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ID0205200800

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    2. Deutscher Bundestag — 52. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Oktober 1954 2567 52. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Oktober 1954. Geschäftliche Mitteilungen 2567 D Nächste Fragestunde 2568 A Gedenken an die noch nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen 2568 A, 2587 D Präsident D. Dr. Ehlers . 2568 A, 2587 D Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener (Drucksache 795) . 2568 A Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 2568 B Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf der restlichen Teilfläche des ehemaligen Heereszeugamtes in Ulm an die Firma Telefunken, Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH. in Berlin SW 61 (Drucksache 813) . 2568 B Überweisung an den Haushaltsausschuß 2568 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Grenzlandfragen über den Antrag der Fraktion des GB/BHE betr. Sanierungsmaßnahmen für Kreise im Spessart-Gebiet (Drucksachen 751, 572) 2568 B Dr. Dittrich (CDU/CSU), Berichterstatter 2568 B Dr. Keller (GB/BHE) 2568 D Frau Dr. Probst (CDU/CSU) . . . 2570 B Bauer (Würzburg) (SPD) 2571 D Beschlußfassung 2573 A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes (Drucksache 848) 2573 B, 2588 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 2573 B, 2578 D, 2591 A Kühn (Köln) (SPD) 2575 A, 2582 A, 2590 A, B Cillien (CDU/CSU) . . . . 2579 A, 2584 A Dr. Bucher (FDP) 2580 C, 2581 C Gontrum (CDU/CSU) 2581 C, 2589 C, 2590 B Kahn-Ackermann (SPD) 2583 B Metzger (SPD) 2584 C, 2587 D Dr. Kliesing (CDU/CSU) 2587 D Präsident D. Dr. Ehlers 2588 B Dr. Strosche (GB/BHE) 2588 B Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und an den Rechtsausschuß 2591 C Erste Beratung des von den Abg. Hoogen, Dr. Kihn (Würzburg), Naegel u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache 860) 2591 C Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 2591 C Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Dr. Horlacher, Bauknecht, Struve, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Drucksache 677); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 892) . . . . 2591 C Unertl (CDU/CSU), Berichterstatter 2591 D Abstimmungen 2592 A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 190) 2592 C Beschlußfassung 2592 C Nächste Sitzung 2592 C Anlage: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 190) 2592 Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    *) Siehe Anlage. Anlage Umdruck 190 Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen: 1. Antrag der Fraktion der FDP betreffend Autobahn-Hinweisschilder (Drucksache 827) an den Ausschuß für Verkehrswesen; 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Zusammenführung des Kulturgutes der ehemals Staat- lichen Museen Berlins (Drucksache 839) an den Ausschuß für Kulturpolitik; 3. Antrag der Abgeordneten Günther, Moll und Genossen betreffend Ausbau der Autobahn Köln—Aachen (Drucksache 869) an den Haushaltsausschuß (federführend) und an den Ausschuß für Verkehrswesen. Bonn, den 8. September 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Maria Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich möchte die Dinge ganz konkret ansprechen. Es geht doch zunächst um die Frage: Inwieweit erfüllt der Spessart die Voraussetzungen, deren Erfüllung heute für die Anerkennung als Sanierungsgebiet gefordert wird? Dabei darf ich vorausschicken, daß die Bemühungen um die Anerkennung des Spessarts als Sanierungsgebiet schon in die allerersten Tage des 1. Deutschen Bundestages zurückreichen. An den Verhandlungen, die geführt worden sind und weiter geführt werden, sind sowohl die zuständigen Abgeordneten wie die Landräte, die Regierung, das Wirtschaftsministerium des Bundes und das des Landes beteiligt. Wir haben ein dankenswertes Ergebnis erzielt, das in der Denkschrift der Regierung von Unterfranken vom April 1954 mit ganz konkretem Material seinen Niederschlag gefunden hat. Daraus ergibt sich zunächst, daß das Gebiet des Spessarts mit den drei Landkreisen Lohr, Alzenau und Marktheidenfeld sowie den beiden 'Gemeinden Heigenbrücken und Weibersbrunn des Landkreises Aschaffenburg genau die gleichen strukturellen Merkmale aufweist wie die Rhön, die bereits als Sanierungsgebiet des Bundes offiziell anerkannt ist.
