Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst. Ich nehme an, daß Sie Ihren Antrag selbst begründen wollen? — Ich erteile Ihnen das Wort.
Frau Dr. Probst , Antragstellerin: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich habe die Ehre, für die überwiegende Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion den vorliegenden Antrag auf Erhöhung und Verbesserung der Grund- und Ausgleichsrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz für die deutschen Kriegsopfer, Kriegshinterbliebenen und Kriegereltern zu begründen.
Ich gehe dabei aus von dem Bekenntnis des ganzen Hauses zur Grundstruktur des Bundesversorgungsgesetzes, d. h. zur Teilung der Rente in Grund- und Ausgleichsrente. Mit unserem Antrag bekennen wir uns gerade zu dieser Grundstruktur, indem wir auch die Ausgleichsrenten angemessen, d. h. im Verhältnis zur Erhöhung der Grundrente, erhöhen.
Die deutschen Kriegsopfer haben in den schweren Jahren, die wir hinter uns haben, in vorbildlicher Haltung ihren Willen bewiesen, für ihr Volk mit Einsatz der noch verbliebenen und der neu gewonnenen Kräfte im deutschen Wiederaufbau ihren Anteil zu leisten. Ich möchte heute hier den Kriegsopfern danken dürfen für diesen Anteil am deutschen Wiederaufbau, an der Schaffung des deutschen Sozialprodukts.
Wir sind uns, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen aller Fraktionen, darüber einig, daß wir in der Dankesverpflichtung stehen gegenüber den deutschen Kriegsopfern für die Opfer, die sie gebracht haben an Lebenskraft, an Lebensfreude, durch Verlust des nächsten Angehörigen, des Gatten, des Vaters, des Sohnes, daß wir ihnen gleichzeitig aber auch danken für dieser Haltung, von der ich soeben gesprochen habe. Die Voraussetzung zur Entfaltung dieses Leistungswillens bildet neben Heilbehandlung und sozialer Fürsorge, d. h. Berufsfürsorge im weitesten Sinne, die Grundrente. Wir alle haben uns auch heute wieder zu der Bedeutung der Grundrente und ihrer Unantastbarkeit bekannt, die, wie gesagt, die Voraussetzung schafft zur Entfaltung des Leistungswillens, der nun einmal zur Persönlichkeit gehört und das Selbstbewußtsein der eigenen Leistung vermittelt und der die Kriegsopfer darin Befriedigung finden läßt, wieder als Persönlichkeit in der Harmonie der Kräfte für die Allgemeinheit wirken zu dürfen. Eine wesentliche Voraussetzung dazu, sagte ich, bildet die Grundrente. Wir haben diesen Standpunkt immer vertreten. Die Grundrente ist ein Äquivalent für anatomischen Schaden. Was soll damit gesagt sein?
Herr Kollege Mende hat einmal den Vorschlag gemacht, dem Hohen Hause einen Film vorzuführen, der dem Leben entnommen ist und der dokumentarischen Charakter hat, den Film nämlich: „Die unbekannte Tapferkeit". Ich muß diesen Vorschlag aufgreifen
und sagen: Jawohl, wir sollen uns diesen Film ansehen, weil wir unter dem Druck unserer Arbeit nicht die Möglichkeit haben, die Kameraden an ihrem Arbeitsplatz zu besuchen. Wir sehen, was es auf sich hat mit den Mehraufwendungen, die der Kriegsbeschädigte im Arbeitsprozeß, bei seiner Leistung aufzubringen hat. Schon der Arbeitsweg, der für den Gesunden eine Erholung bedeutet, stellt für den Kriegsbeschädigten eine Anstrengung ersten Ranges, ja oft eine Gefährdung im Verkehr dar. Für ihn ist im Beruf, schon im Arbeitsrhythmus, durch seine Verwundung eine ganz andere Konzentration notwendig. Dazu kommt die Behinderung des Blutkreislaufs infolge der Amputation.
