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ID0204200600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1954 1941 42. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. September 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1941 D Nachruf für den verstorbenen Abg. Ten- hagen 1942 A Anteilnahme des Bundestages am Tode des Staatsoberhauptes der Republik Brasilien Dr. Vargas 1942 B Gedenkworte des Präsidenten für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Algerien . 1942 B Mandatsverzicht des Abg. Dr. Middelhauve 1942 B Eintritt der Abg. Held (Lemgo) und Mißmahl in den Bundestag 1942 B Übertritt des Abg. Meyer-Ronnenberg von der Fraktion des GB/BHE zur Fraktion der CDU/CSU 1942 B Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Dr. Müller (Bonn), Neumayer, Jahn (Frankfurt), Frau Welter (Aachen), Brockmann (Rinkerode), Bock, Dr. Königswarter, Ruhnke, Frau Dr. Steinbiß, Dr. Leverkuehn, Dr. Zimmermann, Reitzner, Platner 1942 C Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1942 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 44, 79, 81, 83, 85, 87, 90, 91, 92, 95, 96, 97, 99 und 103 (Drucksachen 388, 770; 620, 747; 631, 786; 636, 764; 639, 761; 641, 748; 670, 756; 671, 777; 672, 766; 704, 776; 726, 778; 706, 808; 737, 773; 779, 797) 1943 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall John (Drucksache 767) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Falle John (Drucksache 768) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Mißbilligung des Verhaltens des Bundesministers des Innern (Drucksache 769) 1943 C Präsident D. Dr. Ehlers . . 1943 C, 1945 C, 1953 D, 1959 A Mellies (SPD), Anfragender . . . 1943 D, 1944 B, 1945 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 1944 B, 1974 A Dr. Menzel (SPD), Anfragender und Antragsteller . . . 1947 C, 1959 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern . . . 1953 B, 1954 A, 1959 A, 1991 A, 1998 D Kiesinger (CDU/CSU) . . 1959 D 1965 C, D, 1988 C, 1989 C, D Schoettle (SPD) 1965 B, D Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) . . . . 1966 A Dr. von Brentano (CDU/CSU): zur Geschäftsordnung 1974 B zur Sache 1993 B Unterbrechung der Sitzung . 1974 B Dr. Dehler (FDP) 1974 B Dr. Gille (GB/BHE) . . . 1977 A, 1978 C, 1979 A, 1981 D Erler (SPD) 1978 B, C Dr. Lütkens (SPD) . . . . 1978 D, 1979 A Welke (SPD) 1981 C Dr. von Merkatz (DP) 1982 B Rehs (SPD) 1987 C, 1988 D, 1989 C, D, 1991 B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 1991 D Bauer (Würzburg) (SPD) . 1996 A, 1998 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . 2001 C, 2002 B Dr. Arndt (SPD) 2002 A Weiterberatung vertagt 2005 A Nächste Sitzung 2005 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Ehlers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Abgeordneter Mellies, wenn der Herr Bundeskanzler die Mißachtung des Parlaments zum Ausdruck gebracht hätte, hätte jeder amtierende Präsident das gerügt und die entsprechenden Maßnahmen getroffen. Das ist aus dem Protokoll nicht zu ersehen. Ich stelle das fest.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD. — Abg. Erler: Der Präsident nimmt nicht an der Debatte teil! — Gegenruf von der Mitte: So geht es doch nicht!)

    Mellies (SPD), Anfragender: Ich glaube, Herr Präsident — gestatten Sie mir diese Bemerkung —, daß eine solche Mißachtung nicht nur in Worten zum Ausdruck kommen kann.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Sie erinnern sich an die Aussprache zum Haushalt des Bundeskanzleramts. Damals hat sich der Bundeskanzler zu seiner Methode der grundlosen Verdächtigung der Opposition im Wahlkampf von dieser Stelle aus bekannt,

    (Zustimmung bei der SPD)

    und er hat dabei starken Beifall bei seiner Fraktion gefunden.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Aber die Durchführung dieser Methode würde doch den schnellen Verfall der Demokratie bedeuten. Denn die Folge wäre, daß das Vertrauen zu den politischen Parteien vorlorengeht. Ich erinnere an das Verhalten der Bundesregierung in der Frage des Bundesverfassungsgerichts. Sie alle wissen, daß damals — im Dezember 1952 — auch eine große Erschütterung durch das Volk ging, wenn sie auch mit der jetzigen Erschütterung nicht zu vergleichen ist. Das System der einsamen Beschlüsse des Bundeskanzlers, ein Verfahren, das der Demokratie widerspricht, wurde hier im Hause geradezu gefeiert. Vergessen wir auch nicht, daß das Parlament sich allzu oft als verlängerter Arm der Bürokratie fühlte.


    (Mellies)

    Diese Dinge — und ich habe hier nur eine kleine Auslese gebracht — haben ein gesundes Wachstum der Demokratie im Volke verhindert. Im Volke empfand man aber sehr stark das Ungesunde und Unhaltbare dieses Zustands. Darum mußte die Flucht von John und Schmidt-Wittmack eine solche Vertrauenskrise auslösen.
    Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Rundfunkrede zum Fall John ausgeführt: „Die wenigen fanatischen Anhänger des Nationalsozialismus, die es in Deutschland noch geben mag, verhalten sich ruhig." Nun, Herr Bundeskanzler, Sie haben hier sehr eng begrenzt und eben nur von den „fanatischen" Anhängern des Nationalsozialismus gesprochen. Aber vielleicht haben Sie auch bemerkt, wie stark sich die alten nationalistischen Kräfte nach dem Fall John wieder hervordrängten und noch weiter hervor-drängten. Die Reden, die gerade in den letzten Wochen auf verschiedenen Tagungen gehalten worden sind, sollten uns beweisen, daß man in gewissen Kreisen sehr stark Morgenluft wittert.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Was dann die Bundesregierung und vor allen Dingen der Innenminister nach der Flucht Johns taten, war noch schlimmer und schwerwiegender. Herr Innenminister, wir haben bei der Debatte über die Vulkan-Affäre und auch nachher bei der Debatte über das Bundesverfassungsschutzamt bemerkt, daß Sie offenbar nicht immer Herr im eigenen Hause gewesen sind und vielleicht auch heute noch nicht sind. Sie haben, Herr Minister, nach Ihren Maßnahmen im Fall John so ziemlich von der gesamten Öffentlichkeit bescheinigt bekommen, daß Sie — und ich glaube, das ist sehr milde augedrückt — eine höchst unglückliche Hand gehabt haben. Sie haben eine erste Erklärung herausgegeben, von der man nur sagen kann: sie war einfach eine Zumutung für die Bevölkerung der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man würde doch dem letzten Beamten eine solche Erklärung nicht abgenommen haben. Sie aber muten dem Volke zu, daß es diese Erklärung zum Fall des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzamts abnimmt. Was zwang Sie denn überhaupt, eine solche Deutung zu geben? Sie konnten doch die Frage, ob John freiwillig oder gezwungen in die Sowjetzone gegangen ist, durchaus offenlassen. Aber Sie durften doch auf keinen Fall der Bevölkerung eine solche Erklärung vorsetzen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn der Dienststellenleiter einer kleinen Behörde
    oder der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde,
    falls ein Beamter aus dieser Verwaltung einen solchen Schritt wie John getan hätte, eine solche Erklärung gebracht hätte, würden ihnen von der vorgesetzten Behörde oder von der Gemeindevertretung Dinge gesagt worden sein, die sie sich sicher
    nicht hinter den Spiegel gesteckt hätten. Ich hoffe
    in Ihrem eigenen Interesse, daß Sie an diese Erklärung selbst nicht voll und ganz geglaubt haben.
    Aber wenn Sie daran geglaubt haben, Herr Minister, welche Qualitäten haben Sie dann bei dem.
    Präsidenten dieses wichtigen Amtes vorausgesetzt?!

