Rede von
Dr.
Karl
von
Buchka
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse von der Erklärung der Bundesregierung Kenntnis genommen und darf meine Anerkennung dafür aussprechen, daß sich die Bundesregierung bemüht hat, die schweren Schäden im NiederelbeUnterweser-Gebiet anläßlich der Bombardierung des Knechtsandes zu mildern. Ich möchte auch durchaus anerkennen, daß von Anfang an Schäden vorauszusehen gewesen sind. Das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Schäden ist allerdings wesentlich größer, als es je hätte vorausgesehen werden können. Ich habe mich selbst an Ort und Stelle bemüht, darüber Genaueres zu ermitteln, und bin erschrocken über die Zustände, die dort eingetreten sind. Es ist nicht zu verwundern, welch große Erbitterung dort in der Bevölkerung herrscht. Noch 25 und mehr Kilometer vom Großen Knechtsand entfernt sind schwere Häuserschäden festgestellt worden. Ich bitte auch, nicht zu vergessen, daß Tiefflüge über dem Gebiet ausgeführt werden. Stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren: 10 m über der Deichkappe brausen die Düsenflieger und beunruhigen Menschen und Weidevieh.
Noch ein weiteres Moment erscheint mir außerordentlich wichtig. Es sind Bombeneinschläge bis 8 km vom Ziele entfernt festgestellt worden, und wenn ich recht unterrichtet bin, so ist bisher von den drei Zielschiffen, die vor dem Großen Knecht-sand liegen, noch kein einziges getroffen worden.
Daß unter diesen Umständen die Bevölkerung in
ständiger Sorge darüber ist, wo nun mal die Bomben hingehen, das können Sie sich sicher vorstellen.
Die Stimmung ist übrigens auch bei den Krabbenfischern noch außerordentlich mies. Ich darf weiter, ohne hier nun das wiederholen zu wollen, was Herr Kollege Müller ausgeführt hat, noch darauf hinweisen, daß auch eine nicht unbeträchtliche Störung des Kurbetriebes in den Nordseebädern Döse und Duhnen bei Cuxhaven zu verzeichnen ist.
Ganz besonderes Augenmerk bitte ich auf die schädlichen Auswirkungen für die Krankenhäuser in der dortigen Gegend zu richten. Das ist bereits erwähnt worden. Ich möchte aber doch noch einmal ganz deutlich hervorheben, wie schlimm es für den Genesungsprozeß der Schwer- und Schwerstkranken ist, wenn teilweise täglich Tag und Nacht Bombenabwürfe stattfinden. Es handelt sich nicht etwa nur um ein paar Dutzend Kranke, sondern es sind über 2000 Patienten, die in dem ganzen Gebiet nahe dem Großen Knechtsand in Frage kommen. Daß derartige Wirkungen eintreten, ist ja schließlich auch kein Wunder, denn wenn Reihenabwürfe mit scharfen Bomben von 500 Kilo Kaliber stattfinden, so kann man sich wirklich ganz genau vorstellen, wie groß die Auswirkungen auf die Krankenhäuser sein müssen und sind.
Die Angelegenheit der Brandgänse, die j a auch etwas am Rande vom Herrn Kollegen Müller hier erwähnt worden ist, kann ich noch insoweit untermalen, als selbst ein englischer Or-
nithologe an Ort und Stelle gewesen ist und sich dringend dafür eingesetzt hat, daß dieses Vogelmorden unterbunden wird. Zehntausende von Brandgänsen sind hier bestimmt draufgegangen.
Aber auch das weitere Moment der politischen Bedenken ist wesentlich, und ich kann Sie versichern, daß radikale Parteien dort schon recht an der Arbeit sind. Ich habe hier ein Flugblatt „Dat Blinkfüer" in der Hand. Wer an der Waterkant bekannt ist, weiß, wer hinter diesem „Blinkfüer" steht und wie dort alle derartigen Ereignisse aufgegriffen werden. Nein, meine Damen und Herren, eine Abhilfe ist bestimmt dringend nötig. Am besten und sichersten wäre es natürlich, wenn die Bombardierungen gänzlich eingestellt würden.
