Rede von
Adolf
Cillien
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kühn, ich darf zunächst bemerken, daß ich nicht durch eine Ihrer Bemerkungen hervorgelockt worden bin, jetzt zu sprechen, sondern meine Fraktion hat mich schon gestern beauftragt,' für sie hier zu reden. Im übrigen bewundere ich Ihren Mut nicht, ebensowenig wie ich den Mut von Herrn Dr. Dehler bewundert habe, wenn er Angst davor hat, Oberkirchenräte oder Prälaten könnten Deutschland regieren. Man sollte meinen, auch mit solchen Leuten wie mit mir würden Sie fertigwerden können, wenn Ihre Position stark genug ist.
Ich will nicht verhehlen, daß mich der ganze erste Teil Ihrer Ausführungen durchaus befriedigt hat. Ich bin außerordentlich zufrieden gewesen über den sachlichen Ton, mit dem Sie diese Materie behandelt haben.
Nach dem Sturm um den § 67, der bei der ersten Vorlage entfacht und weiter genährt wurde, war es leider nicht zu erwarten, daß Sie in einer solch ruhigen und sachlichen Form heute hier reden würden, wie Sie es getan haben. Ich verzichte allerdings, auf verschiedene Bemerkungen einzugehen, die Sie im zweiten Teil Ihrer Ausführungen gemacht haben. Die habe ich für unangebracht gehalten, um keinen anderen Ausdruck zu gebrauchen. So sehr ich immer bereit bin — das erwarte ich von jedem überzeugten Christen —, Achtung zu haben vor der Überzeugung eines anderen,
so wenig würde ich bereit sein oder würden meine Freunde es dulden, über Ihre Überzeugung so despektierlich zu reden, wie Sie es von der Tribüne des Hauses getan haben.
Das soll mich aber nicht davon abhalten, genau in der von mir vorgenommenen und von meiner Fraktion gewünschten ruhigen und sachlichen Form zu diesem Gesetz zu reden.
Das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes hat an und für sich gar keine Veranlassung geboten, ein besonderes öffentliches Interesse hervorzurufen. Für die Unangebrachtheit der damaligen, fast hysterischen Erregtheit hätte keine bessere Bestätigung erfolgen können als durch Ihre Ausführungen im ganzen ersten Teil. Auf einmal war nämlich nichts mehr davon übriggeblieben. Der lapidare Satz in dem Regierungsentwurf „§ 67 fällt weg" war gar nicht so wichtig, wenn man nicht die Absicht gehabt hätte, ganz bestimmte Zwecke zu verfolgen. Dieser § 67 bedroht jeden mit Strafe, der eine kirchliche Feier im Zusammenhang mit einer Eheschließung vornimmt, bevor die Trauung vor dem Standesamt erfolgt ist. Es ist doch einfach so gewesen: Bei der allgemeinen Überprüfung dieses Gesetzes — man hatte die Überprüfung allgemein für notwendig gehalten — kam man zu der Überzeugung, daß dieser Paragraph der heutigen Situation nicht mehr entspreche. Ich darf mich dafür auf den damaligen Justizminister Dr. Dehler berufen, der mir in einem Gespräch selber erklärt hat: „Dieser Paragraph ist überflüssig, und deshalb habe ich ihn streichen lassen."
Diese Bestimmung stammte aus einer Zeit des Kulturkampfes, die wir auf gar keinen Fall in Deutschland noch einmal erleben möchten.
Es ist schade, daß Sie in Ihren Ausführungen doch wiederum das Wort Mißtrauen gebraucht haben, das wir eben nicht wünschen. Damals war man der Ansicht — ich vermag nicht zu beurteilen, ob sie gerechtfertigt war —,
daß die damals noch umstrittene obligatorische Zivilehe strafrechtlich gesichert werden müsse. Aber die damaligen Befürchtungen sind niemals akut geworden, und sie bestehen auch heute in gar keiner Form.
Diese Strafandrohung hätte nur dann noch einen Sinn, wenn in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche ein Konfliktsverhältnis bestünde. Das ist nicht der Fall, und jeder in diesem Hause sollte sich darüber freuen, daß die Entwicklung seit 1945 in einer Richtung gegangen ist, die ein solches Konfliktsverhältnis nicht heraufbeschworen hat.