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Sie haben offenbar nicht die Absicht, zurückzutreten, obwohl das guten parlamentarischen Sitten in der Demokratie entsprechen würde.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Nun, meine Damen und Herren, diese Formulierung — und das wollte ich eben noch hinzufügen — stammt aus einer großen und angesehenen Zeitung in der Bundesrepublik, und Sie haben es nicht nur in einer, sondern in sehr vielen Zeitungen lesen können, daß das notwendig ist.

    (Zuruf von der SPD: „Rheinischer Merkur"!)

    Aber wenn Sie nicht zurücktreten wollen, Herr Minister, dann sollten Sie dem Hause heute wenigstens die Erklärung abgeben, daß der Beamte, der Ihnen diese Stellungnahme ausgearbeitet hat, auf ein anderes Arbeitsgebiet oder noch besser in ein anderes Ministerium versetzt worden ist, damit wir nicht befürchten müssen, daß solche Zumutungen für das deutsche Volk noch öfter aus dem Innenministerium kommen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Sie haben selbst in dem Interview im NWDR erklärt:
    Eine Regierung ist nicht dazu da, um zu spekulieren, um Thesen und Hypothesen aufzustellen; eine Regierung ist nicht dazu da, um morgen zu dementieren und übermorgen eine andere Darstellung zu geben.
    Nebenbei, Herr Minister: soviel Bosheit gegen den Bundeskanzler und vor allen Dingen gegen Ihren Kollegen aus dem Verkehrsministerium hätte ich Ihnen eigentlich gar nicht zugetraut.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) Sie fahren dann in Ihrem Interview fort:

    . . . sondern sie (die Regierung nämlich) ist auf festem Boden nur dann, wenn sie eine durch Tatsachen erhärtete Feststellung trifft.
    Aber warum haben Sie sich denn nicht an das von Ihnen selbst gegebene Rezept im Falle John gehalten? Herr Innenminister, sind Sie auch dafür verantwortlich, daß an die Hohen Kommissare die Note geschickt wurde, in der ein Schritt der westlichen Besatzungsmächte bei dem russischen Hohen Kommissar gewünscht wurde, damit eine Rücksendung Johns erfolgte?

    (Lachen bei der SPD.)

    Auch hier muß das Parlament wissen, wer für diesen unglaublichen Schritt die Verantwortung trägt, und zur Beseitigung des Mißtrauens müßten auch hier klar und eindeutig die Verantwortlichen für diese Blamage der Bundesrepublik genannt werden.
    Sie haben dann die Belohnung von 500 000 DM ausgesetzt und damit dem deutschen Volk gezeigt, wie spendabel man offenbar mit den Geldern aus dem Fonds für den Bundesverfassungsschutz ist. Besteht denn bei Ihnen kein Gefühl dafür, wie verheerend eine solche Ankündigung auf die Bevölkerung wirken muß, und sind die Honorare, die an die V-Männer gezahlt werden, etwa im Verhältnis gesehen ähnlich hoch, oder was hat Sie veranlaßt, einen solchen Schritt zu tun, der doch nur dazu geführt hat, daß die ganze Angelegenheit in den Augen der Bevölkerung noch schlimmer erschien?
    Sie haben es dann, Herr Innenminister, vorgezogen, in die Ferien zu gehen, weil nach Ihrer Auffassung im Augenblick nichts Weiteres zu veranlassen war. Auch hier haben Sie der Demokratie einen sehr schlechten Dienst erwiesen. Es geht gar nicht einmal um die Frage, ob eine tatsächliche Notwendigkeit für Ihre Anwesenheit im Ministerium


    (Mellies)

    bestand, sondern es geht um die politische Optik, die in der Demokratie eine nicht geringe Rolle spielt. Es gibt niemanden hier im Hause, der Ihnen nicht die verdienten Ferien gönnt. Wir hätten zu einem späteren Zeitpunkt bei unseren Verhandlungen gern darauf Rücksicht genommen, daß Sie einige Wochen nicht zur Verfügung stehen könnten, weil Sie die Ferien nachholen mußten; aber in diesem Augenblick der politischen Spannung das Amt zu verlassen und einen Vertreter zu bestellen, der von demokratischen Gesichtspunkten aus gesehen im In- und Ausland nach seiner politischen Vergangenheit nun wirklich nicht gerade als der ideale Hüter der Demokratie bezeichnet werden kann,

    (lebhafter Beifall bei der SPD — Abg. Samwer: Unerhört ! — Zurufe)

    das beweist doch, wie wenig Sie die politischen Notwendigkeiten erkannt haben.
    Sie haben sich auch nicht bereit gefunden, wenigstens vor dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung so Rede und Antwort zu stehen, wie es notwendig war und wie es erwartet werden konnte. Sie haben offenbar auch die Kommission, die zur Überprüfung des Amtes eingesetzt werden soll, jetzt ohne jede Verbindung mit dem Parlament bestellt. Geschah das, um heute vor dem Hause und der Öffentlichkeit den Nachweis zu erbringen, daß von Ihnen etwas geschehen ist? Vertrauen in die parlamentarische Demokratie können Sie, Herr Minister, in der Bevölkerung jetzt nur dann noch erringen, wenn man weiß, daß nach dieser Erschütterung alle Schritte im Einvernehmen mit den gewählten Vertretern des Volkes getan werden. Wenn Sie aber glauben, nach dem Vorbild Ihres Kabinettschefs eigensinnig und ohne Parlament die Dinge regeln zu können, entsteht für die Demokratie weiter erheblicher Schaden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben auf Grund aller dieser Vorgänge unsern Mißbilligungsantrag gegen den Herrn Innenminister eingebracht. Die CDU-Fraktion hat daraufhin schon den Beschluß gefaßt, daß sie weiterhin Vertrauen zu dem Innenminister habe.

