Rede von
Dr.
Michael
Horlacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem aufmerksamen Zuhörer wird nicht entgehen, daß hier im Hause trotz der Übereinstimmung in der grundsätzlichen Verteidigung der Marktordnung als solcher gewisse Meinungsverschiedenheiten bestehen, — Herr Kriedemann!
— Das wollen wir festhalten! Wir wollen das immer festhalten, damit wir uns hintennach nicht täuschen! Aber wir wollen auch gemeinsam festhalten, daß der Antrag, der da vorliegt, schon an die Marktordnung rührt. Denn "die Einfuhr- und Vorratsstellen sind ein Instrument der Marktordnung. Wir können doch keine Marktordnung durchführen ohne Instrumente der Marktordnung! Und Instrumente der Marktordnung sind eben die Einfuhr-und Vorratsstellen, die auf verschiedenen Gebieten geschaffen worden sind. Also haben wir es bei dem Antrag Bender mit einem grundsätzlichen Angriff auf die Marktordnung und auf die Einfuhr- und Vorratsstellen zu tun.
Herr Abgeordneter Bender, wenn ich Ihren Antrag lese, werde ich an meine Universitätszeit erinnert. Ich war einmal auf der Universität, da habe ich dem Professor Hilfsdienste leisten müssen. Da sage ich Ihnen nur folgendes. Für den, der nichts versteht, hat der Antrag eine ausgezeichnete Diktion! Aber für den, der was davon versteht: vollständig daneben gelangt!
Sie haben nach verschiedenen Richtungen vollständig daneben gegriffen. Sie haben nicht gewußt, welcher Hase im Pfeffer liegt. Das heißt: Sie haben es schon gewußt, aber dann haben Sie an dem Hasen vorbeigeschossen, weil Sie ihn gar nicht richtig gesehen haben.
Ich habe so den Eindruck, daß Sie selber gar nicht richtig wissen, was Sie wollen!
Auf der einen Seite sagen Sie: wir wollen die Marktordnung als solche nicht zugrunde gehen lassen; aber auf der andern Seite reden Sie von den überhöhten Getreidepreisen von 100 Mark die Tonne. Wie geht denn das zusammen? — Also, ich muß den Wortlaut erst einmal näher studieren. Es braucht nicht heute zu sein, es braucht ja auch nicht morgen zu sein, aber in 14 Tagen werde ich es schon fertigbringen. Ich habe Ihr Redekonzept ein paarmal gelesen. Es ist hochinteressant. Aber da geht es mir so ähnlich, wie wenn ich einen jungen Doktor auf irgendeine Bauernversammlung mitnehme. Der redet schön daher, aber die Bauern sagen: Schön hat er geredet, verstanden haben wir nichts! t
So ist es mir auch ergangen. Wenn ich Ihren Antrag „seziere", muß ich sagen: Sie haben hier einen marktordnerischen Pfau herausgeputzt, dem ich jetzt die einzelnen Federn herausreißen muß,
damit man endlich sieht, ob der Pfau einen richtigen Körper hat oder ob er an Schönheit und Würde doch ein bißchen schwach aussieht. Aber in jedem Fall müssen wir uns doch sagen — Herr Kollege Kriedemann, da müssen Sie mir zustimmen —: Was verlangen wir denn alles von der Bundesregierung,
das Mögliche und Unmögliche, was uns freut und was uns nicht freut. Wir verlangen allerhand: das, was gerade gemütlich ist, was man brauchen kann für die Agitation und das, was man nicht brauchen kann.
Man verlangt in dem Antrag Verschiedenes. Da heißt es:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag sobald wie möglich einen Bericht vorzulegen
a) über die augenblicklichen Aufgaben, den Haushalt, den Personalbestand der Einfuhr- und Vorratsstellen . . .
Sie können ja jederzeit an die Stellen schreiben, dann bekommen Sie den Verwaltungsbericht; da steht alles drin. Ich muß, ja die Verwaltungsberichte auch studieren. Außerdem ist es nicht so, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen droben auf dem Mond leben. Die leben bei uns, die haben eigene Verwaltungsräte mit eigenen Sachverständigen. Herr Kollege Bender, wenn es eine Möglichkeit gibt, orientieren Sie sich um, und Sie kommen als Sachverständiger in eine der Einfuhr- und Vorratsstellen hinein.
Dann tun wir uns später leichter. Je rascher ein Kritiker zur Beurteilung der Lage eingeschaltet wird, desto besser ist es für die Allgemeinheit.
— Das weiß ich nicht, das muß man erst nachprüfen. Aber seien Sie vorsichtig! Da sind auch Leute von Ihnen bei. Nicht einfach in Bausch und Bogen daherkommen! Das ist eine ganz gefährliche Angelegenheit.
Dann die Frage, ob da noch Gutachten oder kritische Stellungnahmen zur Tätigkeit der Einfuhr-und Vorratsstellen vorliegen. Freilich! Die Wissenschaft hat sich damit beschäftigt. Beschaffen Sie sich das Material doch! Sehr interessant! Die Sachverständigen geben da nachträglich Urteile ab über das Funktionieren während eines Jahrs. Wissenschaftlich tut man sich nämlich viel leichter als in der Praxis. Wissenschaftlich kann man nachtraglich immer etwas beurteilen, was schon längst vorüber ist.
