Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es widerstrebt mir, eine Debatte, die persönlich scheinen könnte, noch fortzuführen. Aber da Herr Kollege Ollenhauer die Liebenswürdigkeit hatte, das Wort „Entstellung" zu gebrauchen, muß ja wohl doch dazu noch etwas gesagt werden.
Ich habe nicht den Vorzug gehabt, nach dem Stenogramm der Rede des Kollegen Ollenhauer zitieren zu können, da mir das noch nicht zugänglich war, sondern ich habe nach meinen — wie ich nachträglich festgestellt habe — außerordentlich zutreffenden Notizen zitiert.
Ich habe in der Rede des Herrn Kollegen Ollenhauer vom 7. Februar 1952 den Satz gefunden:
Die Frage nach der Größe der Kriegsgefahr und nach den aggressiven und kriegerischen Absichten der Sowjetunion gehört für uns alle weitgehend in das Reich der Spekulation. Aber der Kalte Krieg ist eine Realität.
Gerade weil ich das gelesen hatte, habe ich mit solchem Interesse gehört, daß Herr Kollege Ollenhauer so großen Wert darauf legte, hier im Gegensatz zur Situation von vor drei Jahren festzustellen, daß sich eine veränderte weltpolitische Situation in der Auseinandersetzung Ost-West ergeben habe und daß eine Entspannung eingetreten sei. Meine Damen und Herren, ich würde mit ihm einig sein, daß alle solche Erwägungen, besonders, wenn man es mit dem Osten und der Sowjetunion zu tun hat, weitgehend in das Reich der Spekulation gehören und so viele Unsicherheitsfaktoren in sich schließen,
daß man darauf möglichst keine aktuellen politischen Entscheidungen stützen sollte.
Ich habe das nur zitiert und ich habe hingewiesen auf Ihre Behauptung, es sei friedlicher geworden in der Welt — ich glaube, das ist keine unzulässige Verkürzung —, und es sei eine Entspannung eingetreten. Darum hatte ich bei einer bestimmten Gruppe von Menschen die Sorge — und die habe ich weiter —, daß sie daraus kurzerhand die Folgerung ziehen würden, die damals weithin und in breiter Front vertretene Meinung, es sei nötig, eine militärische Macht zu bilden, sei heute nicht mehr richtig. Wenn Sie das nicht haben sagen wollen, kann ich das nur mit großer Genugtuung feststellen. Dann aber der Satz, Herr Kollege Ollenhauer, den Sie weiter gesagt haben und den ich, wie ich festgestellt habe, beinahe wörtlich wiedergegeben habe: daß man ein Opfer des Waffendienstes der deutschen Jugend nicht zumuten könne, wenn der Effekt für die Sicherheit gleich Null wäre. Wenn nur in der Kombination dieser beiden Aussagen die Folgerung nicht geradezu zwingend wäre: man muß also das, was jetzt geschehen ist, in militärischer Hinsicht ablehnen! Und wenn Sie dann noch die Liebenswürdigkeit gehabt hätten, etwas zu sagen, was uns zur Beurteilung der Gesamtsituation wahrscheinlich außerordentlich wichtig gewesen wäre: wenn Sie oder einer Ihrer Kollegen ein einziges Wort zu dem Beschluß des Jugendkongresses des Deutschen Gewerkschaftsbundes gesagt hätten!
— Herr Kollege Wehner, Sie sind aber doch sonst
nicht so ohne weiteres geneigt, eine so weite Distan-
zierurig zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Sozialdemokratischen Partei vorzunehmen!
Ich erinnere mich sehr genau, Herr Kollege Ollenhauer, daß Sie gerade bei der Eröffnung des Kongresses des Deutschen Gewerkschaftsbundes gesagt haben: der DGB und die SPD seien die beiden Zweige der deutschen Arbeiterbewegung.
Ich mache Ihnen gar nicht den Vorwurf, daß Sie sich das zu eigen machen. Aber, meine Damen und Herren, ich hätte es doch begrüßt, wenn Sie ein klärendes und abgrenzendes Wort zu dieser Forderung gesagt hätten, die ich doch in ihrer Totalität nur als ein pazifistisches Postulat verstehen kann.