    (Zuruf von der SPD: Natürlich!)

    Aber, meine Damen und Herren, es geht ja nicht um die Frage des Vertrauens oder des Mißtrauens; es geht hier um einfache und klare Tatbestände. Unser Antrag lautet:
    Der Bundestag mißbilligt das Verhalten des Bundesministers des Innern anläßlich des Übertritts des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. John, in die sowjetisch besetzte Zone Deutschlands.
    Wenn Sie unseren Mißbilligungsantrag ablehnen, billigen Sie damit das Verhalten des Bundesinnenministers in dem ganzen Falle John. Sie billigen damit die erste Erklärung, die er nach dem Übertritt Johns abgegeben hat. Sie billigen die Aussetzung der 500 000 DM Belohnung. Sie billigen den politischen Skandal mit der Absendung der Note an die Hohen Kommissare. Sie müssen sich darüber klar sein, welche Wirkung ein solches Verhalten haben wird.
    Die Sozialdemokratische Partei hat weiter den Rücktritt des Innenministers gefordert. Meine Damen und Herren, bei unserem konstruktiven Mißtrauensvotum ist es schon schwer, zu einer guten parlamentarischen Demokratie und zu einer
    echten Ministerverantwortlichkeit zu kommen. Um so sorgfältiger sollte man darauf achten, daß hier dem Genüge geschieht, was, wie ich vorhin schon einmal ausgeführt habe, den guten Sitten einer parlamentarischen Demokratie entspricht.
    Lassen Sie mich jetzt noch eins sagen, Herr Bundesinnenminister. Diejenigen, die Ihren Rücktritt anläßlich dieser Vorgänge wünschen und fordern, denken nicht nur mit großer Sorge an das Schicksal der parlamentarischen Demokratie, sondern sie meinen es auch mit Ihnen und Ihrer politischen Zukunft gut.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Dr. Menzel das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Menzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast zwei Monate liegen zwischen der Flucht Johns und der heutigen Aussprache, die viel zu spät kommt, und noch immer fühlt sich die Bevölkerung draußen mit Recht verraten und verkauft, weil die Regierung offensichtlich der Situation nicht gewachsen war und jeweils das Verkehrteste tat, was sie tun konnte. Sie merkte offenbar gar nicht, wie tief diese beiden Vorfälle, die Flucht von John und die Flucht von Schmidt-Wittmack, das rechtsstaatliche — —

    (Abg. Dr. Gille: Überläufer! — Abg. Haasler: Vor wem floh er?)

    — Was hat er dann nach Ihrer Meinung getan?

    (Abg. Haasler: Übergelaufen ist er! — Lachen bei der SPD und rechts. — Abg. Dr. Gille: Aber warum?)

    — Nun fragen Sie auch noch warum! (Abg. Dr. Gille: Darauf kommt es aber an!)

    Aber das ändert ja nichts an der Tatsache, Herr Kollege, daß die Regierung, und das ist doch das Entscheidende, gar nicht gemerkt hat, wie durch diese beiden Vorfälle das rechtsstaatliche Gefüge beeinflußt wurde und wie sie das leider noch immer bestehende Mißtrauen gegen den neuen Staat neu beleben mußten. Daher sind die kläglichen Versuche des Innenministers und der Regierung, mit den beiden Fällen John und Schmidt-Wittmack fertigzuwerden, politisch noch viel ernster zu nehmen und bedauerlicher als die Fälle selbst.
    Anstatt etwas aus dem Fall John zu lernen, beging man die gleichen Fehler, als Schmidt-Wittmack ausriß, ein Fall, der noch einmal die Tragik unterstrich, in die unsere Innenpolitik seit langem geraten ist. So häufte die Regierung einen Fehler auf den anderen, vermied jede rücksichtslose Offenheit, die notwendig gewesen wäre und zu der sich der Innenminister nicht einmal in den vertraulichen Sitzungen des Ausschusses zum Schutze der Verfassung hat aufraffen können. Was uns der Innenminister dort zumutete, war im wesentlichen doch nur die Wiederholung längst überholter und abgestandener Erklärungen, die er tags zuvor schon der Presse gegeben hatte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Der Ausschuß zum Schutze der Verfassung war gerade deswegen zusammengetreten, um sich wegen der berechtigten Erregung und der berechtigten Beunruhigung der Öffentlichkeit darüber Gewißheit zu verschaffen, daß zur Aufklärung des


    (Dr. Menzel)

    Falles John alles Erdenkliche geschehe. Aber der Innenminister verweigerte jede Aufklärung, die über das von ihm bereits der Presse Mitgeteilte hinausging, mit dem sehr fadenscheinigen Hinweis, der Oberbundesanwalt habe nun das Wort. Natürlich, meine Damen und Herren, hat der Fall John auch eine kriminelle Seite, aber das Schwergewicht lag doch und liegt noch heute auf dem p o l i t i s c h en Gebiet. Daß der Innenminister weder damals erkannt hat noch anscheinend auch heute erkennt, daß es sich in erster Linie um eine politische und nicht um eine kriminelle Frage handelt, das ist der schwerste Vorwurf, den man einem Innenminister machen kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aus dieser völlig falschen Einstellung zu den Problemen, die hier auf die deutsche Politik zukamen, hat der Innenminister durch sein Verhalten zur Lösung der entstandenen Probleme überhaupt nichts beigetragen, die Lösung vielmehr durch sein Verhalten noch erschwert. Noch — es ist blamabel, das sagen zu müssen — in der vorigen Woche, am 10. September, erklärte der Herr Innenminister in dem Ausschuß, es sei in diesen beiden Fällen seit dem 3. August nichts Neues hinzugekommen, und er habe daher nicht viel zu berichten. Das ist eine Zeitspanne von sechs Wochen. Der Innenminister tat so, als ob der Fall Schmidt-Wittmack ihn als Innenminister überhaupt nichts anginge. Aber gleichzeitig hatte er seiner eigenen Fraktion zweimal berichtet und den Ausschuß zum Schutze der Verfassung übergangen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, als ich in der Plenardebatte vom 8. Juli über die Arbeitsmethoden und die Mängel des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Regierung warnte, an unseren Sorgen wegen der Übergriffe dieses Amtes achtlos vorbeizugehen, als ich von der Beunruhigung weiter Kreise über die neuen Methoden der Überwachung, der Schnüffelei und der Bespitzelung sprach, war es Herr Kollege Kiesinger, der mir antwortete, ich hätte wohl ein zu düsteres Bild entworfen. Aber heute, glaube ich, wird mir Herr Kollege Kiesinger zugeben müssen, daß mein damaliger Pessimismus noch gar nicht groß genug gewesen ist. Denn wie konnte es kommen, daß ein Mann, dem als Präsident des Verfassungsschutzamtes die Freiheit der Deutschen anvertraut war, selbst in die Unfreiheit desertierte und daß ein führendes Mitglied der CDU-Fraktion später den gleichen Weg ging?
    Nun einige Ergänzungen zu den einzelnen Fragen, die wir in der Großen Anfrage gestellt haben. Zunächst möchten wir wissen, Herr Bundesinnenminiser, was haben Sie unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Falles John getan? Sie werden uns wahrscheinlich heute antworten, Sie hätten zunächst einen neuen kommissarischen Leiter bestellt. Herr Innenminister, das ist eine ganz selbstverständliche, verwaltungsmäßig-routinemäßige Angelegenheit. Uns interessiert hier, was Sie politisch veranlaßt haben, um neue Vorfälle zu vermeiden und den Dingen auf den Grund zu gehen.
    Die Verniedlichung, um die Sie sich damals krampfhaft bemühten, war unverantwortlich. Sie geschah offenbar, weil Sie hofften, mit dieser Methode der Verniedlichung am leichtesten von einer Rechenschaftslegung entbunden zu werden. Denn alles, was wir gehört haben, vor allem später aus Ihrem eigenen Munde, läßt auf einen mehr als
    mangelhaften Kontakt zwischen Ihnen als dem verfassungsmäßig verantwortlichen Minister und dem Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz schließen. Ihre Erklärung in der Öffentlichkeit, daß Sie in Ihrer neunmonatigen Amtszeit als Bundesinnenminister Herrn John nur zweimal gesprochen haben, ist beachtlich. Gerade bei dem zwielichtigen Milieu, in dem derartige Dienste zwangsläufig arbeiten, mußte sich der Innenminister um dieses Amt mehr kümmern als um andere Abteilungen seines Ministeriums. Selbst wenn Ihnen Herr John nicht sympathisch war, dann entband Sie das nicht von der Verpflichtung, sich gerade dann mit der dienstlichen Arbeit dieses Mannes zu befassen.