Lassen Sie mich eine vielleicht ganz naive Frage stellen. Wo werfen denn eigentlich die Flugzeuge der übrigen Mächte ihre Bomben bei Zielübungen ab? Wo tun es die Flugzeuge der Vereinigten Staaten, Frankreichs und der anderen Mächte? Es ist für uns, weiß Gott, eine außerordentlich schwere, eine unerträgliche Last, wenn das auf dem Großen Knechtsand auf deutschem Bundesgebiet geschieht. Ich weiß genau: wir sind noch nicht so weit, daß die Abwürfe gänzlich eingestellt werden. Aber wir müssen als mindestes verlangen — das möchte ich auch ganz besonders unterstreichen —, daß nur kleine Kaliber geworfen werden, daß keine Reihenwürfe erfolgen und daß eben Übungsbomben und keine scharfen Bomben verwendet werden. Es ist auch schon davon gesprochen worden — ich will es nur der Vollständigkeit halber erwähnen —, daß man vielleicht Zementbomben abwerfen sollte. Da sind aber auch schon wieder Proteste aus den Reihen der Krabbenfischer gekommen; also so ganz recht machen kann man es damit natürlich auch nicht. Deswegen wollen wir diese Forderung wohl kaum aufstellen.
Aber wesentlich erscheint es mir — ich habe vorhin schon von den Tiefflügen gesprochen —, daß verboten wird, über Land und vor allem über den Städten Tiefflüge auszuführen. Wie schädlich diese sich auf die Krankenhäuser auswirken, ist hier bereits wiederholt angesprochen worden. Daß eine langfristige Ankündigung von Bombenabwürfen notwendig ist, versteht sich am Rande.
Vielleicht darf ich jetzt einmal die Sache rein rechtlich angehen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, dann ist der Vertrag vom 9. September 1952 auf fünf Jahre abgeschlossen. Wir wissen sehr wohl, daß damals für die deutsche Bundesrepublik eine absolute Zwangslage bestand. Wir wollten und wir mußten Helgoland wieder freibekommen.
— Sie sind offenbar anderer Ansicht.
Ich glaube aber doch, daß die Bundesregierung damals beim besten Willen nicht anders handeln konnte, wenn sie Helgoland wieder freibekommen wollte. Aber seitdem ist nun wieder eine ganz geraume Zeit vergangen. Die Zeit hat nicht stillgestanden. Es sind neue Verhältnisse eingetreten, und angesichts der sehr stark geänderten außenpolitischen Lage erscheint es mir jetzt sehr, sehr dringend geboten, daß man an eine Revision—mindestens an eine Revision — dieser Vereinbarung herangeht. Dankenswerterweise hat der Britische Hohe Kommissar bereits gewisse Zugeständnisse gemacht. Sie reichen meines Erachtens — ich
glaube, auch da werden Sie mir zustimmen — noch lange nicht aus. Ich bin der Ansicht, die Bundesregierung müßte gerade unter Hinweis auf die Pariser Verträge nun auf weiteres Entgegenkommen bei dem Britischen Hohen Kommissar drängen. Wenn es nicht gelingt — daran zweifle ich allerdings; ich habe das schon gesagt —, die Bombenabwürfe gänzlich einzustellen, dann muß eben erreicht werden, daß weitestgehende Einschränkungen der Abwürfe angeordnet werden. Unter keinen Umständen würde ich es für vertretbar halten, das Abwurfgebiet etwa noch irgendwie zu vergrößern. Fast zehn Jahre nach dem Ende des Krieges halte ich den gegenwärtigen Zustand am Großen Knechtsand für völlig untragbar für die deutsche Bundesrepublik.