Meine Damen und Herren! Es entspricht einem wohlüberlegten Brauch des Parlaments, in der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs nur gewissermaßen über die Grundkonstruktion des Gesetzes zu debattieren und nicht schon die — ich möchte sagen — arabeskenhaften Einzelheiten des Gesetzes zu diskutieren. So fragen wir auch, wenn wir den vorliegenden Gesetzentwurf überprüfen, nach der Grundabsicht, die die Bundesregierung damit verfolgt.
Ich glaube, wir können aus der heutigen Beratung den die Öffentlichkeit sehr stark bewegenden Komplex des Vorrangs der Zivilehe ausklammern; ich folge hier im großen und ganzen den Darlegungen des Herrn Innenministers. Wir nehmen mit Genugtuung zur Kenntnis, daß die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, den § 67 des Personenstandsgesetzes zu streichen — der Geistliche, die die kirchliche Trauung vor der zivilen Eheschließung vollziehen, unter Strafe stellt —, am Widerstand des Bundesrats gescheitert ist. Wir haben nunmehr eine Bestimmung im Gesetzentwurf, die immerhin den Vorrang der obligatorischen Zivilehe sicherstellt. In der Öffentlichkeit war — ob berechtigt oder nicht — eine starke Beunruhigung entstanden, als Vermutungen laut wurden, daß der kirchlichen Trauung allmählich auch die zivilrechtlichen Wirkungen zuwachsen sollten, die nur aus der Zivilehe entstehen können. Der Herr Bundesminister hat für die Regierung solche Absichten in Abrede gestellt. Wir akzeptieren das; aber ich glaube, es ist niemand in diesem Hause, der nicht sehr wohl weiß, daß es gewisse kirchliche Kreise gegeben hat, die auf dem Wege über die Zwischenetappe einer fakultativen, einer wahlweisen Eheschließung kirchlicher oder ziviler Art allmählich zur obligatorischen kirchlichen Eheschließung mit zivilrechtlichen Konsequenzen kommen wollten. Diese Dinge haben in der Diskussion eine sehr große Rolle gespielt, und sie haben die Öffentlichkeit sehr stark beunruhigt.
Wir verkennen gar nicht, daß es beispielsweise für einen katholischen Christen aus der Beurteilung der Ehe als eines Sakraments einen religiösen Vorrang der kirchlichen Trauung gibt und geben muß. Aber wegen des Unterschieds zwischen der religiösen und der zivilrechtlichen Bedeutung muß die Regelung im staatlichen Raum so erfolgen, daß die zivilrechtliche Ehe dort den Vorrang hat, sosehr auch vor dem Gewissen des einzelnen die religiöse Trauung ihm aus seiner religiösen Gewissensverpflichtung heraus vorrangig erscheint. Der demokratische Staat muß jedem die Möglichkeit geben — ich folge hier dem Herrn Minister durchaus —, nach seinem Gewissen zu leben.
So muß in einem demokratischen Staat jeder durchaus die Möglichkeit der religiösen Trauung haben. Aber für die staatliche Gesetzgebung muß der Vorrang der Zivilehe und der aus ihr resultierenden Rechtswirkungen unantastbar sein.
Zwischen der Stellungnahme des Bundesrats und der der Bundesregierung bleibt nun eine Differenz. Die Neuformulierung des Gesetzentwurfs folgt einer mittleren Linie. Es bleibt vorgesehen die
Geldstrafe, es ist in Wegfall geraten die vom Bundesrat vorgeschlagene Aufrechterhaltung der Gefängnisstrafe. Offensichtlich ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Strafandrohung mit Gefängnis — als einem für Geistliche unangemessenen Strafaufenthalt — nicht ins Gesetz soll. Aber darüber wollen wir nicht streiten. Wir sind mit der vorliegenden Formulierung durchaus einverstanden, weil sie den Vorrang der Zivilehe eindeutig sichert. Dieses Problem wird uns also in der Diskussion des Gesetzentwurfs nicht mehr sehr beschäftigen.
