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ID0205901800

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    2. Deutscher Bundestag — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954 3005 59. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Dezember 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 3005 B, 3017 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 128 betr. kriminalpolizeiliche Durchsuchung der Wohnung des Senators a. D. Dr. Klein in Bonn (Drucksachen 968, 1065) 3005 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Haushaltsgesetz 1955) (Drucksache 1100) 3005 C Schoettle (SPD) 3005 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 3017 B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . . 3028 D Dr. von Merkatz (DP) 3033 A Unterbrechung der Sitzung . 3038 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 3038 D Ritzel (SPD) 3043 D Niederalt (CDU/CSU) 3052 D Dr. Dresbach (CDU/CSU) 3058 A Dr. Gülich (SPD) 3060 B, 3066 A Dr. Luchtenberg (FDP) . . 3064 A, 3066 A Krammig (CDU/CSU) 3067 B Bauknecht (CDU/CSU) 3069 C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3073 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 3075 D Nächste Sitzung 3076 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Rede von Alois Niederalt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Fülle des Stoffes, der im Rahmen der politischen Aussprache zum Haus-, halt zur Verfügung steht, möchte ich nur einige wenige grundsätzliche Themen herausgreifen. Ich möchte mich insofern etwas anders verhalten als


    (Niederalt)

    mein verehrter Herr Vorredner, der, glaube ich, in einzelnen Dingen doch eine Debatte vorweggenommen hat, die nach meiner Ansicht vielleicht besser in die zweite Lesung, nämlich in die Beratung der einzelnen Etats, gehört hätte. Da wir hier so beinahe hätte ich gesagt: gemütlich — im kleinen trauten Verein einiger weniger Interessierter beisammen sind, muß ich doch tauf das zurückkommen, was heute im Verlauf der Debatte schon wiederholt angeklungen ist, nämlich auf die Kritik am Verhältnis zwischen Bund und Ländern, auf die Kritik am Bundesrat, an dem Verhalten der Länder. Es wurde einiges Schöne gesagt, es wurde aber überwiegend Kritik geübt. Der Herr Staatssekretär Hartmann hat gestern in seiner Etatrede, die er für den Bundesfinanzminister vorgetragen hat, in einem Satz ausgeführt, daß er sich, um das schwierige Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht noch mehr zu belasten, die größte Zurückhaltung auferlege. Wenn wir es also bisher nicht gewußt hätten, meine Damen und Herren, vom Zeitpunkt der Etatsrede ab wissen wir es authentisch und amtlich: das Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist, zur Zeit wenigstens, alles andere als eitel Glück und Sonnenschein.
    Trotz des Unmuts, der aus der wohlüberlegten Formulierung in der Etatrede spricht, glaube ich aber, daß wir alle von der Überzeugung ausgehen dürfen, daß zumindest der Bundesfinanzminister selbst nach wie vor dieses kritisierte Prinzip des föderativen Staatsaufbaus für das richtige hält. Der Unmut richtet sich also offensichtlich nicht gegen die Sache als solche, sondern gegen die Behandlung, gegen die Methode.

    (Abg. Dr. Dresbach: Jawohl!)

    Es kann in der Tat nicht geleugnet werden, daß die Handhabung dieses schwierigen Ordnungsprinzips, ,des föderativen Staatsaufbaus, in vielen Fällen in der jüngsten Zeit nicht immer recht glücklich war. Wer beispielsweise am vergangenen Freitag im Bundesrat drüben die Behandlung des Finanzverfassungsgesetzes erlebt hat, wer erlebt hat, daß der Bundesrat leider Gottes beschlossen hat, den Vermittlungsausschuß nicht anzurufen, also nicht zurückzugehen auf jenes verfassungsmäßige Organ, das mit Bedacht in das Grundgesetz eingebaut wurde, um Differenzen zwischen den beiden Häusern auszugleichen, um zu vermitteln, sondern einfach nein sagte, der kann — vor allem, wenn er mit ganzem Herzen und mit innerer Anteilnahme Föderalist ist — wenig erfreut sein über einen solchen Beschluß.

    (Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

    Erfreut können schon viel, viel mehr diejenigen sein, die grundsätzliche Gegner des Föderalismus, grundsätzliche Gegner des Bundesrats sind, weil sie wissen: wenn so gearbeitet wird, kommen die Dinge auf uns selbst zu.

    (Abg. Heiland: Wer hat denn die Mehrheit in dem Gremium?)

    — Herr Heiland, ich brauche Ihnen doch kein staatsrechtliches Kolleg zu geben. Die Mehrheit im Bundesrat ist verschieden, sie wechselt nach den Landesregierungen, das wissen Sie doch.

    (Zuruf von der SPD: Die ist sehr eindeutig!)

