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ID0205201000

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    2. Deutscher Bundestag — 52. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Oktober 1954 2567 52. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Oktober 1954. Geschäftliche Mitteilungen 2567 D Nächste Fragestunde 2568 A Gedenken an die noch nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen 2568 A, 2587 D Präsident D. Dr. Ehlers . 2568 A, 2587 D Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener (Drucksache 795) . 2568 A Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 2568 B Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf der restlichen Teilfläche des ehemaligen Heereszeugamtes in Ulm an die Firma Telefunken, Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH. in Berlin SW 61 (Drucksache 813) . 2568 B Überweisung an den Haushaltsausschuß 2568 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Grenzlandfragen über den Antrag der Fraktion des GB/BHE betr. Sanierungsmaßnahmen für Kreise im Spessart-Gebiet (Drucksachen 751, 572) 2568 B Dr. Dittrich (CDU/CSU), Berichterstatter 2568 B Dr. Keller (GB/BHE) 2568 D Frau Dr. Probst (CDU/CSU) . . . 2570 B Bauer (Würzburg) (SPD) 2571 D Beschlußfassung 2573 A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes (Drucksache 848) 2573 B, 2588 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 2573 B, 2578 D, 2591 A Kühn (Köln) (SPD) 2575 A, 2582 A, 2590 A, B Cillien (CDU/CSU) . . . . 2579 A, 2584 A Dr. Bucher (FDP) 2580 C, 2581 C Gontrum (CDU/CSU) 2581 C, 2589 C, 2590 B Kahn-Ackermann (SPD) 2583 B Metzger (SPD) 2584 C, 2587 D Dr. Kliesing (CDU/CSU) 2587 D Präsident D. Dr. Ehlers 2588 B Dr. Strosche (GB/BHE) 2588 B Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und an den Rechtsausschuß 2591 C Erste Beratung des von den Abg. Hoogen, Dr. Kihn (Würzburg), Naegel u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache 860) 2591 C Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 2591 C Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Dr. Horlacher, Bauknecht, Struve, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Drucksache 677); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 892) . . . . 2591 C Unertl (CDU/CSU), Berichterstatter 2591 D Abstimmungen 2592 A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 190) 2592 C Beschlußfassung 2592 C Nächste Sitzung 2592 C Anlage: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 190) 2592 Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    *) Siehe Anlage. Anlage Umdruck 190 Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen: 1. Antrag der Fraktion der FDP betreffend Autobahn-Hinweisschilder (Drucksache 827) an den Ausschuß für Verkehrswesen; 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Zusammenführung des Kulturgutes der ehemals Staat- lichen Museen Berlins (Drucksache 839) an den Ausschuß für Kulturpolitik; 3. Antrag der Abgeordneten Günther, Moll und Genossen betreffend Ausbau der Autobahn Köln—Aachen (Drucksache 869) an den Haushaltsausschuß (federführend) und an den Ausschuß für Verkehrswesen. Bonn, den 8. September 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hannsheinz Bauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag steht nun schon das viertemal auf der Tagesordnung. Ich möchte nicht hoffen, daß dies etwa symbolisch sein könnte für die Rangordnung, in der die Betreuung des Spessartgebietes durch die staatlichen Stellen tatsächlich steht. Aber es ist zweifellos ein Verdienst des Herrn Kollegen Dr. Keller, daß er Gelegenheit gegeben hat, in diesem Hohen Hause einmal die Verhältnisse in einer Ecke anzuleuchten, die von einer erschütternden Armut gekennzeichnet ist, vergleichbar mit den Verhältnissen in der Hocheifel, im Bayerischen Wald, im Hunsrück oder etwa im Hümmling, im Emsland. Wir sind der Meinung, daß vielleicht jetzt noch Gelegenheit gegeben sein könnte, ein organisch zusammenhängendes Gebiet, die Ecke Rhön-Spessart, zu einem großen gemeinsamen Sanierungsgebiet zusammenzufügen.

    (Sehr wahr! links.)

    Wie ist der Sachverhalt? Die Rhön ist zum überwiegenden Teil in das Sanierungsgebiet einbezogen, und .die Bevölkerung des Spessarts fühlt sich
    nach meiner Ansicht mit vollem Recht — zurückgesetzt. Sie hat kein Verständnis für schematische Gesichtspunkte bei der Hereinnahme in Sanierungsgebiete. Sie versteht die Gesichtspunkte nicht, unter denen der Spessart ausgeschlossen wird.