    Die vom interministeriellen Ausschuß der Bundesregierung für die Notstandsgebiete zusammen mit den Ländern erarbeiteten Sanierungsmerkmale — ich darf es noch einmal kurz zusammenfassen — sind folgende. Voraussetzung ist erstens, daß es sich um ein zusammenhängendes Gebiet mit mindestens 100 000 Einwohnern handelt, zweitens, daß eine Arbeitslosigkeit von mindestens 19 % der vom Arbeitsamt registrierten Arbeitnehmer an fünf festgesetzten Stichtagen besteht, drittens, daß mehr als 80 landwirtschaftliche Berufszugehörige auf 100 000 DM landwirtschaftlichen Vergleichswert treffen oder viertens, daß eine Arbeitslosigkeit von mindestens 17 % besteht und gleichzeitig mehr als 60 landwirtschaftliche. Berufszugehörige auf 100 000 DM landwirtschaftlichen Vergleichswert festgestellt sind.
    Wenn wir nun diese Richtlinien auf den Spessart anwenden, ergibt sich folgendes. Das angesprochene Gebiet des Spessarts umfaßt zusammen mit dem als Sanierungsgebiet anerkannten Teil der Rhön eine Fläche von insgesamt 2940 qkm mit einer Bevölkerung von 269 264 Einwohnern. Die erste Voraussetzung für die Anerkennung als Sanierungsgebiet ist also voll erfüllt und sogar überschritten.
    Die weitere Voraussetzung, daß nämlich mehr als 80 landwirtschaftliche Berufszugehörige auf 100 000 DM landwirtschaftlichen Vergleichswert treffen müssen, ist für den Landkreis Lohr mit der Zahl 171, den Landkreis Alzenau mit der Zahl 105, den Landkreis Marktheidenfeld mit der Zahl 130 sowie für die Gemeinde Heigenbrücken mit 197,5 und Weibersbrunn sogar mit 351,5 voll erfüllt. Ich betone das ganz besonders, weil das bayerische Wirtschaftsministerium diese Zahlen in den Verhandlungen im Bayerischen Landtag nicht angegeben hat.
    Von besonderer Art und Schwere ist das Problem der Arbeitslosigkeit. Im Durchschnitt liegen 67,25 % aller landwirtschaftlichen Betriebe im Rhön-Spessart-Gebiet unter 5 ha, in Lohr und Marktheidenfeld sind es sogar 90 %, in Alzenau 87 %, in den genannten zwei Gemeinden 99 % aller Betriebe, noch dazu auf kargen Böden mit oft steilen Hanglagen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß mit Flurbereinigung das Problem im Spessart bei diesen Hanglagen nicht ohne weiteres zu lösen ist. Der Brutto-Jahresdurchschnittsertrag schwankt zwischen 400 und 800 DM pro Hektar. Die Ackernahrung reicht höchstens für ein halbes Jahr aus. Für die übrige Jahreszeit fehlt mindestens für die Hälfte der Kleinbetriebe eine ausreichende Einnahmemöglichkeit.
    Wir müssen uns 'darüber klar sein, daß in den genannten Gebieten bei der Vielzahl landwirtschaftlicher Kleinstbetriebe sich ein außerordentlich hoher Prozentsatz arbeitsuchender und arbeitsloser Menschen befindet, die nicht in der Arbeitsamtsstatistik erfaßt sind. Dieses besondere Problem bildet eines der wesentlichen Merkmale der Sanierungsbedürftigkeit des Spessart-Gebiets. Dieser Zustand hat sich in der Vergangenheit dahin ausgewirkt, daß die männliche Bevölkerung, Familienväter und Söhne ganzer Gemeinden auf der Arbeitssuche bis nach Rumänien, bis hinunter nach Jugoslawien gewandert sind, daß sie als Schachtmeister, Holzarbeiter oder Bauhandwerker im Ruhr- und Rheingebiet tätig waren und heute noch tätig sind, daß sie von ihren Familien getrennt zu leben gezwungen sind. Diese Gebiete sind seit Jahrhunderten Auswanderungsgebiete. Als ich im Frühjahr 1949 in Amerika war, habe ich immer wieder Rhöner und Spessarter Bauern getroffen.