    -- Sehen Sie!
    Ich habe eben schon das Thema der Finanzverfassung angeschnitten. Der ganze Verlauf der
    Finanzreform war überhaupt nicht sehr glücklich; auch das möchte ich in aller Freiheit aussprechen. Wirkliche Konzeptionen, die da und dort sowohl auf der Bundesseite als auch ab und zu auf der Seite der Länder vorhanden waren, mußten während der Verhandlungen immer mehr zurücktreten und dem Jonglieren mit Zahlen ausweichen. Aus einer großen staatspolitischen Aufgabe wurde praktisch eine Rechenaufgabe, und eine Rechenaufgabe wird vermutlich auch wieder die Aufgabe sein, die uns im jetzigen Haushalt unmittelbar interessiert: die Lösung der Frage, ob 40 °/o Einkommen- und Körperschaftsteueranteil, wie der Bundesfinanzminister zugrunde legt, oder 36 01e, wie der Bundesrat fordert.
    Meine Damen und Herren, wenn wir Abgeordneten des Deutschen Bundestags hier einmal ganz ehrlich sind, müssen wir, glaube ich, zugeben, daß kaum einer unter uns ist, der sich 'ein eigenes Urteil in dieser Frage bilden kann; er müßte sich sonst monatelang ausschließlich mit dieser Materie befassen.

    (Zuruf links.)

    — Vielleicht gibt es Ausnahmen. Ich bin gerne bereit, die anzuerkennen. Ich meine, es ist doch so, daß wir uns im Grunde genommen nur entscheiden können, welchen Rechenkünstlern auf der einen oder auf der andern Seite wir mehr Vertrauen schenken. Das scheint mir das letzte Votum zu sein. Ich stehe nicht an zu sagen, daß das gerade vom föderativen Standpunkt aus ein unguter Zustand ist. Deshalb sind wir insoweit durchaus der Meinung, daß es, wie es auch der Bundesfinanzminister in seiner Etatsrede wieder betont hat, einen Fortschritt bedeutete, wenn wir aus dem jährlichen Tauziehen herauskämen und — ich habe schon im Frühjahr bei der ersten Haushaltsdebatte das gleiche gesagt — wenigstens in ein dreijähriges Stadium hineinkämen, wie es das Finanzverfassungsgesetz vorgesehen hat.
    Darüber hinaus erhoffen und wünschen wir eine verstärkte Rücksichtnahme auf beiden Seiten, auf seiten des Bundes und auf seiten der Länder. Wenn ich mir durch den Kopf gehen lasse, was die Ursache dieser Reibereien, wie man so bei uns zu Hause sagt, ist, so meine ich fast: daran ist mit schuld, daß diese Differenzen häufig nicht oben auf der politischen Ebene, sondern auf der Ebene der Ministerialbeamten ausgetragen werden.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig! — Abg. Dr. Gülich: Der Länder?!)

    — Auch des Bundes, Herr Professor Gülich! Dort wird oft die Anwaltsmethode geübt. Das heißt also, um es mal ganz deutsch zu sagen: ein Ministerialdirigent des Bundesfinanzministeriums hat diese und jene finanzverfassungsrechtliche Theorie vertreten und auch mit Zahlen belegt usw.; nun muß natürlich sofort der Ministerialdirigent in irgendeinem Lande — das kann sich überall abspielen — den Nachweis führen, daß er die Materie doch noch etwas besser beherrscht und es dem andern wieder etwas „gegeben" hat. Das meine ich, wenn ich sage: ich habe das Gefühl—vielleicht täusche ich mich—, daß sich diese Auseinandersetzungen weniger auf der politischen Ebene unter den gesamten politischen Gesichtspunkten, sondern mehr mittelbar, manchmal sogar unmittelbar auf der Ebene der höheren Ministerialbürokratie abspielen. Daher scheinen mir gewisse Schwierigkeiten zu kommen.

    (Abg. Lücke: Das gilt insbesondere für den Bundesrat!)



    (Niederalt)

    Aus der Kritik, die schon den ganzen Tag durchgeklungen hat — ich habe sie absichtlich etwas eingehend behandelt —, sind nun Schlußfolgerungen gezogen worden, die mir — und da bitte ich um Verständnis, weil ich weiß, daß ein großer Teil des Hauses nicht meiner Meinung ist — zu weit gehen. Vor allem hat Dr. von Merkatz — wenn ich mich nicht täusche, auch Herr Eckhardt — die Schlußfolgerung gezogen, daß eine Bundesfinanzverwaltung kommen müsse, und auch Herr Dr. Dresbach hat gestern in einem andern Zusammenhang den Stoßseufzer nach einer Bundesfinanzverwaltung ausgestoßen.

    (Abg. Dr. Dresbach: Er tut es gleich wieder!)

    — Herr Dr. Dresbach, Sie brauchen gar nichts zu sagen. Ich kenne Sie viel zu gut und weiß ganz genau, wie Sie über diese Dinge denken. Ich weiß ganz genau, daß Sie ab und zu Bonmots dazwischenstreuen, um eine gewisse Auflockerung zu erreichen, und ich halte auch diesen Stoßseufzer für ein Bonmot. Denn wenn ein so gewichtiger Mann wie Sie, Herr Dr. Dresbach, in einer nicht unbedeutenden Frage nur einen kleinen Stoßseufzer ausstößt, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß das Anliegen für Sie so eminent wichtig ist.

    (Abg. Dr. Dresbach: Was meinen Sie mit „gewichtig"?)

    — Ich meine doch, sonst hätten Sie nicht nur einen Stoßseufzer ausgestoßen, sondern vielleicht ein gewichtigeres Wort, Ihrer gewichtigen Persönlichkeit entsprechend, gesprochen.

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, aber nun ernsthaft: Wir von der CSU lehnen die Bundesfinanzverwaltung ab, weil sie nach unserer Auffassung eine weitgehende Verschiebung des föderativen Aufbaus unserer Bundesrepublik in Richtung auf den zentralen Einheitsstaat bedeuten würde. Wir haben doch diesen Einheitsstaat schon erlebt!

