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ID0205202900

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    Vokabeln: 3
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
    3. Metzger!\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 52. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Oktober 1954 2567 52. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Oktober 1954. Geschäftliche Mitteilungen 2567 D Nächste Fragestunde 2568 A Gedenken an die noch nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen 2568 A, 2587 D Präsident D. Dr. Ehlers . 2568 A, 2587 D Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener (Drucksache 795) . 2568 A Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 2568 B Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf der restlichen Teilfläche des ehemaligen Heereszeugamtes in Ulm an die Firma Telefunken, Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH. in Berlin SW 61 (Drucksache 813) . 2568 B Überweisung an den Haushaltsausschuß 2568 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Grenzlandfragen über den Antrag der Fraktion des GB/BHE betr. Sanierungsmaßnahmen für Kreise im Spessart-Gebiet (Drucksachen 751, 572) 2568 B Dr. Dittrich (CDU/CSU), Berichterstatter 2568 B Dr. Keller (GB/BHE) 2568 D Frau Dr. Probst (CDU/CSU) . . . 2570 B Bauer (Würzburg) (SPD) 2571 D Beschlußfassung 2573 A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes (Drucksache 848) 2573 B, 2588 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 2573 B, 2578 D, 2591 A Kühn (Köln) (SPD) 2575 A, 2582 A, 2590 A, B Cillien (CDU/CSU) . . . . 2579 A, 2584 A Dr. Bucher (FDP) 2580 C, 2581 C Gontrum (CDU/CSU) 2581 C, 2589 C, 2590 B Kahn-Ackermann (SPD) 2583 B Metzger (SPD) 2584 C, 2587 D Dr. Kliesing (CDU/CSU) 2587 D Präsident D. Dr. Ehlers 2588 B Dr. Strosche (GB/BHE) 2588 B Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und an den Rechtsausschuß 2591 C Erste Beratung des von den Abg. Hoogen, Dr. Kihn (Würzburg), Naegel u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache 860) 2591 C Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 2591 C Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Dr. Horlacher, Bauknecht, Struve, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Drucksache 677); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 892) . . . . 2591 C Unertl (CDU/CSU), Berichterstatter 2591 D Abstimmungen 2592 A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 190) 2592 C Beschlußfassung 2592 C Nächste Sitzung 2592 C Anlage: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 190) 2592 Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    *) Siehe Anlage. Anlage Umdruck 190 Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen: 1. Antrag der Fraktion der FDP betreffend Autobahn-Hinweisschilder (Drucksache 827) an den Ausschuß für Verkehrswesen; 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Zusammenführung des Kulturgutes der ehemals Staat- lichen Museen Berlins (Drucksache 839) an den Ausschuß für Kulturpolitik; 3. Antrag der Abgeordneten Günther, Moll und Genossen betreffend Ausbau der Autobahn Köln—Aachen (Drucksache 869) an den Haushaltsausschuß (federführend) und an den Ausschuß für Verkehrswesen. Bonn, den 8. September 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Cillien


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kühn, ich habe eine Bitte an Sie: in diesem Hause bin ich lediglich der Kollege Cillien; ich lege gar keinen Wert darauf, hier Oberkirchenrat zu sein.
    Aber da Sie das herausgefordert haben, möchte ich Ihnen sagen — vielleicht ist das ganz gut —, weshalb ich überhaupt in diesem Hause bin. Ich gehöre zu jenen Leuten, die, wie ich heute sagen muß — und das sage ich der Jugend immer —, sich früher absolut nicht um politische Dinge gekümmert haben. Und weil zuviele in derselben Lage waren, sind dann die grauenhaften Dinge des Nazismus über uns gekommen. Erst als uns im Jahre 1945 das Wasser bis an den Mund stand, habe ich wie ein civis Romanus mir gesagt; Jetzt bist auch du verpflichtet, deinen Teil Zeit und Kraft dem öffentlichen Wohl zur Verfügung zu stellen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das ist der eine Grund gewesen. Aber es kam noch ein zweiter hinzu. Ich sage Ihnen ganz offen — ob Sie Verständnis dafür haben oder nicht, das steht hier nicht zur Diskussion —: ich wäre wahrscheinlich nicht in eine Partei eingetreten, wenn sich nicht damals zum erstenmal in der deutschen Geschichte evangelische und katholische Männer zu gemeinsamem politischen Handeln zusammengefunden hätten!