Aber wenn wir nun nach der Generalabsicht der Regierung bei diesem Gesetzentwurf fragen, dann ist wohl festzustellen, daß sie am deutlichsten in dem — ich möchte einmal so sagen — Rattenschwanz von Problemen zutage tritt, der sich rund um die Einführung des Familienbuchs neuen Typs ringelt. Hier haben wir in der Tat einige sehr ernste Bedenken. In der schriftlichen Begründung der Bundesregierung sind zwei Absichten deutlich geworden, die der Herr Bundesinnenminister dem Hause noch einmal vorgetragen hat: erstens die Notwendigkeit, die Vertriebenen wieder mit beweiskräftigen Personenstandsurkunden auszustatten. Dies ist in der Tat ein sehr ernstes Anliegen. Der Verlust der Personenstandsbücher, insbesondere in dem Gebiet östlich der Oder und Neiße, hat ein sehr ernstes Problem entstehen lassen, das geregelt werden muß. Aber muß es geregelt werden durch die Einführung eines Familienbuchs neuen Typs, „neuer Art", wie es in dem Gesetz heißt, über das bereits bestehende Heiratsbuch, Geburtsbuch und Sterbebuch hinaus?
Das Bundesministerium der Justiz hat bekanntlich ernste Einwendungen gegen diese neue bürokratische Bereicherung unseres Aktenfetischismus erhoben. Das ist in der Beratung des Bundesrates sehr deutlich geworden. Ich darf hier aus dem Protokoll des Innenausschusses des Bundesrates zitieren, wo der Vertreter des Bundesministeriums der Justiz gesagt hat, die Führung des Familienbuches in einfacher Ausführung sei unzulänglich wegen der Gefahr, daß es bei Versendung verlorengehen könne. Außerdem verteuere sich die Personenstandsbuchführung für die Gemeinden durch die zusätzlich vorgeschriebenen Beurkundungen. Auch die Bundesregierung selbst gibt in ihrer Begründung zu — auf Seite 16/17 können Sie es nachlesen —:
Es werden also in gewisser Hinsicht vorübergehend zwei Familienbuchsysteme nebeneinander bestehen. Dies ist sehr unerfreulich, bringt insbesondere eine erhebliche Belastung der Standesbeamten mit sich.
Eine zusätzliche Bürokratisierung kommt hier auf uns zu.
Nun scheint ja die Bürokratisierung unser unausweichliches Schicksal geworden zu sein. Schon die alten Chinesen haben das gekannt und hatten ein Sprichwort, daß, wenn einmal der Wind ein Blatt Papier in ein Amt wehe, nach einiger Zeit zwei Ochsen notwendig seien, um den angewachsenen Aktenhaufen wieder aus diesem Amt herauszutransportieren.
— Nicht nur in China, nein, auch in Frankreich. Dort war es der bekannte französische Schriftsteiler Jules Romain, der unlängst gesagt hat, allmäh-
lich sei es dahin gekommen, daß die eine Hälfte der Franzosen damit beschäftigt sei, über die andere Hälfte der Franzosen Aktenstücke anzulegen.
Das ist keineswegs das, sagen wir einmal: nationale Monopol der Franzosen. Auch bei uns, auch in diesem Bundestage und auch bei der Bundesregierung scheint es mir manchmal so zu sein, daß diejenigen, die die Propagandaposaune des Antibürokratismus vor den Mauern des bürokratischen Jericho am lautesten blasen,
gar nicht das Einstürzen dieser Mauern wollen, sondern in ihrer praktischen Politik sehr kräftig mitwirken, daß der Bürokratismus in unseren Institutionen immer mehr zementiert wird.
Es scheint uns, daß man in den Ausschußberatungen den Hinweis des Justizministeriums einer sorgfältigen Erwägung unterziehen sollte, da nämlich, wo es vorschlägt — wiederum können Sie dies in dem Protokoll des Bundesrates nachlesen —, daß das vorgesehene System der Einführung dieses Familienbuches neuen Typs auf die Vertriebenen beschränkt bleiben und nach Ablauf einer bestimmten Frist wieder in die bisherige bewährte Form auslaufen soll.
