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ID0204201400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1954 1941 42. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. September 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1941 D Nachruf für den verstorbenen Abg. Ten- hagen 1942 A Anteilnahme des Bundestages am Tode des Staatsoberhauptes der Republik Brasilien Dr. Vargas 1942 B Gedenkworte des Präsidenten für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Algerien . 1942 B Mandatsverzicht des Abg. Dr. Middelhauve 1942 B Eintritt der Abg. Held (Lemgo) und Mißmahl in den Bundestag 1942 B Übertritt des Abg. Meyer-Ronnenberg von der Fraktion des GB/BHE zur Fraktion der CDU/CSU 1942 B Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Dr. Müller (Bonn), Neumayer, Jahn (Frankfurt), Frau Welter (Aachen), Brockmann (Rinkerode), Bock, Dr. Königswarter, Ruhnke, Frau Dr. Steinbiß, Dr. Leverkuehn, Dr. Zimmermann, Reitzner, Platner 1942 C Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1942 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 44, 79, 81, 83, 85, 87, 90, 91, 92, 95, 96, 97, 99 und 103 (Drucksachen 388, 770; 620, 747; 631, 786; 636, 764; 639, 761; 641, 748; 670, 756; 671, 777; 672, 766; 704, 776; 726, 778; 706, 808; 737, 773; 779, 797) 1943 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall John (Drucksache 767) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Falle John (Drucksache 768) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Mißbilligung des Verhaltens des Bundesministers des Innern (Drucksache 769) 1943 C Präsident D. Dr. Ehlers . . 1943 C, 1945 C, 1953 D, 1959 A Mellies (SPD), Anfragender . . . 1943 D, 1944 B, 1945 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 1944 B, 1974 A Dr. Menzel (SPD), Anfragender und Antragsteller . . . 1947 C, 1959 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern . . . 1953 B, 1954 A, 1959 A, 1991 A, 1998 D Kiesinger (CDU/CSU) . . 1959 D 1965 C, D, 1988 C, 1989 C, D Schoettle (SPD) 1965 B, D Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) . . . . 1966 A Dr. von Brentano (CDU/CSU): zur Geschäftsordnung 1974 B zur Sache 1993 B Unterbrechung der Sitzung . 1974 B Dr. Dehler (FDP) 1974 B Dr. Gille (GB/BHE) . . . 1977 A, 1978 C, 1979 A, 1981 D Erler (SPD) 1978 B, C Dr. Lütkens (SPD) . . . . 1978 D, 1979 A Welke (SPD) 1981 C Dr. von Merkatz (DP) 1982 B Rehs (SPD) 1987 C, 1988 D, 1989 C, D, 1991 B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 1991 D Bauer (Würzburg) (SPD) . 1996 A, 1998 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . 2001 C, 2002 B Dr. Arndt (SPD) 2002 A Weiterberatung vertagt 2005 A Nächste Sitzung 2005 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Allein die Zahl der bisher schon vernommenen Zeugen beträgt insgesamt über 800. Diese so gründliche Untersuchung war angezeigt und erforderlich, um nicht nur den tatsächlichen äußeren Ablauf des Übergangs in die Sowjetzone feststellen, sondern darüber hinaus die gesamte Vorgeschichte, die Hintergründe und die Verbindungen dieses Falles aufdecken zu können.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Die nachdrückliche Verfolgung aller sachdienlichen Hinweise gibt uns die Wahrscheinlichkeit, daß alle Stellen, die mit John in Verbindung gestanden haben oder etwa stehen könnten, auf ihre Verläßlichkeit eingehend und sorgfältig geprüft werden.
    4. Die eingeleiteten Untersuchungen werden mit dem Ziel geführt, endgültige und vollständige Klarheit zu schaffen. Die Bundesregierung wird sich dabei weder von irgendwelchen Wünschen
    noch gar von vorgefaßten Meinungen leiten lassen. Ihr liegt nur daran, die Wahrheit zu ermitteln und alle Zusammenhänge aufzudecken.
    Um diese Untersuchung zu unterstützen, ist für die restlose Aufklärung eine Belohnung von 500 000 DM ausgesetzt worden.