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Auch Frauen!)

    Unser Volk hat länge genug an diesem konfessionellen Zwiespalt gelitten, und wir haben dadurch
    wirklich jammervolle Zeiten durchmachen müssen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Nun noch eines zu diesen Dingen! Wenn solche Einzelfälle vorkommen — ich habe gar kein Recht, es zu verallgemeinern, weil es nämlich nicht stimmt —, dann dürfen Sie überzeugt sein, daß niemand mehr als wir in der CDU diese Dinge bedauern!

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Wenn sie weithin zurückgetreten sind und wenn
    unser Volk diesen konfessionellen Hader einfach
    nicht mehr will, so ist das, geschichtlich gesehen,
    weithin das Verdienst der Christlich-Demokratischen Union!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Metzger!

(Zurufe und Unruhe in der Mitte.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ludwig Metzger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bekomme ja gleich entsprechende Rufe aus Ihrer Fraktion.

    (Zurufe von der Mitte: Nein, nein!) — Ich habe es sehr deutlich gehört.


    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Sehr freundlich!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte das eine sagen: Ich kann solche Diskussionen nie ohne innere Erregung mit anhören — aber wirklich mit einer inneren 'Erregung höre ich zu —, weil es mir ein ganz ernsthaftes Anliegen ist, daß auch in diesem Parlament dem Christentum nicht geschadet, sondern genützt wird. Ich bin der Meinung, wir schaden dem Christentum dann, wenn wir uns nicht bemühen, wirklich einmal aufeinander zu hören,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und die Art, wie Herr Kollege Cillien auf eine ganze Reihe von Äußerungen meines Kollegen Kühn reagiert hat, zeigt doch, wie außerordentlich voreingenommen wir uns gerade auf dem Gebiete des Religiösen und Christlichen noch einander gegenüberstehen.

    (Abg. Cillien: Da können Sie aber bessere Beispiele zitieren! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Jetzt seien Sie ruhig einmal auch ein bißchen tolerant und hören Sie zunächst einmal zu! Vielleicht haben wir die Möglichkeit, daß wir uns doch einiges sagen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte es wirklich in der Weise tun, daß man auch hören kann.
    Ich glaube, die CDU sollte sich endlich einmal darum bemühen — ich sage: ernstlich bemühen —, zu verstehen, daß man bei der SPD dann, wenn sie irgend etwas kritisiert, nicht sofort die Schlußfolgerung ziehen darf: Das sind ja die Antichristen, das sind ja die Antikirchlichen!

    (Zuruf von der Mitte: Tun wir ja nicht!)

    — Meine Damen und Herren, Herr Kollege Cillien hat aus der Rede des Kollegen Kühn diese Schlußfolgerung wieder gezogen.

    (Lebhafter Widerspruch in der Mitte. — Abg. Cillien: Im Gegenteil!)

    — Wenn Sie es nicht getan haben, soll es mir um so lieber sein.

    (Abg. Cillien: Ja, dann haben Sie leider nicht zugehört!)

    — Aber Herr Kollege Cillien, Herr Kollege Kühn hat z. B. gesagt, er gehe nicht so weit wie Ihr Koalitionskollege Dehler, der sagt, daß es uns angst davor sein soll, wenn die Prälaten und Oberkirchenräte in Deutschland regieren. Er hat ausdrücklich erklärt, er, Kühn, gehe nicht so weit. Sie


    (Metzger)

    sind von der Voraussetzung ausgegangen, er habe gesagt, daß e r Angst davor habe. Sie haben ihm das auf das Butterbrot geschmiert. Sie zeigen damit, daß Sie nicht gründlich zugehört haben, Herr Kollege Cillien.

    (Zustimmung bei der SPD. — Zuruf links: Das wollte er ja auch nicht!)

    Sie haben auch davon gesprochen, daß sich Herr Kollege Kühn in despektierlicher Weise über die Überzeugungen anderer geäußert habe.