Das ist ein ganz bequemer Standpunkt. Aber auch wir sind dafür, daß die Ergebnisse der Wissenschaft nachträglich gebührend beachtet werden.
Der Punkt b ist daher überflüssig. Was soll das? Das ist auch so eine Pfauenfeder, die keine Existenzberechtigung hat.
Ferner die Frage, ob die im Bundeshaushalt 1954 für die Einfuhr- und Vorratsstellen gemachten Ansätze auch heute noch zutreffen und wirtschaftlich vertretbar sind. Da muß ich folgendes sagen. Ich bin dagegen, den Antrag weiterzubehandeln. Herr Kollege Kriedemann, werden Sie mir nicht weich! Sie waren ursprünglich ganz schön hartgesotten. Aber heute sind Sie wieder weich.
Ich habe hier den Haushalt des Ernährungsministeriums. Wir haben uns in extenso und intensiv, d. h. ausgedehnt und intensiv mit den einzelnen Positionen des Haushalts beschäftigt. Da wurden gerade die Haushaltspositionen, die sich auf die Einfuhr- und Vorratsstellen beziehen, gegen wenige Stimmen angenommen. Ich will sie jetzt nicht wiederholen. Da ist genau geschildert, was auf Vorräte und was auf sonstige Funktionen entfallen muß, ist genau geschildert, welchen Kostenaufwand das erfordert und wie die Verhältnisse sich gestalten. Da sage ich mir: Der Antrag ist ja überholt, wir haben doch jedes Jahr Gelegenheit, beim Haushalt zu diesen Positionen Stellung zu nehmen. Es läuft uns ja nichts davon, und wenn wir einmal zu einer Position Stellung genommen haben, dann brauchen wir doch während des laufenden Haushaltsjahrs nicht wieder neue Vorlagen.
Wohin kämen wir denn da! Also ist auch der Punkt c überholt. Das ist auch so eine Glanzsache, die mit Ata und Imi nichts mehr zu tun hat.
Dann kommt der Punkt d:
welche Maßnahmen vorgesehen sind, um die Aufgaben und die Organisation der Einfuhr- und Vorratsstellen den Gegebenheiten der internationalen und deutschen Agrarmärkte anzupassen.
Da tun Sie einmal das „internationalen" weg! Fahren wir nicht so weit in der Welt umeinander! Wir werden zu hochmütig. Es langt schon „europäisch"; das übrige können wir den anderen überlassen. Bleiben wir zunächst einmal im europäischen Raum! So sind ja auch die Einfuhr- und Vorratsstellen gedacht.
Aber jetzt kommt folgendes Wesentliche, eine Kardinalfrage an das Hohe Haus und an Herrn Bender: Warum haben wir die Einfuhr- und Vor-
ratsstellen überhaupt geschaffen? Das möchte ich einmal wissen. Damals hatten wir eine Übergangsperiode; die haben wir — auch die verbrauchende Bevölkerung — wahrscheinlich vergessen. Ich erinnere an die Zeit der Jahre 1948 und 1949. Damals hatten wir als Ersatzstellen für die Einfuhr- und Vorratsstellen die Importausgleichsstellen und die Außenhandelsstellen. Die Lage war so, daß wir wegen unserer Mangellage und wegen der internationalen Anspannung auf den verschiedenen Marktgebieten überhöhte Auslandspreise und geringere Inlandspreise hatten. Damals hatten wir zugunsten der verbrauchenden Bevölkerung eine riesige Subventionspolitik,
die beim Brotgetreide in die Hunderte von Millionen gegangen ist. Ich erinnere auch an die riesige Subventionspolitik, um den Margarineverbrauch der Bevölkerung sicherzustellen. Hier sind auch schon Bestände durch Stellen bewirtschaftet worden, die Vorgänger der Einfuhr- und Vorratsstellen waren; nur haben sie einen anderen Namen gehabt. Man hat einen Importausgleich gegeben, man hat also im Gegensatz zur jetzigen Praxis heruntergeschleust und nicht hinaufgeschleust. Dann ist später die Idee der größeren europäischen Zusammenarbeit im Rahmen der OEEC, des europäischen Wirtschaftskomitees, aufgekommen. Die OEEC hat den Begriff der Liberalisierung in den Vordergrund gerückt. Über diesen Begriff sind verschiedene Meinungen aufgetaucht. Damals hat man gesagt: Um der Landwirtschaft, die sich wegen ihrer Struktur und ihrer inneren Verhältnisse für die Liberalisierung nicht eignet, eine einigermaßen geschützte Position zu geben, muß für ihre Hauptprodukte eine Marktordnung geschaffen werden.
Was ist nun das Wesentliche der Marktordnungsgesetze? Das Wesentliche ist, .daß alles, was von den Marktordnungsgesetzen erfaßt wird, nicht unter die Liberalisierung fällt, sondern von ihr ausgenommen ist. Das ist der große Grundsatz bei Getreide, Vieh, Fleisch, Butter, Zucker usw. Nur beim Käse hat man die Dummheit gemacht, von ihm nicht zu sprechen und ihn nicht entsprechend einzubeziehen.
Da hat der heilige Geist des Bundesernährungsministeriums versagt. Na, ich will ihm keinen Vorwurf draus machen.