    (Zuruf von der SPD: Er mußte beaufsichtigt werden!)

    Wir verkennen nicht, daß der Herr Bundesinnenminister — und wir machen ihm daraus keinen Vorwurf — Herrn John vorfand, als er seinen Dienst übernahm. Wir verkennen nicht, daß sich bei Personaleinstellungen Fehler nie völlig vermeiden lassen. Aber entscheidend ist doch — und hier beginnt Ihre Verantwortung, und das interessiert die Öffentlichkeit und dieses Parlament —, was ein Vorgesetzter dann tut, wenn er plötzlich Unzulänglichkeit, Unzuverlässigkeit oder gar Treulosigkeit eines Beamten feststellt. Im Falle John half nur eine sofortige öffentliche klare Distanzierung von diesem Mann. Das haben Sie unterlassen.
    Nachdem John verschwunden war, glaubte plötzlich alle Welt zu wissen, warum er für dieses Amt nicht geeignet sei, und zwar auf Grund der persönlichen Lebensführung. Woher kam denn die Kenntnis erst, nachdem dieser Mann weg war?

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Uns interessieren Vorgänge aus dem persönlichen Leben eines leitenden Beamten grundsätzlich gar nicht. Wir lieben keine Schnüffelei und kein Pharisäertum: aber schließlich wissen wir doch auch um die Methoden der Gegenspionage und der Agenten von der anderen Seite, wissen, wie solche Geheimdienste arbeiten und auch ihrerseits wieder von anderen Geheimdiensten bespitzelt werden, wissen — und das mußten auch Sie wissen, Herr Innenminister —, daß diese Gegenagenten nicht den Weg gehen, den Gegner mit sachlichen Argumenten zu überzeugen, sondern daß sie wie eine giftige Spinne darauf lauern, ihr Opfer in bestimmte, schwierige Situationen zu bringen, um es dann zu erpressen und zum Überläufer zu machen. Daher ist es bei einem solchen Amt schon wichtig, um die persönliche Lebensführung seines Chefs zu wissen.
    Wir fragen Sie daher in der Großen Anfrage, was Sie im einzelnen darüber gewußt haben. Die geringste Besorgnis — und Ihre Verlautbarung vor der Presse hat klipp und klar ergeben, daß Sie auf diesem Gebiet Besorgnisse gegenüber Herrn John hatten —, der leiseste Verdacht hätte hier zu einer Personalveränderung Veranlassung geben müssen.
    Ein anderer Geheimdienst in Deutschland, der Dienst Gehlen, soll Material über Herrn John gehabt haben. Auch danach fragen wir. Die Antwort auf die Frage, was der Geheimdienst Gehlen gewußt und Ihnen vielleicht erst später mitgeteilt hat — auch das wäre interessant zu wissen, wann Sie davon erfahren haben —, interessiert uns auch deshalb, weil wir bei dieser Gelegenheit feststellen wollen, ob es stimmt, daß sich der Dienst Gehlen auf innerdeutsches Gebiet beschränkt.


    (Dr. Menzel)

