Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Bemerkung zu den letzten Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers machen, der die Bemerkung meines Freundes Heinz Kühn, dieses Gesetz beziehe sich doch ein wenig auch auf den Geist des Jahres 1937, in dem es entstanden sei, in Zweifel zog, indem er sagte, diese Bestrebungen seien viel älter. Er hat dazu noch erklärt, wir sollten uns um die historische Wahrheit der Entstehung dieses Gesetzes bemühen. Was mir hieran „historisch" zu sein scheint, ist das Bemühen, das wir schon ewig haben: die Mitbürger zu reglementieren und zu registrieren. Das scheint mir in der Tat eine historische Tatsache zu sein. Ich wundere mich außerordentlich, daß gerade Sie, meine Damen und Herren von der CDU, die Sie doch all die Jahre dafür gekämpft haben, daß unser öffentliches Leben von der Registrierung und von der Reglementierung befreit wird — das haben Sie doch hier oft gesagt —, darauf bestehen, daß hier wieder eine neue Art der Registrierung gerade für das wichtigste Objekt des öffentlichen Lebens eingeführt wird, nämlich für den Menschen selbst.
Herr Bundesinnenminister, ich möchte noch einiges zu Ihrer Bemerkung sagen, die Tatsache, daß 97 % unserer Mitbürger anläßlich der statistischen Erhebungen des Jahres 1950 ein religiöses Bekenntnis angegeben haben, sei doch beweiskräftig genug dafür, wie richtig es sei, nun alle diese konfessionellen Angaben auch in das neue Familienbuch hineinzunehmen. Ich glaube, hier liegt ein großes Mißverständnis vor. Wenn man an unsere bayerischen Verhältnisse erinnert, von denen immer gesagt wird, daß 90 % aller Schulen Bekenntnisschulen seien, so geht man völlig an der Tatsache vorüber, daß der größte Teil dieser Schulen von Kindern mit Eltern gemischter Konfession besucht wird, die in dem Augenblick, in dem konfessionelle Diskriminierungen erfolgen, keineswegs mit dem Betrieb der Schule einverstanden sind.
Das ist doch ein völlig anderer Tatbestand. Hier, Herr Bundesinnenminister, sollten Sie einmal an unsere Mitbürger in den kleinen Gemeinden denken und daran, was es bedeutet, wenn dort der Bürger- meister, der ja in der Regel zugleich der Standesbeamte ist, bei einem Neuankömmling in der Gemeinde das Familienbuch aufschlägt und feststellt, daß beispielsweise drei Kinder, die die betreffende Frau mitgebracht hat, nicht eingetragen sind, weil es, was häufig vorkommt, Kinder von anderen Männern sind, die vom Vater nicht nachträglich adoptiert worden sind, oder wenn er dort feststellt, daß sie oder der Mann dreimal geschieden ist.
Dazu kommen die Dinge, die mit der gemischtkonfessionellen Ehe zusammenhängen.
Leugnen Sie doch nicht, daß die Fälle Legion sind, in denen, beispielsweise gerade im Lehrberuf, Diskriminierungen erfolgt sind. Ich könnte das ganze Material hier ausbreiten. Es bedeutet keine Herabsetzung der religiösen Auffassung, wenn man auf diese Tatsachen hinweist. Sie sind nicht wegzuleugnen, und sie sind verfassungswidrig.
Ich glaube, die Gesetzgeber sollten sich sehr gut überlegen, in welche Situation sie den einzelnen Bürger bringen, indem sie den ganzen Katalog von Angaben, die in dem Familienbuch zusammengefaßt werden sollen, offenkundig machen, was ja heute nicht der Fall ist. Ich glaube, der Staatsbürger hat einen gewissen Anspruch auf Schutz vor all diesen Schnüffeleien. Sie werden mir doch nicht sagen können, daß dieser Schutz in den kleinen Gemeinden gegeben ist. Ich selber wohne in einem kleinen Dorf und ich weiß ganz genau, daß so etwas einfach nicht aufzuhalten ist. Davon abgesehen sind all die Paragraphen, die das Auskunftsrecht einschränken sollen, Gummiparagraphen, die
im Ernstfall gar nichts nützen. Es steht beispielsweise ausdrücklich darin, daß die Vertreter einer Religionsgemeinschaft auf Wunsch Einblick in diese Bücher haben. Das bedeutet mit anderen Worten, daß der Geistliche Einblick in die Bücher nehmen kann. Er kann, wenn er beispielsweise in einem Buch feststellt, daß der neue Lehrer an einer katholischen Bekenntnisschule eine evangelische Frau hat, ohne weiteres beantragen — und er wird das in Szene setzen —, daß der Mann sofort aus dem Ort versetzt wird.
Solche Beispiele haben wir doch bei uns zu Hause zu Dutzenden. Ich glaube, dem sollte man Rechnung tragen.