Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, schon an dieser Stelle der Debatte zu sprechen. Die Ausführungen des Herrn
Kollegen Arndt veranlassen mich, früher das Wort zu ergreifen, als ich es ursprünglich beabsichtigt hatte.
Ich bin der ganzen Debatte, wie das selbstverständlich ist, mit größter Aufmerksamkeit gefolgt. Ich muß sagen, daß in der Debatte manches gesagt worden ist, wofür ich aufrichtig dankbar bin. Für Vorschläge positiver Kritik aufnahmebereit zu bleiben, wird immer die vornehmste Pflicht der Regierung sein. In diesem Sinne möchte ich ganz besonders Herrn Kollegen Heye danken, der heute morgen hier gesprochen hat, und zum Ausdruck bringen, daß ich auch für manches dankbar bin, was Herr Kollege Mellies gesagt hat. Von Herrn Kollegen Arndt, der bisher in der öffentlichen Diskussion dieses Problems geschwiegen hatte, hätte ich allerdings eine gerechtere Würdigung erwartet, als er sie soeben hier vorgetragen hat. Ich komme darauf im einzelnen zurück.
Ich bin froh, daß Herr Kollege Heye, der vielleicht als unbefangener gelten könnte als ich, sich wenigstens am Rande mit dem Problem der Vertraulichkeit beschäftigt. Meine Damen und Herren, wir wollen in diesem Punkt doch ganz offen sein. Jeder von uns weiß, daß Ausschüsse in der Größe von 23 Mitgliedern plus 23 Stellvertretern plus anderthalb Dutzend Vertretern des Bundesrates plus anderthalb Dutzend Vertretern der Ministerien — —
— Ich werde gleich im einzelnen darauf zurückkommen, Herr Kollege Menzel, und den Ausdruck „Unwahrheit" möchte ich überhört haben. Ich werde Ihnen gleich Gelegenheit geben, zu exakten Tatsachen Stellung zu nehmen.
Ich sagte, Ausschüsse in dieser Größe, für die die größten Sitzungssäle in diesem Haus gebraucht worden sind — der Ausschuß hat das erstemal im früheren Sitzungszimmer der SPD getagt, das zweitemal in einem der größten Sitzungsräume, die dieses Haus überhaupt zur Verfügung hat, und allein das deutet doch wohl schon die Größe der Ausschüsse an —, Ausschüsse von solcher Größe können ihrer Natur nach schon nicht unbedingt vertraulich sein.
Ich habe gestern in diesem Sinne einige Anmerkungen zu dem gemacht, was Herr Kollege Menzel vorgetragen hat. Ich habe inzwischen das Stenogramm seiner Rede gesehen, und ich bleibe dabei, daß auch seine Rede, nach meiner Meinung jedenfalls, nicht das Maß von Vertraulichkeit einhält, das erforderlich ist. Ich bin gern bereit, Herrn Kollegen Menzel die Stellen zu zeigen, auf die ich mich beziehe.
Selbst wenn Ihnen, meine Damen und Herren, das nicht genügen sollte — es ist etwas, was Sie ja selber bei der Lektüre des Protokolls feststellen können —, darf ich Ihnen die Lektüre eines Zeitungsaufsatzes empfehlen. Ich habe vor mir die in München erscheinende „Abendzeitung", und zwar die Nr. 211, ausgegeben Montag, den 13. September 1954. In dieser Nummer findet sich ein Aufsatz „Mit den Augen der Opposition" und mit der weiteren Überschrift Warum Minister Schröder schweigt". Dieser Aufsatz ist geschrieben von einem Angehörigen des Bundestagsausschusses zum
Schutze der Verfassung aus den Reihen der Opposition.
Ich stelle jedem Mitglied des Hauses frei, diesen Aufsatz zu lesen, und wir können dann weiter darüber diskutieren, ob das die Innehaltung der Vertraulichkeit des Ausschusses ist. Ich erspare mir dazu jede weitere Bemerkung.
Im Gegensatz zu dem, was heute morgen in einigen Zeitungen zu lesen ist, möchte ich klarstellen, daß ich nicht gesagt habe, die Konferenz der Länderinnenminister sei nicht vertraulich geblieben, sondern ich habe gesagt: Die Konferenz der Länderinnenminister hat den Beweis dafür erbracht, daß der Ausschuß nicht vertraulich war. Ich habe mich auf das Fernschreiben bezogen, welches dort vorlag — ein Fernschreiben über einen öffentlichen Fernschreiber.
Soweit dieser Punkt. Es ist hier gesagt worden — ich komme damit auf etwas zurück, was Herr Kollege Menzel ausgeführt hat —, ich hätte in dem Ausschuß nicht bekanntgegeben eine Kommission, die damals schon eingesetzt worden sei. Das trifft nicht zu. Diese Kommission war damals nicht eingesetzt. Sie stand auch in ihrer personellen Zusammensetzung noch nicht fest. Sie ist heute noch nicht endgültig konstituiert.
