Rede:
ID0205305500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Kriedemann.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. November 1954 2601 53. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. November 1954. Geschäftliche Mitteilungen . 2603 A, 2612 C, 2627 B Nachruf für den verstorbenen Präsidenten D. Dr. Ehlers: Vizepräsident Dr. Schmid 2603 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Ehrenbegräbnis für den Präsidenten D. Dr. Ehlers (Drucksache 934) 2603 D Einstimmige Annahme 2603 D Unterbrechung der Sitzung . . 2603 D Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg Etzenbach, Lermer und Dr. Conring . . 2603 D Änderungen der Tagesordnung 2604 A Nächste Fragestunde 2604 A Zurückgestellte Fragen der Fragestunde der 51. Sitzung (Drucksache 890): 13. betr. durchschnittliche Kosten der Errichtung und Bedienung von Schrankenanlagen an unbewachten Bahnübergängen bzw. Entschädigungen für tödlich verlaufene Unfälle: Ritzel (SPD) 2604 C, 2605 A, B Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 2604 D, 2605 A, B 14. betr. Familientarife für kinderreiche Familien bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel: Brück (CDU/CSU) 2605 B Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 2605 C 15. betr. Heraufsetzung der Altersgrenze der Kinder für Freifahrt und für 50%ig ermäßigte Fahrt bei der Deutschen Bundesbahn: Brück (CDU/CSU) 2605 D, 2606 A Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 2605 D, 2606 A 20. betr. Telefongespräch des Bundesministers für besondere Aufgaben Strauß aus Paris mit dem Bundeskanzleramt: Dr. Bucher (FDP) 2606 B Strauß, Bundesminister für besondere Aufgaben 2606 B 21. betr. Bundesstraße 9 zwischen Koblenz und Andernach: Josten (CDU/CSU) 2606 B, D Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 2606 C, D, 2607 A 24. betr. Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn für die Geschäftsjahre 1952 und 1953: Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 2607 A, D, 2608 A, B Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 2607 A, D, 2608 A, B Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 2604 A Mitteilung über Zurückziehung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Kontrollratsdirektive Nr. 50 (Drucksache 506) und der Kleinen Anfrage 113 der Fraktion der FDP betr. Äußerung des Staatssekretärs Dr. Sonnemann über staatliche Einfuhrplanung (Drucksache 834) 2604 B Mitteilung über Vorlage des Entwurfs einer Verordnung Z Nr. 1/54 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1954 2604 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 110 (Drucksachen 825, 921) . . . 2604 B Mitteilung über Vorlage der Abrechnung über die den Trägern der Invaliden- und Angestelltenversicherung für Rentenzulagen zuzuteilenden Schuldbuchforderungen usw. 2604 B Beratung des Antrags der Fraktion des GB/BHE betr. Landwirtschaftliche Einfuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 732) 2608 B Bender (GB/BHE), Antragsteiler 2608 B, 2626 B Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU) 2612 C, 2627 A Kriedemann (SPD) 2615 B, 2626 C Dr. Horlacher (CDU/CSU) 2617 C Müller (Wehdel) (DP) 2621 B Dannemann (FDP) 2621 C Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2623 C Antrag für erledigt erklärt 2627 B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen (Drucksache 666); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 875) 2627 B Geiger (München) (CDU/CSU), Berichterstatter 2627 B Beschlußfassung 2627 B Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung der Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen am Grundkapital der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund (Drucksache 466); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 874) 2628 A Kirchhoff (CDU/CSU), Berichterstatter 2628 A Mellies (SPD) 2629 C Weiterberatung vertagt 2629 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft (Drucksache 750); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksache 880) 2629 C Dr. Pohle (Düsseldorf) (CDU/CSU), Berichterstatter 2629 D Beschlußfassung 2630 B Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifgesetzes (Drucksache 910) 2630 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2630 B Beratung des Entwurfs einer Zweiundzwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 922) 2630 C Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2630 C Beratung des Entwurfs einer Dreiundzwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 888) 2630 C Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 2630 C Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Achtzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksachen 891, 633) 2630 C, 2632 Margulies (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 2632 Beschlußfassung 2630 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Zwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksachen 893, 763) 2630 D, 2632 Birkelbach (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . . ... . 2632 Beschlußfassung 2631 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über die Fünfte Verordnung über Zolltarif ände-rungen aus Anlaß der Errichtung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksachen 911, 456) 2631 A Griem (CDU/CSU), Berichterstatter 2631 A Beschlußfassung 2631 B Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1952 — Einzelplan XX — (Drucksache 920) 2631 B Überweisung an den Haushaltsausschuß 2631 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. Zündwarensteuer (Drucksache 917) 2631 B Dr. Lindrath (CDU/CSU), Antragsteller 2631 B Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 2631 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 22. November 1952 über den Handel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ceylon betreffende allgemeine Fragen sowie zu dem Ergänzungsprotokoll vom 29. Januar 1954 zu diesem Protokoll (Drucksache 896) . . 2631 C Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 2631 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise (Drucksache 918) 2631 C Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung . . 2631 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Übereinkommen Nr. 62 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1937 über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten (Drucksache 913) 2631 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 2631 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Übereinkommen Nr. 17 der In- ternationalen Arbeitsorganisation vom 10. Juni 1925 über die Entschädigung bei Betriebsunfällen (Drucksache 914) . . . 2631 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 2631 D Nächste Sitzung 2631 D Anlage 1: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Achtzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 891) 2632 Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Zwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 893) 2632 Die Sitzung wird um 11 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Drucksache 891 Schriftlicher Bericht *) des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf einer Achtzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 633) Berichterstatter : Abgeordneter Margulies Der Entwurf einer Achtzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen hat zum Inhalt eine Änderung der Zollnomenklatur. Kleie usw. fällt jetzt unter die Tarifnr. 2302, für die ein vertragsmäßiger Zollsatz von 18 % vereinbart ist. Hiervon ausgenommen wird Reisfuttermehl, für das der Zollsatz 12 % beträgt und das von den übrigen unter Tarifnr. 2302 fallenden Warenarten zolltechnisch abgegrenzt werden kann. Der Ausschuß empfiehlt die Annahme der Vorlage. Bonn, den 12. Oktober 1954 Margulies Berichterstatter Anlage 2 Drucksache 893 Schriftlicher Bericht **) des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf einer Zwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 763) Berichterstatter : Abgeordneter Birkelbach Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 12. Oktober mit dem Inhalt dieser Verordnung befaßt. Wie in der schriftlichen Begründung der Verordnung bereits dargelegt wurde, dürfen von der Jahreskontingentsmenge von 6000 t Rohaluminium, das als Gegenlieferung für ausgeführtes Aluminiumoxyd zollfrei eingeführt werden kann, monatlich nicht mehr als 500 t ausgenutzt werden. In den einzelnen Kalendermonaten nicht beanspruchte Teilmengen können in den folgenden Kalendermonaten bis zum Ende des Kalenderjahres angerechnet werden. Die Bestimmung sollte verhindern, daß durch Einfuhr von 6000 t Rohaluminium in einem kurzen Zeitabschnitt der Inlandsmarkt gestört wird. Diese Befürchtung besteht heute nicht mehr. Der Aluminiumverbrauch ist in der Zwischenzeit derart angestiegen, daß ein marktgefährdender Überhang an Rohaluminium durch die Einfuhr *) Vgl. Seite 2630 **) Vgl. Seite 2630 der 6000 t auch ohne mengenmäßige Aufteilung auf die einzelnen Kalendermonate nicht entstehen kann. Außerdem hat die einschränkende Bestimmung zu ernsten Schwierigkeiten für die beteiligten Wirtschaftskreise geführt. Der Ausschuß hat einstimmig beschlossen, der Verordnung zuzustimmen. Darüber hinaus kam zur Sprache, in welchem Ausmaß gegebenenfalls eine Erhöhung des auf 6000 t jährlich begrenzten Kontingentes in Aussicht genommen werden sollte. Auf Grund der vom Bundeswirtschaftsministerium erteilten Auskünfte sprach sich der Ausschuß einstimmig dafür aus, der Bundesregierung zu empfehlen, mit größter Beschleunigung durch eine weitere Verordnung die Heraufsetzung des Kontingentes auf 9500 t vorzunehmen. Bonn, den 12. Oktober 1954 Birkelbach Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Bender und seine Fraktion haben hier einen sogenannten Antrag vorgelegt. Ich sage ausdrücklich „sogenannten Antrag",