    Als sich herausstellte, daß Herr John geflohen und nicht, wie man erst sagte, geraubt worden war, kündigten übrigens die Alliierten an, sie würden nunmehr restlos auspacken, John sei ihnen schon seit langem verdächtig gewesen. Aber bis heute ist nichts erfolgt. Daher fragen wir. Sie, Herr Bundesinnenminister: Was haben die Alliierten über John gewußt? Was haben sie Ihnen darüber gesagt? Oder: warum haben die Alliierten Ihnen v o r h e r nichts gesagt? Wir wünschen hierüber eine klare Auskunft. Verstecken Sie sich nicht hinter der Behauptung, die Alliierten hätten Ihnen ein Schweigeverbot auferlegt.
    Bei der Gelegenheit sei übrigens die Frage gestellt: Welche Rolle spielte Herr Söderman au, Schweden dabei? In wessen Auftrag war er in Berlin? Worauf beruht seine Erklärung — und nicht einmal das haben Sie bisher dem Ausschuß mitgeteilt —, der Fall John sei für ihn klar, während unsere Regierung immer noch an den Problemen herumorakelt und nach wie vor eine halbe Million Belohnung aussetzt?
    In der dritten Frage — sie knüpft an die Aussprache vom 8. Juli im Bundestag an — geht es darum, wie es dazu kommen konnte, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz Material über politisch zuverlässige Bewegungen und politisch zuverlässige Männer und Frauen sammelte und Aktenstücke anlegte und daß dieses unzulässigerweise gesammelte Material dann noch der Bundeskanzler für parteipolitische Zwecke mißbrauchte. Wie konnte es überhaupt zur Sammlung von solchem Material kommen? Wir möchten heute endlich Einzelheiten wissen. Herr Dr. Schröder, nachdem die Debatte in der Sitzung vom 8. Juli keine Aufklärung gebracht hat.
    Wir haben zwar damals das peinliche Eingeständnis des Herrn Kanzlers erlebt, daß er Material, das ihm vom Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt war, ohne jede Nachprüfung, ohne eine Bestätigung der sachlichen Richtigkeit abzuwarten, benutzt hat, um gegen Herrn Kollegen Maier zu schießen. Man hat uns damals keine Auskunft darüber gegeben, wie es überhaupt zur Sammlung dieses Materials kommen konnte, und zwar nicht nur gegen Herrn Kollegen Maier, sondern auch gegen andere politisch zuverlässige Männer.
    Ein weiterer Mißbrauch des Amtes liegt zweifellos darin, daß es in die Personalpolitik der Bundesregierung eingeschaltet worden ist. Herr Bundesinnenminister, Sie haben damals bei Ihrer Regierungserklärung selbst darauf hingewiesen, das Bundesamt werde eingeschaltet, wenn die Bundesregierung beabsichtige, einen Beamten einzustellen. Wir haben Ihnen damals gleich Vorhaltungen gemacht, daß das nicht nur gegen das Gesetz verstößt, sondern daß es jeder anständigen, fairen demokratischen Gepflogenheit widerspricht, jemanden zu bespitzeln, zu überwachen, um dann zu entscheiden, ob er als Beamter für diesen Bund geeignet ist oder nicht.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Trotz dieses Vorhalts sind Sie dabei geblieben, daß das so sein müsse. Und heute stellen wir fest, daß Sie damit damals doch in der Person des Herrn John, der der entscheidende Mann wurde, wenn es darum ging, ob jemand eingestellt, befördert oder entlassen wurde, den Bock zum Gärtner angestellt hatten. Im übrigen genügte wahrscheinlich
    für die Entscheidung, ob jemand als Beamter geeignet war oder nicht, das, was ein Kollege der CDU-Fraktion dieses Hohen Hauses einer Kopenhagener Zeitung gegenüber verlauten ließ, wenn er sagte: Wer in Bonn Karriere machen will, muß selbstverständlich daran denken, daß der Kanzler nicht gern Leute befördert, die nicht in seine Richtung steuern.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich sage dies vor allem deswegen, weil die Bundesregierung mit diesen Methoden, mit diesem doppelten Mißbrauch der Verfassungsschutzämter doch selbst mit die Grundlage dafür geschaffen hat, daß es zu diesem Skandal, vor dem wir heute stehen, kommen konnte.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Nun zur Frage 4. Die Konjunktur für Agenten und Geheimdienste scheint zur Zeit nicht nur in Europa, vor allem aber in Deutschland, außerordentlich günstig zu sein. Plötzlich und erst jetzt weiß alle Welt, daß wir in einem Dschungel von Geheimagenten und Geheimagenturen stehen. Wer beobachtet denn nun eigentlich in Deutschland wen, wer fertigt über wen Dossiers an und wer sammelt über wen noch alles Material?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir möchten heute endlich einmal Einzelheiten haben. Wir bitten, uns nicht mit allgemeinen Redewendungen abzuspeisen. Wir möchten Roß und Reiter genannt hören.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    In der Öffentlichkeit schwirren seit langem phantastische Gerüchte über die Anzahl der Geheimdienste herum. Ich meine damit nicht nur den bereits erwähnten Dienst Gehlen und das, was die Dienststelle Blank sich aufgebaut hat. Ich meine auch so merkwürdige Unternehmungen wie die von der Großindustrie genährte Streikbrecherorganisation des Herrn Gosekuhl in Essen, den Nachrichtendienst der deutschen Industrie in Köln und schließlich den auch hier durch einen Untersuchungsausschuß des 1. Bundestages sattsam bekannten Herrn Heinrichsbauer aus Köln mit seinen Geldsammlungen für die Wahlen der Regierungsparteien.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Albers: Der ist aber kein geborener Kölner!)

    — Kein geborener Kölner, — aber das Geldsammeln kann er trotzdem gut, Herr Kollege Albers!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Durch die Frage 5 wünschen wir eine Aufklärung, ob und welche Vereinbarung der deutschen Bundesrepublik mit den Alliierten über die Zusammenarbeit der deutschen Geheimdienste besteht. Wie bitter muß das übrigens, wenn das der Fall sein sollte, für die Deutsche Partei sein, wenn tatsächlich solche Vereinbarungen da sind, nachdem ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege von Merkatz, am 8. Juli hier im Plenum so pathetisch gegen jede Zusammenarbeit mit anderen Ländern auf diesem Gebiete gesprochen hat! Gibt es — und das ist unsere unmißverständliche Frage, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesinnenminister — ein Schreiben von Herrn Dr. Lenz, daß nach dem Inkrafttreten des EVG-Vertrages die Nachrichtendienste der Vertragspartner koordiniert werden sollten?


    (Dr. Menzel)

    Es ist klar, meine Damen und Herren, daß abgesehen von der Kritik an dem Verhalten der Bundesregierung und des Herrn Bundesinnenministers nach der Flucht des Herrn John und des Herrn Schmidt-Wittmack die Öffentlichkeit genau das gleiche Interesse daran hat, zu wissen, was denn nun auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes künftig werden soll. Aus dieser Sorge heraus haben wir die Fragen 6 a und 6 b gestellt, die Fragen, welche Vorstellung die Bundesregierung, insbesondere ihr Bundesinnenminister hinsichtlich der Reorganisation des Verfassungsschutzamtes haben. Herr Dr. Schröder hatte bereits am 8. Juli Vorschläge angekündigt. Schon sein Vorgänger hatte im vorigen Jahr an die Landesinnenminister geschrieben und um Vorschläge gebeten. Aber bis heute, nachdem ein Jahr vergangen ist, weiß die Öffentlichkeit noch immer nicht, was werden soll. Daß Sie jetzt in den letzten Tagen eine Viererkommission eingesetzt haben, ist selbstverständlich kein Ersatz; denn in der letzten Sitzung des Ausschusses zum Schutze der Verfassung am 10. September — in der vorigen Woche — machten Sie, Herr Dr. Schröder, geheimnisvolle Andeutungen, daß man vielleicht an einen kleinen Ausschuß denken könne, der die Verfassungsschutzämter überprüfe. Heute wissen wir, daß Sie, als Sie damals Ihre geheimnisvollen Andeutungen machten, längst diese Kommission, bestehend aus vier Länderministern, zusammengesetzt hatten. Es bleibt unverständlich, entspricht aber Ihrem bisherigen Verhalten vor dem Ausschuß, daß Sie den Ausschuß stundenlang über diese Frage haben debattieren lassen, ohne ihm mitzuteilen, daß es eine für Sie längst erledigte Sache sei.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Es mag dahingestellt bleiben, ob zur Reorganisation des Verfassungsschutzes Änderungen des vorhandenen Gesetzes notwendig sind. Die Formulierung des Gesetzes von 1950 ist an sich absolut klar und einwandfrei. Man muß sich nur an das Gesetz halten, meine Damen und Herren, und das hat man bisher nicht getan. Das ist mit ein Grund dafür, daß wir vor der Lage stehen, wie sie heute gegeben ist. Mit Änderungen des Gesetzes allein ist also nichts getan, und damit allein kommen wir nicht weiter, wenn die verantwortlichen Regierungsmitglieder nicht gewillt sind, Gesetze zu beachten.
    Wir bemängeln, daß, obwohl das Gesetz von 1950 nun schon vier Jahre besteht, keinerlei Durchführungsbestimmungen, keinerlei Durchführungsverordnungen erlassen wurden. Offenbar geschah das, um die Rechte und die Vollmachten des Bundesamts vor allem gegenüber den Ländern nicht einschränken zu lassen. Hier bedarf es einer alsbaldigen gründlichen Klärung der Zuständigkeiten und der einzelnen im Gesetz festgelegten Begriffe.
    Noch mehr und noch vordringlicher bedarf es der Bereinigung der unerträglichen Lage, daß sich in Deutschland nicht weniger als sechs Ämter mit der Bekämpfung staatsfeindlicher Umtriebe befassen: Da ist das Bundesamt für Verfassungsschutz, da ist das Bundeskriminalamt mit seiner recht merkwürdigen Sicherheitsgruppe, von der eigentlich keiner weiß, wer sie aufgebaut hat, wer dafür verantwortlich ist und wo sie herumspitzelt. Da sind die Landesverfassungsschutzämter, die Landeskriminalpolizeiämter, da ist die uniformierte Polizei, und da sind schließlich noch die Alliierten mit ihren eigenen Abwehrdiensten. In dieses Durcheinander muß endlich einmal hineingeleuchtet und Ordnung gebracht werden.
    Damit uns nichts erspart bleibt, hat sich nunmehr auch der Gründer der damaligen Gestapo unter Hermann Göring zum Fragenkomplex John gemeldet. Wie eine giftige Kröte gießt Herr Diels in einem Pamphlet die Kübel seines Unrats über die heutige Zeit,

