Rede von
Dr.
Johannes-Helmut
Strosche
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden es verstehen, daß es mir, der ich auch ehemaliger Kriegsgefangener bin, schwerfällt, nach dieser Bekundung unseres gemeinsamen Gefühls und gemeinsamen Willens nun wieder in diese Debatte einzusteigen. Aber ich glaube, daß vielleicht gerade dieser Appell des Herrn Präsidenten und unsere Manifestation unseres gemeinsamen Gedenkens an die Kriegsgefangenen zum rechten Augenblick gekommen sind und nicht sinnlos sein dürften. Denn wir sollten uns gerade angesichts dieser Stunde einmal fragen, was denn wohl die Kriegsgefangenen und all diejenigen, die von dem Leiden unserer Zeit besonders betroffen sind, zu der Art und zu dem Tenor der jetzt abgelaufenen Debatte sagen würden. Ich glaube, daß hier gerade 'seitens dieser Menschen und Betroffenen Maßstäbe der Beurteilung angelegt würden, die den unseren im Augenblick nicht ganz entsprechen.
Nun zur Sache! Der Verlauf der Debatte hat eigentlich in mir und wohl auch in meinen politischen Freunden das eigenartige Gefühl hochkommen lassen, daß die Argumente und Gedankengänge, die insbesondere vom Herrn Bundesinnenminister dargelegt wurden und die dahin tendieren, daß es sich bei diesem Gesetz um eine besondere Notwendigkeit handle, gewissen Unzulänglichkeiten abzuhelfen, von denen besonders die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge betroffen sind, doch noch dahin ergänzend zu prüfen sind, ob nicht etwa in diesem Gesetzentwurf manche gefährlichen Fußangeln und manche Dinge stecken, die einer genaueren Betrachtung bedürfen und die auch unsererseits, seitens der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE, noch genauestens unter die Lupe genommen werden müssen. Wir sind gewiß dankbar dafür, daß durch dieses Gesetz für die Vertriebenen und Flüchtlinge eine Regelung getroffen wenden soll, die viele Ärgernisse im öffentlichen Leben beseitigt. Zur Lösung dieser Ärgernisse schaffenden Frage gab es bisher nur eine Möglichkeit: man hätte ein einziges Standesamt — vermutlich in Berlin — mit der Aufgabe betrauen müssen, für verlorene Urkunden aus den Ostgebieten beweiskräftige Ersatzurkunden herzustellen. Da man sich zu einem solchen zentralen Standesamt bisher nicht entschließen konnte, weil vermutlich der Arbeitsanfall ein allzu großes Ausmaß angenommen hätte und weil auch beträchtliche Kosten seitens des Bundes hätten übernommen werden müssen, will man nun durch die Einführung dieses Familienbuchs solch eine Zentralstelle ersparen und diese gewichtige Aufgabe auf etwa 15 000 Standesämter verteilen, so daß dann für jede Familie das Standesamt des gegenwärtigen Wohnsitzes zuständig wäre und ein Mißbrauch durch die Streuung auf mehrere Standesämter vermieden werden könnte. Diesen grundsätzlichen Gedankengängen müssen wir aus Billigkeitsgründen zustimmen. Wir können also hoffen und annehmen, daß nunmehr eine gesetzliche Regelung gefunden werden wird, die vor allem das Problem der Beschaffung von Personalurkunden seitens der Heitmatvertriebenen und Flüchtlinge in der sparsamsten und relativ bestmöglichen Weise zu lösen bemüht ist.
Darüber hinaus sind heute — Sie merken, es klingt noch nach — einige Dinge in das politische Blickfeld dieses Hauses gerückt worden, die seit langem schwelen und die immer wieder einmal zum Durchbruch kommen und an denen sich die Gemüter bekanntlich besonders erhitzen. Gerade an diesem Tag des Gedenkens der Kriegsgefangenen und im Hinblick 'darauf, daß mit diesem Gesetz besonders auch die Nöte und die Schicksalsschläge der deutschen Menschen aus dem deutschen Osten angesprochen werden, können wir dazu sagen, daß uns diese Dinge etwas seltsam anmuten. Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich: wir Menschen des
deutschen Ostens und Südostens waren gezwungen, konfessionellen Hader und weltanschauliche Auseinandersetzungen dieser Art soweit wie möglich hintanzustellen, weil wir uns, wenn wir dies nicht getan hätten, nicht jahrhundertelang im deutschen Osten und deutschen Südosten hätten behaupten können.
Wir standen einst einer steten Notsituation gegenüber, und unser Behauptungswille zwang uns, alles Trennende, auch im konfessionellen Rahmen, zu beseitigen und alles Verbindende stets zu pflegen, wenn wir uns als Volksgruppen, als Wall und Brücke im deutschen Osten überhaupt bewähren wollten. Als Volk und als freie deutsche Menschen der Bundesrepublik befinden wir uns aber heute in einer ähnlichen Situation wie einst. Wir sollten alles vermeiden, was uns gerade auf konfessioneller Ebene scheiden könnte, wir sollten als. Christen alle Kräfte zusammenfassen gegenüber all jenen Kräften, die die christlich-abendländische Weit bedrohen.
Meine Damen und Herren, je mehr wir jenes notwendige Maß an Achtung und Toleranz, an Zuhörenkönnen und Freiheit üben, um so größeren Vorteil werden wir im Ausgangspunkt dieses Kampfes gegen die christenfeindliche Welt zweifellos gewinnen.
Da darf ich Ihnen, meine Herren von der CDU, auch eines sagen: Ich komme aus einem Teil Bayerns, in dem diese Dinge, die heute hier angesprochen worden sind, sehr oft und sehr stark wirksam sind. Ich habe nur die eine Bitte an Sie, daß Sie, um alle Zweifel und Befürchtungen zu zerstreuen, diejenigen Worte, die Sie heute in puncto Toleranz gesprochen haben, so weit wirken lassen, daß sie auch unten ankommen und dort praktisch geübt werden.
Denn was in Kleinstädten, in Mittelstädten und auf den Dörfern oft an intoleranter Haltung und Handlungsweise geübt wird, hat gar nichts mit dem zu tun, was Sie heute hier ausgesprochen und versprochen haben.
Auch wir begrüßen es, daß durch die Gründung Ihrer Partei auf politischer Ebene ein Zwiespalt zu beseitigen versucht wurde, der in Binnendeutschland immer offen klaffte und über den wir uns als Auslands- und Randdeutsche immer sehr gewundert haben, zumal er so schwere Kämpfe auslöste. Aber bitte, versuchen Sie, diese Gedankengänge für alle in der Praxis wirksam zu machen! Sosehr wir also die Erleichterungen begrüßen, die in dem zur ersten Debatte stehenden Gesetzentwurf für denjenigen Personenkreis vorgesehen sind, den vor allem zu vertreten wir die Ehre haben, müssen wir nach Auffassung meiner politischen Freunde auch darauf achtgeben, daß hier nicht neuer Zündstoff gelagert wird, der jene Einheit und Einigkeit untergraben könnte, für die wir alle eintreten sollten, wir alle als Christen in der Frontlinie gegen ein unchristliches, unsere Freiheit bedrohendes System!