    (Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

    weil die Drucksache 732 nach Form und Inhalt einer Großen Anfrage und nicht einem Antrage entspricht. Es werden Auskünfte erbeten, die der Herr Bender sich zum Teil durch ein Telefonat mit dem Ministerium oder bezüglich des ersten Punktes dadurch hätte verschaffen können, daß er sich die ersten Paragraphen der Marktordnungsgesetze angesehen hätte.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Und materiell: Der Herr Abgeordnete Bender redet davon, daß der Zweck seiner Übung sei, die ganze Wirtschaft der Einfuhr- und Vorratsstellen aus der Versteinerung herauszuholen. Ich darf jedoch, nachdem man die Ausführungen gehört hat, feststellen, daß er aber auch nach keiner Richtung hin einen positiven Vorschlag gemacht hat, wie er sich die Neuordnung der Einfuhr- und Vorratsstellen denkt.

    (Abg. Bender: Abschaffung!)

    — Die Abschaffung, jawohl, darauf komme ich noch zu sprechen, Herr Bender!
    Ich darf mich jetzt einmal mit der Vorlesung des Herrn Bender im einzelnen etwas beschäftigen. Dabei will ich mich auf grundsätzliche Dinge beschränken. Kollegen dieses Hauses aus den verschiedensten Fraktionen werden noch zu Einzelheiten Stellung nehmen.
    Herr Bender behauptet, gedanklich und auch institutionell seien diese Gesetze und Einrichtungen noch in der Zeit der Bewirtschaftung verwurzelt und stellten abgewandelte Formen von Reichsnährstand-Einrichtungen dar.

    (Abg. Dr. Horlacher: Geschichtsfälschung!)

    Er sagt ferner, daß Zielsetzungen und Form der Gesetze auf dem Erfahrungsschatz des damaligen


    (Dr. Dr. h. c. Müller [Bonn] )