    (Zuruf von der Mitte: Richtig, hat er auch getan!)

    Wenn Sie gründlich zugehört hätten, müßten Sie zugeben, daß das nicht richtig ist. Herr Kollege Kühn hat einige Beispiele — und er hat ausdrücklich erklärt, daß das die Ausnahmen sind — dargelegt und hat Äußerungen gebracht, die er sich nicht zu eigen gemacht hat, sondern er hat Tatsachen mitgeteilt und geltend gemacht, weil die Gefahr bestehe, daß solche Auswüchse — es handelt sich natürlich um Auswüchse — möglich sind, wollen wir nicht die gesetzliche Handhabe geben, daß sie sich fernerhin ereignen. Das ist etwas ganz anderes, als sich diese Dinge zu eigen zu machen. Wir sollten aufeinander hören und sollten einander zu verstehen versuchen, warum man da und dort Bedenken, ja Mißtrauen hat.
    Herr Kollege Cillien, wir beide stehen in der evangelischen Kirche, und ich stehe mindestens mit genau derselben Begeisterung und genau demselben Bewußtsein in der evangelischen Kirche wie Sie. Sie werden mir nicht bestreiten können, daß in bezug auf die Frage der obligatorischen Zivilehe in der evangelischen Kirche einiges — ich sage ') es Ihnen nun einmal ganz deutlich — Mißtrauen vorhanden ist. Das können Sie an Hand einer ganzen Reihe von Tatsachen feststellen. Ich weiß nicht mehr, ob Sie auf der Synode in Berlin waren. Die Synode in Berlin, in Spandau, hat sich im Zusammenhang mit den Ereignissen, die damals gerade im Schwang waren, ausdrücklich für die obligatorische Zivilehe erklärt. Glauben Sie, die Synode hätte eine solche Äußerung von sich gegeben, wenn sie nicht geglaubt hätte, daß dazu Veranlassung besteht?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sie haben sich, Herr Kollege Cillien, zur Toleranz bekannt, und ich denke nicht daran, Ihnen den guten Willen abzustreiten. Allerdings ist es, glaube ich, billig, wenn irgendein Gesichtsausdruck sofort auf eine ganze Fraktion bezogen wird.

    (Abg. Cillien: Das habe ich ja auch nicht verallgemeinert!)

    — Sie haben sofort erheblichen Beifall dabei geerntet, und da merkt man die Ressentiments.

    (Anhaltende Zurufe von der Mitte.)

    Ich will Ihnen das eine sagen, Herr Kollege Cillien: Wir haben in bezug auf die Toleranz allerdings einige ganz erhebliche Zweifel. Ich glaube, wir haben Anlaß zu Mißtrauen.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Es ist auf den Fall des Lehrers in Rheinland-Pfalz angespielt worden.

    (Abg. Lenze [Attendorn] : Da, wo S i e her sind, geht es so zu! Das haben wir in Frankfurt gesehen; da haben die Leute nicht mehr den Mut gehabt, ihre eigene Ansicht zu bekennen! — Lachen bei der SPD.)

    — Aber Herr Kollege, erzählen Sie doch keine Märchen!

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das sind keine Märchen!)

    Das ist doch einfach, vor allem wenn Sie es in dieser generellen Weise sagen, eine — nun, ich will es nicht zu scharf sagen, ich will die Diskussion nicht vergiften — Unwahrheit.

    (Zurufe von der SPD.)

    Ich könnte Ihnen da erhebliche Beispiele bringen. Ich habe schließlich auf diesem Gebiet ein bißchen mehr Erfahrung als Sie.

    (Zuruf von der Mitte: Auch wir!)

    Ich will Ihnen zu dem Fall von Rheinland-Pfalz das eine sagen. Sie haben so getan, als wenn das in Wirklichkeit nicht so wäre, daß diesem Lehrer der berufliche Lebensfaden abgeschnitten sei. Ich habe hier das Schreiben des Kultusministers von Rheinland-Pfalz da. Ich will es Ihnen, soweit die Stelle in Frage kommt, zur Kenntnis bringen, damit wir einmal sehen, wie die Dinge liegen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir bedauern das ja auch!)

