Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung, zuerst zu Punkt 13 a, Drucksache 689. Es handelt sich um die Anträge des Ausschusses. Wer den Ziffern 1, 2, 3, 4, 5 und 6 des Antrags auf Drucksache 689 zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. —
— Sie wünschen getrennte Abstimmung? — Dann stimmen wir über die Ziffern getrennt ab.
Ich rufe also nochmals auf Drucksache 689 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen bei Enthaltungen angenommen.
Ziffer 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Ziffer 5. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ziffer 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Damit ist die Drucksache 689 erledigt.
Ich komme zur Abstimmung über die Drucksache 690 und lasse zunächst über Ziffer 1 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich komme zu Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betreffend Hilfsmaßnahmen für ehemalige politische Häftlinge der sowjetischen Besatzungszone ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Hilfsmaßnahmen für ehemalige politische Häftlinge der sowjetischen Besatzungszone .
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP hat Frau Abgeordnete Maxsein.
Frau Dr. Maxsein , Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktionen der Koalition:
Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, durch welche Maßnahmen gesetzlicher oder verwaltungsmäßiger Art den aus politischen Gründen in der sowjetischen Besatzungszone Inhaftierten, die nach ihrer Entlassung oder Flucht in das Bundesgebiet gelangt sind, zusätzlich zu den bisher für diesen Personenkreis bereits getroffenen Betreuungs- und Entschädigungsmaßnahmen Hilfen zuteil werden können,
betrifft einen Personenkreis, der in den bestehenden Betreuungs- und Entschädigungsgesetzen nicht voll bedacht wird und nicht voll bedacht werden kann. Es handelt sich unter den Sowjetzonenflüchtlingen um die Sowjetzonenhäftlinge, die inzwischen amnestiert wurden oder noch amnestiert werden. Gerade heute kommen wieder 150 Sowjetzonenhäftlinge aus dem Lager Friedland.
Wie dringlich das Anliegen ist, das uns hier beschäftigt, und wie furchtbar das ganze Problem ist, geht aus einem Artikel der heutigen „Welt" hervor, der die Überschrift trägt: „Alle Waldheim-Häftlinge sollen entlassen werden". Einen anschaulichen Absatz gestatte ich mir mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten Ihnen vorzulesen:
Nach einem Bericht des Informationsbüros West verabschiedeten Pankows weiblicher Justizminister Hilde Benjamin und der Oberstaatsanwalt Melzheimer aus dem Zuchthaus Waldheim persönlich 42 schwer tuberkulosekranke Häftlinge. 30 von ihnen wurden zunächst in das Krankenhaus zu Hubertusburg im Kreise Oschatz gebracht. Sie waren gesundheitlich nicht in der Lage, sofort in ihre Heimatorte zu reisen. Aus dem gleichen Lazarett wurden auch fünf Ärzte entlassen, von denen vier Westberliner sind. Sie sagten, daß im Krankenhaus des Zuchthauses von Waldheim seit 1950 etwa 600 Häftlinge verstorben sind.
Der Sowjetzonenhäftling ist eine Gestalt der Nachkriegszeit. Im Zuge der russischen Eroberung wurden zunächst Nationalsozialisten verhaftet, aber auch Großagrarier, Intelligenzler, sogenannte Großkapitalisten, kurzum alle jene Gruppen, von denen man annehmen mußte, daß sie sich dem kommunistischen System widersetzen würden.
Die Inhaftierungen wurden durchaus nicht immer systematisch durchgeführt. Wenn sich beispielsweise auf einem Transport herausstellte, daß die Kopfzahl der Gefangenen nicht mehr stimmte, dann wurde die Lücke willkürlich ausgefüllt, indem man wahllos einen Passanten mitschleppte, also irgendeinen Bürger von der Straße weg abtransportierte. Es konnte geschehen, daß in dem KZ, in dem GPU-Keller der waschechte alte Nazi gemeinsam mit dem echten Widerstandskämpfer gegen das nationalsozialistische System „büßte".
Im Zuge der fortschreitenden Sowjetisierung des Ostsektors von Berlin und der Zone entwickelte sich der echte Widerstandskämpfer gegen das kommunistische System. Mit diesen Widerstandskämpfern mischten sich allerdings auch mißliebig gewordene Funktionäre, die man zwar als Opfer des Systems, aber nicht als Kämpfer gegen das System ansprechen kann. Aus dieser Überlegung heraus wird klar erkenntlich, wie schwer es ist, den Begriff des Sowjetzonenhäftlings als eines echten Widerstandskämpfers klar herauszustellen.