    (Abg. Dr. Dittrich: Ändern Sie doch die Richtlinien!)



    (Bauer [Würzburg])

    — Die kenne ich, Herr Kollege Dittrich.

    (Abg. Dr. Dittrich: Ändern Sie die!)

    Die habe ich ausführlich gelesen. Aber meine beiden Vorredner haben darauf hingewiesen, daß die Statistik in diesem Falle wirklich einmal lügt und daß diese Richtlinien zu starr sind, als daß sie hier eine Wendung bewirken könnten.
    Die Rhön liegt unmittelbar neben dem Spessart. Denken Sie nur an den Sinn-Grund, den Übergang von dem einen in das andere Gebiet. Die Rhön liegt nur — und das berechtigt ihre besondere Förderung — mehr in der Nähe der Zonengrenze. Sonst sind die strukturellen Gegebenheiten in Rhön und Spessart fast identisch, in wirtschaftlicher, in landwirtschaftlicher und vor allen Dingen auch in verkehrstechnischer Beziehung. Man kann nur stichwortartig hinweisen auf die Probleme: Mangelnde Bonität der Böden verhindert oder erschwert intensivere landwirtschaftliche Bewirtschaftungsmethoden, Bewirtschaftung kleinster Flächen, nur zu oft unter 2 ha, meist zwischen 2 und 5 ha; Besitztümer über 5 ha wird man im Spessart überhaupt kaum treffen. Mit Recht ist gefragt worden: Wovon soll eine Familie mit mehreren Köpfen leben, wenn der Jahresertrag nur etwa 400 bis 700 DM ausmacht? Wenn man in die Kleinarbeit hineinsteigt, erlebt man immer wieder mit einer Art Bestürzung, daß nach dem Bedürftigkeitsprinzip Renten unter dem Gesichtspunkt gestrichen oder abgelehnt werden, daß etwas landwirtschaftlicher Besitz vorhanden sei; ein Besitz, der allerdings zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel ist.
    Nun sollte man meinen, der Holzreichtum im Spessart könne dort zu einer gewissen Belebung führen. In Wahrheit sind aber zunächst einmal zwei Drittel der Flächen Staatsforsten. Die wenigsten Gemeinden im Spessart haben größeren Waldbesitz. Vor allen Dingen fehlt jede Holzindustrie im Sinne be- und verarbeitender Betriebe. Es ist tatsächlich an dem, daß das Holz aus dem Spessart herausgefahren und an anderen Stellen be- und verarbeitet wird.
    Noch nicht erwähnt worden ist die Tendenz zu Ein-Mann-Betrieben im Spessart, die einerseits Rationalisierung und Konkurrenzfähigkeit erschweren und die andererseits verhindern, daß ein entsprechender Nachwuchs für die Wirtschaft und für das Handwerk herangezogen wird.
    Am wesentlichsten erscheint mir aber die mangelhafte verkehrsmäßige Erschließung. Die wenigen Betriebe sind überwiegend an die Bahnlinie Würzburg—Frankfurt gebunden. Die Industrieorte Obernburg, Aschaffenburg usw. strahlen nicht genügend aus, und die Plätze im Raum Gemünden-
    Miltenberg sind nicht genügend entwickelt. Der Frankfurter Wirtschaftsraum liegt zu weit weg, und selbst da, wo eine Verflechtung vorhanden ist, sind die Fahrtkosten etwa aus dem Raum Alzenau derart hoch, daß sie auch für die Bevölkerung eine außerordentliche Last bedeuten. Die früheren Wirtschaftsverbindungen, die, wie in der Rhön, auch im Spessart bestanden haben, sind heute weggefallen.
    Ebenfalls noch nicht erwähnt wurden die außerordentliche Wohnraumnot und die Belegung mit Flüchtlingen. Für 85 000 Haushaltungen stehen in diesem überwiegend landwirtschaftlich orientierten Gebiet nur 52 000 Wohnungen zur Verfügung.
    Außerdem soll auch noch einmal gesagt werden, daß der Spessart in letzter Zeit anscheinend als Dauertruppenübungsplatz der US-Einheiten ausersehen ist. Wenn man bedenkt, daß Schadenersatz nur an Private, an juristische Personen und an Gemeinden geleistet wird, nicht aber an die Kreise, dann kann man auch ermessen, wie sich solche Schäden bei ausgedehnten Manövern für die Finanzen der Kreise auswirken.
    Besonderen Nachdruck möchte ich auf eine Hilfsmöglichkeit legen. Als solche scheint mir der Fremdenverkehr einen außerordentlich guten Ansatzpunkt zu bieten. Ja, ich glaube, man könnte den Spessart zur Lunge Westdeutschlands machen. Meine Damen und Herren, verübeln Sie es mir nicht, wenn ich hier für diese Ecke ein bißchen Propaganda im Hinblick auf den Fremdenverkehr zu machen bemüht bin: eine ideale Lage, der Übergang sozusagen vom Norden nach dem Süden, die Main-Linie. Der Spessart könnte ein Erholungsund Feriengebiet ersten Ranges werden. Man sollte meinen, daß die größeren Verbände, daß Organisationen und Betriebe dort Erholungsheime errichten könnten, wie z. B. die IG Metall in den letzten Jahren in Lohr schon ein großes Schulungsheim aufgebaut hat. Der Spessart könnte tatsächlich als Fremdenverkehrsgebiet eine grüne Oase in Westdeutschland bedeuten. Darin liegt eine große Chance, allerdings nur dann, wenn eine zentrale und zügige Förderung bewirkt wird.
    Die Erweiterung und die Modernisierung der Gaststättenbetriebe im Spessart kann aus eigener Kraft leider nicht auf die Beine gebracht werden. Dazu ist die Kraft sowohl des Regierungsbezirks als auch des Landes Bayern nicht genügend, und die Gemeinden selbst haben bei ihrer bedeutenden Zahl an Fürsorgeunterstützungsempfängern leider auch nicht genügend Möglichkeiten.