    (Frau Dr. Probst)

    Wenn man weiß, wie der Rhöner und der Spessarter an seiner Heimat hängt, dann ahnt man etwas von der Tragik eines solchen Lebens, das fern der Heimat und getrennt von der Familie geführt werden muß, und man begreift die Verbitterung mancher älterer Menschen, die solch eine Trennung ein Leben lang haben tragen müssen.
    Dieser Zustand ist noch viel brennender geworden durch den Zuzug von 18,24 % Heimatvertriebenen. Das Problem bedarf der vollen Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit und des Deutschen Bundestages.
    Wenn die genannten Landkreise des Spessarts die in den Sanierungsrichtlinien geforderte registrierte Arbeitslosigkeit von 17 bzw. 19 % nicht voll erreichen, so ist der Grund nicht der, daß Arbeit genug vorhanden wäre. Die Dinge liegen nicht so einfach. Das Fehlen registrierter Arbeitsloser — und das ist eine generelle Erkenntnis —bedeutet keineswegs in jedem Fall ein Zeichen wirtschaftlicher Gesundheit. Das Gegenteil kann der Fall sein. Der Grund für diese Erscheinung in Rhön und Spessart ist allein zu suchen in der wirtschaftlichen Blutarmut — in einer Art Untertemperatur, wenn ich so sagen darf —, nämlich in dem geringen Volumen gewerblicher Arbeitsplätze. Der Mangel an gewerblichen und industriellen Arbeitsplätzen, die vom Arbeitsamt registriert werden, verhindert ein Offenbarwerden der tatsächlich vorhandenen Arbeitslosigkeit in den kleinsten landwirtschaftlichen Betrieben. Es ist eben ein Ausweichen der dort Arbeit Suchenden auf einen registrierten Arbeitsplatz nicht möglich.
    Da lassen Sie mich auf etwas hinweisen, was bisher noch nirgendwo angesprochen worden ist: das ist das Problem der Heimarbeit im Spessart. Wir 1 haben 5- bis 6000 Heimarbeiter im Spessart. Aber die in der Heimarbeit Beschäftigten fallen nicht unter die Arbeitslosenversicherungspflicht, soweit sie Hausgewerbetreibende sind. Die Heimarbeiter erscheinen, wenn sie arbeitslos werden, nicht in der Arbeitsamtsstatistik. Es gehört aber gerade zu den großen Sorgen des Spessarts, daß die Heimarbeit infolge der wachsenden Technisierung der Industriebetriebe zurückgeht.
    Trotz der geschilderten Umstände ist immer noch eine registrierte Arbeitslosigkeit von 13,4 % im Landkreis Lohr, von 8,4 % im Landkreis Alzenau und von 15,2 % im Landkreis Marktheidenfeld nachgewiesen. Die Prozentsätze müssen angesichts der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von etwa 4 % im Bundesgebiet als hoch bezeichnet werden.
    Die außergewöhnlich große Sanierungsbedürftigkeit des Gebietes ergibt sich auch aus folgenden Überlegungen. Bei der Debatte um das Agrarprogramm des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers Lübke wie auch anläßlich der Debatte um die Paritätsfrage war sich das Hohe Haus darüber klar, daß Gebiete einer solchen überwiegend kleinstlandwirtschaftlichen Struktur unbedingt einer wirtschaftlichen Ergänzung durch Ansetzung von Gewerbe- und Industriebetrieben bedürfen, um das strukturelle Mißverhältnis zwischen Erwerbsmöglichkeit und Bevölkerungszahl zu bessern. Diese Forderung deckt sich mit dem Ergebnis des Raumforschungsinstituts in Bonn, d. h. Entballung der Industriezentren, Dezentralisierung des Industrieansatzes, Förderung der wirtschaftlich und industriell zurückgebliebenen, aber förderungswürdigen Gebiete.
    Gerade dieses Ziel, das aus eigener Kraft nicht erreicht werden kann, entspricht genau dem Sinn und der Zweckbestimmung der Sanierungsaktion. In den Richtlinien zum Sanierungsprogramm heißt es wörtlich:
    Es kommt vor allem darauf an, in den von der Not besonders betroffenen Gebieten der Bundesrepublik das strukturelle Mißverhältnis zwischen den Erwerbsmöglichkeiten und der Bevölkerungszahl zu bessern.
    Es kommt ferner darauf an,
    wirtschaftlich gesunde, Betriebe in die Notstandsgebiete zu bringen bzw. zu erweitern oder durch Erschließungsarbeiten, d. h. Bau von Straßen, Wasserleitungen, Kanalisationen etc. die Voraussetzungen für die Ansetzung neuer Betriebe zu schaffen. Weiterhin ist es die ausgesprochene Aufgabe der Sanierungsaktion, die Ertragsfähigkeit der Landwirtschaft zu steigern, weil damit primär oder sekundär die Schaffung neuer Existenzmöglichkeiten gewährleistet wird.
    Diese durchschlagenden Argumente haben bei den Verhandlungen eine wesentliche Rolle gespielt, und ich darf sagen: wir haben bereits einen Erfolg erzielt. In einem Falle sind Sanierungsmittel in das Spessartgebiet geflossen. Dieser Fall muß als Präzedenzfall gewertet werden. Wir werden weiterhin mit aller Intensität, und zwar mit wirksamen Mitteln, die den Erfolg nicht gefährden, tätig sein, um eine ausreichende Berücksichtigung des Spessarts im Sanierungsprogramm des Bundes zu gewährleisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hannsheinz Bauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag steht nun schon das viertemal auf der Tagesordnung. Ich möchte nicht hoffen, daß dies etwa symbolisch sein könnte für die Rangordnung, in der die Betreuung des Spessartgebietes durch die staatlichen Stellen tatsächlich steht. Aber es ist zweifellos ein Verdienst des Herrn Kollegen Dr. Keller, daß er Gelegenheit gegeben hat, in diesem Hohen Hause einmal die Verhältnisse in einer Ecke anzuleuchten, die von einer erschütternden Armut gekennzeichnet ist, vergleichbar mit den Verhältnissen in der Hocheifel, im Bayerischen Wald, im Hunsrück oder etwa im Hümmling, im Emsland. Wir sind der Meinung, daß vielleicht jetzt noch Gelegenheit gegeben sein könnte, ein organisch zusammenhängendes Gebiet, die Ecke Rhön-Spessart, zu einem großen gemeinsamen Sanierungsgebiet zusammenzufügen.