    (Abg. Dr. Gülich: Vom Einheitsstaat ist damit ja gar nicht die Rede!)

    — Herr Professor Gülich, Sie können doch nicht leugnen, daß die Einführung der Bundesfinanzverwaltung ein weiteres Wegnehmen von Hoheitsrechten der Länder bedeutet. Sie können weiter nicht leugnen, Herr Professor Gülich, daß wir uns auf diesem Gebiet sowieso in der Defensive befinden.

    (Abg. Dr. Gülich: Denken Sie an die Haltung Bayerns in der Reichsfinanzverwaltung!)

    Meiner Ansicht nach — Sie können ruhig anderer Ansicht sein — ist das mit ein wichtiger Schritt hin zum Einheitsstaat. Und gerade heute angesichts der kommenden politischen Aufgaben möchte ich Sie doch bitten, meine Damen und Herren, nachzudenken, ob dieser Einheitsstaat wirklich so ersehnt werden muß. Wir haben ihn ja schon einmal erlebt.

    (Abg. Dr. Gülich: Herr Niederalt!) — Herr Professor Gülich?


    (Abg. Dr. Gülich: Die Bundesfinanzverwaltung ist vielleicht der Rettungsanker für den Föderalismus!)

    — Herr Professor Gülich, ich bezweifle nicht, daß Sie es vielleicht persönlich gut meinen.

    (Abg. Dr. Gülich: Das wäre ja noch schöner!)

    — Sie könnten es ja auch bös meinen!

    (Abg. Heiland: Er ist doch nicht aus Bayern!)

    Ich könnte vielleicht der Ansicht sein, Sie seien ein Zentralist, und wenn Sie dann diesen Einwand machen, könnte es vielleicht auch bös gemeint sein. Es muß also nicht unbedingt sein, daß Sie es gut gemeint haben.
    Meine Damen und Herren, ich möchte auf diese Dinge heute gar nicht mehr eingehen. Gott sei Dank ist heute — darüber freue ich mich — in diesem Zusammenhang nicht wieder der Einwand gekommen, die Bundesfinanzverwaltung komme viel billiger. Sonst hätte ich auf Gutachten hinweisen müssen, die Sie von der SPD sehr gut kennen und die von dem bisherigen bayerischen Finanzminister Friedrich Zietsch stammen. Aber lassen wir die Frage. Wir wissen doch alle miteinander, daß es in unserem Staatsaufbau Grundsätze gibt, die nicht finanziell einkalkuliert werden können, die jenseits der Frage von billig oder teuer stehen.
    Lassen Sie mich noch einen praktischen Gesichtspunkt anführen. Meine Damen und Herren, ich frage mich immer wieder, was es denn soll, wenn wir dieses Thema anschneiden. Wir kommen doch praktisch keinen Schritt weiter. Jedermann weiß, daß die Einführung der Bundesfinanzverwaltung eine Grundgesetzänderung ist. Die Grundgesetzänderung erfordert die Zwei-Drittel-Mehrheit, — die Zwei-Drittel-Mehrheit nicht nur im Bundestag, sondern auch im Bundesrat. Nun unterstelle ich einmal, im Bundestag käme die Zwei-DrittelMehrheit zustande. Ich unterstelle es; ich glaube nicht daran, weil ich fest überzeugt bin, daß meine Freunde von der CDU im Ernstfall doch wüßten, um welche Frage es geht; aber ich unterstelle es einmal. Niemals jedoch wird auch bei dieser Unterstellung die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat zustande kommen, und zwar gleichgültig, meine Damen und Herren, wie die jeweiligen Länderregierungen zusammengesetzt sind. Das haben doch die bisherigen Erfahrungen schon ganz eindeutig bewiesen. Deshalb die einzig mögliche Schlußfolgerung aus dieser Erkenntnis: Legen wir doch diese Forderung nach einer Bundesfinanzverwaltung endlich, sei es aus Einsicht — was mir am liebsten wäre —, sei es aus praktischen Gründen, ad acta!
    Weil ich gerade vom Verhältnis Bund-Länder spreche, möchte ich in diesem Zusammenhang zu einem weiteren Punkt Stellung nehmen, der mir wichtig erscheint. Wir haben hier im Bundestag in diesem Jahr die Debatte über den Antrag auf Errichtung eines Bundeskultusministeriums erlebt und haben auch sonst schon ein paarmal recht schöne kulturpolitische Debatten hier gehabt. Auf der andern Seite müssen wir feststellen, daß unsere Landtage da und dort sich plötzlich mit der Außenpolitik befassen.

    (Abg. Lücke: Das kann man sagen!)

    Wir halten diesen Zustand nicht nur für unrichtig, sondern für gefährlich und einer vernünftigen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern absolut abträglich. Stellen wir uns doch endlich einmal alle miteinander in Bund und Ländern auf den Boden des Grundgesetzes und lassen wir den Ländern ihre Kulturpolitik! Wenn Sie, meine Damen und Herren von links oder von rechts, an dieser Kulturpolitik in dem einen oder andern Land etwas auszusetzen haben, dann haben wir doch alle mitein-


    (Niederalt)

    I arider Einwirkungsmöglichkeiten genug und müssen das nicht in diesem Hohen Hause austragen, das nach dem Grundgesetz dafür nicht zuständig ist.