    (Abg. Dr. Menzel: Hat sich schon einer gemeldet?)

    Die Höhe der Summe erscheint gewiß ungewöhnlich

    (Abg. Mellies: Kann man wohl sagen!)

    und ist von mancher Seite zunächst nicht verstanden worden. Die Aufklärung im Kalten Krieg verlangt aber ungewöhnliche Mittel.

    (Lachen bei der SPD.)

    Zur restlosen Aufklärung gehört die Feststellung, ob John, wie von manchen Seiten behauptet wird, seit Jahr und Tag ein ungewöhnlich geschickter kommunistischer oder sowjetischer Agent war oder ob er in der Nacht vom 20. zum 21. Juli in plötzlichem Entschluß seiner Regierung die Treue brach und den kommunistischen Machthabern erlag. Darüber hinaus gilt es, das östliche Agentennetz aufzudecken, das möglicherweise in seinem Falle tätig war, und die Zusammenhänge mit früheren Organisationen, die wie die „Rote Kapelle" von kommunistischer Seite gesteuert waren und heute vielleicht noch Kontakte zu ihren einstigen Auftraggebern haben.
    5. Die restlose Aufklärung dieses Falles ist, wie das Hohe Haus ohne weiteres zugestehen wird, von großer Bedeutung. Aus ihr ergeben sich wichtige Folgerungen für das von John früher geleitete Amt. War John ein langjähriger Verräter im sowjetischen Auftrag, so wird dadurch sein Mitarbeiter-, sein Bekannten- und Freundeskreis in ganz anderen Weise betroffen, als wenn John plötzlich in das gegnerische Lager übergegangen ist. Darüber werden wir den letzten Aufschluß vielleicht nur von Menschen oder Stellen erhalten, die durch die ungewöhnliche Höhe der Belohnung angezogen werden können und sollen. Wenn der Fall John in der Tat den größten politischen Skandal der Bundesrepublik darstellt, dann müssen dessen restlose Aufklärung und die Aufdeckung und Unschädlichmachung der Helfershelfer sicher eine halbe Million Mark wert sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    6. John wird von der Gegenseite als ein Mittel der Propaganda und der politischen Zersetzung benutzt. Bei aller Bedeutung, die dem Fall zukommt, wäre es falsch, sich über den sachlichen Schaden, den John durch Verrat von Geheimnissen anrichten kann, übertriebene Vorstellungen zu machen. Die Frage: „Was hat er und was konnte er verraten?", beschäftigt die Öffentlichkeit mit Recht. Die Hauptgegenstände, auf die sich die Ausspähung und der Verrat im Kalten Krieg in der ganzen Welt richten, sind infolge der Lage, in der sich die Bundesrepublik befindet, hier nicht vorhanden. Die Bundesrepublik hat kein Militär, sie hat keinen Generalstab, sie hat keine Aufmarschpläne, die dem Gegner in die Hand gespielt werden könnten; sie besitzt keine geheime Rüstungsindustrie und keine verborgenen Waffenarsenale, deren Produktionsziffer oder deren Lage auszuspionieren wären; es gibt in der Bundesrepublik auch keine Forschungsstellen im Dienst der Rüstung, aus denen etwa die Formel für die Herstellung neuer Waffen


    (Bundesminister Dr. Schröder)

