Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Zu den Bemerkungen des Herrn Dr. Gerstenmaier möchte ich eine Feststellung treffen. Während der Berliner Vier-Mächte-Konferenz haben sowohl mein Freund Ollenhauer als auch ich mit den Außenministern der drei Besatzungsmächte diese Vorschläge über eine Möglichkeit der Verhandlung des deutschen Problems
— indem man europäische Sicherheit und deutsche Einheit als eine Ganzheit behandelt — genau so wie hier besprochen. Ich möchte feststellen, Herr Dr. Gerstenmaier, daß keiner der Drei, weder Mr. Eden noch Mr. Dulles — und das heißt etwas
— noch Herr Bidault, auch nur andeutungsweise seine Zuflucht zu derartigen Qualifikationen genommen hat, wie Sie es heute hier versucht haben.
Wir haben von den drei westlichen Außenministern die uns sehr interessierende, aber leider nicht befriedigende Antwort bekommen, daß unsere Vorschläge sehr interessant, sehr erwähnenswert seien, sie könnten ihnen aber nicht nähertreten, weil sie darauf festgelegt seien, an der EVG festzuhalten.
Darum ging es damals. Das ist unser e Sorge gewesen,
und das ist unsere Frage. So ist auch unser Resolutionsantrag zu verstehen, dem Sie heute ausweichen möchten, indem Sie ihn an einen Ausschuß abschieben wollen. Aber wir meinen, hier sollte darüber entschieden werden; denn Sie können uns doch nicht fortgesetzt vorwerfen, wir sagten nur
nein, wenn wir in einer Reihe konkreter Punkte Vorschläge haben, es sind die vier Punkte unseres Entwurfs, denen Sie jetzt durch eine Abstimmung
— Wir möchten, daß Sie sich zu den vier Punkten erklären, genau so wie Sie wollen, daß wir uns zu Ihren drei Punkten erklären. Wir erklären uns zu Ihren drei Punkten; bitte, erklären Sie sich auch zu unseren vier Punkten. Um nichts anderes geht es dabei. Aber machen Sie nicht diesen Versuch, Ihren Antrag anzunehmen, alles übrige aber mit Ihrer Mehrheit in den Ausschuß abzuschieben. Sie können sich ja dafür entscheiden, genau so wie wir uns entscheiden. Uns liegt nichts anderes im Sinn, als hier festgestellt zu wissen, ob es möglich ist, im Rahmen der Londoner Schlußakte, die uns hier zu einer ersten Stellungnahme vorliegt, Fragen der deutschen Einheit ein solches Gewicht zu geben, daß sie fernerhin nicht hinter den militärischen Fragen zurückstehen müssen. Darum geht es uns, das war unsere Frage!
Wir wissen ganz genau, wie wesentlich dieser Punkt in der Schlußakte sein kann, die da sagt, eine Friedensregelung für ganz Deutschland, die frei zwischen Deutschland und seinen früheren Feinden ausgehandelt werde und den Grundstein für einen dauerhaften Frieden legen solle, sei ein Hauptziel ihrer Politik. Wir möchten wissen, wie diese und die andere Fassung, daß die Verwirklichung eines völlig freien und geeinten Deutschland durch friedliche Mittel ein grundlegendes Ziel ihrer Politik bleiben wird, wie also diese beiden Prinzipienerklärungen in ihrer Gewichtsbemessung in dem Gesamtkomplex dieser Schlußakte vergleichbar sind mit den militärischen und sonstigen Abmachungen. Wir möchten hier von einer Sorge befreit sein. Wir möchten wissen, ob und wie die Bundesregierung diese Prinzipien nun in Bewegung bringen will, von denen wir meinen, daß sie möglich sind, im Gegensatz zur Auffassung des Herrn Bundeskanzlers, der gesagt hat, er wolle diese Fragen nicht Experten überantworten. Ich muß sagen, das war eine sehr geschickte Antwort; aber das war nicht die Antwort, die man vom Herrn Bundeskanzler in diesem Fall erwarten sollte. Wieso sind zu allen Fragen, von denen doch der Herr Bundeskanzler auch weiß, daß man sie nicht „nur" Experten überweisen möchte, solche Kommissionen möglich, nicht aber zu der Frage der Verwirklichung dieser beiden Prinzipien? Sie sagen, es sei noch nicht an der Zeit — das hat aber nicht der Herr Bundeskanzler gesagt, sondern das hat der Herr Gerstenmaier erklärt —, und deswegen wollen Sie jetzt nicht darüber abstimmen, sondern die Sache an den Ausschuß verweisen. Das aber, meine ich — das ist meine persönliche Auffasssung —, ist etwas, was Sie heute abend nicht machen sollten.