    (Abg. Lücke: Sehr richtig!)

    Wir sind doch hier nicht als Einzelgänger, meine Damen und Herren, wir sind Angehörige einer Partei, über die wir unsere Forderungen, wenn wir glauben, daß etwas nicht richtig ist, durchsetzen können. Ich sage aber ausdrücklich auch: Die Länderparlamente, die sich auf außenpolitisches Gebiet begeben, begeben sich auf Glatteis,

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr gut! — Abg. Dr. Dresbach: Ausgezeichnet!)

    und zwar aus verschiedenen Gründen. Sie begeben sich auf Glatteis erstens, weil sie in der
    Materie gar nicht unterrichtet sein können und
    nicht unterrichtet sind — sie haben nicht die Unterlagen, wollen wir das doch einmal feststellen! —,

    (Abg. Dr. Dresbach: Ausgezeichnet!)

    und sie begeben sich auf Glatteis auch in einer anderen Richtung: sie sägen an dem Ast, auf dem sie sitzen.

    (Abg. Lücke: Sehr gut!)

    In dem Moment, wo sie sich um solche Dinge kümmern, gießen sie Wasser auf die Mühlen derjenigen, die ein Landesparlament weder über die Außenpolitik noch über sonst irgendein Thema debattieren lassen wollen, weil sie grundsätzliche Gegner der Länderparlamente überhaupt sind. Deshalb möchte ich gerade von dieser Stelle aus dringend davor warnen, solche Wege zu beschreiten.
    Ich möchte nun das Thema Bund—Länder verlassen und mich einem Thema zuwenden, das uns von der CSU allen sehr am Herzen liegt. Es ist die Frage der regionalen Wirtschaftsförderung, die Frage der Förderung der Gebiete am Eisernen Vorhang.

    (Abg. Dr. Gülich: Das liegt uns allen am Herzen!)

    — Ich sagte „besonders", Herr Professor Gülich. Selbstverständlich liegt es auch Ihnen am Herzen, das weiß ich aus unseren Beratungen im Haushaltsausschuß.
    Zuvor eine Bemerkung. Der Herr Staatssekretär hat irgendwo in seiner Etatsrede u. a. auch gesagt, daß bei Forderungen an den Bund plötzlich auch die überzeugtesten Föderalisten an den Bund denken, obwohl die Priorität der Länder gegeben sei. Sollte, Herr Staatssekretär, diese Feststellung etwa auf das Zonenrandgebiet bezogen sein, so möchte ich hier in aller Form auf Art. 120 des Grundgesetzes verweisen, den Sie und ich kennen und der die Priorität des Bundes ganz eindeutig feststellt. Ich hoffe, daß mir das Haus insoweit zustimmt. Wenn ich hier über diese Zonenrandgebiete spreche, so möchte ich meine Legitimation, gerade aus Bayern kommend, darauf zurückführen, daß das Land Bayern im Osten eine Grenze von 849 km hat, von insgesamt 1749 km fast die Hälfte, gegenüber 430 km in Schleswig-Holstein, 548 km in Niedersachsen und 247 km in Hessen. Das sogenannte Ostrandgebiet in Bayern, also der bekannte 40-kmStreifen entlang der Ostgrenze, umfaßt 23 % der Gesamtfläche und 22,7 % der Gesamtbevölkerung Bayerns.
    Aus diesen Zahlen mögen Sie, meine Damen und Herren, die politische und wirtschaftliche Bedeutung dieser Frage erkennen, und in dieser Sicht werden Sie es vielleicht auch verstehen, daß wir über die bisherigen sogenannten Zonenranddebatten in diesem Hohen Hause nicht unbedingt glücklich waren. Wir haben den Eindruck, daß es sich nach der Auffassung vieler Damen und Herren dieses Hauses dabei nur um eine Frage von örtlicher Bedeutung handelt, womöglich um eine Frage von interessierten Wahlkreisabgeordneten. Mag sein, daß die Debatte selbst ab und zu zu diesem Eindruck beigetragen hat, weil sie manchmal etwas auf der Ebene der Wahlkreisoptik geführt worden und vor allem auch ein paarmal in die Ebene der Parteipolitik hinabgerutscht ist, und das ist immer ein Schaden, der zu Lasten der betroffenen Bevölkerung geht. Das Problem der Zonenrandgebiete ist keine Frage mit Lokalkolorit;