    (Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Es müßte eine weitergehende verkehrsmäßige Erschließung über die Bundesstraßen B 8 und 26 hinaus Platz greifen. Eine große Hoffnung ist die Autobahn Frankfurt—Nürnberg gewesen, von der in diesem Hause ja auch verschiedentlich gesprochen worden ist. Leider Gottes hat es hier eine große Enttäuschung gegeben. Denn vor drei Tagen ist mir ein Brief aus dem Bundesverkehrsministerium auf den Tisch geflattert, in dem der Baubeginn für das Jahr 1954/55 in Aussicht gestellt ist, und zwar zunächst nur etwa bis an den Rand des Spessarts. Der Aufstieg zum Spessart selbst kann eventuell erst im Jahre 1956 in Angriff genommen werden. Das bedeutet für die dortige Bevölkerung wirklich eine große Enttäuschung, nachdem man sich allein schon von den Bauarbeiten in diesem Gebiet eine große wirtschaftliche Belebung versprochen hatte.
    Ich möchte hier eine Anregung an die Herren der Ministerien geben, die allerdings, soviel ich sehe, heute kaum vertreten sind — aber vielleicht liest man es doch, die Hoffnung habe ich —, nämlich daß man, wenn schon eine Autobahn gebaut wird, ein System von landschaftlich schönen Rasthäusern errichtet, vergleichbar etwa dem Rasthaus Irschenberg an der Autobahn München—Rosenheim; denn das würde viele Menschen, die dort durchfahren, zum Halten veranlassen und würde in etwa diesem Gebiet auch zusätzliche wirtschaftliche Belebung bedeuten.