    (Sehr wahr! links.)

    Wie ist der Sachverhalt? Die Rhön ist zum überwiegenden Teil in das Sanierungsgebiet einbezogen, und .die Bevölkerung des Spessarts fühlt sich
    nach meiner Ansicht mit vollem Recht — zurückgesetzt. Sie hat kein Verständnis für schematische Gesichtspunkte bei der Hereinnahme in Sanierungsgebiete. Sie versteht die Gesichtspunkte nicht, unter denen der Spessart ausgeschlossen wird.

    (Abg. Dr. Dittrich: Ändern Sie doch die Richtlinien!)



    (Bauer [Würzburg])

    — Die kenne ich, Herr Kollege Dittrich.

    (Abg. Dr. Dittrich: Ändern Sie die!)

    Die habe ich ausführlich gelesen. Aber meine beiden Vorredner haben darauf hingewiesen, daß die Statistik in diesem Falle wirklich einmal lügt und daß diese Richtlinien zu starr sind, als daß sie hier eine Wendung bewirken könnten.
    Die Rhön liegt unmittelbar neben dem Spessart. Denken Sie nur an den Sinn-Grund, den Übergang von dem einen in das andere Gebiet. Die Rhön liegt nur — und das berechtigt ihre besondere Förderung — mehr in der Nähe der Zonengrenze. Sonst sind die strukturellen Gegebenheiten in Rhön und Spessart fast identisch, in wirtschaftlicher, in landwirtschaftlicher und vor allen Dingen auch in verkehrstechnischer Beziehung. Man kann nur stichwortartig hinweisen auf die Probleme: Mangelnde Bonität der Böden verhindert oder erschwert intensivere landwirtschaftliche Bewirtschaftungsmethoden, Bewirtschaftung kleinster Flächen, nur zu oft unter 2 ha, meist zwischen 2 und 5 ha; Besitztümer über 5 ha wird man im Spessart überhaupt kaum treffen. Mit Recht ist gefragt worden: Wovon soll eine Familie mit mehreren Köpfen leben, wenn der Jahresertrag nur etwa 400 bis 700 DM ausmacht? Wenn man in die Kleinarbeit hineinsteigt, erlebt man immer wieder mit einer Art Bestürzung, daß nach dem Bedürftigkeitsprinzip Renten unter dem Gesichtspunkt gestrichen oder abgelehnt werden, daß etwas landwirtschaftlicher Besitz vorhanden sei; ein Besitz, der allerdings zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel ist.
    Nun sollte man meinen, der Holzreichtum im Spessart könne dort zu einer gewissen Belebung führen. In Wahrheit sind aber zunächst einmal zwei Drittel der Flächen Staatsforsten. Die wenigsten Gemeinden im Spessart haben größeren Waldbesitz. Vor allen Dingen fehlt jede Holzindustrie im Sinne be- und verarbeitender Betriebe. Es ist tatsächlich an dem, daß das Holz aus dem Spessart herausgefahren und an anderen Stellen be- und verarbeitet wird.
    Noch nicht erwähnt worden ist die Tendenz zu Ein-Mann-Betrieben im Spessart, die einerseits Rationalisierung und Konkurrenzfähigkeit erschweren und die andererseits verhindern, daß ein entsprechender Nachwuchs für die Wirtschaft und für das Handwerk herangezogen wird.