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    es ist eine Frage, die die gesamte Bundesrepublik interessieren muß. Es geht praktisch um die Frage: soll die Gefahr der Verödung, die durch die künstliche Grenzziehung mitten durch zusammenhängende Wirtschaftsräume entstanden ist, für die Zukunft gebannt und das gefährliche West-Ost-Gefälle beseitigt werden? Es geht um die Frage: kann und soll die vielfach in der Wirtschaft noch herrschende Grenzscheu überwunden werden, und kann damit auch die seelische Belastung der Bevölkerung überwunden werden, die sehr leicht zu einem allgemeinen Verlassenheitsgefühl führen kann? So, meine Damen und Herren, bitte ich diese Frage der Zonenrandgebiete zu sehen, nicht vom Standpunkt des Brotneids, nicht vom Standpunkt der Wahlkreisoptik. Wenn hier die wirksame Hilfe des Bundes nicht weiter anhält, nach unserer Auffassung nicht weiter intensiviert wird, so kann aus der wirtschaftlichen und psychologischen Situation heraus das Zonenrandgebiet tatsächlich zur weichen Stelle in der Front des Kalten Krieges werden, und das geht uns doch alle miteinander etwas an. Dem können wir nicht gleichgültig gegenüberstehen, ob wir nun im Westen der Bundesrepublik unsere Heimat haben oder im Osten, ob wir dieser oder jener Partei angehören.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auf Einzelmaßnahmen möchte ich hier nicht eingehen. Herr von Merkatz hat heute schon darüber gesprochen, und seine Vorschläge scheinen mir, so wie ich sie gehört habe jedenfalls, ausgezeichnet zu sein. Es muß auch anerkannt werden, daß bisher vom Bund auf dem Gebiet der Frachthilfe, der Energiepreishilfe und der Förderung des Fremdenverkehrs schon etwas geschehen ist, und ich stehe nicht an, hierfür der Bundesregierung auch einmal zu danken. Auch das Danken sollte man im Leben nicht ganz vergessen.

    (Sehr gut! und Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich muß aber hinzufügen, daß wir hier noch lange nicht am Ende sind. Wir müssen für diese Gebiete, überörtlich gesehen, vor allem den Ausbau von großen und größeren West-Ost-Straßenzügen verlangen, beispielsweise ,der Autobahn FrankfurtWürzburg—Nürnberg—Regensburg. Wir müssen den Au sbau des Wasserweges Rhein-Main-Donau-Kanal verlangen. Vielleicht verstehen Sie jetzt, meine Damen und Herren, warum ich im vergangenen Jahr bei der Beratung des Haushalts des Verkehrsministeriums so intensiv für den Ausbau


    (Niederalt)

    des Rhein-Main-Donau-Kanals bzw. für die Erhöhung um eine Million DM eingetreten bin.

    (Zuruf von der SPD: Das kostet nur Geld und bringt nichts ein!)

    In diesem Zusammenhang eine Frage, die wenigstens mich und, wie ich annehme, auch meine Freunde von der CSU etwas beunruhigt hat. Herr Kollege Schoettle ist heute schon darauf zu sprechen gekommen. Es betrifft den Einsatz der Arbeitskräfte. Wir haben die Zeitungsmeldungen, wonach der Bundeswirtschaftsminister Erhard sich im Ausland da und dort um ausländische Arbeitskräfte bemüht haben soll, eigentlich nicht verstanden. Ich habe mich nicht erkundigt, und ich weiß nicht, was daran wahr oder nicht wahr ist. Aber auf jeden Fall möchte ich von hier aus feststellen, daß wir dafür kein Verständnis hätten, solange gerade in diesem Ostrandgebiet, übrigens auch noch in anderen Gebieten, eine relativ hohe Arbeitslosenziffer vorhanden ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wir dürfen die Arbeitslosenzahl — und dazu neigt man häufig — nicht immer nur nach der absoluten Zahl betrachten, sondern wir müssen sie in ihrer regionalen Bedeutung sehen, und da spielt sie gerade in diesen Ostrandgebieten noch eine große
    Rolle.
    Es ist für mich so selbstverständlich, daß ich es kaum auszusprechen wage: Der letzte deutsche Ar,beiter muß doch erst in Arbeit sein, bevor wir an diese Dinge denken, und wir müssen die Bundesregierung wirklich bitten, zunächst alle Anstrengungen zu machen, um unsere Wirtschaft und unsere Industrie zu bewegen, dorthin zu gehen, wo noch Arbeitskräfte sind, damit wir eine gesunde Dezentralisation auch in der Wirtschaft bekommen. Das müssen nach unserer Auffassung die ersten Bemühungen des Bundeswirtschaftsministeriums sein.

    (Abg. Dr. Gülich: Herr Niederalt, die Finanzminister der finanzstarken Länder sorgen dafür, daß keine Industrie im Zonenrandgebiet angesiedelt werden kann; die machen Extraangebote!)

