Rede von
Hannsheinz
Bauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich habe mich gestern abend einmal der Mühe unterzogen, die vielen Blätter des Presse- und Funkberichts, die uns ja jeden Tag in die Fächer gelegt werden, seit dem Beginn der Affäre John durchzusehen. Ich muß schon gestehen, ich bin beim
Überblättern baß erstaunt gewesen, wie scharf die Presse mit dem Herrn Bundesinnenminister ins Zeug gegangen ist, ja, welch miserable Presse der Herr Bundesinnenminister überall, auch in den Blättern, die der CDU nahestehen, gefunden hat. Ich unterstelle doch, daß in dem Presse- und Funkbericht, den wir bekommen, nicht ausgesprochene
— sagen wir — Revolverblätter und unseriöse Presse abgedruckt wird. Ich möchte einige ganz kurze Verlautbarungen hier zum besten geben.
Was hat Sie,
— fragt eine Zeitung —
Herr Bundesinnenminister, veranlaßt, noch nach acht Tagen, nachdem klar und eindeutig sowohl durch die Ermittlungen der Polizei als auch durch Dr. John selbst erwiesen worden war, daß dieser Verräter freiwillig zu seinen sowjetischen Freunden hinüberwechselte, noch den Irrsinn von der gewaltsamen Entführung aufrechtzuerhalten?
Eine Zeitung, die der CDU zugeschrieben wird, sagt:
Es ist zweifellos richtig, daß wir im Kalten Krieg leben. Wenn das aber richtig ist, dann ist ein Innenminister in der gegenwärtigen Phase dieses Krieges ein General in einer Schlacht. Und hat man je gehört, daß ein General mitten in einer Schlacht auf Urlaub geht?
Wiederum eine Zeitung der CDU sagt:
Es liegt nahe, hinter dem plötzlichen Urlaub des Bundesinnenministers Dr. Schröder politische Gründe zu sehen. Die Empörung der deutschen Öffentlichkeit über die unverständliche Behandlung des Falles John hat sich bevorzugt an den verantwortlichen Ressortminister gehalten. Die Beauftragung von Waldemar Kraft muß Aufsehen erregen. Wie dem auch sei, er und mit ihm noch andere haben denkbar unglücklich operiert und sich als schlechte Psychologen erwiesen.
Nun ist auch noch eine andere Frage aufgeworfen worden: die Frage, was die Note an die Alliierte Oberkommission bedeutet mit der Bitte um Einwirkung auf den Osten hinsichtlich einer Freilassung des Dr. John. Sollte damit vielleicht angedeutet sein, daß die Ermittlungen des Oberbundesanwalts nicht zum gewünschten Erfolg führen könnten, so daß man auf die Mithilfe der Öffentlichkeit angewiesen sei?
Besonders heftig war, wie Sie sich alle erinnern, die Reaktion auf die 500 000-Mark-Prämie. Ein angesehenes Blatt spricht wörtlich von der „Kopflosigkeit" der Prämie und sagt:
Hier offenbart sich ein Eigensinn, der beinahe bewundernswert erscheinen könnte, wenn er nicht schon zum öffentlichen Ärgernis geworden wäre. Es ist schade, daß sich der Herr Innenminister solche Blöße gibt. Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, kann es doch nicht darum gehen, für eine halbe Million zweckdienliche Angaben für dieses Ereignis zu sammeln.
Meine Damen und Herren, ich betone ausdrücklich, daß ich kein Blatt der Opposition zitiert habe, sondern nur Zeitungen, die als unabhängig oder der CDU zugehörig deklariert sind.
Nun verdient besondere Erwähnung die Behandlung des zuständigen Parlamentsausschusses durch den Herrn Bundesinnenminister. Zu dem Thema ist ja schon allerhand gesagt worden. Es kommt mir aber darauf an, hier noch einmal etwas zu unterstreichen. Ich kann hier wiederum eine führende Zeitung zitieren, die „Süddeutsche Zeitung", die wörtlich schreibt:
Nicht weniger als 200 Journalisten des In- und Auslandes waren am Montag im Bonner Bundesratssaal versammelt, als Bundesinnenminister Gerhard Schröder zur Überraschung der politischen Kreise in Bonn, noch bevor er zum Bundestagsausschuß für Verfassungsschutz gesprochen hatte, seine mit Spannung erwartete Erklärung zum Fall John abgab.
Diese mangelnde Unterrichtung des Ausschusses ist also nicht nur etwa von uns Sozialdemokraten, sagen wir einmal, mit gewisser Bitterkeit vermerkt worden, sondern auch in der übrigen deutschen Öffentlichkeit ziemlich schlecht angekommen. Und was ist dazu weiter zu sagen? Es ist in der Tat so — es läßt sich nicht leugnen —, daß der Herr Minister den Ausschuß stets Tage bzw. Wochen später unterrichtet hat als die Presse und dann überdies kein einziges Wort geäußert hat, das nicht bereits in den Pressekonferenzen bekanntgegeben worden wäre. Außerdem war nach der ersten Sitzung des Ausschusses zum Schutze der Verfassung beschlossen worden, ein Sieben-Männer-Kollegium zu bilden, das von Fall zu Fall zu informieren sei. Der Herr Minister hat wohl seiner eigenen Fraktion zweimal ausführlichen Bericht erstattet, diesen verkleinerten Ausschuß jedoch nie zusammenrufen lassen.
Ich bin der Meinung, selbst wenn er Zweifel an der Verschwiegenheit der Ausschußmitglieder oder des Publikums, das sich dort zusammengefunden hatte, gehegt hätte, hätte es für ihn ein nobile officium sein müssen, in der Demokratie den parlamentarischen Sitten gemäß die Vertreter des Bundestages vor allen anderen, vor der breiten Öffentlichkeit, zu unterrichten.
Ich kann es mir auch nicht verkneifen, ein Wort zu sagen über die Tatsache, daß der Bericht des Herrn Bundesinnenministers erst heute früh bei Beginn der Sitzung verteilt worden ist.