    Reichsnährstandes sowie auf den Notwendigkeiten der Kriegszeit und der Nachkriegsentwicklung basierten. Herr Bender, Sie sind Syndikus eines Industrieverbandes, und Ihre Ausführungen haben bewiesen, daß Sie von landwirtschaftlichen Dingen wirklich nicht viel verstehen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Sonst hätten Sie das, was Sie hier gesagt haben, nicht ausführen können. Sie wissen anscheinend nicht, wie die Landwirtschaft seitens des Reichsnährstandes im „Tausendjährigen Reich" praktiziert worden ist. Meine Herren, das Ganze war doch auf Autarkie, auf Vorbereitung des Krieges ausgerichtet. Da wurde dann die berühmte Erzeugungsschlacht angeordnet und erneuert. Da wurde vorgeschrieben, was man zu bauen hatte. Ich selber habe in dieser Zeit einen großen, vielseitigen Betrieb geleitet. Da wurde befohlen, Gemüse und Raps zu bauen. Als ich das ablehnte, wurde ich politisch noch unzuverlässiger, als ich es vorher schon gewesen war, und sogar wehrunwürdig. Alles war bei dieser Bewirtschaftung mit Höchstpreisen versehen. Das Strafrecht war im Dritten Reich der Garant der Wirtschaftsordnung und der Wirtschaftsführung. Der Bauer hatte nicht die Freiheit, durch Rechtsakt über sein Eigentum zu verfügen. „Blubo" war das Schlagwort, nach dem diese Dinge behandelt wurden. Der Bauer hatte auch nicht die Freiheit, seinen Betrieb nach seiner Kenntnis und nach seinem Willen zu führen.
    Nun kam die Zerschlagung des Vaterlandes. Millionen strömten nach Westdeutschland ein. Da stand vor dem 1. Bundestag die Aufgabe, die landwirtschaftliche Erzeugung so rasch und so umfassend wie möglich zu steigern, um uns so bald wie möglich selber ernähren zu können und von den Hilfsaktionen der Alliierten frei zu werden. Es war Aufgabe und Pflicht von Parlament und Regierung, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, auf denen eine Stabilisierung der landwirtschaftlichen Produktion und des landwirtschaftlichen Marktes erfolgen konnte. Was wir hier gemacht haben, sind Dinge, die in allen Kulturländern schon längst vor dem Jahre 1950 gemacht worden sind. Ich brauche nur auf die USA hinzuweisen, wo der Staat die Getreidepreise garantiert und die Ausfuhr, die zu geringeren Preisen als den Inlandspreisen erfolgt, subventioniert, um dem Farmer den gerechten Preis zahlen zu können. Schon seit 1934 haben die USA ein Zuckergesetz, das bis 1956 verlängert ist; sie regeln damit Erzeugung, Preis und über den Preis Einfuhr. Großbritannien hat 1924, als es begann, die ersten Zuckerrüben zu bauen, mit einer Ordnung auf dem Zuckermarkt begonnen. Frankreich, Holland und auch Belgien haben ähnliche Einrichtungen, ohne daß sie etwa vom Reichsnährstand gewußt haben. Herr Bender, bezüglich Zukker kann ich Ihnen sagen, daß schon 1926 die Vereinigung für Verbrauchszuckerverteilung geschaffen wurde, die dann im Jahre 1929 das Freigabesystem geschaffen hat, das heute noch das Kernstück des Zucker-Marktgesetzes ist.
    Diese marktwirtschaftlichen Gesetze — das darf man auch hier noch einmal wiederholen — sind im Bundestag verabschiedet worden: das Getreidegesetz gegen sechs Stimmen bei vier Stimmenthaltungen, das Vieh- und Fleischgesetz einstimmig, das Zuckergesetz bei zwei Enthaltungen.

    (Abg. Dr. Gille: 19511)

    Alle Parteien dieses Hauses erkannten trotz ihrer
    verschiedensten politischen und wirtschaftspolitischen Auffassungen die Notwendigkeit an, daß eine Marktordnung geschaffen und der innere Markt durch Einfuhrschleusen geschützt wurde. Herr Bender, das hatte mit Drittem Reich und Reichsnährstand wirklich nichts zu tun,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    sondern diese Auffassung ist allen Parteien dieses Hauses geworden aus den Erfahrungen, die man in anderen Ländern gesammelt hat, und aus der Notwendigkeit, vor die wir nach dem Zusammenbruch gestellt waren.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Herr Bender, wenn Sie sich berufen fühlen, als Schatzgräber und Prähistoriker nach Schätzen, Ruinen und Petrefakten des Dritten Reiches zu graben, warum suchen Sie sich dann die Einfuhr- und Vorratsstellen aus? Herr Bender, warum in die Ferne schweifen? Die Dinge liegen Ihnen doch in Ihrem Kreise so nahe, da haben Sie doch Gelegenheit genug, nach solchen Dingen zu graben!

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Gille: Unerhört! Andere Argumente hat er wohl nicht!)

    Meine Damen und Herren, unter dieser Marktordnung hat sich die deutsche Landwirtschaft in einem ungeahnten Maße entwickelt. Schon nach sieben Jahren hatte sie die Vorkriegsproduktion überschritten, während sie nach dem ersten Weltkriege mit viel weniger Zerstörungen dafür zehn Jahre gebraucht hat. Die deutsche Landwirtschaft hat •im Jahre 1952/53 — ich will das nicht im einzelnen aufzählen — für 976 Millionen DM künstlichen Dünger gebraucht, 1938/39 für 404 Millionen DM. Sie hat an Landmaschinen und Traktoren ohne Molkereimaschinen für 1060 Millionen DM gekauft, die Zahl der Ackerschlepper ist von 89 000 auf 304 000 gestiegen, und ihre Betriebsausgaben betrugen im Jahre 1952/53 über 9 Milliarden DM. Ich gebe zu, daß in diesen Zahlen auch Preiserhöhungen stecken. Aber in ihnen stecken auch starke mengenmäßige Steigerungen der Bezüge, die die Landwirtschaft im Innern aus Industrie und Gewerbe übernommen hat.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Diese Marktordnungsgesetze darf man auch einmal zu unserem Export in Beziehung setzen. In den Kreisen, denen Herr Bender nahesteht, gibt es ja immer noch sogenannte Freihändler; denn Ideologen und Idioten sterben in einem Volke nie aus.

    (Heiterkeit in der Mitte. — Abg. Samwer: Das scheint so!)