    Es wird auf eine Verfassungsbestimmung Bezug genommen und heißt dann:
    Damit ist gesagt, daß das Leben des Lehrers in Einklang stehen muß mit seinem Bekenntnis. Als Katholik mußten Sie wissen, daß Sie sich durch die Nichtbeachtung der Ehevorschriften der katholischen Kirche von ihr distanziert haben. Diese Tatsache, die für Ihre Einstellung als Lehrer entscheidend ist, haben Sie uns beim Eintritt in die Pädagogische Akademie verschwiegen.
    Das sagt man einem Mann, der acht Jahre in Kriegsgefangenschaft war, der zurückkommt und sich meldet und gar nicht daran denkt, auf solche Dinge einzugehen. Aber das will ich noch auf sich beruhen lassen. Jetzt kommt aber der entscheidende Satz, meine Damen und Herren:
    Wir haben deshalb nur die Möglichkeit, Sie zwar gegebenenfalls zur Abschlußprüfung zuzulassen, können Sie aber keiner Bezirksregierung in Rheinland-Pfalz zur Anstellung vorschlagen und empfehlen.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD: Pfui! Unerhört!)

    Hier steht eindeutig drin, daß ein katholischer Lehrer, der eine evangelische Frau geheiratet hat, in dem Lande, das entsprechend regiert wird, in dem Lande Rheinland-Pfalz, keine Möglichkeit hat, Lehrer zu werden. Es wird dann der schöne Rat gegeben:
    Wir stellen Ihnen anheim, sich in einem anderen Bundesland um eine Einstellung in den Schuldienst zu bemühen.
    Er soll also aus Rheinland-Pfalz emigrieren.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Es wird noch hinzugefügt, daß man ihn auch deswegen nicht vorschlagen könne, weil auch die evangelische Kirche in diesem Punkte strenge Maßstäbe


    (Metzger)

    anlege. Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung sagen, daß diese Behauptung falsch ist,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    jedenfalls soweit die für mich zuständige Landeskirche, die Landeskirche in Hessen-Nassau, deren Synode ich angehöre, in Frage kommt. Diese Behauptung ist einfach falsch. Man hat einem Lehrer den Stuhl vor die Türe gesetzt, nur deshalb, weil der Lehrer eine evangelische Frau geheiratet hat. Inzwischen ist dieser Lehrer bereits in die Pädagogische Akademie in Jugenheim aufgenommen worden — in dem Lande der Intoleranz, in Hessen, Herr Kollege.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, wenn wir in diesen Fragen miteinander auskommen wollen — und- wir sollten es wirklich ernsthaft versuchen —, dann dürfen wir an diesen Dingen nicht vorbeigehen. Auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben Veranlassung, vom christlichen Standpunkt aus sich sehr ernsthaft mit diesen Dingen auseinanderzusetzen.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Ich könnte Ihnen über diese Dinge sehr viel erzählen, ich könnte stundenlang reden.

    (Zuruf von der Mitte: Könnten wir auch! — Weiterer Zuruf: Lieber nicht!)

    Dann können wir uns zusammensetzen und können einmal sehr eingehend miteinander reden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Schön! — Aber nicht hier!)

    Ich könnte Ihnen aus den Verhältnissen von Rheinland-Pfalz in bezug auf die Art berichten, wie dort Konfessionsschulen gebildet werden. Ich habe mit einer großen Zahl

    (Zurufe von der Mitte: Niedersachsen!)

    — ja, warten Sie ab, ich will auch noch auf Niedersachsen kommen — von evangelischen Pfarrern in Rheinhessen gesprochen. Wenn Sie Gelegenheit gehabt hätten, die Berichte dieser evangelischen Pfarrer zu hören, würden Sie sagen: Hier ist etwas faul im Staate Dänemark! Einerlei, ob ich katholisch oder evangelisch bin — hier stimmt etwas nicht! Von evangelischer Seite aus — nicht nur von unserer Seite aus — besteht erhebliches Mißtrauen.
    Und dann, meine Damen und Herren, Niedersachsen! Ich will Ihnen nur die ganz einfache Frage vorlegen, und es wäre mir lieb, wenn Sie mir diese Frage einmal beantworten würden: Halten Sie es für richtig, daß weiteste Kreise, die zudem nicht einmal wissen, um was es geht, dazu aufgeputscht werden,

    (Erregte Zurufe von der Mitte: Das ist nicht wahr!)

    einen Schulstreik gegen ein staatliches Gesetz —

    (Erregte Pfui-Rufe von der Mitte. — Starker anhaltender Beifall bei der SPD. — Erregte Zurufe von der Mitte: Das ist verlogen! — Weitere Zurufe.)

    — Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Frage gestellt, und Sie antworten mit Pfui?

    (Zurufe von der Mitte: Jawohl!)

    Das ist eine Antwort, von der weiß ich nicht, was sie bedeuten soll.

    (Anhaltende erregte Zurufe von der Mitte.)

    — Wollen Sie die Tatsache des Schulstreiks in Niedersachsen bestreiten?

    (Zurufe von der Mitte: Nein! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Na also!

    (Zurufe von der Mitte: Das ist gelogen, was Sie sagen! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Was ist gelogen?

    (Erregte Zurufe von der Mitte.)

    — Ach, meine Damen und Herren, das wissen wir doch besser.

    (Aha-Rufe in der Mitte. — Weitere erregte Zurufe.)

    Die Tatsache des Schulstreiks können Sie nicht bestreiten.

    (Zurufe von der Mitte: Aber Sie verdrehen! — Weitere Zurufe. — Große Erregung. — Glocke des Präsidenten.)

    — Hören Sie, warum regen Sie sich eigentlich so furchtbar auf?

    (Zuruf von der Mitte: Weil Sie verdrehen! — Anhaltende Zurufe.)

    — Wenn ich verdrehe, dann kommen Sie herauf und berichtigen Sie mich! Wenn Sie mir etwas Besseres sagen können, wenn Sie mich durch Tatsachen überzeugen können, bin ich der letzte, der sich nicht überzeugen läßt,

    (große Unruhe)

    aber wenn Sie hier brüllen und „Pfui" rufen, können Sie mich doch nicht überzeugen. So können wir doch nicht miteinander reden.

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt rechts. — Zurufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, die Tatsache des Streiks können Sie nicht bestreiten. Daß ein solcher Schulstreik nicht von ungefähr kommt, können Sie auch nicht bestreiten.

    (Erneute Zurufe von der Mitte.)

    Daß also Kräfte dahinter stehen, darüber gibt es keinen Zweifel.

    (Anhaltende erregte Zurufe von der Mitte.)

    Und es hat gerade in Niedersachsen — ich habe sehr guten Bericht darüber —

    (Zurufe von der Mitte)

    große Veranstaltungen gegeben, da ist die Behauptung aufgestellt worden, daß diese böse niedersächsische Regierung unter sozialdemokratischer Leitung den lieben Gott abschaffen wolle.

    (Zurufe von der Mitte.)

    So ist argumentiert worden, meine sehr verehrten
    Damen und Herren, und dafür habe ich Beweise.

    (Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Ich will Ihnen noch etwas Persönliches sagen.

    (Zuruf von der Mitte: Thema!)

    Ich habe ja die große Freude gehabt — ich habe diese Arbeit gern getan —, drei Jahre Kultusminister eines Landes zu sein, in dem wir uns bemüht haben, wirklich tolerant zu sein.

    (Zuruf von der Mitte: Das merkt man!)

    Wenn ich Ihnen erzählen wollte, was an gewissen
    Stellen — ich will es ganz offen sagen: auch in katholischen Gottesdiensten — mitunter an Behaup-


    (Metzger)

    tungen aufgestellt worden ist, die einfach nicht wahr waren, dann müßten Sie mir zugeben, daß Veranlassung zu Mißtrauen ist. Ich bedauere es tief — —

    (Erregte Zurufe von der Mitte: Pfui! Solche Unterstellungen! — Bloße Behauptungen!)

    — Unterstellung soll das sein?

    (Abg. Arndgen: Herr Metzger, was hat das alles mit dem Gesetz zu tun? — Weitere Zurufe.)