    verraten werden könnte. John war Leiter einer Behörde, deren Aufgabe es ist, rechts- oder linksradikale Bewegungen, die auf den Umsturz der im Grundgesetz gegebenen staatlichen Ordnung ausgehen, zu beobachten und darüber zu berichten. Sein Amt hatte Nachrichten zu sammeln. Es ist abwegig, ihn, wie das in der Öffentlichkeit häufig geschehen ist, als einen Abwehrchef zu bezeichnen. Der Vergleich mit Canaris ist nicht nur zu hoch gegriffen, sondern falsch.
    Zur Frage, ob John Agenten verraten konnte oder verraten hat, wiederholt die Bundesregierung hier die bereits abgegebene Erklärung, daß nach den Feststellungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz Verhaftungen im Zusammenhang mit dem Fall John nicht erfolgt sind. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist im übrigen ebenso wie andere Nachrichtendienste so aufgebaut, daß, wie alle Fachleute wissen, der Leiter nicht selbst über Agentenlisten verfügt. Diese Feststellungen sollen nicht dazu dienen, den Fall in irgendeiner Weise zu verkleinern; sie haben nur den Zweck, die Vorstellungen über diesen Fall auf das richtige Maß zurückzuführen. Die Bundesregierung spricht mit aller Offenheit. Sie hat und hatte niemals die Absicht, in dieser Affäre irgend etwas zu verschweigen oder gar zu vertuschen.
    7. Die Öffentlichkeit ist besonders an einer näheren Aufklärung darüber interessiert, wie John in sein Amt gekommen ist. Die Tatsachen seiner Einstellung sind folgende: Als das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 in Kraft trat, hatten bereits viele Monate umfassende Verhandlungen mit den alliierten Sicherheitsdirektoren über die Berufung der leitenden Persönlichkeiten des künftigen Bundesamtes für Verfassungsschutz stattgefunden. Die Alliierten hatten sich ein Einspruchsrecht für das Personal dieses Amtes ausdrücklich vorbehalten. Der erste, bereits am 16. März 1950 vorgeschlagene Leiter des künftigen Amtes fand ebensowenig Zustimmung wie drei weitere, später präsentierte Kandidaten. Vier andere in Aussicht genommene Persönlichkeiten lehnten die Übernahme des Amtes ab. Trotz einer Intervention des Herrn Bundeskanzlers selbst am 11. Juli 1950 bei dem britischen Hochkommissar gelang es bis zur Verkündung des Verfassungsschutzgesetzes nicht, die Einsprüche der Alliierten gegen die deutschen Kandidaten zu beseitigen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Das war die Freiheit des EVG-Vertrages! — Lachen und Unruhe bei den Regierungsparteien.)

    — Meine Damen und Herren, ich erlaube mir, den Herrn Zwischenrufer daran zu erinnern, daß wir einstweilen noch unter der Herrschaft des Besatzungsstatuts leben und daß unser intensivstes Bemühen dem Tage gilt, an dem wir diese Fessel beseitigt haben werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In dieser schwierigen Lage tauchte der Name von Dr. John auf, einer Persönlichkeit, deren antinationalsozialistische Einstellung nicht bestritten werden konnte und die von namhafter politischer Seite bereits mehrfach empfohlen war. Die Berufung Johns wurde im November 1950 mit der Alliierten Hohen Kommission erörtert. Sie erklärte
    wenige Wochen darauf, gegen diese Kandidatur I keinen Einspruch einzulegen. Die Opposition wurde von diesem Vorschlag unterrichtet und erhob ebenfalls keine Bedenken.

    (Lebhafte Rufe bei den Regierungsparteien: Hört! Hört! — Zuruf von der SPD: Woher sollten wir das wissen? — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Daraufhin wurde Dr. John Anfang Dezember 1950 mit der kommissarischen Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz betraut.
    8. Dr. John ist dann fast ein Jahr lang nur kommissarisch verwendet worden. Dies erklärt sich daraus, daß gegen ihn Bedenken wegen seiner Tätigkeit bei der Überprüfung kriegsgefangener Offiziere in England, wegen seines Auftretens vor dem amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg im Jahre 1948 und wegen seiner Tätigkeit im Manstein-Prozeß in Hamburg im Jahre 1949 erhoben wurden. Diese Bedenken, die unter anderen der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion erhoben hatte, wurden überprüft. Unter den gegebenen Verhältnissen erschienen sie nicht durchschlagend. Das Kabinett hat dann in seiner Sitzung vom 26. Oktober 1951 die Ernennung von Dr. John bei einer Stimmenthaltung beschlossen.
    Was die Eignung Johns für den öffentlichen Dienst angeht, so hat sich die Bundesregierung damals in Übereinstimmung mit dem Hohen Hause befunden. Ich verweise auf die Verhandlungen vor dem Untersuchungsausschuß des 1. Bundestages, dem die Prüfung der Personalpolitik im Auswärtigen Amt oblag und dessen Einsetzung von derselben Seite beantragt worden war wie jetzt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Fall John. Jener Ausschuß hat in seinem Schriftlichen Bericht vom 18. Juni 1952 auch die Behandlung einer Bewerbung Johns für den Auswärtigen Dienst geprüft. Er hat in diesem Bericht festgestellt, daß über John von mehreren Seiten beste Auskünfte vorlagen.