    Unsere Ausfuhr hat sich von mehr als 8 Milliarden DM im Jahre 1950 auf mehr als 18 1/2 Milliarden DM in 1953 gesteigert, und wir werden in diesem Jahre auf mehr als 20 Milliarden DM kommen. Die Marktgesetze sind also nicht ein Hindernis einer expansiven Exportpolitik gewesen, sondern sie sind meines Erachtens die besten Träger dieser Exportpolitik geworden, weil sie geholfen haben, daß dieser Kunde, der über 9 Milliarden DM auf dem Inlandsmarkt hat ausgeben können, Gewerbe und Industrie eine Unterlage gegeben hat, die den Export leichter und ungefährlicher macht.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Die Einfuhr- und Vorratsstellen haben auch etwas anderes fertiggebracht. Im Rahmen des jährlich aufzustellenden Versorgungsplanes hat das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft


    (Dr. Dr. h. c. Müller [Bonn])

    bei Handelsvertragsverhandlungen verbindliche Erklärungen zur Übernahme von gewissen Agrarprodukten abgeben können, und es hat sogar, wenn es erforderlich war, plötzlich helfen können. Ich brauche nur an Argentinien und die Türkei zu erinnern.
    Nun zu der Kritik und den sogenannten Besserungsvorschlägen des Herrn Bender ein paar Worte. Er sagte, die Zielsetzung und die Form der Gesetze basierten — das habe ich eben schon gesagt — auf dem Reichsnährstand und auf den Notwendigkeiten der Kriegszeit und der Nachkriegsentwicklung. Meine Herren, die Gesetze sind 1950/51 entstanden. Da ist der Krieg vorbei gewesen, soweit ich mich erinnere. Von Notwendigkeiten der Kriegszeit kann also bei diesen Gesetzen wirklich nicht die Rede sein!

    (Abg. Bender: Ist auch nicht so gesagt worden!)

    Herr Bender erkennt ein vorläufiges Festhalten am Schutzbedürfnis für Getreide und Zucker an. Aber er erklärt in einem Atemzug dazu, ob dagegen die Preishöhe für Getreide und Zucker innerdeutsch gehalten und geschützt werden müsse, bedürfe einer besonderen Untersuchung und werde weitgehend von politischen Erwägungen beeinflußt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf England, Holland, Belgien und Dänemark, die den Getreidepreis nach dem internationalen Marktpreis ausrichten. Ich möchte Herrn Bender darauf aufmerksam machen, daß die Preise für Getreide und Zucker nicht in den Marktgesetzen geordnet sind, sondern daß vom Bundestag jedes Jahr durch ein besonderes Preisgesetz für Getreide für das eine Jahr die Getreidepreise geregelt werden. Herr Bender, glauben Sie, dieser ganze Bundestag, der diese Preisgesetze immer einstimmig beschlossen hat, ist so doof, daß er nicht die rechte Höhe der Getreidepreise abschätzen und festsetzen kann? Herr Bender, dazu braucht er Sie nicht!

    (Heiterkeit in der Mitte. — Abg. Bender: Aber Sie! — Abg. Samwer: Darum geht es doch gar nicht!)

    Der Zuckerpreis wird jedes Jahr festgesetzt durch eine Verordnung, die vom Bundesrat genehmigt werden muß.
    Aber stellen wir uns doch einmal auf den Standpunkt des Herrn Bender, wir sollten uns mit Getreide und Zucker zum billigen Weltmarktpreis eindecken. Meine Damen und Herren, wohin muß das führen? Herr Bender sagt, Getreide spiele in der Gesamteinnahme der Landwirtschaft nur eine geringe Rolle. Mein verehrter Lehrer, Geheimrat Dietzel, bei dem ich acht Semester im volkswirtschaftlichen Seminar gesessen habe,

    (Zuruf von der Mitte: Mit Erfolg!)

    hat eine Definition der Statistik gegeben, die ich in diesem Hohen Hause nicht wiederholen kann, weil Zuhörer und Damen anwesend sind. Sie war vernichtend! Die Statistik bringt Zahlen; aber diese Zahlen richtig lesen und auswerten, das muß gelernt sein. Herr Bender sagt — ich wiederhole es —, in der Gesamteinnahme der Landwirtschaft spiele die Einnahme aus Getreide eine geringe Rolle. Das stimmt. Aber Herr Bender scheint nicht zu wissen, daß hinter diesen Zahlen ein großes wirtschaftliches Geschehen steht, das man in die Rechnung einsetzen muß.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Samwer: Alles Phrasen!)

    Nehmen wir einmal an, wir folgten ihm und kauften das Getreide in den USA, in Kanada, in Argentinien oder in der Türkei. Meine Herren, dann wird bei uns der Getreidebau verschwinden; denn zu d e n Preisen kann der deutsche Bauer aus Gründen, die ich hier nicht anzuführen brauche, nicht produzieren. Mit dem Getreidebau wird dann auch der Hackfruchtbau verschwinden, d. h. der Zuckerrübenbau. Was sollen dann diese armen Leute machen? Dann sollen sie sich wahrscheinlich dem feldmäßigen Gemüsebau zuwenden und den vergrößern. Dann essen wir statt Brot viel Kappes und Salat.

    (Heiterkeit.)

