Rede von
Peterheinrich
Kirchhoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Entwurf eines Überleitungsgesetzes liegen Ihnen die Drucksachen 466 und 874 vor. Es handelt sich darum, die Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen an der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund zu übernehmen. Es ist ein an sich sehr einfaches Gesetz, zu verstehen aus den veränderten politischen Verhältnissen. Ein paar interessante Streitpunkte treten dabei aber zutage. Der Regierungsentwurf liegt als Anlage 1 der Drucksache 466 vor, und zwar mit einer allgemeinen Begründung und einer Begründung der einzelnen Gesetzesbestimmungen. Einzelheiten über die geschichtliche Entwicklung der Pfandbriefanstalt und ihre Aufgaben sind der ausführlichen allgemeinen Begründung zu entnehmen. Ich kann mich) daher auf einen kurzen Überblick beschränken.
Die Deutsche Pfandbriefanstalt wurde im Jahre 1922 unter dem etwas schwerfälligen Namen „Preußische Landespfandbriefanstalt" als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Sitz in Berlin errichtet. Sie hatte das Recht, Pfandbriefe und Kommunalobligationen .auszugeben. Der Geschäftsbereich erstreckte sich zunächst auf Preußen, später auch auf außerpreußische Gebiete. Nach der Satzung hat die Anstalt die Aufgabe, in erster Linie der Finanzierung des Kleinwohnungs- und Kleineigenheimbaues für die minderbemittelte Bevölkerung durch Hergabe billiger erststelliger und auch zweitstelliger Hypotheken zu dienen. Sie hat auf diesem Gebiet bahnbrechend gewirkt. Ihre Tätigkeit ist gemeinnützig und auch heute noch hochaktuell auf dem Gebiete des Wohnungsbaues für Geschädigte, Vertriebene und Umsiedler.
Nach dem Zusammenbruch wurde die Pfandbriefanstalt zunächst nach München, dann nach Frankfurt und schließlich nach Wiesbaden verlagert. Wenn auch der Sitz noch in Berlin ist, so ist doch die Hauptverwaltung durch Erlaß der hessischen Regierung vom 28. September 1949 mit Wirkung vom 20. Februar 1945 in Wiesbaden. Außerdem befinden sich Zweigstellen an acht verschiedenen größeren Plätzen. Im Jahre 1951 erhielt das Institut unter Zustimmung aller Länder den Namen „Deutsche Pfandbriefanstalt".
An dem eingezahlten Grundkapital von 31 Millionen RM war der preußische Staat mit 29,6 Millionen, das sind 95,6 %, beteiligt. Die restlichen Kapitalanteile kamen von der Deutschen Reichsbahn, der Deutschen Bau- und Bodenbank und anderen. In der Umstellungsrechnung der verlagerten Anstalt ist das vorläufige Eigenkapital mit rund 10,8 Millionen DM ausgewiesen. Der Anstalt wurden gemäß Umstellungsgesetz 25 Millionen DM Ausgleichsforderungen gegen die Länder zugeteilt, und zwar entsprechend dem Aufkommen aus Körperschaft- und Einkommensteuer der Länder des Jahres 1947.
Der Bund nimmt die Kapitalbeteiligung des Landes Preußen wegen der überregionalen Stellung der Anstalt und ihrer besonderen Bedeutung für die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus für sich in Anspruch. Bei den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern wurde das Recht der Bundesregierung zur Übernahme der Verwaltung und der Kapitalbeteiligung anerkannt.
Eine bundesgesetzliche Regelung ist dringlich; denn sie ist die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit und das Tätigwerden der Hauptversammlung. Die seit der Währungsreform aufgestellten Jahresabschlüsse können erst nach Erlaß dieses Gesetzes von der Hauptversammlung genehmigt und veröffentlicht werden.
Der Entwurf bestimmt in § 1, daß die Beteiligung des Landes Preußen auf den Bund übergeht. Der § 2 sagt: Die Deutsche Pfandbriefanstalt ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und wird der Aufsicht des zuständigen Bundesministers unterstellt. Der § 3 enthält die Berlin-Klausel. Der § 4 regelt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Aus Anlage 2 der Drucksache 466 geht hervor, daß der Bundesrat unter Berufung auf Art. 76 des Grundgesetzes in seiner 118. Sitzung zwei Änderungen vorgeschlagen hat, erstens die Eingangsformel dahin zu ergänzen, daß das Gesetz seiner Zustimmung bedarf, zweitens einen § 1 a in den Gesetzentwurf aufzunehmen, der folgendermaßen lautet:
Der Bund wird mit Inkrafttreten des Gesetzes Schuldner der Ausgleichsforderungen der Deutschen Pfandbriefanstalt.