    (Hört! Hört!)

    Schließlich hat der Ausschuß, nachdem seitens des Auswärtigen Amts eine positive Entscheidung über die Einstellung Dr. Johns nicht erfolgt war, im Zusammenhang damit dem mit der Sache betrauten Beamten der Personalabteilung des Auswärtigen Amts „einen außerordentlich eingeengten Horizont" und „eine bestimmte Beschränktheit der Aspekte" vorgeworfen.

    (Lachen in der Mitte und rechts. — Zuruf von der CDU/CSU: Einschließlich der SPD!)

    9. Ich für meine Person, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehe nicht an, zu erklären, daß die Berufung von John objektiv ein Fehler gewesen ist.

    (Beifall in der Mitte.)

    Dieser Fehler lag nach meiner Meinung darin, daß die Tätigkeit Johns außerhalb Deutschlands Angriffs- und Gefahrenquellen barg, die bei dem Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht gegeben sein durften.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Eine andere Besetzung seiner Stelle war daher bereits seit einiger Zeit vorgesehen. Zwingende Gründe aus der Amtsführung des Dr. John, die seine sofortige Enthebung unabweisbar gemacht hätten, lagen nicht vor und haben sich auch aus der bisherigen Untersuchung nicht ergeben.


    (Bundesminister Dr. Schröder)