    Aber mit diesem gesteigerten Gemüsebau, den wir in der Nachkriegszeit, Gott sei Dank, stark eingeschränkt haben, werden zum Schluß auch die Klein- und Mittelbetriebe, die sich speziell mit Gemüsebau beschäftigen, mit in die Mühle kommen. Grünlandwirtschaft kann man auf diesen Böden nicht treiben, weil der Boden das nicht durchhält und weil vor allem die Niederschlagsmengen zu gering sind. Also muß man Feldfuttermittel bauen; aber dann kommen wir allmählich in das Land, in dem Milch fließt, in dem aber der Honig fehlt, und dann wird die Milchwirtschaft der ganzen mittleren und kleineren Bauern mit vor die Hunde gehen. So geht es nicht, meine Herren! Man muß die landwirtschaftliche Produktion den Naturgegebenheiten anpassen. Da kann man nicht ausweichen, und weil man nicht ausweichen kann, muß man auch in der Gesetzgebung dafür sorgen, die Landwirtschaft in allen ihren Teilen so zu gestalten, daß der Bauer einen angemessenen Ertrag hat. Wir können ja auch wieder einmal in Schwierigkeiten im Rahmen der Weltwirtschaft geraten. Wir wissen nicht, ob nicht wieder einmal ein Korea entsteht. Dann kommt Schiffsraumnot und kommen andere Dinge, und dann führt Herr Bender Klage darüber, daß wir Getreidevorräte für ganze drei Monate liegen haben! Meine Herren, ich muß erklären: Soviel an agrarpolitischer Naivität wie heute ist diesem Hause noch nicht geboten worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe dazu zu sagen: Meine Freunde und ich halten an den Grundsätzen der Marktordnungsgesetze fest und lehnen es ab, unsere wirtschaftspolitischen Maßnahmen nach der jeweiligen Marktlage einzurichten, indem man sich in Zeiten des Mangels zur Förderung der landwirtschaftlichen Produktion aufrafft und in Zeiten des Überschusses, die ja nach Herrn Bender durch die Weltmarktlage gegeben sind, grundsätzlich die ganzen Förderungsmaßnahmen einstellt. Dabei soll diese Marktordnung nicht ein Deckmantel für wirtschaftlichen Rückschritt sein, und sie hat bewiesen, daß sie es auch nicht ist. Dieses Festhalten am Grundsätzlichen soll aber nicht Verbesserungen und Verfeinerungen in der Technik der Einfuhr- und Vorratsstellen ausschließen.

    (Zuruf vom GB/BHE: Na also!)

    — Nun Herr Bender, was haben Sie dazu an Vorschlägen zu sagen gehabt? Nichts! Kein einziger positiver Vorschlag ist über Ihre Lippen gekommen, und wenn man Ihren Aufsatz durchliest, so muß man sagen, daß auch da nichts drinsteht. Ich kann wenigstens nichts finden.

    (Abg. Dr. Gille: Das liegt vielleicht an Ihnen!)



    (Dr. Dr. h. c. Müller [Bonn])

    Meine Damen und Herren, auf eines muß ich noch hinweisen. Diese Naivität haben Sie nun auch mit einer gründlichen Spritze aus der Streubüchse Frechheit versehen. Jawohl, Herr Bender,

    (Abg. Bender: Ist dieser Ausdruck angemessen?)

    das werde ich Ihnen beweisen. Sie behaupten, den Vertretern des Bundesernährungsministeriums und der Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide mangele es an Willen zur grundlegenden Reform, weil die Bürokratie mit allen Mitteln die Stühle festhalte, auf denen sie sitze.

    (Abg. Bender: Herr Präsident, ist das Wort „Frechheit" parlamentarisch?)

    Sie werfen diesen Beamten und Angestellten des Ministeriums und der Einfuhr- und Vorratsstelle vor, daß sie aus persönlichem Interesse pflichtwidrig handeln.

    (Zuruf von der Mitte: Sehr wahr!). Da ist doch kein Strich vorbei!


    (Zuruf vom GB/BHE: „Frechheit" ist doch kein parlamentarischer Ausdruck!)

    — Ich habe ja nicht gesagt, daß er frech sei. Ich habe gesagt: „aus der Streubüchse Frechheit". Bitte, da muß man aufpassen!

    (Abg. Samwer: Sie vor allen Dingen!)

    Verehrter Herr Bender, für diese Dinge ist doch letzt- und höchstverantwortlich Herr Minister Dr. Lübke. Also hält der sich auch an den Stühlen fest!

    (Zuruf vom GB/BHE: Das ist eine Verdrehung!)

    — Herr Bender, wenn Sie das ablehnen, gut, aber dann sage ich Ihnen: Gott verzeihe Ihnen, denn Sie wissen nicht, was Sie tun!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Wenn Sie nämlich den Herrn Minister ausnehmen, dann bescheinigen Sie ihm, daß er schwach auf der Brust ist und keine Ordnung und Disziplin in seiner Verwaltung halten kann. Herr Bender, mit solchen Auffassungen können Sie vielleicht in einer Versammlung von politischen Analphabeten landen, aber nicht hier in diesem Hause.

    (Oho-Rufe vom GB/BHE.)

