Ich möchte dann gleich zu dem Antrag Umdruck 193**), dem Antrag der SPD, Stellung nehmen und auf folgendes hinweisen. Der Ausschuß für Arbeit hat die Frage in drei Sitzungen diskutiert. Er hat sich die Prüfung nicht leicht gemacht. Er hat eine Reihe von Sachverständigen gehört. Er hat dann beschlossen, Ihnen den hier vorgelegten Vorschlag zu machen.
Nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ist für die Zahlung der Arbeitslosenunterstützung der Wohnort des Arbeitslosen maßgebend. Das gilt auch in Berlin. Man hat in den vergangenen Jahren bei einigen schwierigen Fällen Ausnahmen gemacht, Ausnahmen, für die an sich eine gesetzliche Grundlage nicht gegeben war. Im Ausschuß bestand aber Einmütigkeit darüber, daß man zu einer gesetzlichen Sanktionierung des bisher Geschehenen kommen sollte. Streit bestand nur darüber, ob man von dem Grundsatz des AVAVG — Unterstützungsleistung am Wohnort — abgehen oder ob man der Arbeitsverwaltung nur in besonderen Fällen die Möglichkeit geben sollte, von diesem allgemeinen Grundsatz abzuweichen. Der Wohnort ist als für die Ge*) Siehe Anlage 1. **) Siehe Anlage 2.
währung der Arbeitslosenunterstützung maßgebend mit guten Gründen festgelegt worden. Das ist seit der Schaffung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung praktiziert worden. Ich darf daran erinnern, daß der Bezug der Unterstützung die Erfüllung einer Meldepflicht voraussetzt, daß die Möglichkeit der Überprüfung der Angaben des Unterstützungsberechtigten gegeben sein muß, daß gewisse Einsatzmöglichkeiten usw. sichergestellt sein müssen, daß die Möglichkeit der Überprüfung des Arbeitswillens des Betreffenden bestehen muß. Es sind also eine Reihe von guten Gründen vorhanden, die für diese Regelung maßgebend waren.
Nun will der Antrag der SPD den Ausschußbeschluß wieder illusorisch machen, indem praktisch wieder das, was in dem ursprünglichen SPD-Antrag gesagt wurde, verlangt wird. Ich darf darauf hinweisen, daß der Ausschuß seine Beschlüsse lediglich gegen einige Stimmen der SPD gefaßt hat und daß er im übrigen mit Mehrheit der Auffassung zugestimmt hat, daß man es hier bei einer Kann-Bestimmung belassen sollte. Ich darf daran erinnern, daß zu dieser Frage sowohl das Bundesarbeitsministerium als auch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und das Landesarbeitsamt Berlin gehört worden sind und daß man seitens dieser Stellen aus einer Reihe von Gründen gesagt hat: An sich ist eine Regelung notwendig, aber wir sollten bei einer Kann-Bestimmung bleiben, um dadurch die Möglichkeit zu haben, Mißbräuche zu vermeiden.
Auswirkungen wird die Regelung insbesondere für in der Bauwirtschaft tätige Personen haben. Auch die Partner in der Bauwirtschaft, die Industriegewerkschaft Bau und die Bauarbeitgeber hatten in einem Schreiben an die Bundesanstalt und an das Bundesarbeitsministerium angeregt, diese Kann-Bestimmung zu schaffen. Ich gebe allerdings zu, daß der Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes bei seiner Anhörung wohl auf die Schwierigkeiten hingewiesen hat, die bei einer Schaffung des Rechtsanspruchs bestehen würden. Im allgemeinen stimmte er aber der von der SPD angeregten Regelung zu.
Nun sagt Frau Heise, Beiträge müssen unbedingt einen Leistungsanspruch ergeben. Bitte, übersehen Sie nicht, im umgekehrten Fall erwächst ein Leistungsanspruch ohne Beitragszahlung. Die 26 000 Arbeitnehmer aus Westberlin also, die in Ostberlin arbeiten, aber in Westberlin wohnen, haben in Westberlin einen echten Unterstützungsanspruch. Das darf nicht übersehen werden.
Es geht auch nicht darum — wie es Frau Heise hier dargestellt hat —, ein Ausnahmerecht zu beseitigen. Nein, Sie wollen ein Ausnahmerecht schaffen. Wir wollen die Dinge doch einmal klarstellen. Das bisherige Recht ist so, wie wir es hier vorgetragen haben. Wir wollen darüber hinaus die Kann-Bestimmung schaffen. Wir wollen — das ist unser Anliegen — natürlich haben, daß von dieser Ausnahme, von dieser Kann-Bestimmung mehr Gebrauch gemacht wird, als es bisher bei den Ausnahmen ohne gesetzliche Grundlage der Fall war. Es ist verständlich, daß das Landesarbeitsamt in Berlin hier vorsichtig sein mußte, weil eben, wie gesagt, die rechte gesetzliche Grundlage fehlte. Wir haben uns aber dahingehend abgesprochen, daß wir in einem wesentlich größeren Umfang wünschen,
daß, obwohl an sich die Voraussetzungen des AVAVG nicht erfüllt sind, Unterstützung geleistet wird. Wir wollen jedoch — und das möchte ich noch einmal klarstellen — der Arbeitsverwaltung die Möglichkeit geben, jeden Einzelfall zu überprüfen, um festzustellen, ob nicht Mißbrauch mit der Inanspruchnahme der Arbeitslosenunterstützung getrieben wird.
In der Vorlage ist gesagt, daß das Nähere vorn Verwaltungsrat festgelegt werden soll, der mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit das Verfahren festlegen und die entsprechenden Anweisungen an die unteren Dienststellen der Arbeitsverwaltung geben wird.
Ich möchte also noch einmal darum bitten — unsere Vorlage entspricht auch der Stellungnahme vieler Sachverständiger, die dazu gehört worden sind —, die Dinge nicht völlig umzukehren und nicht von dem bisher bewährten Grundsatz in der Arbeitslosenversicherung völlig abzuweichen, sondern sich darauf zu beschränken, hier eine Ausnahmemöglichkeit zu schaffen. Ich bin gewiß, daß von dieser Ausnahmemöglichkeit ein vernünftiger Gebrauch gemacht wird und daß dadurch viele Mißstände, die mit Recht hier vorgetragen und mit Recht beanstandet worden sind, beseitigt werden.