Meine Damen und Herren, es ist in der Debatte ein Vorschlag gemacht worden. Ich gehe damit zurück auf etwas, was ich in der ersten Sitzung dieses Ausschusses schon ausgeführt habe, möchte mich allerdings vor dem Vorwurf zu bewahren suchen, daß ich nun meinerseits die Vertraulichkeit der Ausschußsitzung verletze. Das Projekt ist an sich nicht neu aufgekommen; da es aber hier neu aufgekommen ist, darf ich es vielleicht als neues Projekt behandeln. Herr Kollege Heye hat — und Herr Kollege von Merkatz hat gestern etwas ähnliches gesagt — zu bedenken gegeben, ob es nicht richtig wäre, ob es nicht zwingend wäre, ob es nicht natürlich wäre, bestimmte Sicherheitsfragen — Sicherheitsfragen und nicht die Aufklärung mehr oder weniger belangloser Kleinigkeiten! — in einem ganz engen Kreise zu behandeln. Herr Kollege Heye ist sogar so weit gegangen, diesen Kreis vielleicht nur auf zwei Mitglieder, eines aus den Reihen der Koalition, eines aus den Reihen der Opposition, zu beschränken. Das trifft sich mit Gedanken, die ich seit längerer Zeit, wenn ich nicht irre, wohl schon in der Bundestagsdebatte damals, geäußert habe. Ich werde Gelegenheit nehmen, diese Frage in den allernächsten Tagen, in der allernächsten Zeit mit den Herren Fraktionsführern hier zu besprechen, um ihre Meinung dazu kennenzulernen. Ich würde es begrüßen, wenn es möglich wäre, etwas zu schaffen, meine Damen und Herren, was in glücklicheren Demokratien, als wir es sind, durchaus üblich ist. Ich habe kürzlich mit dem Leiter einer hohen, vielleicht der höchsten Sicherheitsstelle in Großbritannien gesprochen, weil ich sehr begierig darauf war, zu sehen, was man nun eigentlich tun kann, um Schwierigkeiten zu vermeiden wie die, die wir hier haben. Er hat mir gesagt, und ich werde es Ihnen gleich aus den Protokollen des britischen Unterhauses beweisen, daß es dort Sicherheitsfragen gibt, die nicht zur plenaren Behandlung kommen, sondern in anderer Weise behandelt werden können, ja, daß es gewisse Fragen gibt, die überhaupt nur zwischen dem Prime Minister und dem Führer der Opposition in besonders wichtigen Fällen behandelt werden. Selbst
wenn wir, unserer Parteistruktur nach, nicht nur auf ein solches Gegenüber gestellt sein können, sollten wir wenigstens den Versuch machen, zu etwas Ähnlichem zu kommen. An meiner Bereitwilligkeit wird dieser Versuch sicherlich nicht scheitern.
— Ich bin noch nicht am Ende.
— Ich bitte zuzuhören; ich bin noch nicht am Ende.
– Bitte hören Sie doch zu! Ich bin noch nicht am Ende. Nach § 9 des Gesetzes zu Art. 131 kann dieses Verfahren — darf ich mich so ausdrücken: dieses Disziplinarverfahren — durch die Bundesregierung eingeleitet werden,
— ich wäre dankbar, wenn ich erst aussprechen dürfte, um den Gedankengang zu entwickeln — und es wird eingeleitet werden. Wir werden die niedersächsische Regierung bitten — soviel ich weiß, lebt Diels in Göttingen —, uns alles ihr zugängliche Material zur Verfügung zu stellen. Wir werden dieser Anregung aus dem Hause in der schnellsten Weise entsprechen. Ich darf zur Erläuterung hinzufügen: Ich habe inzwischen bereits festgestellt, daß Herr Diels Bezüge, und zwar ein Wartegeld, nach A 2 b bezieht.
Um den genauen Betrag zu nennen, der das Haus vielleicht interessiert: Es sind nach meinen Aufzeichnungen 658,78 DM.
Ich glaube das Einverständnis des Hohen Hauses zu haben, daß die Bundesregierung in dieser Weise verfährt.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich auf den Punkt zurückkommen, den ich hinsichtlich der Behandlung von Sicherheitsfragen und von Fragen parlamentarischer Verantwortlichkeit in Großbritannien behandelt habe. Ich darf nur ganz kurze Zitate mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus den Debatten des Unterhauses vom 18. Juli 1951, dem 12. November 1952 und dem 11. Juni 1951 geben. Die relevanten Auszüge heißen folgendermaßen — ich zitiere zunächst Herrn Morrison, Außenminister, aus einer Debatte über die Fälle McLean und Burgess —:
Alle geeigneten Nachforschungen diesem Verschwinden zufolge sind angestellt worden. Der ehrenwerte Kollege fragt, ob ich persönliche Verantwortung für diese Ernennungen übernehme. Da ich damals nicht Außenminister war, kann ich das selbstverständlich nicht tun. Das ist die Antwort, denke ich.
Aus der Debatte vom 12. November 1952 Mr. Nutting in Vertretung des Außenministers:
Nein, überhaupt niemand wird in dieser Angelegenheit gedeckt. Ich habe bestimmt oft genug im Hause betont, daß der Grund, weswegen wir nicht öffentliche Anfragen wünschen oder mehr Einzelheiten veröffentlichen, als wir es in dieser Sache getan haben, der ist, daß wir keine Auskunft über Untersuchungsmethoden geben oder andere vertrauliche Angelegenheiten offenlegen wollen.
