Ist Herr Dr. John tatsächlich vom englischen Secret Service und von den Amerikanern überwacht worden? Trifft es zu — das ist eine besonders delikate Frage —, daß die Saarregierung Hoffmann Material verwandt hat, das sie insofern über die Sûreté erhalten konnte, als John den Franzosen Edmond Beer unter der Decknummer 90 zu seinem Mitarbeiter gemacht hat?
In welchem Zusammenhang — auch das interessiert uns Deutsche — steht der Selbstmord des amerikanischen CIC-Offiziers Höfer mit diesem Fall John? Stimmt es, ist weiter gefragt worden, daß der zunächst im Bundespresseamt, später im Amt Blank tätige ehemalige Oberleutnant Scheidt im Bundespresseamt im Auftrage des Dr. John besondere Erkundigungen für die Amerikaner hinsichtlich der Herren Lenz und Globke zusammengetragen hat?
Welche näheren Gründe bestanden für die Note an die Alliierte Oberkommission, die Freilassung des Dr. John aus dem östlichen Sektor zu veranlassen? Warum sind die vorher angeblich so zahlreich abgegebenen Warnungen allen möglichen anderen Personen zugegangen, nur nicht dem Herrn Bundesinnenminister selbst? Wie kommt es, daß sowohl Minister wie Kanzler von Johns Aktennotiz betreffend Beeinflussungsversuche durch Herrn von Putlitz vorher keine Kenntnis erhielten?
Trifft es schließlich zu, was auch behauptet wurde, daß die 500 000 DM nur auf einen Hinweis ausgesetzt worden sind, eine interessante Persönlichkeit aus dem Osten wolle gegen materielle Sicherheit nach dem Westen übertreten und dann die Hintergründe des Falles John bekanntgeben?
Ist etwas Wahres dran, daß der ehemalige niedersächsische stellvertretende Ministerpräsident Gereke erst durch eine zu dauernder Belästigung ausgeartete Bespitzelung in den Osten getrieben worden ist?
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die heutige Debatte hat in diesen Fragen, die in der deutschen Öffentlichkeit aufgetischt worden sind, keine befriedigende Klärung bringen können.
Um nun wenigstens in etwa hinter diese Probleme, hinter diese Fragen zu kommen, ist der Untersuchungsausschuß eine zwingende Notwendigkeit, und seine wahrhaftig nicht zu beneidenden Mitglieder werden sich in zäher, länger dauernder Kleinarbeit bemühen müssen, Stein um Stein zusammenzutragen, um Klarheit zu gewinnen und den Versuch einer größtmöglichen Klärung der Vorgänge zu unternehmen, wobei — da gehe ich mit dem Herrn Kollegen von Merkatz vollkommen einig — nur zu hoffen ist, daß die Unterstützung seitens der Regierungsstellen durch Zurverfügungstellung des Materials ohne Rückhalt — ich betone ausdrücklich: ohne Vorbehalte — gewährt wird.
Meine Fraktion hat schon durch einen vorherigen Sprecher andeuten lassen, daß uns die derzeitige rechtliche Untermauerung des Ausschusses zum
Schutze der Verfassung ungenügend erscheint. Um für die Zukunft geschäftsordnungsmäßige Zweifel zu vermeiden, inwieweit dieser Ausschuß für die Staatssicherheit überhaupt selbständig tätig werden kann, reichen wir hiermit einen Antrag, betreffend Initiativrecht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung, ein:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Ausschuß zum Schutze der Verfassung ist berechtigt, sich gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung im Rahmen seines Aufgabenbereiches auch mit Fragen zu befassen, die ihm nicht ausdrücklich überwiesen worden sind.
Ich darf dem Herrn Präsidenten diesen Antrag übergeben.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen Zweifeln steht heute eines jedoch fest. Es ist bis zur Stunde kein schlüssiger Beweis dafür erbracht worden, daß sowohl Dr. John wie auch Herr Schmidt-Wittmack aus niedrigen materiellen Beweggründen oder aus unehrenhaften Zielsetzungen ihren Schritt getan haben. Sie sind nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen keinesfalls etwa deshalb nach dem Osten gegangen, weil ihnen im Westen der Boden zu heiß unter den Füßen geworden wäre oder der Staatsanwalt hinter ihnen her gewesen wäre.