    (Sehr gut! bei der SPD und in der Mitte)

    über die Widerstandskämpfer, insbesondere über die Männer des 20. Juli.

    (Pfui-Rufe bei der SPD.)

    Er, der Nutznießer des „Dritten Reiches" war, ist heute als Pensionsempfänger wieder Nutznießer einer allzu nachsichtigen Demokratie geworden.

    (Sehr richtig! und Hört! Hört! bei der SPD und in der Mitte.)

    Wenn ich hier zu dieser Schrift überhaupt etwas sage, dann deshalb, weil eine sehr angesehene und durchaus demokratische Tageszeitung Diels als „Fachmann" bezeichnet hat, an dessen Wort man doch noch nicht so einfach vorbeigehen könne.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Herr Diels war einer der wesentlichsten Wegbereiter des Nationalsozialismus; denn er gründete die Gestapo und leitete sie. An einer Stelle seines Pamphlets gegen die Demokratie spricht er von „seinem Nachfolger John". Meine Damen und Herren, das ist vielleicht der einzige Punkt, worin man Herrn Diels nicht widersprechen sollte;

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    denn genau so wie John zum Feind überwechselte, hat Diels damals die Weimarer Demokratie verraten.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Während er sich noch bis Anfang 1933 im Demokratischen Klub in Berlin als eifrigster Vorkämpfer für Recht und Freiheit gebärdete, während ihm im Ministerium die Überwachung und Bekämpfung der rechtsradikalen Bewegungen anvertraut war, war Herr Diels schon ein Jahr vorher — bereits seit Anfang 1932 — mit Hilfe einer feigen anonymen Tarnung der SA beigetreten und rühmte sich später gegenüber Göring, daß er dadurch die geheimen Dossiers des Innenministeriums an die NSDAP habe verraten können.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ist diese Schrift an sich schon verhängnisvoll, weil sie leider dem deutschen Volk draußen in der Welt wieder Schande und Unglück bringen wird, so ist, politisch gesehen, eigentlich noch erschütternder, daß solche schmutzigen Sachen in Deutschland bereits wieder g e druck t werden können, weil es anscheinend ein Publikum dafür gibt.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir teilen gar nicht die Ansichten, die vielfach mit Übertreibungen hier und da vertreten werden, daß etwa in Deutschland ein neuer Hitler vor der Türe steht. Aber das hindert doch nicht, daß wir, die wir für die politische Entwicklung in diesem Volke verantwortlich sind, die bittere und enttäuschende Feststellung machen müssen, daß uns die innerpolitische Entwicklung der letzten Jahre in Deutschland der Demokratie zumindest nicht näher gebracht hat.

    (Zustimmung bei der SPD.)



    (Dr. Menzel)