    10. Bei der Erörterung des Falles ist des öfteren
    auch das Thema der Widerstandskämpfer des
    20. Juli 1944 und die Frage der Emigranten behandelt worden. Dazu hat der Herr Bundeskanzler in
    seiner Rundfunkerklärung vom 6. August 1954 bereits Stellung genommen. Ich darf hier an seine
    Worte erinnern. Der Herr Bundeskanzler erklärte: Wir dürfen unter keinen Umständen in einen Kampf aller gegen alle verfallen und eine politische Schnüffelei treiben, die das gegenseitige Vertrauen zerstört. Es waren zur Zeit des Nationalsozialismus und insbesondere, als Deutschland in Blut und Feuer unterzugehen drohte, besondere Verhältnisse, die mit besonderen Maßstäben gemessen werden mußten. Wer aus Liebe zum deutschen Volk es unternahm, die Tyrannei zu brechen, wie das die Opfer des 20. Juli getan haben, ist der Hochschätzung und Verehrung aller würdig. Wer damals in die Emigration gegangen ist, verdient keinen Tadel. Er hat in der Emigration, wenn er ein ehrlicher Deutscher war, ebenfalls schwer gelitten.
    11. Die vordringliche Sorge der Bundesregierung nach Bekanntwerden von Johns Übertritt war — abgesehen von der sofortigen Einleitung einer umfassenden Untersuchung — die Wiederbesetzung seiner Stelle durch eine in jeder Beziehung geeignete Persönlichkeit. Kaum 24 Stunden nach Bekanntwerden seines Verschwindens wurde durch den Bundesminister des Innern die Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, zunächst kommissarisch, übertragen. Die sofort angeordnete Überprüfung des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist im Gange. Ein Bericht darüber wird später erstattet werden.
    12. Der Fall John als solcher ist zu trennen von den Fragen, die mit der Organisation und den Arbeitsmethoden des Verfassungsschutzes zusammenhängen. Das große organisatorische Problem einer Reform des Verfassungsschutzes ist von der Bundesregierung in ihrer Erklärung vom 8. Juli vor diesem Hause bereits behandelt worden. Als wesentliche Gesichtspunkte aus der damaligen Erklärung der Bundesregierung darf ich die folgenden ins Gedächtnis zurückrufen: Gesetzestreue und demokratische Zuverlässigkeit des im Verfassungsschutz tätigen Personals, Wahrung nicht nur der Erfordernisse der Staatssicherheit, sondern auch aller berechtigten Interessen der betroffenen Staatsbürger, Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf diesem für die Sicherheit unseres Volkes so wichtigen Gebiet.
    13. Der Fall John, meine Damen und Herren, ist eingangs als eine Schlappe der Bundesrepublik im Kalten Krieg bezeichnet worden. Die Sowjets, deren Helfershelfer in Pankow John jetzt als eine Beutefigur herausstellen, haben selbst im Kalten Krieg viele ihrer Leute verloren, angefangen mit Gouzenko, dem Leiter der Code-Abteilung der sowjetischen Botschaft in Kanada, bis zu Petrow und Rastworow, der eine Spionageleiter in Australien, der andere Leiter der sowjetischen Spionage in Japan. Die Sowjets glaubten sogar vor einigen Monaten Berija, den obersten Chef dieser Art ihrer Kriegführung, liquidieren zu müssen, da er, wie sie sagten, Verrat plante. Die Erfahrungen dieser Jahre lehren, daß weder der totalitäre, noch der demokratische Staat hier gegen Verluste gesichert sind. Großbritannien mußte das Verschwinden hoher Beamter des Auswärtigen Amtes, McLean
    und Burgess, hinnehmen. Die Vereinigten Staaten mußten sich damit abfinden, daß Alger Hiss, der Berater des Präsidenten der USA, als Spion entlarvt wurde.
    14. Die Lage Deutschlands in dem weltweiten Kalten Krieg wird dadurch verschärft, daß ein Eiserner Vorhang unser Vaterland zerrissen und zerteilt hat. Wenn die Pankower Propagandisten glauben, John als jemanden vorstellen zu können, der bei ihnen Freiheit und Sicherheit gefunden hätte, dann werden sie durch den ununterbrochenen Flüchtlingsstrom vom Osten in den Westen Lügen gestraft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In ,diesem Flüchtlingsstrom befinden sich bekannte Namen und ungezählte Namenlose. Wir könnten hier die 61 führenden Politiker und Funktionäre aufzählen, die seit 1951 aus der Sowjetzone nach West-Berlin oder in die Bundesrepublik geflüchtet sind. Fünf von ihnen waren Mitglieder der Pankower Regierung, 13 gehörten den Länderregierungen der Sowjetzone an, 28 waren maßgebende Vertreter sowjetzonaler Ministerien. In dem Flüchtlingsstrom befinden sich auch die 14 500 Offiziere und Mannschaften der Volkspolizei, die seit 1952 nach Westen übergetreten sind.

    (Zuruf des Abg. Mellies.)

    Nahezu jeder zehnte Bewohner der Sowjetzone hat seit 1949 den Weg aus der Unfreiheit in die Freiheit genommen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Fast zwei Millionen sind es, die in der Bundesrepublik Schutz vor den Nachstellungen und Bedrükkungen des östlichen Systems suchten. Gewaltig aber ist auch die Zahl derer, die drüben still und mit zusammengebissenen Zähnen ausharren und mit heißem Herzen den Tag der Wiedervereinigung in Freiheit herbeisehnen,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    jene Stunde, da in unserem Vaterland die Grenzen fallen und wir uns alle wieder als ein einig Volk von Brüdern zusammenfinden.

    (Lachen bei der SPD. — Stürmische Rufe von den Regierungsparteien zur SPD: Unerhört! Pfui! — Gegenruf von der SPD: Ihr Heuchler!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, welcher Abgeordnete das Wort „Heuchler" gebraucht hat. Ich weiß auch nicht, welcher gelacht hat. Mir scheinen beide Vorgänge in diesem Augenblick bei dieser Feststellung des Herrn Ministers der Würde des Hauses in jeder Weise zu widersprechen.

(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, ich wiederhole den Satz, bei dem ich unterbrochen wurde: Gewaltig aber ist auch die Zahl derer, die drüben still und mit zusammengebissenen Zähnen ausharren und mit heißem Herzen den Tag der Wiedervereinigung in Freiheit herbeisehnen, jene Stunde, da in unserem Vaterland die Grenzen fallen und wir uns alle wieder als ein einig Volk von Brüdern zusammenfinden.

