von Institutionen, die nicht nur für dieses oder jenes Land tätig sind, sondern denen tatsächlich überregionale Bedeutung zukommt. Die Länderminister waren sofort nach dem Zusammenbruch entschlossen — und das ist ihnen zu danken —, dieseüberregionalen Forschungsinteressen gemeinsam in ihre Obhut zu nehmen. Dagegen ist an sich gar nichts zu sagen; es muß aber gesehen werden, daß auf diese Weise eben jener kulturpolitische Staatenbund innerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstanden ist. Dieses politische Kuriosum konnte man ertragen, solange kein Bund vorhanden war; es mußte aber in dem Augenblick zu einer Anomalie werden, als sich der Bund konstituierte und nach seinem Grundgesetz berufen war, jene überregionalen Forschungsaufgaben als legitime Bundesaufgaben zu übernehmen.

    (Sehr gut! rechts.)

    Man hätte also annehmen dürfen, daß die Rechte und Pflichten aus diesem Abkommen von Königstein, sobald es im Frühjahr 1954 ablaufen werde, vom Bund übernommen würden. Was ist geschehen? Die Länder haben den Bund nach wie vor verhindert, sich jener im Königsteiner Abkommen zusammengefaßten Forschungseinrichtungen anzunehmen. Sie haben also nicht aus 'der Not eine Tugend gemacht und dem Bund gegeben, was des Bundes ist, sondern haben kurzerhand das Königsteiner Abkommen für weitere fünf Jahre erneuert. Das ist, wie ich glaube, eine sehr bedenkliche Tatsache, offenbar eine Verkrampfung der Fronten zwischen den Ländern und dem Bunde, von der der Präsident der Forschungsgemeinschaft — ich zitiere ihn noch einmal — sagt, daß das letzten Endes eine Niederlage für die deutsche Wissenschaft bedeute.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich glaube, es ist wichtig, diese Tatsache zu bedenken, zumal in den Vorbemerkungen zum Bundeshaushaltsplan ausdrücklich — und zwar, wie ich meinen möchte, mit einem anklagenden Unterton — auf jenes Abkommen und seine Auswirkungen hingewiesen wird. Es scheint mir notwendig, daß man sich im Bundestag ernstlich überlegt, ob man sich diese einseitige Begrenzung der dem Bunde offenbar gegebenen Zuständigkeit gefallenlassen darf.

    (Sehr richtig!)

    Ich bin der Auffassung — und das ist die Auffassung auch vieler Wissenschaftler und Senate, mit denen ich sprechen konnte —, daß diese unerträglichen Streitereien um Kompetenz oder Prestige ausgeräumt werden müssen, wenn anders man


    (Dr. Luchtenberg)

    nicht weiterhin der Forschung Schwierigkeiten machen will, die vermieden werden könnten. Eine heilende Betreuung dieser schwärenden Wunde ist dringend nötig; es sind Korrekturen notwendig, auf die hinzuweisen ich bei dieser ersten Etatberatung für besonders erforderlich hielt.
    Aus den gegebenen Verhältnissen heraus ist nun aber eine Abgrenzung der Zuständigkeiten kaum zu erwarten. Was liegt vor? In Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes ist der Bund zweifelsfrei legitim zur Förderung der Forschung autorisiert. Aber was dort steht, ist keine Antwort auf die Frage nach der Abgrenzung von konkurrierenden Zuständigkeiten: Wo darf der Bund beginnen, wo muß er mit seiner Forschungspflege aufhören? Es ist also auch darüber nichts gesagt, wo die Grenzen seiner Verpflichtung zur Finanzierung der Forschung liegen. Das Königsteiner Abkommen — das sagte ich schon — ist ohne den Bund, und zwar unter bewußter Ausschaltung des Bundes geschlossen. Also sind seine Bestimmungen in keiner Form für den Bund verbindlich. Ich kann diese Bestimmungen hier nicht analysieren. Sie würden aber vermutlich über das staunen, was in ihnen dem Bunde an Zuständigkeit zugedacht worden ist.