Ich glaube, daß dies einer sehr ernsten Erwägung wert ist.
Aber lassen Sie mich, nachdem ich etwas zu der ersten Begründung, die überzeugend zu sein scheint, gesagt habe, nun auch etwas zu der zweiten Begründung der Bundesregierung sagen, die mir keineswegs überzeugend zu sein scheint. Daß die Regierung die Kollektion der Personenstandsbücher über das Heiratsbuch, das Geburtsbuch und das Sterbebuch hinaus um diesen neuen Typ eines Familienbuches bereichern will, wird in der schriftlichen Begründung in einer Weise begründet, die uns außerordentlich befremdend aufhorchen läßt. Dort heißt es — auf Seite 15 unten können Sie es nachlesen —:
Das Personenstandsgesetz vom 3. November 1937 entsprach einem schon lange empfundenen . . . Bedürfnis, in den Personenstandsbüchern ... auch die Familienzusammenhänge kenntlich zu machen.
Lassen Sie mich die Frage stellen: War es denn wirklich im Jahre 1937 ein „schon so lange empfundenes Bedürfnis", daß die NS-Reichsregierung die Familienzusammenhänge kenntlich machen wollte? Mir scheint dieses Bedürfnis des Jahres 1937 damals ganze vier Jahre alt gewesen zu sein;
denn das Kenntlichmachen der Familienzusammenhänge im „Dritten Reich" hatte ja doch andere Gründe als die der Vereinfachung der bürokratischen Form.
Seit dem Jahre 1875 haben wir eine Beurkundung des Personenstandes nur hinsichtlich der Geburt, der Heirat und des Todes gehabt. Niemand wird sagen, daß damit ein bevölkerungsorganisatorisches Tohuwabohu geschaffen worden wäre. Im Jahre
1937 wollte man die Familienzusammenhänge kenntlich machen. Da bedarf es doch nicht eines langen Rätselratens, um sagen zu können, für wen sie kenntlich gemacht werden sollten. Es bedarf gar nicht des Hinweises, daß in diesem Gesetz von 1937 ausdrücklich gesagt worden ist, daß das Recht der Einsichtnahme in die Personenstandsbücher den Dienststellen der NSDAP offenstand.
Hier wurde also ganz deutlich, wem deutlich gemacht werden sollte, wie es um die Familienzusammenhänge stand. Ich 'brauche Sie alle doch nicht daran zu erinnern, wie in jener Zeit rassische Bevölkerungspolitik und eine gewisse Weltanschauungsschnüffelei — um ein Wort von Hermann Rauschning aus seinem Buch „Die Revolution des Nihilismus" zu zitieren — „bis unter die Bettdecke" betrieben worden ist. Es ging also nicht um eine harmlose Vereinfachung, sondern um ein sehr harmvolles Instrument nationalsozialistischer Familienpolitik. Es war damals ein im letzten Grunde NS-Schnüffelgesetz.
Meine Damen und Herren, hier liegt eine ernste Besorgnis. Wir haben es nicht mit Freuden zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung in dem zweiten Teil ihrer Begründung so ausdrücklich auf die damals angegebene Begründung der NS-Regierung Bezug nimmt, daß es angeblich eben ein „seit langem empfundenes Bedürfnis" gewesen sei, das zur Schaffung dieses Gesetzes geführt habe. Nachdem die Bundesregierung sich jedoch so sehr auf diese Formulierung des Jahres 1937 beruft, werden Sie es verstehen, wenn wir nun den Hindernislauf des Mißtrauens über die einzelnen Paragraphenhürden nur sehr vorsichtig antreten.