    (Bauer [Würzburg])

    Jedenfalls wünscht die Bevölkerung eines: nicht eine schematische Klassifizierung, sondern eine individuelle Betrachtung nach der tatsächlichen Lage. Der Ausschußbeschluß — Überweisung als Material — ist nach meiner Meinung mehr eine formelle Entscheidung. In der Sache selbst ist festzuhalten, daß Rhön und Spessart ein gleichgeartetes Gebiet sind und daß infolgedessen einheitliche Hilfsmaßnahmen für beide Ecken getroffen werden müssen.
    Meine Damen und Herren, wenn ich lese „als Material zu überweisen", so habe ich genügend parlamentarische Praxis, um zu wissen, was „Material" bedeutet: meistens eine Beerdigung erster Klasse. Hier können wir nur einen Appell — ich glaube, darin sind sich die Abgeordneten, die die Verhältnisse genau kennen, einig, gleichgültig welcher Fraktion sie angehören — an die Bundesregierung, an Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium richten, daß besondere Anstrengungen gemacht werden, damit dieses Gebiet nicht noch weiter absinkt. Die Verhältnisse dort sind des Schweißes der Edlen wert. Aber es müssen sofortige und zügige Maßnahmen erfolgen, wenn eine Wende zum Besseren bewirkt werden soll.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Keine weiteren Wortmeldungen; ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses für Grenzlandfragen, Drucksache 751, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes (Drucksache 848).
Es liegt eine schriftliche Begründung der Bundesregierung vor. Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Novelle zum Personenstandsgesetz hat im Frühjahr dieses Jahres in der Öffentlichkeit eine lebhafte Diskussion über Fragen ausgelöst, die nicht das Hauptanliegen dieses Entwurfs sind, sondern mehr am Rande liegen. Es ist deshalb erforderlich, heute zunächst einmal die Hauptziele der Novelle herauszustellen.
    Der Gesetzentwurf hat zwei Ziele: die Ausstattung der Vertriebenen mit beweiskräftigen Personenstandsurkunden und die Führung der Personenstandsbücher im Bundesgebiet nach einheitlichen Gesichtspunkten.
    Die erste Aufgabe, die Vertriebenen wieder mit beweiskräftigen Personenstandsurkunden auszustatten, ist dringend. Die Personenstandsbücher aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie sind zum großen Teil vernichtet; die erhalten gebliebenen Bücher stehen meist nicht zur Verfügung der deutschen Behörden. Die Vertriebenen können also keine Personenstandsurkunden erhalten, sind häufig auch selbst nicht im Besitz solcher Urkunden.
    Das wirkt sich in vielen Fällen sehr nachteilig für sie aus, bringt insbesondere viele unliebsame Verzögerungen mit sich.
    Die kirchlichen Organisationen, die Organisationen der Heimatvertriebenen, zahllose Heimatvertriebene selbst, berufsständische Organisationen, die Behörden der Länder und Gemeinden und die Fachorganisation der Standesbeamten haben daher seit Jahren mit Recht die Wiederausstattung mit beweiskräftigen Urkunden gefordert.
    Das Personenstandsgesetz von 1937 sah vor, daß ebenso wie in Württemberg und in der Schweiz in den Personenstandsbüchern nicht nur die einzelnen Standesfälle, sondern im Familienbuch die Familienzusammenhänge eingetragen wurden.
    Dieses Gesetz wird aber seit 1944 nicht mehr einheitlich angewandt. In einer Anzahl von Ländern ist noch das Familienbuch nach dem Personenstandsgesetz von 1937 vorhanden. In anderen Ländern wird lediglich die Eheschließung im Familienbuch beurkundet, das übrige Familienbuch jedoch nicht geführt. In dem württembergischen Teil des Landes Baden-Württemberg gilt wie seit 1808 das württembergische Familienregister.
    Diese Rechtsverwirrung muß beseitigt werden.
    Im Laufe langwieriger Beratungen ist hinsichtlich der Vertriebenen zweierlei erwogen worden: Ersatzbeurkundung durch den Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder Ersatzbeurkundung nach dem jetzigen § 41 des Personenstandsgesetzes durch die unteren Verwaltungsbehörden am Wohnsitz der Vertriebenen vorzunehmen. Beide Möglichkeiten mußten aber wieder ausscheiden, weil weder die Gerichte noch das Standesamt I in Berlin, das die Fälle zentral beurkunden müßte, um sonst unvermeidliche Doppelbeurkundungen zu verhüten, in der Lage wären, diese Arbeit für über 10 Millionen Vertriebene zu bewältigen.
    Die Rechtsvereinheitlichung in der Personenstandsbuchführung haben die Länder und die Fachorganisation der Standesbeamten schon vor 1949, vor der Bildung der ersten Bundesregierung, angestrebt. Mit der jetzt vorgeschlagenen Novelle wird also eine langjährige Entwicklung abgeschlossen. Hierbei und bei den späteren Verhandlungen hat sich die Mehrzahl der Länder, ebenso wie jetzt auch wieder der Bundesrat, entsprechend dem Vorschlage der Bundesregierung auf den Standpunkt gestellt, daß auf das Familienbuch ebensowenig wie in anderen Kulturstaaten verzichtet werden kann und daß das bisherige württembergische System mit wechselndem Führungsort gewählt werden soll. Dagegen war es nicht möglich, an dem jetzigen System des Familienbuchs mit festem Führungsort festzuhalten. Das Personenstandsgesetz gehört zu den Gesetzen, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Dessen Meinung geht aber auf die Schaffung eines Familienbuchs mit wechselndem Führungsort nach württembergischen Muster.
    Wenn das System des württembergischen Familienregisters übernommen wird, ist doch aus sprachlichen Gründen der Ausdruck „Familienbuch" beibehalten worden.
    Dabei muß das Familienbuch, das der Standesbeamte führt und stets in seiner Verwahrung behält, deutlich von dem Familienstammbuch unterschieden werden, das Auszüge aus den Geburts-, Heirats- und Sterbebüchern der Familienangehörigen enthält und bei der Familie selbst aufbewahrt wird. Das neue Familienbuch hat gegenüber dem bisherigen Familienbuch den Vorteil, daß die Geburt eines Kindes oder der Tod eines Ehegatten oder eines Kindes in den meisten Fällen von dem-