    Niemanden kann wohl diese Entwicklung wundern, wenn sogar führende Männer dieses Staates schwarz-weiß-roten Veranstaltungen ihre telegraphischen Huldigungsgrüße schicken.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Wie kann es kommen, wie kann es die Regierung dulden, daß der Vertreter einer Regierungspartei sich auf einer solchen Kundgebung vor noch zwei Wochen hinstellte und erklärte, es komme gar nicht darauf an, daß wir den zweiten Weltkrieg verloren hätten; entscheidend sei doch vielmehr, wie wir in diesem Kriege gut gekämpft hätten. Das heißt doch nichts anderes, als den Versuch zu unternehmen, auch die Hitlersehen Greuel des Krieges nachträglich in aller Öffentlichkeit zu legalisieren.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir warnen die Regierung, an solchen Vorgängen achtlos vorüberzugehen, wenn sie sich an einer solchen verhängnisvollen Entwicklung nicht mitschuldig machen will.
    Denn die Reorganisation des Verfassungsschutzes ist doch nicht nur eine Frage des Technischen und des Bürokratischen, sie kann nur gelingen, wenn wir alle, insbesondere die Mitglieder der Bundesregierung, bereit sind, an diese Fragen mit mehr demokratischem Willen und demokratischen Vorsätzen heranzugehen, als es bisher geschehen ist. Wenn wir alle aus den Fällen John und Schmidt-Wittmack Lehren ziehen, dann muß eine völlig neue Vertrauensbasis geschaffen und den staatsfeindlichen Elementen von allen Parteien, die hier im Hause vertreten sind, endlich klargemacht werden, daß diese Demokratie nicht mehr mit sich spaßen läßt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun noch einige Hinweise zur Reorganisation. Ausgangspunkt ist und bleibt zunächst natürlich Art. 87 des Grundgesetzes. Danach hat der Bund lediglich das Recht zur Sammlung und Auswertung von Material. Jede eigene staatsanwaltschaftliche oder polizeiliche Exekutive ist ihm untersagt. Will man das ändern, dann läge es nahe, zunächst einmal mit den Ländern zu sprechen und zu verhandeln, ob sie zu einer entsprechenden Grundgesetzänderung bereit sind. Nach den Verlautbarungen der Ministerpräsidenten einzelner Länder in der letzten Zeit ist kaum damit zu rechnen, daß sie im Bundesrat einer Verfassungsänderung zustimmen werden.
    Ich frage daher den Bundesinnenminister: Seit wann haben Sie Verhandlungen mit den Ländern, haben Sie sie überhaupt schon begonnen, und welches Ergebnis haben diese Verhandlungen bisher gehabt?
    In Verbindung mit dem Problem „Bund und Länder" und der Zusammenarbeit beider auf diesem so wichtigen Gebiet stößt man natürlich sofort auf die weitere Frage, ob den Verfassungsschutzämtern eine eigene Exekutive zugebilligt werden soll oder nicht. Es wird nicht leicht sein, zu sagen, und es ist heute nicht zu entscheiden, ob die Gründe, die dafür sprechen, oder die Gründe, die dagegen sprechen, überwiegen. Jede Machterweiterung erhöht die Gefahr der Eigenmächtigkeit und des Mißbrauchs. Aber jede Machtminderung kann die Durchführung der den Ämtern übertragenen Aufgaben schwächen und den Staatsfeinden ihre Arbeit erleichtern.
    Aber wir sollten nicht vergessen: Eines der wichtigsten Elemente jeder demokratischen Ordnung ist und bleibt, die Gewalt zu teilen und nicht zuviel Macht in die Hände des einzelnen zu geben; denn das ist immer der beste Weg gewesen, eine Bürokratie übermütig werden zu lassen.
    Als wir damals, 1950, das Gesetz über das Verfassungsschutzamt berieten, hat schon mein Freund Greve vor dem Wiedererstehen einer Gestapo gewarnt, und Herr von Merk a t z hat ebenfalls auf die Gefahren eines neuen Amtes, das sich der Schnüffelei im politischen Leben bedienen könnte, hingewiesen. Das war 1950. Heute, nach vier Jahren, wissen wir, daß diese Warnungen, die damals im Bundestag ausgesprochen wurden, zum großen Teil vergeblich gewesen sind. Das beweisen nicht nur die Fälle John und Schmidt-Wittmack, sondern auch die vielen Fälle von Eingriffen in die persönliche Freiheit einzelner Deutscher, Vorfälle, wie sie in der „Vulkan"-Affäre und in der Debatte vom 8. Juli dieses Jahres im Plenum des Bundestags vorgebracht worden sind.
    Das zwingt uns, die Frage zu überlegen, wie es möglich ist, diese Ämter künftighin nicht nur von der Bürokratie, nicht nur von dem vorgesetzten Minister aus, sondern auch vom Parlament aus mehr und wirksamer zu überwachen.
    Dazu gehört, das muß endlich einmal auf Grund der Verhandlungen im Ausschuß zum Schutze der Verfassung gesagt werden, zunächst, diesem Ausschuß das Initiativrecht zu geben. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesinnenminister der ersten Regierung Adenauer, Herrn Dr. Lehr, und dem Ausschuß war ausgezeichnet. Herr Dr. Lehr hat damals selbst immer Wert darauf gelegt, daß die schwierigen Fragen, die Randgebiete der rechts- und linksradikalen Bewegungen in die Zuständigkeiten, in die Bearbeitung, in die Debatten des Ausschusses fielen.
    Ein völlig anderes Bild entstand, als der jetzige Bundesinnenminister Dr. Schröder sein Amt übernahm. Sein erstes Schreiben an den Ausschuß zum Schutze der Verfassung, der gebeten hatte, Herr Dr. Schröder möge selbst oder durch einen seiner Herren den Mitgliedern dieses Ausschusses, vor allem den neuen Mitgliedern, einmal einen Überblick über die verfassungspolitische Situation der Bundesrepublik geben, bestand darin, daß er erklärte, er lehne das ab.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Demokrat!)

    Es hat dann einen langen Schriftwechsel gegeben. Durch ein Eingreifen seiner eigenen Freunde und, wie ich glaube, auch durch ein Eingreifen des Herrn Bundeskanzlers hat Herr Schröder dann eingesehen, was seines Amtes in Wirklichkeit ist.
    Der AusscHuß zum Schutze der Verfassung ist wie der Auswärtige Ausschuß, wie der Gesamtdeutsche und wie der Sicherheitsausschuß seiner Natur nach vertraulich. Er ist nicht auf Vorlagen des Plenums angewiesen. Er ist seiner ganzen politischen Zweckbestimmung nach nicht ein Ausschuß, der sich mit Gesetzentwürfen oder dergleichen zu befassen hat, sondern auf der politischparlamentarischen Seite eine Art Wächter der Verfassung,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    der, wenn er funktionieren soll und wenn er seiner Aufgabe gegenüber dem Plenum gerecht werden soll, das Recht haben muß, von sich aus auf


    (Dr. Menzel)

    k) alle Vorgänge des politischen Lebens hinzuweisen, die ihm die Grundlagen der demokratischen Staatsordnung zu gefährden scheinen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Niemand denkt daran, diesem Ausschuß etwa das Recht zu geben, selbst Gesetzesvorschläge zu machen.
    Die Änderung der Geschäftsordnung ist auch deshalb notwendig, weil der Unmut im Ausschuß zum Schutze der Verfassung über seine Behandlung durch den Innenminister eindeutig und einstimmig war. Durch sein Verhalten häufte der Innenminister Mißachtung auf Mißachtung gegenüber den Abgeordneten. Nicht einmal dem kleinen Unterausschuß, bestehend aus sieben Personen, dem über den Fall John berichtet werden sollte — nicht einmal diesem Unterausschuß hat der Bundesinnenminister berichtet, auch nicht nach der Flucht von Schmidt-Wittmack.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die nach dem Grundgesetz und unserer Geschäftsordnung bestehende Verpflichtung des Parlaments, Petitionen des Staatsbürgers richtig und sachgemäß zu beantworten, wurde vom Innenministerium gröblichst mißachtet.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nicht einmal die einfachsten, selbstverständlichsten Unterlagen wurden dem Ausschuß zur Verfügung gestellt, obwohl es sich zum Teil um Kopien von Schreiben handelte, die bereits längst an andere Personen herausgegangen waren

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    B) und in denen auch nicht ein einziges Wort geheim war. Kaum einer der Fälle ist befriedigend oder rechtzeitig bearbeitet worden. Immer wieder mußten wir an die Erledigung erinnern und monatelang warten, ehe der Innenminister zur Auskunft bereit war, und auch diese Auskünfte waren dann nur noch lückenhaft.
    Das störrische Verhalten des Innenministers im Ausschuß, das ängstliche, geradezu krankhafte Bemühen, alle Informationen, soweit sie nicht schon längst der Presse draußen bekannt waren, dem Ausschuß fernzuhalten, seine innere Ablehnung eines vernünftigen Zusammenarbeitens mit dem dafür zuständigen parlamentarischen Ausschuß bestätigt die Befürchtung, daß wir auch in Zukunft vor Fällen wie John und Schmidt-Wittmack nicht geschützt sind, solange dieser Innenminister in seinem Amt ist.