Rede von Dr. Wilhelm Gülich
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Luchtenberg, die Forschungsinstitute sind im Königsteiner Abkommen nicht ausreichend dotiert. Die Länder erfüllen also ihre Aufgabe nicht voll, sondern es muß immer wieder zusätzlich der Bund einspringen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Paul Luchtenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Man kann diesem Hinweis, für den ich Ihnen sehr dankbar bin, Herr Kollege Gülich, noch folgendes hinzufügen. In den Ländern bestehen Akademien. Kein Mensch wird leugnen wollen, daß diese Akademien überregionale Bedeutung haben. Tatsache ist aber, daß die Akademien nicht leben und nicht sterben können, wenn ihnen ,der Bund nicht hilft. Infolgedessen sollte man überlegen, ob nicht auch diese Akademien der Länder — ich weiß, daß ich jetzt sehr ketzerisch spreche — in die Betreuung des Bundes zu überführen sind. Wenn man sich aber vor Augen hält, daß die Länder es expressis verbis ablehnen, daß der Bund ihnen z. B. bei der Betreuung der MaxPlanck-Gesellschaft hilft, dann weiß man wirklich nicht mehr, was man zu dieser Art von föderalistischer Kulturautonomie sagen soll.
    Nun hat man noch in anderer Form versucht, die Abgrenzungen der Kompetenzen zwischen den Ländern und dem Bund herzustellen; man meinte, den Ländern allein sei die Grundlagenforschung anzuvertrauen; der Bund könne sich dagegen auf die Zweckforschung beschränken, weil in allen seinen Ministerien die angewandte Forschung zwangsläufig im Vordergrund stehe. Aber diese Abgrenzung zwischen Grundlagenforschung und Zweckforschung oder 'angewandter Forschung ist nicht aufrechtzuerhalten; sie ist unrealistisch. Auch das könnte hier in einer wissenschaftstheoretischen Darlegung ausführlicher erörtert werden. Ich darf mich aber darauf beschränken zu erklären: die Wissenschaftler sind 'sich darin einig, daß es hier fließende Grenzen gibt, so daß man nicht so scharf Grundlagenforschung und Zweckforschung zu trennen vermag, wie das vorgeschlagen worden ist. Nun, das sind Hinweise darauf, daß es notwendig geworden ist, das Problem des Königsteiner Abkommens vom Bunde aus anzugehen. Diese Anregung möchte ich nachdrücklich unterstreichen.
    Bei den bisher ins Auge gefaßten Forschungseinrichtungen nehmen Naturwissenschaft und Technik eine bevorzugte Stellung ein. Es ist selbstverständlich, daß im Zeitalter der Naturwissenschaften und der Technik die geisteswissenschaftlichen Disziplinen in der Gefahr stehen, einer Unterbewertung in der öffentlichen Meinung anheimzufallen. Aber man mache sich doch einmal klar, daß wir in Zeiten des Umbruchs stehen, in denen es um geistesgeschichtliche Zusammenhänge geht und in denen vor allen Dingen auch eine politische Existenzerhellung notwendig wäre. Deswegen versteht man nicht, daß z. B. ein Institut wie das in München beheimatete Institut für Zeitgeschichte, an dem außer dem Bunde nur Bayern, Hessen und Baden-Württemberg beteiligt sind — als ob alle anderen Länder der politischen Existenzerhellung entbehren könnten —, nicht als ein Institut des Bundes betrieben wird. Man könnte den Eindruck gewinnen, als ob gewisse Länder aus einem Ressentiment dem Bunde gegenüber sich sagten: Damit wollen wir nichts zu tun haben. Meine Damen und Herren, wenn man sich klargemacht, was ein Institut für Zeitgeschichte an wissenschaftlichen Grundlagen für das erarbeiten kann, wonach wir alle rufen, nämlich für die politische Bildung, dann sollte man meinen, es könne über die Vordringlichkeit geisteswissenschaftlicher Forschungsförderung nicht mehr gestritten werden.
    Sobald aber, wie gesagt, der Bund irgendeine wohlwollende Geste in dieser Richtung macht, wird ihm seine „Dotationspolitik" unter die Nase gerieben, weil man zu glauben sich berechtigt hält, der Bund wolle bewußt einen Gegensatz zu den Ländern heraufbeschwören. Was uns daher hier beschäftigen muß, ist dies, dafür zu sorgen, daß die Waage der Kompetenzen in ein sinnvolles Gleichgewicht gebracht wird.
    Die Forderung, daß man neben der naturwissenschaftlichen und technischen Forschung auch die geisteswissenschaftliche Forschung nicht unter den Tisch fallen läßt, möchte ich noch durch den Hinweis ergänzen, daß im Bunde ein Minister damit betraut worden ist, sich den Schichten der geistig Schaffenden zuzuwenden und dort Klärungen vorzunehmen, die zwar im sozialpolitischen Bereiche liegen —darüber ist nichts zu sagen —, die aber nichtsdestoweniger sehr stark auch in kulturpolitische Bereiche hineinragen.
    Meine Damen und Herren, die Probleme können hier nur 'angerissen werden. Wenn man sie ins Auge faßt, ist nicht recht begreiflich, warum der Unterausschuß zur Förderung der Forschung, der hier in der ersten Legislaturperiode arbeitete, nicht mehr besteht. Man hat mir gesagt, der Ältestenausschuß habe beschlossen, es sollten keine Unterausschüsse mehr gebildet werden. Nach einer Mitteilung des Kollegen- Ritzel aber scheint es, daß dieser Standpunkt unterdessen wieder verlassen worden ist. Aber unterstellen wir einmal, es sei nicht so; auch dann würde ich meinen, daß ein Fachausschuß vorhanden sein sollte, weil die Förderung .der Forschung nach Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes eine legitime Aufgabe des Bundes ist. Einer der Herrn Vorredner — ich glaube, es war Dr. Martin Blank — hat darauf hingewiesen, daß die Fachausschüsse in enger Verbindung mit dem Haushaltsausschuß arbeiten müßten. Hier muß man leider konstatieren, daß überhaupt kein Fachausschuß vorhanden ist. Ich würde also den Ältestenrat freundlich bitten zu überlegen, ob er zu