    — Da gibt es aber Mittel und Wege, Herr Professor Gülich. Auch im gegenwärtigen Stadium, auch nach der gegenwärtigen Verfassung gibt es Mittel und Wege — und sie wurden teilweise schon beschritten —, dem Einhalt zu gebieten. Eine vernünftige Dezentralisation muß unser Ziel sein. Dadurch helfen wir der Wirtschaft und Industrie, dadurch helfen wir unserem Ostrandgebiet wohl am allermeisten.
    Nunmöchte ich noch zu einem Punkt Stellung nehmen, der meine Freunde und mich schon seit geraumer Zeit erheblich beunruhigt. Er betrifft die Frage der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung. Ich gebe hier den Ausführungen von Herrn Kollegen Schoettle weitgehend recht. Ich habe die Haushaltsdebatte im Frühjahr dieses Jahres genau verfolgt. Ich habe das Protokoll hierüber nachgelesen, und ich konnte die seltene Einmütigkeit in diesem Hohen Hause darüber feststellen, daß das Höchstmaß erreicht sein soll. Aber offensichtlich ist es leichter, zu einer Erkenntnis zu kommen, als die notwendigen Schlußfolgerungen aus dieser Erkenntnis zu ziehen. Darauf allein käme es aber an.
    Was die Bundesverwaltung anlangt, sind die Zahlen heute schon genannt worden. Ich erinnere nur daran, daß auch im Jahre 1955 wiederum eine Steigerung um etwa 1300 Kräfte vorgeschlagen wird. Dabei ist der Bundesgrenzschutz in dieser Steigerung noch nicht enthalten. Denken Sie daran, daß die gleiche Steigerungstendenz von Jahr zu Jahr auch in den Haushalten der Länder und Gemeinden festzustellen ist, und dann stellt sich uns die Frage so: Sollen wir uns von dieser, beinahe möchte ich sagen: lawinenartigen Entwicklung überrollen lassen oder nicht? Wenn wir das nicht wollen — und ich nehme an, daß wir es nicht wollen —, dann dürfen wir nicht bloß Kritik üben, dann müssen wir handeln.
    Ich möchte nur ein paar Beispiele aufzeigen, wie man etwa handeln könnte. Erstes Beispiel: Der gegenwärtige Bundestag — man muß immer bei sich selber anfangen, wenn man wirklich mit einer Sache Ernst machen will — besteht aus 509 Abgeordneten. Niemand wird behaupten wollen, daß Qualität und Quantität der Arbeit des gegenwärtigen Bundestages etwa Schritt gehalten haben mit der Vermehrung der Mandate.

    (Abg. Lücke: Sehr gut! Kehren wir zur alten Zahl zurück!)

    Ich drücke mich vorsichtig aus. Ich bin der Auffassung, daß ein Bundestag mit etwa 400 Abgeordneten, wie wir sie im 1. Bundestag hatten, die Aufgabe genau so gut erfüllen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen — das verzeihen mir meine politischen Gegner —, daß die CSU im 1. Bundestag auch schon auf diesem Standpunkt gestanden und entsprechend abgestimmt hat.

    (Abg. Dr. Rinke: Auch in den Länderparlamenten!)

    — Länderparlamente, Herr Kollege Rinke, da sprechen Sie ein Thema an. Ich bin der Auffasung, wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen,

    (Abg. Lücke: Ausgezeichnet!)

    und dann mögen unter dem Druck der öffentlichen Meinung auch die Länderparlamente, die es angeht, das tun, was zu tun ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    Die Schlußfolgerung, meine Damen und Herren, aus dieser Feststellung müßte nun ganz konkret die sein, daß wir von der Bundesregierung erwarten, daß das künftige Bundeswahlgesetz, das uns hoffentlich möglichst bald vorgelegt wird

    (Abg. Lücke: Richtig!)

    — da sind wir vollkommen einer Meinung mit Ihnen von der SPD —, von einer Höchstzahl von 400 Mandaten ausgeht. Sofern ein Initiativgesetz zustande kommt, müssen wir erwarten, daß alle politischen Parteien, denen es ernst ist mit der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit,

    (Abg. Lücke: Sehr gut!)

    sich an diese Höchstzahl von 400 Mandaten halten, und von dieser als richtig anerkannten Grundkonzeption sollte uns keinerlei parteiarithmetische Berechnung abbringen.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Wollen Sie damit anfangen zu sparen?)



    (Niederalt)

    I Ein weiterer praktischer Vorschlag! Wir haben uns im Haushaltsausschuß des öfteren wirklich ehrlich und redlich bemüht, dem ständigen Anwachsen der Bundesverwaltung entgegenzutreten. Ich glaube aber, wir haben dabei einen Fehler gemacht. Wir haben uns nämlich in eine Debatte über die Notwendigkeit dieser oder jener Aufgabe eingelassen, in eine Debatte über das Erfordernis dieser oder jener Stellenvermehrung. Auch ich war zu Beginn meiner Tätigkeit im Bundestag der Auffassung, daß man von der Aufgabenseite her an dieses Problem herantreten müsse. Ich bin inzwischen durch die praktische Erfahrung eines Besseren belehrt. In der Etatrede wurde sehr richtig gesagt: Die öffentlichen Aufgaben sind keine meßbare Größe; sie sind ihrer Natur nach unerschöpflich. Das ist leider Gottes richtig. Daraus ergibt sich, daß wir nicht von der Aufgabenseite her an dieses Problem herantreten dürfen, zumal wir in diesem Falle dann immer Experten, besonders sachkundigen Leuten gegenübersitzen, die uns mit tödlicher Sicherheit — die Praxis hat das schon gezeigt — den Nachweis liefern, daß morgen, bestimmt aber übermorgen eine große Katastrophe eintreten wird, wenn diese Aufgabe nicht in diesem gewünschten Umfange erfüllt wird.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Dr. Gülich: Wer so argumentiert, verdient ohnehin keinen Glauben!)

    — Ich habe gesagt, daß ich etwas übertreibe, Herr
    Professor Gülich. Aber Sie kennen das Problem genau so gut wie ich. — Aus dieser praktischen Erfahrung bin ich zu der Überzeugung gekommen,
    daß es am besten ist, rundweg ohne jede Debatte,
    ohne jede individuelle Prüfung, einfach ganz primitiv „nein" zu sagen. Ich glaube, wir kommen
    I sonst an dieses Problem nicht heran. Es ist eine
    Holzschlegelmethode, die mir absolut nicht gefällt,

    (Heiterkeit und Zurufe)

    aber ich glaube — ich wiederhole es —, daß uns gar nichts anderes übrigbleibt. Wir müssen uns auf den Standpunkt stellen, die Verwaltung des Bundes ist in allen Ressorts als endgültig auf gebaut anzusehen. Dort, wo noch auf irgendeinem Gebiet einmal echte Personalschwierigkeiten auftreten, mag es Sache der Bundesregierung sein, einen Ausgleich herbeizuführen.