Wie kompliziert der Fall ist, geht auch aus anderen Beispielen hervor. Nehmen wir z. B. zwei Gefangene, die von dem gleichen sowjetischen Tribunal zur gleichen Strafe verurteilt worden sind, von denen aber der eine nach Rußland geschleppt worden ist und dort seine Haft in sowjetischem Gewahrsam verbüßte, während der andere sich in einem KZ der Sowjetzone aufhalten mußte. Als beide später nach der Amnestie in die Bundesrepublik zurückkehrten, kam der aus Rußland Heimgekehrte in den Genuß sämtlicher Vorteile und Vergünstigungen des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes, während der aus der Sowjetzone Heimkehrende sich mühsam die Anerkennung als Heimkehrer erkämpfen mußte.
Es ist nun die verpflichtende und bedeutsame Aufgabe der Bundesregierung, den Personenkreis derer herauszustellen, die wir als echte Widerstandskämpfer ansprechen dürfen. Dabei ist die Frage zu stellen, was über die bestehenden Hilfsmaßnahmen, wie sie im Bundesvertriebenen-, Heimkehrer-, Bundesversorgungs-, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz usw. festgelegt sind, hinaus getan werden kann zur Regelung der Schäden, die der echte politische Widerstandskämpfer erlitten hat.
Die Befürchtung der Häftlinge, daß ihre Angelegenheit auf dem Wege einer Rechtsverordnung zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geregelt werden solle, ist unbegründet. Das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz anerkennt nur Schäden in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen. In der Auswirkung dieser Bestimmung könnte eine große Anzahl gerade derjenigen Häftlinge unberücksichtigt bleiben, die als echte Kämpfer wider das kommunistische System mit Vorrang bedacht werden sollen. Wir sind der Meinung, daß diese ganze Angelegenheit nur durch ein neues selbständiges Gesetz zu regeln ist. Wie dieses Gesetz beschaffen sein muß, hat die Bundesregierung zu prüfen. Ob es nur eine Abgrenzung der in Frage kommenden Personen in Betracht zieht und dann Härteklauseln vorsieht, um den Ermessenentscheiden freien Spielraum zu lassen, sei dahingestellt.
Unsere Aufgabe ist es, die Bundesregierung zu drängen, dem Anliegen auf dem schnellsten Wege und wirksam Rechnung zu tragen. Einem Ondit zufolge findet schon in dieser Woche erfreulicherweise eine interministerielle Besprechung dieser Frage unter Herbeiziehung der zuständigen Ressorts statt. Das Bundesministerium für Vertriebene, für gesamtdeutsche Fragen, das Arbeits-, Finanz-, Justiz- und Innenministerium werden an dieser Besprechung beteiligt sein. Uns hier ist es eine moralische Verpflichtung, die Sache auf dem schnellsten Wege
zu erledigen, eine moralische Verpflichtung gegenüber den Deutschen, die ja 1945 nicht die Möglichkeit hatten, sich zu entscheiden, unter welchem Besatzungsregime sie zu leben wünschten, und die heute die ganze Unbill des kommunistischen Regimes zu ertragen haben. Es ist uns im Blick auf die Zone eine politische Verpflichtung, all denen dort seelisch zu helfen, unter deren Augen sich die ganze unerhörte Drangsalierung durch die kommunistische Diktatur ausbreitet. Wir haben sie zu stärken im Widerstandskampf, sie freudiger zu machen und ihnen das Bewußtsein zu geben, daß ihre Leiden bei ihren Brüdern und Schwestern in der Bundesrepublik voll anerkannt und gewertet werden. Ich wage sogar zu behaupten, daß die Bundesregierung eine verfassungsmäßige Verpflichtung hat, sich der Anliegen der Sowjetzonenhäftlinge anzunehmen, ihre Anliegen zu den ihren zu machen. Nach der Präambel hat die Bundesregierung stellvertretend zu wirken für alle diejenigen, die in Gebieten leben, in denen sie der Freiheit beraubt sind.
Ich möchte das Hohe Haus bitten, unserem Antrag zuzustimmen, von dem wir glauben, daß er eine ebenso rasche wie saubere und gerechte Lösung dieses Problems, das in seiner ganzen Furchtbarkeit immer wieder deutlich wird, herbeiführen wird.