Für wen und warum sollen nun heute die Familienzusammenhänge in der beabsichtigten Weise kenntlich gemacht werden? Zunächst: was soll kenntlich gemacht werden? Da haben wir in erster Linie die bereits von dem Herrn Bundesinnenminister angesprochene Frage der Bekundung des religiösen Bekenntnisses. Wir sind nicht der Auffassung, die der Herr ,Bundesinnenminister hier vorgetragen hat. Art. 140 unseres Grundgesetzes macht Art. 136 der Weimarer Verfassung zum geltenden Verfassungsgrundsatz, zu aktuellem Recht. In Art. 136 der Weimarer Verfassung heißt es:
Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.
Ich kann den Darlegungen des Herrn Bundesinnenministers in keiner Weise folgen, z. B. da, wo er sagt, hier solle nicht etwa die religiöse Überzeugung bekundet werden, sondern nur die rechtliche Zugehörigkeit. Ob ich den einen Begriff oder den anderen nehme, in der Praxis, muß ich sagen, gilt der Satz: Je mehr es sich ändert, desto mehr bleibt es sich gleich. Wenn jemand seine formale Zugehörigkeit bekundet, bekundet er damit hoffentlich auch seine religiöse Überzeugung. Denn wir wollen doch hoffen, 'daß Leute, die ihre rechtliche Zugehörigkeit zu einer Vereinigung oder zu einer Gemeinschaft bekennen, ihr auch aus Überzeugung angehören. Für die Folgen, die aus einer solchen
Bekundung entstehen, bleibt es sich gleich, ob der Betreffende hier nur eine rechtliche Zugehörigkeit oder eine persönliche religiöse Überzeugung bekundet. Er gibt einen Tatbestand zu den Akten, aus dem Schlußfolgerungen gezogen werden können.
Übrigens ist die Mehrheit des Bundesrates keineswegs der Auffassung, die der Herr Bundesinnenminister hier vorgetragen hat, sondern sie hat sehr ernste verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Der Herr Bundesminister der Justiz hat im Bundesrat sagen lassen, daß sein Ministerium „nicht unbedingt in der vorgetragenen Richtung" zu argumentieren in der Lage sei, es könne „nicht unbedingt" der Auffassung folgen, daß der Art. 136 der Weimarer Verfassung unmittelbar geltender Rechtsgrundsatz sei; sonst, so ist dort gesagt worden, hätte es ja nicht eines besonderen Gesetzes aus dem Jahre 1920 bedurft, das die Frage der religiösen Bekundungspflicht regelt. Wir wollen hier in aller Form zum Ausdruck bringen, daß wir den Art. 136 der Weimarer Verfassung auf dem Wege über den Art. 140 des Grundgesetzes für aktuelles Recht halten, daß wir es nicht für statthaft halten, nach der religiösen Zugehörigkeit zu fragen.
Wir befinden uns in Übereinstimmung mit der Formulierung, die der Bundesrat selbst gefunden hat. Wir schließen uns dieser Formulierung des Bundesrates an, in der es heißt, daß gegen die Aufnahme des religiösen Bekenntnisses in die Personenstandsbücher verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.
Die Bundesregierung glaubt nichtsdestoweniger, nicht auf diese Forderung verzichten zu können.
Wie ein roter Faden — ich müßte hier vielleicht sagen, wenn Sie nichts dagegen haben, wie ein schwarzer Faden —
zieht sich das durch die §§ 11, 12, 14, 17, 37 und viele andere hindurch.
Das religiöse Bekenntnis des Ehegatten muß angegeben werden. In der Geburtsurkunde muß das religiöse Bekenntnis der Kindeseltern angegeben werden. Jede Heiratsurkunde soll das religiöse Bekenntnis ausweisen, ebenso jede Sterbeurkunde. Die konfessionelle Etikettierung des Menschen von der Wiege bis zum Grabe ist also in diesem Gesetz festgelegt.
Man komme uns nicht mit dem Hinweis auf § 69 a: „Eine Eintragung unterbleibt, wenn die Angabe hierüber abgelehnt wird ...".
