Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht von der letzten Dreiviertelstunde, aber von manchen Teilen dieser sehr langen Sitzung muß ich sagen, daß ich mich oft gefragt habe: haben wir eigentlich eine außenpolitische Debatte oder haben wir nur einen Wettstreit der Parteien untereinander über das, was gesagt worden ist, gesagt sein soll und nicht gesagt sein soll?
Der Herr Kollege Arndt hat in seinen Ausführungen mit Recht gesagt: Hier wird ja immer nur aneinander vorbeigeredet. Dann haben wir den Fall erlebt, daß ein Kollege — ich glaube, es war der Herr Präsident Ehlers — an die SPD die Frage gerichtet hat, was sie nun für konkrete Vorschläge machen wolle; und da hat der Kollege Arndt zur Antwort gegeben: Ja, Sie haben ja auch keine konkreten Vorschläge gemacht, wo sind denn Ihre? Dann war es so, daß jeder zu seinen eigenen Außerungen von heute und von früher so in Form von Kommentaren noch Erläuterungen gegeben hat, damit wir nur wieder Stoff hatten, uns gegenseitig auch richtig zu erhitzen. Wozu das alles, meine Damen und Herren? Glauben Sie; daß ein Ausländer, der sich an Hand dieser Debatte ein Bild darüber machen will, wo die Deutschen außenpolitisch stehen, sich daran überhaupt hätte orientieren können? Ich glaube es kaum!
Nun hat aber die letzte halbe Stunde insofern eine gewisse Aufklärung gebracht — unter der Voraussetzung, daß ich richtig verstanden habe; ich werde es noch einmal nachlesen —, als der Herr Kollege Ollenhauer jetzt erklärt hat, er verlange für das wiedervereinigte Deutschland Bündnislosigkeit. Wenn ich recht verstanden habe, soll diese Bündnislosigkeit für das künftige wiedervereinigte Deutschland im Rahmen der jetzt schwebenden Bündnisverhandlungen ausgehandelt werden. Das
heißt, wir sollen jetzt nach dem Willen des Herrn Ollenhauer — immer vorausgesetzt, daß ich ihn richtig verstanden habe — in diese Verhandlungen hineingehen mit der Erklärung: Wir verhandeln weiter über die Bündnisfrage, wir machen aber zur Bedingung, daß das vereinigte Deutschland nicht in irgendein Bündnis, auch nicht mit euch, hineinkommt, aber wir verlangen trotzdem von euch, daß ihr uns helft, daß Deutschland wiedervereinigt wird. So ungefähr ist doch ,die Konsequenz.
Das alles ist, glaube ich, so wenig durchdacht, so widerspruchsvoll in sich, daß ich schon aus diesem Grunde fragen möchte, ob es nicht richtiger wäre, alle diese Dinge entsprechend einem alten Wunsch von mir einmal ausführlich im Außenpolitischen Ausschuß zu erörtern. Sie wissen, daß ich vor einem halben Jahr den Antrag eingebracht habe, der Außenpolitische Ausschuß möge eine eigene Initiative entwickeln. Der Geschäftsordnungsausschuß hat dem jetzt erfreulicherweise entsprochen. Wir sollten den Versuch machen, das, was jeder dem anderen an konkreten Vorschlägen zu bieten hat — oder auch verweigert —, zu erörtern. Wenn das aber nach dem Gesagten notwendig ist, gehört meiner Ansicht nach auch eine Erörterung des Antrags auf Drucksache 863 zunächst einmal in den Außenpolitischen Ausschuß. Wenn es da z. B. in Ziffer 1 heißt, daß Besprechungen mit den drei westlichen Besatzungsmächten geführt werden sollen, um „die Grundlagen einer gemeinsamen Politik zu klären, die in kommenden Vier-MächteVerhandlungen die Wiedervereinigung Deutschlands herbeiführen soll", dann werden die Drei Mächte uns doch sicher erst einmal sagen: Bitte, gebt uns konkrete Beispiele, konkrete Mittel, konkrete Vorschläge an die Hand, wie ihr euch die Wiedervereinigung und die Durchführung denkt.