    (Zuruf von der SPD: Das ist unser Anliegen!)



    (Bundesminister Dr. Schröder)

    1 An diesem Tage, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird uns ein Fall John nur noch wie ein böser Spuk vorkommen, der uns eine kurze Spanne Zeit zu verwirren drohte, der aber unsere Kräfte nicht erlahmen ließ, um für das ganze Deutschland jenen Tag der Freiheit herbeizuführen, der heute im Munde eines verächtlichen Überläufers schändlich mißbraucht wird.

    (Beifall in der Mitte.)

    Nachdem ich dies vorausgeschickt habe, meine Damen und Herren, habe ich die Ehre, namens der Bundesregierung die Große Anfrage wie folgt zu beantworten. Ich wiederhole der Verständlichkeit halber die gestellten Fragen:
    1. Was hat die Bundesregierung unternommen, um ihre Verpflichtung zur Dienstaufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz, dessen Arbeiten und die Tätigkeit des bisherigen Leiters, Dr. John, zu erfüllen?
    Die Dienstaufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz ist mit Rücksicht auf die schwierigen Aufgaben des Amtes besonders sorgfältig gehandhabt worden. Einstellungen erfolgten nur nach genauer Überprüfung auf Grund aller inländischen Auskunftsquellen, insbesondere von Referenzen zuverlässiger Persönlichkeiten

    (Zuruf von der SPD: Von Nazis!)

    und auf Grund getrennter Nachforschungen aller drei Sicherheitsdienste der Alliierten. Während das Bundesministerium des Innern im Jahre 1953 die Ausübung des Rechts zur Ernennung vom Oberinspektor abwärts grundsätzlich auf die ihm unterstellten Bundesoberbehörden übertrug, wurde das Bundesamt für Verfassungsschutz von dieser Regelung bewußt ausgenommen. Ernennungen und Beförderungen von Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz sind nach wie vor nur mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern möglich.
    Auch die laufende und enge Verbindung, in der das Bundesamt mit dem Bundesministerium des Innern gestanden hat, hat Anlaß gegeben, die Arbeiten des Bundesamts und die Tätigkeit des bisherigen Leiters ständig zu überwachen. In dem Dienstgebäude des Amtes haben wöchentliche Routinebesprechungen zwischen Vertretern des Ministeriums und den leitenden Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz stattgefunden.
    Ich komme zur Frage
    1 a) Stimmt es, daß bereits seit langem Bedenken gegenüber dem bisherigen Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. John, bestanden?
    Was hat die Bundesregierung getan, um fest-
    zustellen, ob diese Bedenken berechtigt sind?
    Die Antwort lautet wie folgt: John ist im Jahre 1952 eines Ostkontaktes, nämlich der Beziehungen zu einer Ost-West-Handelsgesellschaft, und der Unterhaltung eines Bankkontos in der Schweiz verdächtigt worden. Der zuständige Abteilungsleiter des Bundesministeriums des Innern hat sofort Untersuchungen eingeleitet und John überwachen lassen. Diese umfassenden Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte für den Verdacht erbracht.
    Für die in der Presse nach dem Übertritt Johns wiederholt aufgetauchte Behauptung einer homosexuellen Betätigung Johns haben sich keine Verdachtsgründe ergeben.
    Im übrigen haben sich auch sonst während der Amtsführung Johns keine Tatbestände ergeben, die ein disziplinäres Einschreiten erforderlich gemacht hätten.
    Ich komme zu
    1 b) Waren ihr insbesondere die Beziehungen Dr. Johns zu Dr. Wohlgemuth und von Putlitz bekannt?
    Die Antwort lautet: Nein.
    lc) Trifft es zu, daß Dr. John Mitglied des „Demokratischen Kulturbundes" war?
    Die Antwort lautet: Hiervon ist nichts bekannt.
    1d) Stimmt es, daß gegen Dr. John vor dem Amtsgericht in Köln ein Strafverfahren wegen Trunkenheit am Steuer schwebt? Wann ist die Tat begangen worden? Was hat der Bundesminister des Innern veranlaßt, als er von dem Strafverfahren erfuhr?
    Die Antwort lautet: Es hat kein Strafverfahren wegen Trunkenheit stattgefunden. Es erging lediglich ein Strafbefehl des Amtsgerichts Köln vom 2. Dezember 1953 über 50 DM wegen Körperverletzung und Verkehrsgefährdung, begangen am 28. April 1953. John wurde beschuldigt, aus dem von einem Fahrer seines Amtes gesteuerten Pkw während eines Halts auf offener Straße ausgestiegen zu sein und durch das Öffnen der Wagentür einen rechts vorbeifahrenden Radfahrer fahrlässig verletzt zu haben. John hatte Einspruch eingelegt. Die Sache fällt unter die Amnestie. Das Zivilverfahren ist noch anhängig. Es bestand niemals der Verdacht der Trunkenheit.