Oder wer etwa für die Beibehaltung der Bestimmung eingetreten wäre — Sie tun es ja erfreulicherweise gar nicht mehr —, hätte unterstellen müssen, daß ein kirchlicher Amtsträger der vom Staat in seiner Zuständigkeit gesetzten Ordnung bewußt entgegenhandeln wollte,
was, soviel ich unterrichtet bin, seit dem Personenstandsgesetz von 1875 ein einziges Mal vorgekommen ist. Solche Voraussetzungen für eine Strafbestimmung bestehen also heute nicht mehr. Deshalb wirkt eine solche Strafandrohung, vor allem wenn sie mit Gefängnis verbunden wird, für die geistlichen Amtsträger diskriminierend. Auch viele evangelische und katholische Christen haben das so empfunden.
Deshalb sollte in der gleichen Überzeugung, die damals Herr Dr. Dehler vertreten hat, Einmütigkeit darüber herrschen, diesen Paragraphen sang-und klanglos zu streichen, weil er nicht mehr in die Zeit paßt.
Der damalige Entwurf wurde, wie ich annehme, in völlig unveränderter Form dem zweiten Kabinett und auch dem Bundesrat zugeleitet. Ich stehe nicht an zu erklären — und das hat Sie ja auch irritiert —, daß die Begründung, die diesem Paragraphen beigefügt wurde, allerdings mißverständlich und durchaus geeignet ist, unnötigerweise den Verdacht zu erregen, daß in Wirklichkeit mit der Streichung noch andere Ziele verfolgt werden sollen. Diese Meinung wurde durch mancherlei in der Öffentlichkeit gefallene Äußerungen, zum Teil absichtlich, verstärkt und genährt. Weil auf diese Weise -- das gebe ich zu — echte Besorgnisse, aber auch völlig unbegründete Vermutungen entstanden sind, bringt die veränderte Vorlage der Bundesregierung eine wesentlich gemilderte Strafbestimmung. Wir hingegen stellen auch dazu nochmals fest, daß mit dem Wegfall des § 67 keine Änderung des bestehenden Eheschließungsrechts und der entsprechenden Praxis beabsichtigt ist und daß eine solche Änderung angesichts der Rechtslage auch unmöglich ist. Sie haben vorhin gesagt, die Erklärung der Bundesregierung habe Sie beruhigt; vielleicht beruhigt Sie nun noch mehr die Erklärung auch meiner Fraktion, in der Sie ja am ehesten solche Machenschaften vermuten.
Wir halten deshalb diese Strafandrohung nach wie vor für unnötig und unbegründet.
Wir leben leider — das verkennen wir nicht, und das hat der zweite Teil Ihrer Ausführungen nur bestätigt, was ich außerordentlich bedaure — in einer Situation, in der Mißverständnisse und auch Verdächtigungen auf dem konfessionellen Gebiet die Gemüter sehr erregen.
Man könnte einfach ganz schlicht sagen: wir haben doch ganz andere Sorgen in Deutschland!
Wo jemand die gebotene und vorgeschriebene Grenze überschreitet, sollten wir uns alle zusamentun, um da einen Stecken beizustecken.
Wir sollten aber nicht Einzelfälle verallgemeinern
und sie -so hinaustragen, als sei das in Deutschland so ungefähr gang und gäbe.
— Sie können aus meinen Worten nichts anderes heraushören als ein Bekenntnis zu unbedingter Toleranz und meinen festen Willen — —
— Entschuldigen Sie! Das ist unwürdig, was Sie jetzt tun,
daß Sie eine so klare Aussage eines Bundestagsabgeordneten mit einem solchen grimassenhaften Lächeln begleiten!
Ich wüßte nicht, wo die Autorität im Volke für diesen Bundestag herkommen sollte, wenn wir an Worten zweifeln, die aus dem Herzen heraus gesprochen worden sind.
Mein ganzes Leben ist ein Beweis für meine unbedingte Achtung vor der Überzeugung anderer Menschen.
Ich glaube nicht, daß es im wohlverstandenen Interesse unseres Volkes liegt, solche Spannungen hervorzurufen oder gar noch zu verstärken. Es sollte vielmehr unsere gemeinsame Aufgabe sein, das zu tun und das zu überlegen, was für unser ganzes Volk gut und zweckdienlich ist. Ich habe die Hoffnung, daß uns das gelingt, und ich erkläre die Bereitschaft meiner Fraktion, in den Ausschüssen in aller Sachlichkeit und Nüchternheit über diese Dinge mit Ihnen zu sprechen.