    (Bundesminister Dr. Schröder)

    selben Standesbeamten beurkundet werden kann, der das Familienbuch führt. Die bisher vorgesehenen Mitteilungen von einem Standesbeamten an den anderen können zu einem wesentlichen Teil fortfallen.
    Eine sofortige Einführung des Familienbuches für alle Ehen ist allerdings nicht möglich. Das neue Familienbuch soll deshalb nur bei zukünftigen Eheschließungen und auf Antrag eines Vertriebenen angelegt werden. Die beiden Hauptziele der Novelle: Schaffung von Ersatzurkunden für die Vertriebenen und Rechtsvereinheitlichung, werden dadurch erreicht, daß es nach Ablauf der Übergangszeit in allen Ländern nur noch das Familienbuch am jeweiligen Wohnsitz der Familie gibt und daß jeder Vertriebene für sich und seine Familie jederzeit die Anlegung eines solchen Familienbuches beantragen kann. Eine beglaubigte Abschrift dieses Familienbuches hat dann für den Vertriebenen und seine Familienangehörigen die gleiche Beweiskraft wie z. B. eine Geburts- oder Sterbeurkunde.
    Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind die beiden Hauptziele der Ihnen vorgelegten Novelle. Ich komme nun zu zwei Punkten, die neben den Hauptzielen der Novelle mit geregelt werden sollen. Die Strafvorschrift für Geistliche in § 67 des Personenstandsgesetzes ist einer dieser von mir angesprochenen Punkte. Die Vorschläge der Bundesregierung zu dieser Vorschrift sind in der Öffentlichkeit vielfach mißverstanden und mißdeutet worden. Die Bundesregierung hat zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, den Status der obligatorischen Zivilehe zu verändern. Die Eheschließung, meine Damen und Herren, gehört zu den Bereichen, an denen Staat und Kirche ein gleich großes, wenn auch verschieden geartetes Interesse besitzen. Aber sie ist kein Gegenstand, an dem sich heute noch ein Kampf zwischen beiden entzünden könnte. Die geistige Arbeit vieler Generationen hat die Voraussetzung zu klarer Unterscheidung der Bereiche und Funktionen geliefert. Die Bürger eines auf den Prinzipien der Freiheit und Toleranz ruhenden Staates haben ein verfassungsmäßiges Recht darauf, daß sie in Fragen, die ihr Gewissen berühren, durch die staatliche Ordnung nicht beschwert werden. Der Staat hingegen muß von seinen Bürgern fordern, daß sie sich den Regelungen unterwerfen, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des staatlichen Gefüges erlassen werden. Die Bundesregierung hat sich von der Erkenntnis leiten lassen, daß in diesem Punkt eine Regelung getroffen werden sollte und getroffen werden kann, die dem Staat alle erforderlichen Sicherheiten gibt, aber nicht mehr mit den Relikten eines geistig wie historisch überwundenen Staatskirchentums belastet ist.
    Die Bundesregierung hat sich zu diesem § 67 nicht in vollem Umfang den Vorschlägen des Bundesrates anschließen können. Diese gingen dahin, wie bisher eine Geldstrafe u n d eine Freiheitsstrafe für den Fall anzudrohen, daß eine kirchliche Eheschließung v o r der standesamtlichen Eheschließung vorgenommen wird. Die Geldstrafe wollte der Bundesrat mit einem Höchstbetrag von 500 DM —1875 waren es 300 und 1937 waren es 10 000 Mark — androhen. Die Gefängnisstrafe wollte der Bundesrat ebenso wie 1875 auf drei Monate statt wie seit 1937 auf fünf Jahre begrenzen. Die Bundesregierung dagegen hält das Muster der Schweiz für besser, wo der Vorrang der Zivilehe durch die Androhung nur einer Geldstrafe gesichert wird. Die