— Meine Damen und Herren, was heißt hier „Na also"? Muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es in gewissen Gegenden Deutschlands und für viele Menschen — insbesondere für ihr berufliches Fortkommen — geradezu ein Akt der Selbstdenunziation ist, wenn sie diese Angaben ablehnen?
Der § 69 a ist doch eine Verharmlosung, und er ist in der Praxis unwahrhaftig.
Meine Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, daß bei zahlreichen Gelegenheiten — —
— Nicht das Parteibuch! Meine Herren, wo das Parteibuch wichtiger ist, kann man bei der Personalpolitik gewisser Regierungsstellen sehr genau erkennen.
Der § 69 a
ist sehr verharmlosend und in seiner Wirkung
— Vielleicht unternehmen Sie es nachher, durch Ihren Sprecher Ihre Gesichtspunkte darzulegen. Wenn Sie aber Zwischenrufe machen wollen, dann einigen Sie sich darauf, wer es tut, damit man es versteht.
Der § 69 a ist eine Verharmlosung. Sie wissen ganz genau, daß in Wirklichkeit bei zahlreichen Gelegenheiten, bei Bewerbungen beispielsweise, Vorlage von Personenstandsurkunden erforderlich ist. Sie wissen ganz genau, wie sehr da gerade die „falsche" religiöse Zugehörigkeit jemandem schädlich werden kann. Da können wir Ihnen, wenn Sie die notwendige Redezeit beschaffen, einen bunten Katalog von Einzelfällen aufführen.
Aber es bleibt nicht allein bei der Bekundung des religiösen Bekenntnisses. In diesem Familienbuch soll beispielsweise auch der Religionswechsel eingetragen werden. Es sollen die Tatsachen der Ehescheidung und der Wiederverheiratung eingetragen werden. Es kommen, wenn ich die Bestimmungen des Gesetzes recht verstanden habe, darin auch zur Transparenz, zur Durchsichtigkeit, Tatsachen wie die folgende. Wenn eine Frau ein uneheliches Kind mit in die Ehe bringt, so wird dieser Tatbestand nach den Bestimmungen des Gesetzes im Familienbuch deutlich.
Ein anderes Beispiel: die Tochter eines — nehmen wir einmal einen Fall, wo es durchaus schädlich wirken könnte — Beamten bekommt ein uneheliches Kind. Dann kommt dieses Kind in das Familienbuch des Vaters dieses Mädchens. Muß ich darauf aufmerksam machen, daß es Fälle gibt, wo das für diesen Mann, der an diesem Tatbestand gar nicht beteiligt ist, durchaus schädlich sein kann?
Sie werden mir sagen: da gibt es einen Sperrvermerk. Im Gesetz — § 61 Abs. 2 — ist die Eintragung eines Sperrvermerks vorgesehen, so daß über den Tatbestand des Vorhandenseins des unehelichen Kindes niemand als den unmittelbar Beteiligten Auskunft erteilt werden darf. Aber sehen Sie, das wird doch durch die Bestimmungen des § 61 Abs. 1 völlig durchlöchert, wo es heißt, daß außer den unmittelbar beteiligten Personen andere Personen „nur dann ein Recht auf Einsicht
und Durchsicht der Personenstandsbücher und auf Erteilung von beglaubigten Abschriften" haben, „wenn sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen". Dieser Kautschuk-Absatz, diese Formulierung: „ein berechtigtes Interesse" geltend machen, öffnet sehr verhängnisvollen Möglichkeiten Tür und Tor. Wer nicht alles kann kommen und ein sogenanntes berechtigtes Interesse geltend machen?
Alle diese Tatsachen, die ich eben aufgeführt habe, sollen nun im Familienbuch transparent gemacht werden bis zur, wie ich mit aller Deutlichkeit sagen möchte, Existenzgefährdung für einen Menschen.