    Meine Damen und Herren, ich habe dazu zu sagen: der Herr Minister arbeitet seit Jahr und Tag zusammen mit sachverständigen Vertretern auch aus diesem Hause an der Verfeinerung und Ordnung der Arbeit. Dabei soll man ihn nicht stören. Jeder, der positive Vorschläge zu machen hat, ist uns willkommen.
    Ich habe eingangs darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht um einen echten Antrag, sondern um eine Anfrage handelt. Ich stelle mit meinen Freunden den Antrag:
    Der Bundestag wolle beschließen:
    Der Antrag der Fraktion des GB/BHE Drucksache 732 wird für erledigt erklärt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Samwer: Sehr billig!)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Kriedemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich immerhin darauf berufen, daß ich zusammen mit einigen meiner Freunde seit ein paar Jahren nach unseren besten Kräften an allem, was mit der Frage der Marktordnung zusammenhängt, arbeite. Ich kann mich auch darauf berufen, daß der erste Versuch im 1. Bundestag, sich mit den Erfahrungen aus dem Bereich der Marktordnung auseinanderzusetzen und dazu einen Ausschuß einzusetzen, auf die Initiative meiner Fraktion zurückging. Ich führe das hier an, weil ich nach einer Legitimation dafür suche, dem Herrn Kollegen Bender sagen zu können, daß meinem Gefühl nach sein Anliegen hier mindestens einen sehr schlechten Start gehabt hat. Ich weiß nicht, ob das damit zusammenhängt, daß, wie Sie gesagt haben, die Presse so lange dicht gehalten hat, oder ob es damit zusammenhängt, daß wir alle schon so früh auf das vorbereitet waren, was heute hier steigen sollte. Aber ich habe das Empfinden, es war ein schlechter Start, als Sie von der „Grünen Front von links bis rechts" redeten, um deren Verständnis und um deren Zustimmung Sie hier werben wollten.
    Ich habe sehr oft das Gefühl gehabt, daß die Berufung auf diese „Grüne Front" — um nicht zu sagen: ihre Beschwörung — der Landwirtschaft immer sehr schlecht bekommen ist. Man hat es vielleicht einmal erfunden, um zu zeigen, daß man ihr etwas Gutes tun will. Aber in der Auswirkung ist es, glaube ich, doch sehr schlecht gewesen, um so mehr, als sie in der Regel ja als eine etwas bedrohliche Beschwörung empfunden wird. Ich möchte für mich und meine Freunde jedenfalls sagen, daß wir uns weder zu einer „Grünen Front" noch zu einer „Grünen Fronde" zählen lassen möchten.

    (Abg. Mellies: Sehr richtig!)

    Wir glauben nämlich, daß es ganz allgemein einem Abgeordneten sehr schlecht ansteht, wenn er sich so bereitwillig zum Vertreter eines der vielen Interessenstandpunkte in unserem Volke macht. Von einem Abgeordneten wird eigentlich mehr verlangt. Zur Vertretung der Interessenstandpunkte sind ja die Herren da, die das sehr ehrenwerte Geschäft der Interessenvertretung in den Verbänden versehen. Es ist sehr gefährlich, wenn man das mit den Abgeordnetenaufgaben vermischt. Es dient auch der Landwirtschaft sehr wenig, wenn man nicht jede Gelegenheit benutzt, wirklich unter Beweis zu stellen, daß ihre Anliegen am besten dann aufgehoben sind, wenn man sie in die Gesamtverantwortung hineinnimmt, sie gerade herausnimmt aus dem engen Interessenstandpunkt, der an sich völlig berechtigt ist, hier aber doch keine Sprecher haben sollte. Ich wiederhole: wir möchten uns nicht zu einer „Grünen Front" zählen und zählen lassen, und wir wünschen, es würde auch sonst etwas sparsamerer Gebrauch von dieser Formel gemacht.
    Zum schlechten Start, Herr Kollege Bender, gehört vielleicht auch, daß Sie trotz Ihrer Versicherung, es gehe Ihnen gar nicht um die Marktordnung im Prinzip, in Ihren Formulierungen doch Anlaß dazu gegeben haben, eine agrarpolitische Debatte zu führen, für die eigentlich die Drucksache 732 gar keine Handhabe bietet. Sie werden sich nicht darüber zu wundern brauchen, wenn nun in der Debatte über diesen Antrag die Agrarpolitik eben doch eine große Rolle spielt. Denn Sie haben sich hier und nach dem, was ich gelesen und gehört habe, nicht darauf beschränkt, auf mehr technische und deshalb untergeordnete Fragen einzugehen; Sie haben hier Probleme angesprochen und zur De-


    (Kriedemann)

    batte gestellt, die nicht mit den Einfuhr- und Vorratsstellen, sondern die mit der Marktordnung und mit sehr entscheidenden Grundfragen der Agrarpolitik zu tun haben.
    Herr Kollege Müller hat daran erinnert, daß die Marktordnungsgesetze von der überwältigenden Mehrheit angenommen worden sind. Die merkwürdige Aufsplitterung, die Tatsache, daß es bei der Abstimmung über das Getreidegesetz soundso viele Enthaltungen und soundso viele Gegenstimmen gab, war, glaube ich, darauf zurückzuführen, daß sich in jenem Augenblick die damals noch vorhandene kommunistische Fraktion nicht einig war, ob sie sich enthalten oder ob sie gegen das Gesetz stimmen wollte; und da hat sie sich auf diese Weise nach zwei Möglichkeiten hin entschieden.
    Ich glaube auch nicht, daß diese Entscheidungen unter dem besonderen Gesichtspunkt jener Jahre gefallen sind. Aus Zwischenrufen hatte ich den Eindruck, daß damit der Meinung Ausdruck gegeben werden sollte, es würde in diesem Hause eine Mehrheit für die Marktordnungsgesetze nicht mehr geben. Demgegenüber möchte ich aus meiner Kenntnis der Zusammensetzung dieses Hauses und der Arbeit in dem speziellen dafür zuständigen Ausschuß, dem Ernährungsausschuß, sagen, daß ich die Richtigkeit dieser Andeutung oder diese Befürchtung — ich weiß nicht, wie ich sagen soll — bezweifle. Ich glaube, es würde auch in d i es e m Hause wieder eine Mehrheit geben, weil eben der Grund der landwirtschaftlichen Marktordnung in unserer agrarpolitischen Situation viel zu sehr verankert ist, als daß man ihn etwa an bestimmte Zeitläufte oder an bestimmte politische Einzelerscheinungen anhängen könnte.
    Auf der anderen Seite bedauere ich vor allem —und ich glaube, Herr Kollege Bender, daß man das besser hätte vermeiden sollen —, daß wir jetzt in eine Diskussion hineinkommen, die, wie gesagt, weit über das hinausgeht, was in dem Antrag 732 meinem Empfinden nach eigentlich angesprochen wird. Ich möchte nicht verhehlen, daß in der Praxis der Einfuhr- und Vorratsstellen — das ist uns allen geläufig — eine ganze Menge Dinge vorgekommen sind, mit denen man sich keineswegs ohne weiteres einverstanden erklären kann.