    (Beifall bei der SPD. — Unruhe bei der CDU/CSU.)

    Ich will dabei gar nicht entscheiden, ob diese Haltung des Herrn Dr. Schröder auf Unsicherheit oder Unvermögen oder auf Absicht beruht. Aber ich warne den Herrn Innenminister, dieses Verhalten fortzusetzen; denn dieser Weg muß ihn unweigerlich in neue Konflikte mit dem Parlament und der Öffentlichkeit führen.
    Wir haben bei einigen Gelegenheiten vernommen, die öffentliche Aussprache im Bundestag über die Fälle John und Schmidt-Wittmack und die ebenfalls öffentlich zu führende Untersuchung in dem Untersuchungsausschuß bedeute eine Gefährdung des demokratischen Gedankens. Ist es nicht allein die Schuld der Regierung, daß sie das Parlament auf diesen Weg gezwungen hat? Weder
    der Kanzler noch vor allem der zuständige Innenminister waren bereit, dem Bundestag von sich aus oder im Ausschuß zum Schutze der Verfassung Rechenschaft zu geben. Daher müssen sie diese Rechenschaft heute ablegen. Das Schlimmste wäre, die Wahrheit zu unterdrücken oder zu versuchen, die Tatsachen zu verwischen. Gerade das würde eine weitere Abschwächung des demokratischen Gedankens zur Folge haben. Wir sollten nicht um die Dinge herumreden und auch hier Roß und Reiter nennen. Daher können die politischen Stahlhelm-Kundgebungen, die Mainzer Ereignisse des letzten Sonntags und die zum Teil politisch arroganten SS-Treffen nicht totgeschwiegen werden. Gerade das Parlament hat die Verpflichtung, den Finger auf diese offene Wunde zu legen,

    (Abg. Kiesinger: Aber auch die Verpflichtung, Wunden zu heilen!)

    um die Ordnung wiederherzustellen, die erschüttert scheint. Darum sollte niemand diese Aussprache fürchten.
    Alle diese Fragen und die Aussprache hierüber dürfen den politischen Hintergrund nicht verwischen. Wenn wir auch wiederholt die Namen des Zwillingspaares John und Schmidt-Wittmack nennen mußten, um den Gesamtkomplex zu umreißen, der hier zur Debatte steht, und so sind es doch nicht in erster Linie diese Männer, die hier zur Erörterung stehen, sondern — das hat mein Freund Mellies bereits gesagt — es ist die Politik der Regierung Adenauer; denn nichts wäre falscher, als die Fälle der beiden Ausreißer isoliert zu sehen. Sie sind gleichsam die plötzlich aufsteigenden und nach außen sichtbar werdenden Blasen, die aller Welt noch einmal die Labilität der deutschen Innenpolitik vor Augen führen.
    Plötzlich wußte man, was den Ausreißern alles vorzuwerfen war. Auf einmal waren die Männer, die Regierung und die CDU-Fraktion in wichtigste politische Funktionen gebracht hatten, politische Ignoranten und „kleine Würstchen", die man kaum kannte. Obwohl Herr John das seinem Charakter nach geheimste Amt der Bundesrepublik leitete und Herr Schmidt-Wittmack von seiner Fraktion in die vertraulichsten Ausschüsse des Bundestags geschickt wurde, sagte man jetzt plötzlich, beide hätten gar keine Geheimnisse verraten können, weil sie keine gewußt hätten. Nun, wer kennt denn dann eigentlich die Geheimnisse? Warum denn die ganze Geheimniskrämerei um die Verhandlungen im Ausschuß, wenn sogar das, was der Chef des Bundesamtes und ein Mitglied der Ausschüsse wissen, plötzlich völlig ohne Bedeutung ist? Glaubt man denn wirklich, die Bevölkerung nimmt Ihnen das ab, daß es im Amt John und in diesen beiden Ausschüssen keine Geheimnisse gegeben hat? Mit Recht fühlte sich die Bevölkerung und fühlt sie sich heute noch gefoppt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Bei Schmidt-Wittmack übrigens entdeckte man auf einmal, nachdem er weg war, daß er Monarchist, Militarist, Egoist, Intrigant, ein Prahler und Verschwender gewesen sei. Na, ich muß schon sagen, das sind ja schöne Demokraten, die Sie da in Ihren Reihen haben und denen Sie die wichtigsten Posten anvertraut haben!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Huth: Die gibt's auch anderwärts!)



    (Dr. Menzel)

    Um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen — denn schließlich war Schmidt-Wittmack nicht ein Irgendwer —, möchte ich Ihnen ein Flugblatt in Erinnerung bringen, eine Zeitschrift vor dem Wahlkampf in Hamburg im vorigen Herbst, den „Hanseat", unter der Devise „Für Freiheit und Recht". Das paßt auf Herrn Schmidt-Wittmack ausgezeichnet.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    An der Spitze steht verständlicherweise eine Erklärung des Herrn Bundeskanzlers. Dann sind darauf auch noch Begrüßungsworte des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard und des Herrn Bundestagspräsidenten Ehlers. Aber beide sind in diesem Flugblatt doch nicht so prominent, wie Herr Schmidt-Wittmack es damals in Hamburg war, denn er kommt gleich nach dem Aufruf des Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer!

    (Abg. Neumann: In bester Gesellschaft!)

    Es ist erstaunlich, wie dann dieser Mann bei Ihnen unbekannt war.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Lauter Nullen!)

    Meine Damen und Herren, auch das mußte gesagt werden. Schon die Flucht dieser beiden Männer war eine blamable Sache. Aber in noch stärkerem Maße ist die Reaktion seiner politischen Freunde und der Regierung bestürzend, da ihr Verhalten der Öffentlichkeit schlagartig gezeigt hat, wie man in Deutschland Politik zu machen und regieren zu können glaubt. Uns interessieren diese Fälle gerade als Symptome unserer Innenpolitik. Die Art, wie Sie nun von der Regierung aus auf unsere Große Anfrage reagieren, wie Sie sie beantworten und in welchem Maße Sie bereit sein werden, im Untersuchungsausschuß wirklich alles zur Klärung beizutragen

    (Abg. Huth: Aber auch alles! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

    — ausgezeichnet, ich freue mich, daß ich bei meinem Schlußsatz eine Zustimmung sogar von Ihrer Seite bekomme —, wird ein Prüfstein sein dafür, ob Sie ernsthaft den Willen zu einem Zusammenspiel der demokratischen Kräfte in Deutschland besitzen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)