    Androhung der Freiheitsstrafe kann nur aus der Lage des Kulturkampfes der 70er Jahre verstanden werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung weiß sich mit der Mehrheit des Volkes und allen maßgebenden Kräften darin einig, daß alles vermieden werden soll, was an Kulturkampfbestimmungen erinnern könnte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Aufnahme, die der jetzige Beschluß der Bundesregierung über die Androhung lediglich einer Geldstrafe bisher gefunden hat, scheint zu zeigen, daß hier ein Weg gefunden ist, der zur Beruhigung der Öffentlichkeit durchaus geeignet ist und alle sachlichen Belange ausreichend wahrt.
    Bei dem zweiten Punkt, der Eintragung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft in die Personenstandsbücher, hält die Bundesregierung an ihren ursprünglichen Vorschlägen fest. Die von oppositioneller Seite geäußerte Meinung, daß diese Vorschläge verfassungswidrig seien, findet im Grundgesetz keine Stütze. Sowohl Art. 140 des Grundgesetzes als auch Art. 136 der Weimarer Reichsverfassung begründen ganz deutlich die Auffassung der Bundesregierung. Es geht hier nämlich nicht um religiöse Überzeugungen, sondern ausschließlich um die rechtliche Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft. Die Begründung hat dieses Thema so eingehend behandelt, daß ich hier darauf verweisen kann.
    Ergänzend möchte ich anführen, daß sich die Bundesregierung hier in Übereinstimmung mit der Auffassung befindet, die der bedeutendste Kommentator der Weimarer Reichsverfassung, An-schütz, stets vertreten hat. Interessieren wird in diesem Zusammenhang auch, daß sich bereits die Weimarer Nationalversammlung in ihrer 178. Sitzung mit diesem Problem befaßt hat. Auf Grund der Beratungen des 23. Ausschusses der Nationalversammlung ist dem damaligen Personenstandsgesetz eine Vorschrift angefügt worden, nach der die Standesbeamten verpflichtet wurden, statistische Erhebungen auch über die rechtliche Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft vorzunehmen. Mir ist nicht bekannt, daß irgend jemand der Nationalversammlung daraus einen Vorwurf gemacht hätte. Bei dieser klaren Rechtslage ist auch nicht einzusehen, warum ,der Standesbeamte die Eintragung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft unterlassen soll, da nach der Volkszählung aus dem Jahre 1950 97 % der Bevölkerung den beiden großen christlichen Kirchen angehören.
    Der Gesetzentwurf enthält Bestimmungen, die im Interesse der Vertriebenen und der Rechtsvereinheitlichung eilbedürftig sind. Die Bundesregierung bittet daher das Hohe Haus, die Vorlage möglichst so zeitig zu verabschieden, daß die Novelle zum 1. Juli 1955 in Kraft treten kann. Da 15 000 Standesbeamte mit neuen Vordrucken versehen werden müssen und noch eine Ausführungsverordnung sowie eine Dienstanweisung ausgearbeitet werden müssen, wäre es sehr erwünscht, wenn es sich ermöglichen ließe, die Novelle noch vor dem Jahresende zu verkünden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)