    (Zuruf vom GB/BHE: Na also!)

    — Was heißt hier „Na also"? Daß das so ist, beweist sich ja schon durch die hier mitgeteilte, aber uns allen, die wir seit langem daran arbeiten, bekannte Tatsache, daß man sich auch im Ministerium mit Fragen der Einfuhr- und Vorratsstelle, ihrer zweckmäßigen Organisation usw., befaßt. Es könnte doch allzuleicht der Eindruck entstehen — und er ist vielleicht gerade durch eine gewisse Vorbereitung, die Sie der Sache gegeben haben, entstanden —, als wären Sie jetzt auf Dinge gekommen, die bisher entweder allen verborgen geblieben sind oder die eine verschworene Gemeinschaft der Grünen Front böswillig verborgen gehalten hat. Daß es Anlaß gibt, sich mit den Erfahrungen auseinanderzusetzen, ist so unsensationell, daß ich nur immer wieder bedauern kann, wenn die ganze Geschichte heute einen etwas sensationellen Anstrich bekommen hat und es so aussieht, als seien auf der einen Seite irgendwelche Leute, die die Marktordnung angreifen, und auf der anderen Seite irgendwelche Leute, die die Marktordnung verteidigen. Es könnte nämlich bei diesem Gefecht leicht das verlorengehen, was nicht verlorengehen sollte, und es könnte vor allem das gefährdet und
    beeinträchtigt werden, was, wie gesagt, schon längst Gegenstand ernster Arbeit ist.
    Ich weiß nicht, ob Sie dem Haushaltsausschuß angehören. Wenn das nicht der Fall sein sollte, können Sie sich von Ihren Kollegen aus dem Haushaltsausschuß sagen lassen, daß anläßlich der letzten Beratungen in diesem Ausschuß, ich glaube, auf die Initiative eines meiner Freunde hin, auf alle Fälle aber mit der überwiegenden Mehrheit des Ausschusses, festgestellt worden ist, daß man sich wieder einmal mit den Einzelheiten der Vorratshaltung befassen muß. Ich kann mich außerdem darauf berufen, daß wir mehr als einmal Gelegenheit gehabt haben, uns über die Möglichkeit einer Auflockerung von Marktordnungsbestimmungen zu unterhalten, in der Regel auf Grund der Initiative aus meiner Fraktion. Wenn das dann nicht zu Erfolgen geführt hat, so bedauere ich dies sehr. Aber es muß hier daran erinnert werden, und zwar nicht so sehr, um irgendeine Autorschaft anzumelden, nicht so sehr, um wieder einmal die Frage zu behandeln, wer nun eigentlich für die Freiheit in der Wirtschaft ist, soweit das möglich ist, und wer dagegen ist, sondern um ganz deutlich zu machen: es handelt sich hier keineswegs um eine sensationelle Entdeckung, um die Aufdeckung irgendeiner fürchterlichen Geschichte, mit der man sich hier endlich einmal auseinandersetzen müßte. Ich will damit nur sagen: das, was wahrscheinlich Gegenstand Ihrer Sorge war, ist uns allen geläufig, und Sie haben es schon gehört, werden es aber wahrscheinlich auch noch von dem Herrn Minister hören — ich nehme an, daß er dazu ebenfalls etwas sagen wird —, daß daran gearbeitet wird.
    Ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen: Veranlassung, an der Einrichtung zu arbeiten, ist immer. Das ist auch gar kein Wunder. Die Einfuhr- und Vorratsstellen sind völlig neu geschaffene Einrichtungen. Ich darf Ihnen sagen, daß wir uns damals sehr sorgfältig darum bemüht haben, Bestrebungen, Erfahrungen aus der Zeit des Reichsnährstands geltend zu machen, abzuwehren. Es ist wirklich kein Wunder, daß man mit solchen neuen Einrichtungen neue Erfahrungen macht und versucht. sich mit ihnen auseinanderzusetzen und etwas daraus zu lernen. Das ist ganz natürlich, und ich glaube, daß nicht soviel Aufhebens davon gemacht werden sollte. Sie werden jetzt und in Zukunft selber erleben, daß dadurch ein Eindruck entstanden ist, der für den einen einen willkommenen, für den andern vielleicht einen unausweichbaren Zwang darstellt, sich vor die Marktordnung zu stellen, von der ich, was jedenfalls meine Freunde angeht, sagen möchte, daß sie nicht bedroht ist.
    Ich möchte das auch denjenigen sagen, die sich nun vielleicht berufen fühlen, die Marktordnung zu verteidigen. Da sie meiner festen Überzeugung nach einen ernsthaften Feind nicht hat, kommt man in die Verlegenheit, sich ein bißchen lächerlich zu machen, wenn man als Kämpfer gegen einen Feind auftritt, den man sich vorher selber erst an die Wand gemalt hat. Der Sache der Marktordnung würde auch kein guter Dienst erwiesen, wenn man sie sozusagen als ein Tabu hinstellt, an idas nicht gerührt, über das nicht einmal geredet werden darf. Wir haben hier oft von dieser Stelle aus, als unsere Meinung jedenfalls, vorgetragen, daß die größte Gefährdung der Marktordnung dann eintreten müßte, wenn man offensichtliche Mißbräuche nicht bereinigen wollte, wenn man sich nicht für beweglich genug hielte, Einrichtungen
    2. Deutscher Bundestag — 53. Sit ung. Bonn, Donnerstag, den 4. November 1954 2617

