Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Verehrter Herr Kollege Heiland, wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund I sich offenbar als ein Organ versteht, das zu diesem Beschluß des Jugendkongresses Stellung zu nehmen hat, hätte es für Sie um so leichter sein müssen, irgendein Wort zu sagen, das das große Mißverständnis ausräumt, daß ein sehr beachtlicher Teil der deutschen arbeitenden Jugend, die im Deutschen Gewerkschaftsbund organisiert ist, in dieser bedrohlichen Situation des deutschen Volkes sagt: Militärdienst kommt für uns überhaupt nicht in Frage. Gerade weil diese Gefahr besteht, habe ich davon gesprochen. Ich fürchtete, daß Ihre Erklärung und das Wort „Entstellung" die Situation nicht verändert und verbessert hat.
Ich bedauere, daß die Frage, die Herr Kollege Gerstenmaier gestellt hat, zu einer solch scharfen Auseinandersetzung geführt hat. Ich habe vorhin — Herr Kollege Schmid hat es ja zweifellos verstanden — seine Formulierung, daß man ein Deutschland ohne Bündnisverpflichtung nach der einen oder anderen Seite hin haben müsse, ja schon in die Frage gekleidet: ob das bedeute, daß man meine, man könne ohne eine Zusammenarbeit mit dem Westen — da der Osten ja für uns im Augenblick nicht in Frage kommt — die deutsche Frage lösen. Es ist das, Herr Kollege Schmid — darüber waren wir uns doch wahrscheinlich beide einig —neutrales Deutschland gibt, das neutralisiert ist, von wem, auf welche Weise, zu welchem Ziel? Das ist uns doch eine Frage, nachdem ich ja doch nun aus der Debatte der letzten Jahre einige Belege ganz klarer Äußerungen der Ablehnung einer Neutralisierung durch Sie kenne und keineswegs damit rechne, daß Sie davon abrücken.
die Frage: liegt dahinter die Vorstellung — und ich stelle, Herr Kollege Ollenhauer, bitte nehmen Sie es uns ab, die Frage noch einmal —, könnte dahinter die Vorstellung stehen, daß es ein nach Ost und West nicht gebundenes, also dazwischen stehendes
Aber es ist doch keine unsinnige Forderung, meine Damen und Herren, wenn wir in einer solchen Situation, wo es ja doch nicht um irgendein Techtelmechtel, sondern um Lebensfragen des deutschen Volkes geht,
die Frage hier einmal stellen: Was verstehen Sie denn unter einem Deutschland, das ohne Bündnisverpflichtungen nach Ost und West dazwischensteht und eine ganz bestimmte Funktion und sogar die Fähigkeit hat, sich wieder zu einigen? Was verstehen Sie darunter? Heute abend werden wir es nicht beantworten. Wir setzen ja die Debatte fort.
Aber vielleicht darf ich Ihnen den Vorschlag machen — ich möchte es wirklich hier einmal ganz menschlich und persönlich aussprechen —, daß wir auch bei Fragen, die aggressiv klingen könnten, versuchen, zu unterstellen, daß derjenige, der fragt, nicht ein polemisches Anliegen, sondern ein Anliegen sachlicher Klärung hat. Und dann kann ja schließlich sogar eine solche Auseinandersetzung heilsam sein. Die Demokratie besteht ja nicht darin, daß man immer die gleiche Meinung hat,
sondern die Demokratie besteht darin, daß man die Meinung der anderen hört, daß man sie ernst nimmt, und daß man dann aus eigener Verantwortung entscheidet. Das wollen wir tun und nichts anderes.