    (Abg. Dr. Dresbach: Sehr gut!)

    Mit dieser Einstellung einer jeden weiteren Personalvermehrung ist natürlich gleichzeitig auch das Aufhören jeder weiteren Planung verbunden, die vielleicht noch irgendwo in den Gehirnen oder in den Schubladen oder auf den Schreibtischen von manchen Beamten, besonders hinsichtlich weiterer Dienstbauten, getrieben wird. Auch hier müssen wir auf dem Standpunkt stehen: es ist genug, reichlich genug! Wenn da und dort noch irgendwelche Schwierigkeiten auftreten, so muß man sich eben behelfen. Es ist auch im Leben, auch im Leben des Steuerzahlers, auch im Leben des Staatsbürgers nicht alles so, wie er es sich vielleicht ideal wünscht.
    Über dieses eiserne Nein hinaus müssen wir noch prüfen, ob es nicht möglich ist, künftig jede freiwerdende fünfte Planstelle einzusparen. Dieser Vorschlag ist schon einmal im Haushaltsausschuß erwähnt worden. Wir sollten diesen Vorschlag nicht in Vergessenheit geraten lassen. Ich habe mich inzwischen mit Sachverständigen über diese Frage eingehend unterhalten. Allseits ist mir bestätigt worden, daß diese Forderung nicht utopisch ist, daß diese Forderung sehr gut realisierbar ist. Nur dann, wenn wir dieser unsympathischen — wie ich gerne zugebe — und primitiven Methode des Neinsagens folgen, werden wir erreichen, daß dieser Perfektionsdrang, dieser Perfektionismus, dem wir doch heute allenthalben schon zu unterliegen drohen, etwas in die Schranken gewiesen wird. Ich glaube bestimmt sagen zu dürfen, daß unsere Verwaltung nicht darunter leidet. Es ist ein alter Erfahrungssatz — der Bundesfinanzminister hat ihn in seiner Etatrede im vergangenen Jahr klar ausgesprochen —, der da besagt, daß ein Zuviel an Personal weniger geeignet ist, mit einer Arbeitsbelastung fertigzuwerden, als ein Zuwenig an Personal. Vielleicht erreichen wir dadurch mittelbar auch noch, daß es irgendwo in unserem menschlichen Leben eine private Sphäre gibt, die noch nicht staatlich geregelt ist.
    Man muß gerecht sein, und wenn man gerecht ist, darf man die Schuld an dieser Aufblähung, wie ich sie nenne, nicht etwa dem Perfektionismus, dem Drang der Bürokratie nach Perfektionismus allein zuschreiben. Nein, das wäre nicht richtig. Wir müssen auch ein gerüttelt Maß an Schuld auf uns selber nehmen. Wir müssen „mea culpa" sagen, vielleicht sogar: „mea maxima culpa", weil wir immer wieder Beschlüsse fassen, die eben Arbeiten, Aufgaben verursachen.
    Deshalb mein ganz konkreter dritter Vorschlag, damit das nicht mehr vorkommt: vor jedem Beschluß des Bundestags auf irgendwelchen Sachgebieten, der eine Personalvermehrung in der Verwaltung des Bundes und der Länder zur Folge hat, ist die Bundesregierung verpflichtet, auf diesen Sachverhalt der notwendig werdenden Personalvermehrung und den Umfang derselben ausdrücklich hinzuweisen,

    (Abg. Dr. Vogel: Ausgezeichnet!)

    damit jeder Bundestagsabgeordnete sich auch insoweit seiner Verantwortung bei der Beschlußfassung und Abstimmung klar bewußt ist.
    Meine Damen und Herren, ich habe mir nun erlaubt, einige praktische Beispiele anzuführen. Ich möchte nicht etwa sagen, daß diese Beispiele den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wir müßten, glaube ich, in diesem Zusammenhang — ich persönlich möchte es jedenfalls tun — auch einmal die Frage prüfen: Ist die jetzige Zahl der Bundesministerien die allein richtige? Wir müssen uns ins Gedächtnis zurückrufen, daß nach dem Willen des Parlamentarischen Rats neun bis zehn Bundesministerien entstehen sollten. Wenn wir von Sparsamkeit reden und es ernst damit meinen, können wir an einer ernsthaften Prüfung dieser Frage nicht vorbeigehen.

    (Zuruf von der SPD: Reden Sie mal mit Ihrem Parteivorsitzenden!)

    Bei dieser Gelegenheit möchte ich es auch nicht unterlassen, eine Warnung auszusprechen, die Warnung vor allzu vielen Ministerien mit horizontalem Wirkungsbereich. Diese Ministerien haben es in sich. Wenn man damit beginnt, weiß man nicht, wo man endet. Ich erinnere an die Forderung nach dem Mittelstandsministerium. Ich erinnere an die Forderung, die jüngst irgendwo erhoben wurde, nach einem Kriegsversehrtenministerium. Wenn man mit dem horizontalen Wirkungsbereich beginnt, findet man schwer ein Ende. Deshalb Vorsicht bei diesen Ministerien!