    (Dr. Luchtenberg)

    den vielleicht zu vielen Ausschüssen noch diesen einen zur Förderung der Forschung einzurichten sich gedrängt sehen sollte.
    Die zweite Anregung, die ich bereits hinreichend begründet habe, ist die, baldigst eine Revision des Königsteiner Abkommens einzuleiten. Es geht nicht an, daß die Länder Einfluß nehmen auf Höhe und Verteilung von Mitteln des Bundes für wissenschaftliche Forschung, andererseits aber in keiner Form geneigt sind, den Bund bei der Finanzierung von Forschungseinrichtungen ihrer „Ländergemeinschaft" — das schöne Wort ersetzt auch in den Vorbemerkungen ,das, was ich lieber mit „Bund" bezeichnen möchte — mitwirken zu lassen.
    Als dritte Anregung möchte ich bei den weiteren Beratungen über die Zuwendung von Forschungsmitteln berücksichtigt sehen, daß auch den Geisteswissenschaften wie den Naturwissenschaften und der Technik geholfen werde, damit auch sie ihren Gegenwartsaufgaben gerecht werden können. Der Bund hat ganz zweifellos Mittel und Wege, um hier und da auch landeseigene Universitäten mit geisteswissenschaftlichen Aufgaben zu beauftragen; er sollte diese Möglichkeit nach Kräften wahrnehmen. Wie notwendig dies ist, zeigte ich an dem einen Beispiel der Erhellung der politischen Existenz unserer Gegenwart im Institut für Zeitgeschichte.
    Angesichts der verpflichtenden Erkenntnis, daß das geistige Kapital, das wir hier zu betreuen haben, nicht verwirtschaftet werden darf, daß es bei der Forschungspflege und der Wissenschaftsförderung vielmehr um die Sicherung und die Steigerung ,des sozialen Niveaus und der kulturellen Substanz des gesamten Volkes geht, sollten wir uns einig sein, alles zu tun, was einer planvollen Konzentration aller Förderungsmittel dient und die deutsche Forschung befähigt, etwas anderes und sehr viel mehr als nur eine Summation der Länderforschungen zu sein.

    (Beifall.)