Rede von
Dr.
Alfred
Gille
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Meine Damen und Herren! Der Verlauf der heutigen Debatte zeigt einige Eigenarten. Ich meine damit nicht so sehr das dramatische Zwischenspiel, dessen versöhnlichen Ausklang wir eben in den Worten von Herrn Dehler miterlebt haben. Der Ablauf der Debatte hat auch noch manche anderen Eigenarten.
— Vielleicht, meine Damen und Herren, sind Sie bereit, mir zu folgen. — Ich habe den Eindruck, daß fast jeder Redner zu einem anderen Thema gesprochen hat. Wenn einige von den heute verlesenen Manuskripten als Schulaufsätze hätten zensiert werden müssen, ich fürchte, es hätte darunter gestanden: „Thema verfehlt".
— Ich mache ja jetzt auch einen Aufsatz.
Den können S i e ja korrigieren; das paßt besser in Ihren Beruf hinein, Herr Professor!
— Meine Damen und Herren von der Opposition, warum sind Sie so nervös?!
Ich gebe zu, daß ich mich in einer etwas glücklicheren Lage befinde, und nicht nur ich, sondern auch meine politischen Freunde befinden sich in einer glücklicheren Lage, denn an den Vorgängen, die heute Thema dieser Aussprache sein sollen, sind wir weiß Gott nicht beteiligt.
— Sie bekommen auf alles eine Antwort; nur nicht so hastig!
Das Verfehlen des Themas liegt bereits in der merkwürdigen Formulierung, die Herr Dr. Menzel über seine Ausführungen stellte, als er von der Flucht des Dr. John sprach, und unsere durchaus freundschaftlich gemeinten Fragen, vor wem denn eigentlich Herr John geflohen sei, haben ihn bis zum Schluß nicht dahin bringen können, von dieser Vorstellung abzugehen. Als ob wir uns damit befassen könnten, aus welchen Gründen Herr John geflohen ist!
Das richtige Stichwort zu dem eigentlichen Thema ist heute eigentlich nur in einer Äußerung des Herrn Bundesinnenministers gefallen. Er war meines Wissens der einzige, der die Formulierung „Kalter Krieg", „Auseinandersetzung im Kalten Krieg" hier in die Erörterung hereingebracht hat.
— Verzeihung! Es kann sein, daß ich es überhört habe. Ich halte jedenfalls dieses Stichwort für das
entscheidende, und an diesem Stichwort haben viele der heute zu Worte gekommenen Redner glatt vorbeigesprochen.
Es ist weiter gesagt worden, es sei ein nationales Unglück, mit dem wir uns nun auseinanderzusetzen und aus dem wir die Folgerungen zu ziehen hätten. Meine Damen und Herren, ist es zuviel gesagt, darüber noch einen Schritt hinauszugehen und zu erklären: es ist nicht nur ein nationales Unglück des deutschen Volkes, sonders es ist eigentlich ein Unglück aller Völker der freien Welt in ihrer harten Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus passiert!?
Wenn dies richtig ist, dann sind daraus Folgerungen zu ziehen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde.
Meine Damen und Herren, über dieser Debatte haben von vornherein zwei Gefahren gestanden: einmal, daß man geneigt sein würde, zu versuchen, die Vorfälle zu bagatellisieren und zu verniedlichen, und zum andern — und das halte ich für eine noch größere Gefahr —, daß man den Versuch machen würde, von den entscheidenden Fragen abzulenken, um die es heute geht.
— Es freut mich, daß ich gerade von Ihnen Zustimmung bekomme; denn Sie habe ich nämlich damit gemeint.
Meine Damen und Herren! Die ersten Sätze, die Herr Mellies aussprach, berechtigten eigentlich zu einer gewissen Hoffnung. Er sagte nämlich, er sei gewillt, heute bei der Erörterung des Themas den Gesamtinhalt des Problems auszuschöpfen. Bei dieser hoffnungsvollen Ankündigung ist es dann aber leider verblieben. Ich habe nur den Eindruck, daß er in der Suppe etwas herumgerührt hat, so daß es vielleicht richtiger ist, zu sagen, er sei geradezu um den heißen Brei herumgegangen. Die entscheidende Frage scheint doch zu sein, eine Prüfung der Vorgänge von der Einstellung bis zum Überlaufen Johns zu erreichen, um festzustellen, ob sich die Beurteilungs- und Bewertungsmaßstäbe, die bei der Einstellung dieses Mannes seinerzeit angewendet und die lange aufrechterhalten wurden, im Interesse nicht nur Deutschlands, sondern auch im Interesse der Auseinandersetzung der freien Welt mit dem Bolschewismus überhaupt noch rechtfertigen lassen. Bei der Einstellung — ich habe es auch heute noch nicht recht klar erfahren — war doch offenbar bekannt —ich bitte den Herrn Bundesinnenminister, mir zu widersprechen, wenn ich das falsch aufgefaßt habe —, in welchen Wirkungskreisen Herr Dr. John vom Jahre 1944 bis zum Amtsantritt als Präsident des Verfassungsschutzamtes tätig gewesen ist. Nach meiner Auffassung wartet das deutsche Volk jetzt darauf, daß wir die Frage beantworten, ob man heute noch gewillt ist, einem Mann eine Chance in entscheidenden öffentlichen Schlüsselpositionen zu geben, der eine derartige Vergangenheit aufzuweisen hat, wie das bei Herrn Dr. John der Fall ist. Hierauf, meine Damen und Herren, sollte man eigentlich mit einem klaren Ja oder Nein antworten, und nach meiner Auffassung hat eigentlich
nur der ein Recht, die Entschließung der Bundesregierung — —
— Ich komme auch darauf! Haben Sie keine Furcht; ich komme auch darauf! — Aber vielleicht ist es besser, — —
— Das ist ja nett! Das ist ja ausgezeichnet! Hoffentlich sind Sie keinem Schwindel aufgesessen.
— Mir reicht es!