    (1 oder gesammelt oder ausgewertet hat? Die Antwort lautet: Nach Auskunft der Organisation Gehlen hat sie Material über die Person Johns vor dessen Übertritt in die Sowjetzone weder besessen noch gesammelt noch ausgewertet. 1f)

    Die Antwort lautet: Der Bundesregierung ist weder früher noch jetzt solches Material von irgendwelchen inländischen oder ausländischen Stellen zugegangen.
    2. In welchem Umfange sind in der letzten Zeit Verhaftungen in der sowjetisch besetzten Zone wegen des Verdachtes sogenannter Agententätigkeit erfolgt?
    Stehen diese Verhaftungen in einem Zusammenhang mit dem Fall John?
    Die Antwort lautet: Nach den Feststellungen des Bundesamts für Verfassungsschutz sind Verhaftungen im Zusammenhang mit dem Fall John nicht erfolgt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Die Frage 3 wird dahin beantwortet: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat solches Material weder gesammelt noch ausgewertet noch auswerten lassen.
    4. Wie viele Organisationen gibt es zur Zeit in Deutschland, die sich mit einer vertraulichen Beschaffung von politischem Material befassen?


    (Bundesminister Dr. Schröder)

    Die Antwort lautet: Ich verweise auf meine Ausführungen in der Verfassungsschutzdebatte des Deutschen Bundestages am 8. Juli 1954.
    5. Bestehen geheime Abkommen zwischen den Vertragsmächten des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und
    — hier steht: des Generalvertrages —
    des Deutschland-Vertrages

    (Zurufe von der SPD)

    über eine Zusammenarbeit von politischen Nachrichtendiensten?
    Antwort: Geheime Abkommen der genannten Art zum Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft bestehen nicht. Auch zum Bonner Vertrag bestehen keine derartigen Abkommen.

    (Abg. Dr. Menzel: Das Schreiben des Herrn Dr. Lenz?)

    — Hören Sie doch bitte zu!

    (Zuruf von der SPD: Was ist das für ein Ton! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Es hat lediglich ein mündlicher und schriftlicher Gedankenaustausch über eine später abzuschließende Vereinbarung zur Durchführung des Truppenvertrages auf dem Gebiete des Nachrichtendienstes stattgefunden.
    6a) Welche Folgerungen denkt die Bundesregierung aus dem Fall John zu ziehen?
    Zur Beantwortung darf ich auf die Ausführungen verweisen, die ich eingangs gemacht habe.
    6b) Ist die Bundesregierung bereit, eine ständige Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz durch den Bundestag zu gewährleisten?
    Die Antwort lautet: Die Bundesregierung ist hierzu im Rahmen der Zuständigkeit des Bundestagsausschusses zum Schutze der Verfassung bereit.
    Das sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, die formulierten Antworten auf die Große Anfrage. Von den Kollegen Mellies und D r. Menzel sind eine Reihe von Punkten vorgetragen worden, insbesondere über das Verhältnis des Bundesministers des Innern zum Bundestagsausschuß zum Schutze der Verfassung, auf die ich im Laufe der Debatte weiter eingehen werde. Mir liegt nur daran, einige wesentliche Punkte hier vorweg klarzustellen, damit kein falscher Eindruck entsteht.
    Die stenographischen Protokolle über die Aussprachen, die ich in dieser Sache mit dem Bundestagsausschuß zum Schutze der Verfassung gehabt habe, umfassen etwa 400 Seiten. Ich bedaure, daß dieser Ausschuß, obwohl seine Vertraulichkeit, wie auch diese Debatte bereits ergeben hat, in keiner Weise gewahrt wird, ein vertraulicher Ausschuß ist. Ich wäre sonst gern bereit, alles, was ich dort gesagt habe, der Öffentlichkeit mit dem Ziele zur Verfügung zu stellen, jeden falschen Eindruck, der vielleicht sonst bei einer ungeordneten Durchbrechung der Vertraulichkeit entstehen könnte, klarzustellen. Mit Rücksicht auf den vertraulichen Charakter des Ausschusses werde ich mich hier weiter zurückhalten.