    Am wesentlichsten erscheint mir aber die mangelhafte verkehrsmäßige Erschließung. Die wenigen Betriebe sind überwiegend an die Bahnlinie Würzburg—Frankfurt gebunden. Die Industrieorte Obernburg, Aschaffenburg usw. strahlen nicht genügend aus, und die Plätze im Raum Gemünden-
    Miltenberg sind nicht genügend entwickelt. Der Frankfurter Wirtschaftsraum liegt zu weit weg, und selbst da, wo eine Verflechtung vorhanden ist, sind die Fahrtkosten etwa aus dem Raum Alzenau derart hoch, daß sie auch für die Bevölkerung eine außerordentliche Last bedeuten. Die früheren Wirtschaftsverbindungen, die, wie in der Rhön, auch im Spessart bestanden haben, sind heute weggefallen.
    Ebenfalls noch nicht erwähnt wurden die außerordentliche Wohnraumnot und die Belegung mit Flüchtlingen. Für 85 000 Haushaltungen stehen in diesem überwiegend landwirtschaftlich orientierten Gebiet nur 52 000 Wohnungen zur Verfügung.
    Außerdem soll auch noch einmal gesagt werden, daß der Spessart in letzter Zeit anscheinend als Dauertruppenübungsplatz der US-Einheiten ausersehen ist. Wenn man bedenkt, daß Schadenersatz nur an Private, an juristische Personen und an Gemeinden geleistet wird, nicht aber an die Kreise, dann kann man auch ermessen, wie sich solche Schäden bei ausgedehnten Manövern für die Finanzen der Kreise auswirken.
    Besonderen Nachdruck möchte ich auf eine Hilfsmöglichkeit legen. Als solche scheint mir der Fremdenverkehr einen außerordentlich guten Ansatzpunkt zu bieten. Ja, ich glaube, man könnte den Spessart zur Lunge Westdeutschlands machen. Meine Damen und Herren, verübeln Sie es mir nicht, wenn ich hier für diese Ecke ein bißchen Propaganda im Hinblick auf den Fremdenverkehr zu machen bemüht bin: eine ideale Lage, der Übergang sozusagen vom Norden nach dem Süden, die Main-Linie. Der Spessart könnte ein Erholungsund Feriengebiet ersten Ranges werden. Man sollte meinen, daß die größeren Verbände, daß Organisationen und Betriebe dort Erholungsheime errichten könnten, wie z. B. die IG Metall in den letzten Jahren in Lohr schon ein großes Schulungsheim aufgebaut hat. Der Spessart könnte tatsächlich als Fremdenverkehrsgebiet eine grüne Oase in Westdeutschland bedeuten. Darin liegt eine große Chance, allerdings nur dann, wenn eine zentrale und zügige Förderung bewirkt wird.
    Die Erweiterung und die Modernisierung der Gaststättenbetriebe im Spessart kann aus eigener Kraft leider nicht auf die Beine gebracht werden. Dazu ist die Kraft sowohl des Regierungsbezirks als auch des Landes Bayern nicht genügend, und die Gemeinden selbst haben bei ihrer bedeutenden Zahl an Fürsorgeunterstützungsempfängern leider auch nicht genügend Möglichkeiten.

