Rede von
Dr.
Hans-Christoph
Seebohm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 32 Abs. 7 des Bundesbahngesetzes bestimmt:
Der Jahresabschluß ist vom Vorstand zu veröffentlichen; dies soll innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres geschehen.
Bekanntlich war im Regierungsentwurf zum Bundesbahngesetz hierfür eine Frist von einem Jahr vorgesehen. Der Verkehrsausschuß des 1. Deutschen Bundestages hat sich für sechs Monate entschieden, obwohl er sich nicht im Zweifel darüber befand, daß es sehr schwer sein würde, diese Frist innezuhalten. Der Verkehrsausschuß ist bei den sechs Monaten nicht zuletzt deshalb geblieben, weil er sich gleichzeitig dafür entschied, daß es sich nur um eine Soll-Vorschrift handeln solle.
Inzwischen hat sich gezeigt, daß es nicht möglich ist, den Jahresabschluß der Bundesbahn innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des betreffenden Kalenderjahres zu veröffentlichen. Dies ist nicht überraschend und ergibt sich aus der Umständlichkeit ides folgenden durch das Bundesbahngesetz vorgeschriebenen Verfahrens: Wenn die Buchungen für das Vorjahr Ende Januar abgeschlossen sind, müssen zunächst die Bundesbahndirektionen und -zentralämter die Abschlüsse für ihren Bereich fertigen; diese sind dann von den Bezirksprüfungsämtern zu prüfen. Danach legt die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn den Gesamtabschluß vor, der dann vom Vorstand dem Finanzausschuß und dem Plenum des Verwaltungsrats zu unterbreiten ist. Gleichzeitig hat das Hauptprüfungsamt der Deutschen Bundesbahn einen vorläufigen Prüfungsbericht zu erstatten. Nach Stellungnahme des Verwaltungsrats und des Vorstandes folgen die endgültige Prüfung und der endgültige Bericht des Hauptprüfungsamts. Dann beginnt erst die Arbeit des Bundesrechnungshofes, der seinen Bericht nur nach Erörterung mit der Bundesbahn, dem Hauptprüfungsamt und den Bundesministerien für Verkehr und der Finanzen erstatten kann. Erst dann geht dieser Bericht mit dem Jahresabschluß — und dem Bericht des Hauptprüfungsamts — an die Bundesregierung.
Dieses lange und zeitraubende Verfahren ist die Begründung für die Tatsache, daß die endgültig geprüften Abschlüsse noch nicht vorliegen.
Das Bundesbahngesetz ist praktisch in dieser Sache erst für das Jahr 1952 in Kraft getreten. Der eben geschilderte vorgeschriebene Geschäfts- und Prüfungsablauf mußte sich zunächst einspielen. Die neuen Organe der Bundesbahn konnten nicht vor Sommer 1952 tätig werden. Dazu kommt noch, daß die Ende 1952 zutage getretenen finanziellen Schwierigkeiten der Bundesbahn grundsätzliche Fragen aufwarfen, die für die prüfenden Instanzen besondere Sorgfalt und ein vertieftes Eindringen in den Stoff erforderlich machten.
Ich selbst bin immer wieder beim Bundesrechnungshof vorstellig geworden. Für mich ist der Zustand, den Sie mit Recht kritisieren, Herr Abgeordneter, denkbar unbefriedigend, ja, fast unerträglich. Ich bin jedoch ohne Einwirkungsmöglichkeit auf die Arbeitsweise des Bundesrechnungshofes, dem niemand die Verantwortung für diese Prüfung und die Prüfungsmethoden abnehmen kann.
Trotz aller Hindernisse hoffe ich, im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen die Jahresabschlüsse der Bundesbahn für 1952 und 1953 in absehbarer Zeit genehmigen und der Bundesregierung vorlegen zu können, die dann ihrerseits idem Bundestag und dem Bundesrat vor der Veröffentlichung Kenntnis geben wird.
Ich bin mir darüber klar, daß mit diesen Hinweisen die von Ihnen gestellte Frage nicht befriedigend beantwortet ist. In formeller Hinsicht ist zwar der von Ihnen kritisierte Tatbestand zu rechtfertigen. Ebenso berechtigt erscheint mir aber der Wunsch des Bundestages nach einer baldigen Unterrichtung über die Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn. Ich habe daher Ihre Frage nochmals zum Anlaß genommen, mit dem Bundeskanzleramt, dem Herrn Bundesminister der Finanzen, dem Bundesrechnungshof und der Deutschen Bundesbahn zu prüfen, ob sich nicht eine Möglichkeit findet, das Parlament schon zu einem früheren Zeitpunkt zu unterrichten, auch wenn die nach dem Gesetz vorgeschriebenen Prüfungen zur endgültigen Feststellung ides Jahresabschlusses noch nicht beendet sind. Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß keine Bedenken dagegen erhoben werden könnten, die Abschlüsse 1952 und 1953 den mit den Verkehrsgesetzen befaßten Ausschüssen des Hohen Hauses schon vor Abgabe des Berichts des Bundesrechnungshofes und schon vor der durch § 32 Abs. 5 des Bundesbahngesetzes angeordneten Entscheidung der Bundesregierung über die Entlastung des Verwaltungsrats und des Vorstandes zuzuleiten. Das wird, wie ich hoffe, in kurzer Zeit geschehen.