    (Abg. Meitmann: Herr Minister, sagen Sie es jetzt, was nicht vertraulich behandelt worden ist und wer es getan hat! — Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    — Herr Kollege Meitmann, wenn Sie das gleich hier hören wollen, dann darf ich dem Hohen Hause folgendes mitteilen, was ich sonst mit Rücksicht auf andere Dinge nicht getan hätte. Meine Damen und Herren, die erste Sitzung des Ausschusses zum Schutze der Verfassung, in der ich über diese Sache berichtet habe, umfaßt ein stenographisches Protokoll von rund 200 Seiten. Noch während ich sprach
    — in einem Kreis, der sich durch Vertreter aus allen möglichen Stellen auf etwa 70 Personen, ich wiederhole: etwa 70 Personen, ergänzt hatte —, wurde draußen Meldungen über den Inhalt dessen, was ich sagte, durchtelefoniert.

    (Hört! Hört! in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Von wem?)

    Dieses Vorkommnis ist nach der ersten Sitzung im Ausschuß selbst lebhaft getadelt worden, u. a. auch, wie das Protokoll ergeben wird, von zwei Vertretern der Opposition, die hier anwesend sind.

    (Zuruf von der SPD: Na also!)

    Meine Damen und Herren, ich — —

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen] : An wen ist telefoniert worden?)

    — Meine Damen und Herren, ich berichte hier Tatsachen.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    — Ich berichte hier Tatsachen! Welche Schlüsse Sie aus diesen Tatsachen ziehen wollen, das ist Ihre eigene Sache.

    (Erneute lebhafte Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Schmid [Tübingen]:: Von wem ist an wen telefoniert worden? — Abg. Ollenhauer: Bitte, Herr Schröder, wer hat telefoniert? — Weiterer Zuruf von der SPD: Sie machen Andeutungen!)

    — Ja, meine Damen und Herren, das, was ich hier sage, ist, wie das Protokoll der zweiten Ausschußsitzung ergeben wird, eingehend in dem Ausschuß besprochen worden.
    Ich gehe noch ein Stück weiter. Ich habe bei der anschließenden Konferenz der Innenminister der deutschen Länder in der Hand eines der Beteiligten ein langes offenes Fernschreiben über das gesehen, was ich im Ausschuß gesagt habe. Meine Damen und Herren, wenn Sie glauben, daß die Bundesregierung unter solchen Arbeitsbedingungen in der Lage sei, Staatsgeheimnisse vor 70 Leuten zu behandeln, dann muß ich Ihnen erklären, daß ich eine andere Auffassung von Staatssicherheit habe.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Wenden Sie sich an die Innenminister! — Abg. Ollenhauer: Sie haben hier den Bundestagsausschuß angegriffen; den Beweis haben Sie nicht erbringen können!)

    — Jedes Wort, was ich hier gesagt habe, steht protokollarisch fest und läßt sich beweisen.

    (Abg. Meitmann: Welches Ausschußmitglied hat die Vertraulichkeit gebrochen? — Abg. Dr. Menzel tritt vor ein Mikrophon für Zwischenbemerkungen.)

    Ich komme zum Schluß.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    — Ich bin nicht bereit, mich in diesem Augenblick unterbrechen zu lassen.

    (Stürmische Zurufe von der SPD. — Zuruf links: Abtreten!)