Die am meisten einleuchtende Begründung bei allen Durchleuchtungsversuchen, die von verschiedenster Seite angestellt worden sind, scheint mir die „Englische Rundschau" — erschrecken Sie bitte nicht, wenn ich die „Englische Rundschau" zitiere; ich bin der Meinung, daß die Wahrheit unteilbar und etwas 1 Absolutes ist — noch die glaubwürdigste Formulierung in zwei kurzen Sätzen gebracht zu haben; und diese lauten:
Dr. John war es müde, von der deutschen Regierung links liegengelassen und als Emigrant, der im letzten Kriegsjahr in Großbritannien aktiv „dem Feind" gedient hat, abgelehnt zu werden.
Er war beunruhigt durch die seinem Vorgesetzten, dem Bundesinnenminister Dr. Schröder, entschlüpfte Äußerung, daß er Ende August von seinem Posten entfernt werden würde.
Nun, damit muß wohl oder übel eine Stellungnahme verbunden werden, inwieweit die Bundesregierung, vornehmlich der Herr Bundesinnenminister selbst, Mißgriffe getan hat, und zwar sowohl vor wie nach dem Eintreten der Panne Dr. John.
Vor mir liegt ein nicht dementierter Bericht der „Süddeutschen Zeitung" vom 26. Juli, in dem es heißt — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
„Dies aber, bitte, vertraulich", sagt Bundesinnenminister Schröder am Nachmittag des 14. Juli im Bonner Presseclub vor etwa zwei Dutzend Journalisten. Seine Stimme wird etwas leiser, als fürchte er irgendwelche Horcher an der Wand. Er kann nicht ahnen, daß er mit diesen Worten den „Sturm auf die Bastille" des Dr. John eröffnet hat. Vertraulich sollten die Vorstellungen bleiben, die der Herr Bundesinnenminister von einem idealen Leiter
des Bundesverfassungsschutzamtes hegte: einwandfreie Vergangenheit; starker, integrer Charakter; juristische Abschlußprüfungen.
Der Innenminister wird verstanden. Jeder Teilnehmer dieses Gesprächskreises weiß, daß der derzeitige Leiter des Bundesverfassungsschutzamtes diesen Anforderungen nicht entspricht. Schröder wird noch deutlicher. „Wenn wir einmal über unsere Souveränität verfügen", setzt er hinzu, „dann wird es leichter sein, Umbesetzungen auch in Stellen vorzunehmen, die seinerzeit praktisch von den Alliierten besetzt worden sind." Wenige Stunden später jagt eine ausländische Nachrichtenagentur die Sätze über ihren Fernschreiber. Ein Mißverständnis, beteuert später der betreffende Journalist. Die Bundespressekonferenz debattiert Tage darauf den Fall einer „Verletzung von Standespflichten". Otto John aber scheint sich nicht nur gewarnt, sondern auch getroffen zu fühlen.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist man geneigt, die Frage zu stellen, ob man nicht die Panne des Übertritts vielleicht dadurch hätte vermeiden können, daß man zunächst geschwiegen hätte oder den damaligen Herrn Präsidenten auf die Seite genommen und ihm etwa gesagt hätte: Sie sind Beamter; wir wollen uns darüber unterhalten, inwieweit wir Sie als Beamten an einer anderen Stelle, da Sie demnächst an der Stelle im Rampenlicht der Öffentlichkeit nicht mehr tragbar sein werden, entsprechend einbauen. Meine Herren vom BHE, ich bitte Sie, einmal der Überlegung zu folgen: Was wäre für die westdeutsche Bundesrepublik besser gewesen, einen Dr. John als Beamten in irgendeinem Amt, wo er politisch keinen großen Einfluß ausüben kann, an die Kette zu legen oder ihn, sagen wir, rechtzeitig zu warnen: Du wirst in absehbarer Zeit an die Luft gesetzt!? Ich habe die Befürchtung, daß der labile Charakter, als der Herr Dr. John überall geschildert worden ist, letzten Endes und im tiefsten Grunde durch dieses Moment des Hinauswurfs bei nächster Gelegenheit zu seinem Schritt gekommen ist.
Meine Damen und Herren, das war ein negativer Punkt im Verhalten des Herrn Bundesinnenministers vor Eintreten der Panne. Was sich nachher abgespielt hat, ist nach meiner Ansicht nicht weniger einer Kritik zu unterwerfen.