— Wenn Sie unbedingt Wert darauf legen, kann ich hier ein paar Beispiele erwähnen. — Sie wollen doch wohl nicht leugnen, daß es so etwas wie eine Schnüffelei nach dem gemeinsamen konfessionellen Kopfkissen gibt. Wir haben gerade jetzt in der Zeitung gelesen, daß in Rheinland-Pfalz ein Lehrer katholischen Bekenntnisses, der acht Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft war, zurückgekommen ist. Er hat an einer katholischen Pädagogischen Akademie studiert und jetzt die Mitteilung bekommen, daß er an keiner katholischen Schule eine Lehrerstelle bekommen kann, weil er eine evangelische Frau hat.
Sie mögen mir — und ich akzeptiere das bis zu einem gewissen, minimalen Umfang — den Einwand entgegenhalten, daß im Falle des Lehrberufs manchmal Grenzfragen entstehen können, obschon dieses Beispiel keineswegs dazu gehört. Aber die Vorfälle sind doch nicht allein auf den Lehrberuf beschränkt, und eine solche Maßnahme ist schon nach der Verfassung nicht statthaft.
Während meiner Tätigkeit im Landtag von Nordrhein-Westfalen wurde ich eines Tages mit einem Fall beschäftigt, in dem ein Arzt katholischer Konfession — seine Ehe war auf Betreiben seiner Frau in der Nazi-Zeit geschieden worden — nach zehn Jahren eine andere, eine evangelische Frau heiratete. Er war als Arzt freiberuflich tätig, operierte aber in einem konfessionellen Krankenhaus. Diesem Arzt wurde mitgeteilt, daß er künftig kaum noch damit rechnen könne, in diesem konfessionellen Krankenhaus zu operieren.
Als die Frau dann aus Angst vor der Existenzgefährdung ihres Mannes zu gewissen Stellen ging und dort sagte: „Nun gefährden Sie doch meinen Mann nicht in seiner Existenz!", da wurde ihr geantwortet: „Warum haben Sie denn aber auch heiraten müssen? Auch Maria Magdalena ist in den Himmel gekommen."
Das mag ein Einzelfall sein, aber ich sage Ihnen
das mit aller Deutlichkeit. Lassen Sie mich — —
. — Schimpfen Sie doch nicht so sehr! Ich bin ja gar nicht so weit gegangen wie Ihr verehrter Koalitionskollege Dr. Dehler, der gesagt hat, es graue ihm vor einem von Prälaten und Oberkirchenräten regierten Deutschland. Ich bleibe ja noch bei Einzelfällen. Ich habe ja ausdrücklich, bevor Sie Ihren Protest manifestierten, gesagt: Das mögen Einzelfälle sein.
Aber Sie wollen doch nicht bestreiten, daß es auch unter den Geistlichen kleingeistige und engmuffige Eiferer gibt. Wir wollen ihnen nicht die Möglichkeit geben, auf diesem Wege an die Existenz eines Menschen zu rühren. Wer unter Ihnen, der um die — z. B. auch vom katholischen Denken her — notwendige Unterscheidung zwischen dem ewigen und dem irdischen Plan der Kirche und mithin um die Heiligkeit und Sündigkeit ihrer Vertreter — um in der Sprache zu bleiben — weiß, will bestreiten, daß es solche Fälle gibt? Wir wollen nicht, daß ein Gesetz ihnen Möglichkeiten zur Unduldsamkeit schafft.
1937 sollte dieses Gesetz einer bestimmten Weltanschauungspolitik dienen, Lassen Sie mich sagen: Wir wollen nicht, daß über den § 61 Abs. 1 Satz 2 und über den § 69 a hier wiederum ein Instrument zur Manipulierung einer bestimmten Weltanschauungspolitik geschaffen wird.
Unter diesem Gesichtspunkt werden wir im Ausschuß an die Beratungen dieses Gesetzentwurfs herangehen. Wir werden nicht hinnehmen, daß durch dieses Gesetz Einrichtungen geschaffen werden, die — vielleicht gegen den Willen derjenigen, die sie schaffen wollen — konfessionelle Diskriminierungen möglich machen. Wir werden alles tun, um zu verhindern, daß durch ein Gesetz Einrichtungen geschaffen werden, die in diesem Sinne mißbraucht werden können.