Rede von
Hans
Schütz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das am 1. Jänner 1953 in Kraft getretene Erste Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung vom 21. April 1951 bestimmt, daß die deutschen und österreichischen Versicherungsträger Leistungsansprüche und Anwartschaften, die vor dem Zusammenbruch und vor der Trennung der beiden Staatsgebiete im Jahre 1945 in der deutschen Unfallversicherung und in den deutschen Rentenversicherungen entstanden sind oder aus fremdstaatlichen Versicherungen übernommen worden sind, nur dann übernehmen, wenn bestimmte sachliche und persönliche Beziehungen der Versicherten zum Bundesgebiet oder zum Gebiet der Republik Österreich gegeben sind. Zu den Personen, deren Ansprüche durch das Abkommen nicht geregelt worden sind, zählen vor allem die sich in Österreich aufhaltenden Flüchtlinge und Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, die sich aus ihren Heimatländern unmittelbar nach Österreich begeben haben und seitdem dort verblieben sind. Bereits im Schlußprotokoll zum Ersten Abkommen wurde vorgesehen, hinsichtlich der noch nicht geregelten Ansprüche und Anwartschaften in einer Zusatzvereinbarung zu bestimmen, inwieweit die beiderseitigen Staatsangehörigen und die Volksdeutschen Leistungen oder Unterstützungen erhalten können, solange sie sich im Gebiet eines Vertragsstaates aufhalten.
Im Hinblick auf die große Bedeutung der zu regelnden Frage und die verhältnismäßig große Zahl
der Betroffenen wurde an Stelle einer Zusatzvereinbarung ein Zweites Abkommen geschlossen. Dieses enthält in Teil I einige Klarstellungen bezüglich des Ersten Abkommens. Teil II sieht die Einbeziehung des Landes Berlin in den Geltungsbereich des Ersten und des Zweiten Abkommens rückwirkend vom Zeitpunkt des Inkrafttretens beider Abkommen vor. Teil III regelt die im Ersten Abkommen nicht erfaßten Ansprüche und Anwartschaften der deutschen und österreichischen Staatsangehörigen und der Volksdeutschen. Das Zweite Abkommen gilt demnach nur für Personen, die am 11. Juli 1953, dem Tag der Unterzeichnung des Abkommens, deutsche oder österreichische Staatsangehörige waren oder als Personen deutscher Sprachzugehörigkeit, die staatenlos sind oder deren Staatszugehörigkeit ungeklärt ist, anzusehen waren und sich im Gebiet der Republik Österreich nicht nur vorübergehend aufgehalten haben.
In sachlicher Hinsicht werden zwei Gruppen von Ansprüchen und Anwartschaften erfaßt. Die erste Gruppe umfaßt die Ansprüche und Anwartschaften, die vor dem 1. Mai 1945 in der deutschen Unfallversicherung oder in den deutschen Rentenversicherungen entstanden sind oder in diese übernommen wurden. In die zweite Gruppe gehören die Ansprüche, die vor dem 1. Mai 1945 in einer fremdstaatlichen Unfall- oder Rentenversicherung entstanden und nicht in die deutsche Versicherung übernommen worden sind. Es handelt sich um die Sozialversicherungen in Bulgarien, Estland, Jugoslawien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei und Ungarn. Das Abkommen gilt nicht für volksdeutsche Umsiedler aus Italien. Für diese sind Verhandlungen zwischen den Regierungen der Bundesrepublik, Österreichs und Italiens in Aussicht genommen. Auf Grund der zu berücksichtigenden Ansprüche und Anwartschaften werden ausschließlich Leistungen aus der österreichischen Sozialversicherung gewährt. Ist Antrag auf Feststellung einer solchen Leistung gestellt, so kann der österreichische Versicherungsträger vorläufige Leistungen gewähren.
Die Artikel 7 bis 16 regeln im einzelnen das Verfahren und die Berechnung der Leistungen aus der Unfallversicherung und den Rentenversicherungen. Nach Art. 17 hat der österreichische Staat den Mehraufwand zu erstatten, der den österreichischen Versicherungsträgern aus der Durchführung des Abkommens entsteht. Nach Art. 18 beteiligt sich die Bundesrepublik in einem gewissen Umfang an den Aufwendungen, die der Bundesrepublik Österreich aus den Erstattungen nach Art. 17 erwachsen. Es wird geschätzt, daß für die nächsten Jahre eine jährliche Summe von rund eineinhalb Millionen aufzubringen ist. Die Bundesrepublik deckt demnach die Ausgaben, die österreichischen Versicherungsträgern auf Grund des Abkommens für Personen entstehen, die bei Inkrafttreten des Abkommens nicht österreichische Staatsbürger sind und nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 in Deutschland, in Danzig, Estland, Lettland, Litauen, Polen und der Tschechoslowakei mit Ausnahme der später in die Reichsgaue Niederdonau und Oberdonau eingegliederten Gebiete entweder einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall erlitten oder Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt haben. Von Österreich werden dagegen die Aufwendungen für Personen getragen, die bei Inkrafttreten des Abkommens österreichische Staatsbürger sind und deren Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und Rentenversicherungszeiten in Jugoslawien, Rumänien, Ungarn oder den in die ehemaligen Reichsgaue Niederdonau und Oberdonau eingegliederten tschechoslowakischen Gebieten eingetreten bzw. zurückgelegt worden sind.
Teil IV enthält die Übergangs- und Schlußbestimmungen. Danach gelten bei Anwendung des Zweiten Abkommens die gleichen Grundsätze und gewisse Verfahrensvorschriften des Ersten Abkommens entsprechend. Leistungen nach dem Zweiten Abkommen werden — ebenso wie die Leistungen nach dem Ersten Abkommen — erst für die Zeit ab 1. Januar 1953 gewährt.
Da die künftige Höhe der durch das Zweite Abkommen entstehenden finanziellen Verpflichtungen noch nicht genau übersehbar ist, bestimmt das Schlußprotokoll, daß die Bestimmungen über die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an dem Aufwand zu überprüfen sind, wenn in den Berechnungsgrundlagen eine wesentliche Änderung eintritt.
Das Zweite Abkommen soll ebenso wie das Erste Abkommen rückwirkend ab 1. Januar 1953 in Kraft treten. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat in seiner letzten Sitzung einstimmig dem Gesetz zugestimmt. Ich bitte das Hohe Haus, ebenfalls zuzustimmen.