    (Beifall links.)



    (Niederalt)

    Meine dringende Bitte an Sie alle, gleichgültig welcher Partei Sie angehören, wäre die: Helfen wir alle, damit wir auf diesem schwierigen Gebiet einen Schritt vorwärtskommen! Wie ernst es mir persönlich mit diesem Bestreben ist, mögen Sie daraus erkennen, daß ich meine Ausführungen nunmehr schließe mit einem Wort unseres — ich sage absichtlich „unseres" und meine „unser aller"
    — verehrten Bundestagspräsidenten, des verstorbenen Herrn Dr. Ehlers, der kurz vor seinem Tode
    — in einem anderen Zusammenhang, aber auch hier passend — gesagt hat: Wir sind uns einander nicht schuldig, bequem zu sein, sondern wir sind uns schuldig, unseren Weg zu gehen und unsere Verantwortung wahrzunehmen.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

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    Rede von Dr. August Dresbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegen von der politischen Linken, die sich auf Grund ihrer Vergangenheit mehr auf die dialektische Methode verstehen, könnten zu der Auffassung kommen, das dialektische Prinzip sei bei der CDU/CSU eingekehrt, auf die CSU-These folge die CDU-Antithese. Aber ich darf Ihnen versichern: ich werde in freundschaftlicher und menschlicher Weise um eine Synthese bemüht sein.
    Verschiedene Kollegen haben darauf hingewiesen, daß über diesem Haushaltsplan der Unsicherheitsfaktor schwebt, der durch den Finanzausgleich vertikaler Art gegeben ist. Es handelt sich um die Frage des Anteils des Bundes und der Länder an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Der Bundesrat spricht von 36 %, die Regierungsvorlage sieht einen Bundesanteil von 40 % vor. Sehen Sie, verehrter Herr Niederalt, als wir im Steuerausschuß über das Finanzverfassungsgesetz berieten und zuletzt beschlossen, daß wir bestimmte Ländersteuern zu Bundessteuern machen wollten, beispielsweise und vornehmlich die Erbschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Kraftfahrzeugsteuer, da waren wir uns sehr wohl bewußt, daß wir infolgedessen den Anteil der Länder an der Einkommen- und Körperschaftsteuer entsprechend erhöhen mußten. Aber jetzt verlangt der Bundesrat für die Länder 64 %, d. h. für den Bund will er nur 36 % geben, und er ist gleichzeitig gegen das Finanzverfassungsgesetz.
    Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Länder dabei sind, die Reform der Kraftfahrzeugbesteuerung durch die alleinige Treibstoffbesteuerung, die doch der Sinn und die Grundlage dieser einen Reform war, zu sabotieren oder jedenfalls zu verhindern.

    (Hört! Hört!)

    Ich habe gestern schon durch Zwischenrufe in der Haushaltsrede des Herrn Staatssekretärs Hartmann kund und zu wissen getan, daß die Vorschläge des Bundesrates, nun den Ausgleich um die fehlenden 4 °/o durch Erhöhung der Zollansätze bei den Einnahmen des Bundes und durch entsprechende Ausgabenabstriche herbeizuführen, das Spiel wiederholten, das im vorigen Jahr auch gespielt worden ist. In diesem Zusammenhang darf ich das Wort des Herrn Staatssekretärs Hartmann aus seiner ausgezeichneten Haushaltsrede einmal kräftig unterstreichen:
    Hier offenbart sich die staatspolitisch wie finanzwirtschaftlich bedenkliche Abhängigkeit des Bundes vom guten Willen und von der Einsicht der Landesregierungen.
    Für meine Person — und ich hoffe, einigen Beifall auch bei den Mitgliedern dieses Hohen Hauses zu finden — erkläre ich, daß bei vielen Landesfinanzministern noch die richtige Einsicht für die Dynamik in der Bundesfinanzwelt, die sich durch die Rüstung ergeben wird, fehlt. Meine Damen und Herren, wer zur Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers A sagt, muß zur Frage der Rüstungsfinanzierung B sagen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Diese Worte richte ich vor allen Dingen auch an meine politischen Freunde in den Länderregierungen. Ich will mich in den Streit um die Zahlen, die heute hier rund um die Höhe der Rüstungskosten diskutiert worden sind, nicht einmischen, aber meine persönliche Auffassung ist, daß die Rüstungsfinanzierung der Zukunft das Finanz-ausgleichsgefüge des Grundgesetzes nicht unangetastet lassen kann.
    Ich stelle also fest — zusammen mit dem Herrn Staatssekretär —: Der Bund ist ohne Einfluß auf die Länderfinanzen; die Länder haben aber sehr wohl Einfluß auf die Bundesfinanzen. Nun frage ich einmal: Was würden die Länder sagen, wenn man in jedem Land eine Gemeindekammer mit den Funktionen des Bundesrates errichtete?

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Der Gedanke ist durchaus nicht so abwegig.
    Wir wollen aber auch versuchen, Verständnis für die reichen Länder aufzubringen, insbesondere für mein engeres Vaterland Nordrhein-Westfalen, damit ich dort nicht ganz und gar in Verschiß komme. — Verzeihung, — —

    (Große Heiterkeit.)