    — Das hat mit dem Gesetz deswegen etwas zu tun, weil der Kollege Cillien auf diese Frage gekommen ist. Er hat über die Frage der Toleranz gesprochen. Und ich glaube, wir haben Veranlassung, einmal darüber zu reden. Denn wenn wir nicht anfangen, hier einmal sehr ernsthaft miteinander zu reden, und wenn wir nicht bereit sind, uns auch einmal gegenseitig ins Gewissen reden zu lassen — ich lasse mir auch ins Gewissen reden —, dann werden wir auf diesem Gebiet nicht weiterkommen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir es mit dem Christentum ernst meinen — und ich sage: wir —,

    (Zurufe von der Mitte: Aha! Jetzt! —Weitere Zurufe)

    dann müssen wir — —

    (Zuruf von der Mitte: Dann muß man die Wahrheit sagen!)

    — Ja, was wollen Sie denn? Wollen Sie mir das vielleicht auch noch bestreiten? Ich sage, wenn wir es mit dem Christentum ernsthaft meinen, dann müssen wir den Mut haben, dies heiße Eisen einmal anzufassen,

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt rechts.)

    und dann müssen wir sehr offen miteinander reden.

    (Erneuter Beifall bei der SPD. — Abg. Horn: Dann ist auch dem früheren hessischen Kultusminister noch manches zu sagen!)

    — Das können Sie ruhig tun. Da können wir offen miteinander reden, und ich bin bereit, Ihnen Rede und Antwort zu stehen, Kollege Horn. Aber ich will Ihnen das eine noch sagen, meine Damen und Herren: Wir sind ja in Deutschland in der Lage, daß das Christentum heute wieder in einer anderen Weise gesehen wird. Die Verbindung des Christentums mit herrschenden Mächten ist weithin gelöst worden, und weithin ist in Kreisen, die früher die christliche Kirche oft als eine Vertreterin bestimmter Interessen ansehen mußten, ein neues Vertrauen im Werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Und deswegen rede ich. Helfen Sie doch mit, daß dieses neue Vertrauen nicht dauernd wieder kaputtgetreten wird.

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt rechts. — Zurufe von der Mitte.)

    Sie ahnen gar nicht — und auch darüber müssen wir einmal reden —, wie oft Sie dieses neue Pflänzchen des Vertrauens durch unbedachte Äußerungen kaputtmachen.

    (Zurufe von der Mitte: Wer tut denn das? Sie doch!)

    — Ich rede eben von dem Christentum, das in unserem Volk ein neues Verständnis zu gewinnen beginnt. Das ist eine sehr ernsthafte Frage. Das ist für mich keine Frage der Demagogie und keine Frage der Propaganda, sondern eine Lebensfrage für unser Volk. Ich will hier nicht weiter darauf eingehen; vielleicht können wir bei anderer Gelegenheit noch einmal darüber sprechen. Aber ich habe die Bitte an Sie: fangen Sie endlich einmal an, darüber nachzudenken.

    (Zuruf von der Mitte: Sie aber auch!)

    — Wir sind ja bereit und wir denken sehr viel darüber nach. Sie dürfen nicht immer gleich mit der Gegenantwort kommen! — Fangen wir endlich einmal an, darüber nachzudenken, daß das Mißtrauen in dieser Frage im deutschen Vaterland weithin historisch berechtigt war,

    (lebhafte Zurufe von der Mitte) daß wir dabei sind — —


    (Anhaltende Zurufe von der Mitte.)

    — Können Sie denn gar nicht zuhören? Sie reden immer von Toleranz und können nicht einmal auch nur einen Satz zu Ende hören!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der FDP und vereinzelt' beim GB/BHE.)

    Merken Sie denn gar nicht, daß hier ein Mann redet, dem es um die innersten Dinge geht? Spüren Sie das denn gar nicht?

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP. — Zurufe von der Mitte.)

    — Ja, mein lieber Kollege! Herr Kollege Cillien hat sich hier über eine Grimasse geärgert Und was tun Sie? Was soll ich dazu sagen? Herr Kollege Cillien, wir sind in der gleichen Verdammnis.