    (Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Es müßte eine weitergehende verkehrsmäßige Erschließung über die Bundesstraßen B 8 und 26 hinaus Platz greifen. Eine große Hoffnung ist die Autobahn Frankfurt—Nürnberg gewesen, von der in diesem Hause ja auch verschiedentlich gesprochen worden ist. Leider Gottes hat es hier eine große Enttäuschung gegeben. Denn vor drei Tagen ist mir ein Brief aus dem Bundesverkehrsministerium auf den Tisch geflattert, in dem der Baubeginn für das Jahr 1954/55 in Aussicht gestellt ist, und zwar zunächst nur etwa bis an den Rand des Spessarts. Der Aufstieg zum Spessart selbst kann eventuell erst im Jahre 1956 in Angriff genommen werden. Das bedeutet für die dortige Bevölkerung wirklich eine große Enttäuschung, nachdem man sich allein schon von den Bauarbeiten in diesem Gebiet eine große wirtschaftliche Belebung versprochen hatte.
    Ich möchte hier eine Anregung an die Herren der Ministerien geben, die allerdings, soviel ich sehe, heute kaum vertreten sind — aber vielleicht liest man es doch, die Hoffnung habe ich —, nämlich daß man, wenn schon eine Autobahn gebaut wird, ein System von landschaftlich schönen Rasthäusern errichtet, vergleichbar etwa dem Rasthaus Irschenberg an der Autobahn München—Rosenheim; denn das würde viele Menschen, die dort durchfahren, zum Halten veranlassen und würde in etwa diesem Gebiet auch zusätzliche wirtschaftliche Belebung bedeuten.


    (Bauer [Würzburg])

    Jedenfalls wünscht die Bevölkerung eines: nicht eine schematische Klassifizierung, sondern eine individuelle Betrachtung nach der tatsächlichen Lage. Der Ausschußbeschluß — Überweisung als Material — ist nach meiner Meinung mehr eine formelle Entscheidung. In der Sache selbst ist festzuhalten, daß Rhön und Spessart ein gleichgeartetes Gebiet sind und daß infolgedessen einheitliche Hilfsmaßnahmen für beide Ecken getroffen werden müssen.
    Meine Damen und Herren, wenn ich lese „als Material zu überweisen", so habe ich genügend parlamentarische Praxis, um zu wissen, was „Material" bedeutet: meistens eine Beerdigung erster Klasse. Hier können wir nur einen Appell — ich glaube, darin sind sich die Abgeordneten, die die Verhältnisse genau kennen, einig, gleichgültig welcher Fraktion sie angehören — an die Bundesregierung, an Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium richten, daß besondere Anstrengungen gemacht werden, damit dieses Gebiet nicht noch weiter absinkt. Die Verhältnisse dort sind des Schweißes der Edlen wert. Aber es müssen sofortige und zügige Maßnahmen erfolgen, wenn eine Wende zum Besseren bewirkt werden soll.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)