    (Kriedemann)

    der Marktordnung, die schließlich nicht die Marktordnung sind, auch einmal im Lichte der Erfahrungen und ganz unvoreingenommen zu besehen.
    Ich möchte darauf verzichten — gerade weil ich glaube, daß kein Anlaß für eine agrarpolitische Debatte besteht —, zu Einzelheiten der Marktordnung etwas zu sagen, obwohl dazu auch immer Veranlassung vorliegt; denn bei aller grundsätzlichen Anerkennung der Marktordnung wird man sich immer wieder überlegen müssen, ob denn nicht mit Mitteln der Marktordnung, mit denen für Getreide sehr viel getan wird, in anderen Bereichen mehr getan werden könnte, also z. B. in der oft zitierten Veredlungswirtschaft — ich denke besonders an die Milch —, und ob das alles nicht zweckmäßiger geregelt werden könnte. Aber, wie gesagt, das steht heute nicht auf der Tagesordnung, und ich möchte es deshalb nicht vertiefen, um die Debatte nicht aufzuhalten. Gerade aber, Herr Kollege Müller — und hier unterscheidet sich jetzt meine Auffassung von Ihrer Auffassung —, weil ich der Überzeugung bin, daß man der Marktordnung einen schlechten Dienst erweist, wenn man nicht bereit ist, sich mit dem auseinanderzusetzen, was da mit Recht — in vielen Fällen allerdings auch zu Unrecht — diskutiert wird, möchte ich nicht, daß wir so verfahren, wie Sie es eben beantragt haben: über diesen Antrag, weil er kein richtiger Antrag, sondern eigentlich mehr eine Anfrage ist, zur Tagesordnung überzugehen.

    (Sehr richtig! links.)

    Ich sage: es gibt berechtigte Sorgen. Ich bestreite gar nicht, daß es auch sehr unberechtigte Sorgen gibt, denn manche Kritik kommt auch von solchen Leuten, die zu kurz gekommen sind, die sich durch , das Eingreifen oder das Vorhandensein der Einfuhr- und - Vorratsstellen in der Abwicklung ihrer Geschäfte beeinträchtigt fühlen. Und da liegt dann die Schuld nicht immer bei der Einfuhr- und Vorratsstelle, sondern manchmal auch bei den Leuten, die auf ihre Weise nicht landen konnten. Wir haben gar keine Veranlassung, einer solchen Diskussion auszuweichen. Ich halte es nur für völlig unmöglich, daß die Regierung die Fragen hier dem Hause beantwortet. Ich möchte keineswegs den Eindruck erwecken, als sei die Marktordnung auf dem Gebiete der Landwirtschaft eine Art von Geheimwissenschaft und nur ganz eingefahrenen Fachleuten zugänglich. Aber so außerordentlich einfach ist es nun auch wieder nicht, daß man die Beantwortung dieser Fragen nach der Reihenfolge vornehmen könnte, wie sie hier gestellt sind. Das ist doch ein bißchen zu einfach gemacht.
    Im übrigen haben wir auch ein gewisses öffentliches Interesse daran, daß bestimmte Bereiche der Vorratspolitik und der damit zusammenhängenden Abwicklung von Geschäften hier nicht in aller Breite und sehr vereinfacht diskutiert werden. Ich würde es ,deshalb für zweckmäßiger halten und Ihnen vorschlagen, den Antrag von Herrn Dr. Müller so abzuwandeln, daß wir die Regierung bitten, die hier gestellten Fragen im Ernährungsausschuß zu debattieren, und den Ernährungsausschuß beauftragen, das Resultat dieser Debatte zu gegebener Zeit hier vorzutragen. Das scheint mir eine viel bessere Grundlage für eine sachliche Behandlung dieser Angelegenheit zu sein. Nur so wird es übrigens möglich sein, ihr die zu meinem Bedauern hier eben gegebene gewisse sensationelle Seite wieder abzunehmen und sie auf das zurückzuführen, was sie ist: ein sehr nüchternes Geschäft, pflichtgemäße Auseinandersetzungen mit Erfahrungen, pflichtgemäße Auseinandersetzungen mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden. Wenn das aber ordentlich gemacht werden soll und wenn man dabei sehr berechtigte, auch öffentliche Interessen nicht zu kurz kommen lassen will, dann geht das sicherlich nicht in einer Stellungnahme hier vor dem Plenum, sondern das geht nur in einer dann allerdings sehr gründlichen Arbeit, an der sich möglichst viele mit Sachkenntnis, mit Nüchternheit und mit dem Willen zum Ausbessern, zum ständigen Verbessern unserer öffentlichen Einrichtungen, aber auch mit dem Willen beteiligen sollen, unser Wirtschaftsleben von allen überflüssigen Eingriffen der Verwaltung aller Arten freizuhalten, wozu für meinen Geschmack im übrigen Verbände genau so gehören wie Träger von Hoheitsaufgaben. Wir sollten also bei der Gelegenheit wieder einmal revidieren: was läßt sich da jetzt auf Grund der Erfahrungen vereinfachen?
    Zum Schluß noch einmal: die Marktordnung steht nicht zur Debatte, und es sollte niemand so tun, als würde sie jetzt zur Debatte gestellt; und es sollte sich auch niemand durch irgend etwas getroffen fühlen, was so aussehen könnte wie ein Angriff auf die Marktordnung.

    (Beifall bei der SPD.)