Darüber hinaus wollen wir aber doch eines nicht vergessen: die Amputation ist nicht nur ein äußerer Schaden, die Auswirkung geht tief hinein in die seelischen Bezirke. Mit der Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes wollten wir, daß die seelischen Auswirkungen des Schmerzes Berücksichtigung finden bei der Festsetzung des Erwerbsminderungsgrades. Auch bei der Bemessung der Grundrente müssen diese Bezirke der menschlichen Persönlichkeit beachtet werden. Es ist so, daß im demokratischen Staat die Persönlichkeit im Mittelpunkt steht in ihrer leibseelischen Ganzheit. Ich möchte dies ansprechen, wenn ich sage, die Grundrente hat auch diese seelische Komponente. Sie hat eine Bedeutung ersten Ranges, und ich bekenne mich zu dieser Bedeutung der Grundrente, indem ich heute für den größten Teil meiner Fraktion er-
kläre, daß wir uns für die Fortentwicklung der Grundrente unter Beibehaltung ihrer Unantastbarkeit einsetzen. Wir haben die Grundrente der Beschädigten, der Hinterbliebenen, zugleich aber auch die Elternrenten um etwa 30 % in unserem Vorschlage angehoben. Wir haben gleichzeitig die Ausgleichsrente so angepaßt, daß das Gesamtniveau des Bundesversorgungsgesetzes um 30 % gehoben ist.
Wir bekennen uns zur Ausgleichsrente im rechten Verhältnis zur Grundrente, weil wir individuell anpassen wollen. Ich muß sagen, daß wir eine lebensnahe Anpassung des Rechtes brauchen bei dem millionenfach verschiedenen Schicksal, Anpassung auch an den -Familienstand, an die Kinderzahl. Gerade für den Beschädigten ist die Familie von entscheidender Bedeutung. Deswegen sagen wir, die Ausgleichsrente darf nicht in der Entwicklung zurückgelassen werden. Es geht nicht an, daß wir den Weg zur Einheitsrente gehen, indem wir nur die Grundrente fortentwickeln. Diese Entwicklung hat das Hohe Haus schon einmal, ja sogar des öfteren ganz klar abgelehnt; weil wir individuell anpassen müssen, soll eine echte Versorgung gewährleistet sein. Zur Ausgleichsrente gehören die Sozialzuschläge, gehören all jene Leistungen der §§ 25 bis 27, gehören die besonderen Berücksichtigungen des Aufwandes für die Kinder im Schulweg, Lehr- und Lernmittel. Alle diese Dinge sind mit der Ausgleichsrente verbunden. Wir halten sie deshalb für genau so bedeutungsvoll im Gefüge des Gesetzesganzen wie die Grundrente. Deshalb schlägt unser Antrag — über die Anträge der SPD und des BHE hinausgehend — eine 10%ige Erhöhung der Ausgleichsrente vor, wobei wir die Renten der Witwen in einem Verhältnis fortentwickeln, das auch dem alten Reichsversorgungsgesetz entspricht, nämlich in einem Verhältnis von 60 % zur Rente des erwerbsunfähigen schwerstbeschädigten Kameraden. Der Gedanke geht nicht an, daß dem Rechtsanspruch der Witwe mit 50 °/o des Lebensniveaus des Erwerbsunfähigen entsprochen sei. Die Aufwendungen der Mutter, die für den vollen seelischen und materiellen Unterhalt der Familie allein zu sorgen hat, können nicht durch eine Halbierung der Rente des Schwerstbeschädigten erfaßt werden. Wir bekennen uns daher zu einer Entwicklung der Witwenrente hin zu 60 % der Rente des Erwerbsunfähigen.
Ich bin nicht der Auffassung, daß wir an das Beamtenrecht angleichen können. Die Aufgaben der Versorgung sind anderer Natur. Wir würden Einengungen vornehmen, wenn wir nur auf das Beamtenrecht abstellen wollten. Ich bin auch überzeugt, Herr Kollege Petersen, daß mit 116 DM die Angleichung in keiner Weise vollzogen ist. Unsere Gesamtleistung liegt bei 125 DM für die Witwe und bei 50 DM insgesamt an Grund- und Ausgleichsrente für die Waisenkinder.
Wir wollen gerade den Familiengedanken — ich darf das besonders betonen — im Versorgungsgesetz für die deutschen Kriegsopfer verwirklicht sehen.
Ebenso bekennen wir uns zur Verbesserung der Elternrente, wobei insbesondere der Verlust der einzigen Söhne und aller Kinder berücksichtigt werden muß.
Das Problem der Einkommensfreigrenzen bedarf im Ausschuß einer gründlichen Überlegung.
Ich bekenne mich zur Haushaltsverantwortung des Abgeordneten. Ich sehe gerade in der Möglichkeit des Initiativrechtes eine besondere Verpflichtung zu dieser Verantwortlichkeit des Abgeordneten. Nur dann können Leistungen auch in die Zukunft hinein gesichert sein. Es geht uns darum, daß die Leistungen so sind, daß sie wirkliche soziale Sicherheit gewähren in dem Bewußtsein, daß die Währung gesund und der Haushalt geordnet ist.