Anlage 3 der Drucksache 466 enthält die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates. Sie lehnt beide Änderungsvorschläge ab. Sie widerspricht der Meinung des Bundesrates, daß das Gesetz zustimmungsbedürftig sei. Die Problematik, ob das Gesetz zustimmungsbedürftig ist oder nicht, liegt in der Auslegung des Art. 135 des Grundgesetzes, ist also eine rein verfassungsrechtliche Frage. Die Bundesregierung stützt sich auf Abs. 4 'von Art. 135, der Bundesrat auf Abs. 5 von Art. 135. Auch der Ansicht des Bundesrates, daß sich die Zustimmungsbedürftigkeit aus Art. 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes ergebe, wird von der Bundesregierung nicht zugestimmt.
Der Bundesrat fordert, daß der Bund auch Schuldner der Ausgleichsforderungen der Deutschen Pfandbriefanstalt wird, da es nicht angebracht sei, daß der Bund nur die Aktiva und nicht auch die damit im Zusammenhang stehenden Schul-
den übernehme. Im übrigen betrage der Jahresgewinn 1953 der Deutschen Pfandbriefanstalt 1,2 Millionen DM. Nach Ansicht der Bundesregierung steht diese Forderung in Widerspruch zu der grundsätzlichen Regelung der Schuldnerschaft für die Ausgleichsforderungen. Bund und Länder seien an die gesetzliche Regelung nach dem Umstellungsgesetz so lange gebunden, bis das gesamte Gebiet der Ausgleichsforderungen anderweitig geregelt würde. Soweit der Inhalt der Drucksache 466.
In seiner 26. Sitzung hat der 2. Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf in erster Lesung ohne Debatte dem Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen. Der Ausschuß hat sich mit diesem Entwurf in mehreren Sitzungen beschäftigt. Es wurde ein Unterausschuß „Pfandbriefanstalt" gebildet, der mit den zuständigen Ministerien in eine Prüfung der rechtlichen Seite eingetreten ist.
Für die Problematik des Art. 135 des Grundgesetzes ist keine Lösung gefunden worden. Ob das Gesetz zustimmungsbedürftig ist oder nicht, wurde leider nicht entschieden.
Zur Ausräumung der sachlichen Differenzen erklärte sich das Bundesfinanzministerium bereit, den Zinsendienst der Länder gegenüber der Deutschen Pfandbriefanstalt nach Inkrafttreten des Gesetzes in Höhe von jährlich 935 000 DM zu übernehmen. Die Übernahme der Schuldnerschaft für die Ausgleichsforderungen wurde vom Ausschuß nach wie vor abgelehnt. Das große Problem der Ausgleichsforderungen kam also einer Lösung nicht näher. Wohl will das Bundesfinanzministerium die Tilgungsraten übernehmen, falls nach Inkrafttreten des Gesetzes eine allgemeine Tilgungsregelung für die Ausgleichsforderungen zustande kommt, doch soll darüber im Gesetz nichts stehen; lediglich eine Verwaltungsvereinbarung ist vorgesehen. Ein diesbezüglicher Briefwechsel zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Finanzausschuß des Bundesrates liegt vor.
Auf die Bitte des Ausschusses hat sich das Bundesministerium der Finanzen nach Abschluß der Ausschußberatungen mit den Länderfinanzministerien in Verbindung gesetzt, um festzustellen, welcher Gesetzesformulierung der Bundesrat zustimmen würde. In einer Konferenz am 21. Oktober 1954 haben die Finanzminister der Länder die Einfügung eines § 1 a in der folgenden Fassung empfohlen — Herr Präsident, darf ich Ihnen diese Fassung überreichen —:
Der Bund erstattet den Ländern die von ihnen für die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes zu leistenden Aufwendungen für die Ausgleichsforderungen der Deutschen Pfandbriefanstalt.
Da die Beratungen des Ausschusses für Geld und Kredit von Anbeginn an zum Ziele hatten, einen Kompromiß zwischen den Auffassungen der Bundesregierung und des Bundesrates zu finden, der von beiden Seiten akzeptiert würde, habe ich die Ehre, dem Hohen Hause namens des Ausschusses die Annahme des Antrages Drucksache 874 — Mündlicher Bericht — mit der Maßgabe vorzuschlagen, in dem vorgesehenen § 1 a die Worte „zu zahlende Zinsen auf die Ausgleichsforderungen" durch die Worte „zu leistende Aufwendungen für die Ausgleichsforderungen" zu ersetzen. Weiter habe ich Ihnen vorzuschlagen, dem Gesetz im übrigen unverändert nach der Vorlage Drucksache 466 zuzustimmen.