Ich darf wiederum Mr. Morrison zitieren, und zwar am 11. Juni 1951:
Ich möchte das Haus davon informieren, daß die Sicherheitsaspekte dieses Falles sich in Untersuchung befinden und daß es nicht im öffentlichen Interesse liegt, sie offenzulegen.
Meine Damen und Herren, ich habe in diesen Wochen immer wieder vor der Frage gestanden und stehe auch jetzt noch immer wieder vor ihr, wie man das öffentliche Interesse an einer vollen Information mit dem, was wir als notwendig zur Wahrung der Staatssicherheit ansehen, in Übereinstimmung bringen soll. Ich glaube, jeder von Ihnen, meine Damen und Herren, wird zugeben, daß dies ein außerordentlich schwieriges Problem ist. Ich bin nur dankbar, wenn wir wenigstens auf das richtige Verständnis in diesem Bemühen stoßen, selbst wenn wir Sie nicht alle bei unseren Bemühungen befriedigen können. Das ist nach der Natur der Dinge ausgeschlossen, und nur deswegen habe ich aus den Protokollen eines ausländischen Parlaments zitiert. Ich hätte das sonst nicht getan.
Ich möchte aber doch noch einmal, nachdem so viel Falsches in der Welt ist und es beinahe unausrottbar zu sein scheint, eindeutig feststellen: ich habe in diesem Fall zu keinem Zeitpunkt davon gesprochen, ich wiederhole: zu keinem Zeitpunkt davon gesprochen, daß Herr John entführt worden sei. Es wird ständig mit der Behauptung operiert, ich hätte die Entführungsthese aufgestellt. Dies trifft nicht zu. Sämtliche öffentlichen Erklärungen, die ich über diese Sache abgegeben habe, stehen zur Verfügung: das Wort „Entführung" befindet sich nicht in einer einzigen. Wenn ich dazu bisher geschwiegen habe, meine Damen und Herren, so eigentlich nur deswegen, weil ich bei der großen Emotion, die diese Sache ausgelöst hat, offenbar gar nicht in der Lage war, gegen diesen Strom der Emotion anzukommen. Ich hätte aber gerade von Ihnen, Herr Kollege Arndt — und das ist das, was ich ehrlich bedaure —, erwartet, daß Sie wenigstens in diesem Punkte korrekter gewesen wären.
Ich darf fortfahren. Alles, was ich in dieser Sache gesagt habe, meine Damen und Herren — und das sind nun schon rund zwei Monate —, deckt sich völlig — und ich lege großen Wert darauf, das zu unterstreichen — mit dem bis heute vorliegenden Ergebnis der Ermittlungen des Herrn Oberbundesanwalts. Jeder, der sich damit eingehender beschäftigen möchte, ist mir jederzeit zu einer intensiven Aussprache darüber willkommen.
Es gibt noch eine Reihe von Punkten, auf die ich gern eingehen würde. Ich möchte Sie aber mit Rücksicht auf die große Beanspruchung, die angesichts der umfangreichen Tagesordnung heute noch vor Ihnen liegt, nicht übermäßig in Anspruch nehmen. Ich darf aber eines sagen: Der Kalte Krieg, in dem wir uns befinden und in dem wir uns schon vor dem Verschwinden des Herrn John befunden haben, dauert an, und wir müssen leider befürchten, daß er noch recht lange andauern wird. Deswegen kann es nur unser gemeinsames Bestreben sein, zu einer Haltung zu finden, die den nationalen Erfordernissen in einem solchen Kalten Krieg gerecht wird.
Meine Damen und Herren, ein Volk wird in einer solchen Lage von allen Seiten in einer Weise beunruhigt, daß es intensivster Gegenwirkung durch diejenigen bedarf, die die Gefahr wirklich sehen und sich im Augenblick der Gefahr richtig verhalten. Ich glaube, daß die eigentliche Bewährung unseres Volkes noch nicht in den Jahren gelegen hat, die hinter uns liegen. Diese Jahre seit 1945 haben wir relativ gut durchgestanden. Die eigentliche Bewährung, meine sehr verehrten Damen und Herren — dessen seien Sie sich sicher —, liegt noch v o r uns,
und wir werden diese Bewährung nur dann durchstehen, wenn wir die grausame Unerbittlichkeit, die Heimtücke und Gefährlichkeit des Gegners, mit dem wir es zu tun haben, endlich alle erkennen. Deswegen bleibe ich dabei: die Behandlung dieses Falles kann nur richtig erfolgen — und wir werden uns mit dieser Sache und ihren Folgen noch lange beschäftigen müssen —, wenn wir wirklich darin übereinstimmen, daß es nicht ein persönliches Unglück ist, nicht eine Sache der Regierung oder gar eines einzelnen Ressortministers, sondern daß diese Sache ein Akt des Gegners im Kalten Krieg ist, ein nationales Unglück, das wir nur dann, aber auch nur dann überwinden können, wenn wir es gemeinsam versuchen.