Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Gerstenmaier, ich habe Ihnen ja gesagt, daß wir das dann begrüßen werden, wenn uns befriedigend aufgeklärt ist, was der Vorbehalt bedeutet, daß dann, wenn die Bundesregierung rechtlich daran gehindert ist, die Hohen Kommissare einschreiten können. Denn das scheint uns nichts anderes als eine getarnte Notstandsklausel zu sein. Das ist noch der Hinderungsgrund für uns. Daß wir uns sonst selbstverständlich freuen, wenn wenigstens für den Westen das Besatzungsstatut fällt, versteht sich doch von selbst. Meine Damen und Herren, es wird ja hier viel zuviel aneinander vorbeigeredet,
und es wird alles mögliche angegriffen oder unterstellt,
was überhaupt nicht gesagt worden ist.
Der Herr Kollege Ehlers hat z. B. in zwei entscheidenden Punkten geglaubt, einen Angriff führen zu können. Er hat erstens erklärt, daß nach der sozialdemokratischen Auffassung eine Sicherheit nicht mehr notwendig sei, daß wir so täten, als ob wir überhaupt in den gesichertsten Zuständen der Welt lebten. Diese Kurzfassung der Rede meines Parteifreundes Ollenhauer überschreitet nun wirklich jedes angängige und zulässige Maß.
Von einem Prinzip des Pazifismus ist darin überhaupt mit keinem Worte die Rede gewesen. Sie haben gesagt, es sei sehr ratsam, die Protokolle der Verhandlungen des Bundestages in den bisherigen fünf Jahren nachzulesen. Hätten Sie das mal getan, Herr Kollege Ehlers!
Dann hätten Sie nämlich gelesen, daß im 1. und im 2. Bundestag der Pazifismus niemals zu einem Prinzip der Sozialdemokratischen Partei und der sozialdemokratischen Opposition erklärt worden ist.
— Warum tun Sie dann so, als ob das von dem Kollegen Ollenhauer gesagt worden sei! Es ist nichts Derartiges auch nur angedeutet, daß wir aus der Periode der Unsicherheit heraus seien.
Sie verkennen immer eins: Sie wollen immer die Frage der militärischen Sicherheit und die Frage der politischen Maßnahmen zur Wiedervereinigung trennen. Aber beides sind doch nur zwei Seiten ein und desselben Problems. Nach sozialdemokratischer Auffassung ist die Einheit auch der Weg zur Sicherheit, und zwar der Sicherheit, wie sie besser überhaupt nicht gedacht werden kann. Erst wenn das wirklich nicht erreichbar sein sollte, wofür ja bisher international gar keine ernsthaften Bemühungen gemacht worden sind — aus den Gründen, die mein Parteifreund Erler ausgeführt hat —,
kommen wir zur Notlösung, zu dem, was man an militärisch Einseitigem tun könnte.
Zweitens bedaure ich sehr, Herr Kollege Ehlers, daß Sie gesagt haben, zur Frage der Wiedervereinigung hätten Sie in den Ausführungen nichts gehört. Ich habe nicht die Absicht, das zu wiederholen, was hier von meinen Parteifreunden Ollenhauer, Schmid und Erler gesagt worden ist. Es sind zur Frage der Wiedervereinigung sehr konkrete und präzise Dinge gesagt worden. Ich glaube nicht, daß wir die gegenwärtige Aufgabe der sogenannten Bundesrepublik hier im Westen verkennen. Dazu ein letztes Wort. Es ist nicht die Aufgabe der westlichen Organisation, Selbstzweck zu sein und sich so weitgehend wie möglich zu festigen. Es ist ihre Aufgabe — das ist auch im Vorspruch und in Art. 146 des Grundgesetzes gesagt —, so schnell wie möglich in einem „einen, freien und dadurch gesicherten Deutschland" aufzugehen. Das ist der Weg, der der sogenannten Bundesrepublik vorgezeichnet ist. Zu diesem Wege haben wir Ihnen die Entschließung vorgelegt, die ganz bestimmte Vorschläge auf organisatorischem Gebiet macht. Darüber erbitten wir die namentliche Abstimmung.