Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Deutschen Partei und der Änderungsantrag auf Umdruck 144 sind für die Regierung etwas überraschend auf die Tagesordnung gesetzt worden. Ich darf dazu bemerken, daß das ganze Thema bereits Gegenstand der Kleinen Anfrage Nr. 63 der Abgeordneten Wehr, Dr. Bärsch, Hansing und Genossen vom 21. Mai 1954 gewesen ist und daß daraufhin
das Bundesministerium der Finanzen bereits unter dem 5. Juni 1954 eine Darstellung des Sachverhalts gegeben hat.
Zunächst darf ich den Ausgangspunkt feststellen. Ich glaube, es ist allgemeiner Wunsch des Hohen Hauses und der gesamten deutschen Öffentlichkeit, daß die Altbesatzungsverdrängten allmählich wieder in ihre Wohnungen zurückkehren.
Die Bemühung der Bundesregierung, alles Mögliche zu tun, um die Wohnungen der Altbesatzungsverdrängten frei zu erhalten, wird infolgedessen fortgesetzt.
Die USA-Streitkräfte haben den Plan, in Bremerhaven 558 Familienwohnungen, 204 Junggesellenwohnungen, eine Offiziersmesse, eine Schule etc. sowie eine Kapelle zu errichten. Zusammen mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung eingeleitet hat, würde der Erfolg sein, daß in verhältnismäßig kurzer Zeit 664 Wohnungen der gesamten Altbesatzungsverdrängten des Landes Bremen für die deutsche Zivilbevölkerung wieder frei gemacht werden können.
Wenn für die Altbesatzungsverdrängten neue Wohnungen gebaut werden, so ist natürlich für den Bau dieser Wohnungen ein Gelände erforderlich. Es ist regelmäßig so, daß dieses Gelände zunächst von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wird. Dieses Gelände wird dann formell requiriert, d. h. es wird damit der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben, das Gelände von dem Privateigentümer aufzukaufen. Die Requirierung ist die Einleitung der privaten Kaufverhandlungen zwischen Bundesregierung — Etat nicht anerkannte Besatzungskosten — und den einzelnen Privateigentümern von Grund und Boden. Die Verhandlungen selbst laufen regelmäßig über die Gemeinden, so daß die erste Zuständigkeit auch in dieser Frage nicht bei diesem Hohen Hause und der Bundesregierung, sondern bei Senat und Bürgerschaft der Stadt Bremen liegt. Wir haben in diesem Falle von Bremen den Vorschlag erhalten, ein Gelände zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich dabei um die Grundstücke am „Blink" mit einer Fläche von etwa 14 ha, und am „Leher Bahnhof" mit einer Fläche von 7 ha.
Nun stehen auf diesem Gelände ungefähr 30 Objekte, die im Laufe der Zeit geräumt werden müßten. Es ist zunächst der Vorschlag gemacht worden, dafür von der Stadtverwaltung Bremerhaven das Gelände am „Speckenbütteler Park" zu übernehmen. Dieses Gelände ist Sumpfgelände. Ein Bau wäre dort grundsätzlich nur unter sehr hohen Mehraufwendungen und bei sehr großer Zeitversäumnis möglich. Bei Verwendung dieses Sumpfgeländes würden sich die Bauarbeiten wenigstens um ein Jahr verzögern. Wird dieses Gelände verwendet, so wird für die innere Aufschließung, außerdem für die übrigen Kosten — für Pfähle und Betonierungsarbeiten, ich habe die einzelnen Zahlen in der Antwort vom 5. Juli 1954 genannt — ein Mehrbetrag von ungefähr 15 Millionen DM anfallen. Das ergibt bei ungefähr 30 Wohnungseinheiten auf die einzelne Wohnungseinheit umgerechnet einen Mehrbetrag von 500 000 DM. Es war deswegen die Frage, ob dieser Mehraufwand gerechtfertigt ist.
Es mußte zunächst von der US-Besatzungsmacht entschieden werden, ob sie diesen Mehrbetrag übernimmt. Sie hat sich geweigert. Stadt und Senat Bremen haben sich ebenfalls geweigert. Ich muß vom Standpunkt des Bundesfinanzministeriums aus sagen, daß es mir unmöglich erscheint, einen Kostenaufwand in dieser Höhe — auf die einzelne Wohnungseinheit berechnet 300- bis 500 000 DM! — zu übernehmen. Infolgedessen hat sich der Senat Bremen entschlossen, der Besatzungsmacht das vorhin genannte Gelände am „Blink" und am „Leher Bahnhof" anzubieten. Das Bundesfinanzministerium hatte keinen Anlaß, dem zu widersprechen.
Die heutige Situation ist nun folgende. Wenn die Inanspruchnahme dieses Gelände vermieden werden soll, gibt es zwei Möglichkeiten, von denen die erste wohl ausscheidet; das wäre das Unterlassen des Baues des ganzen Vorhabens. Damit begäbe man sich der Möglichkeit, 664 Wohnungseinheiten frei zu bekommen und diese der deutschen Bevölkerung zurückzugeben. Die zweite Möglichkeit wäre, daß in letzter Minute ein Austausch der Gelände erfolgt, was Mehrkosten von 15 Millionen DM verursachen würde und nach meinem Dafürhalten mit der Zahl der Wohnungseinheiten in keinem vernünftigen Verhältnis steht.
Wir haben uns deshalb schon am 2. Juni mit dem Senat von Bremen ins Benehmen gesetzt und dabei dem Senator für Finanzen des Landes Bremen und der Oberfinanzdirektion Bremen folgendes mitgeteilt. Erstens: das Bundesfinanzministerium ist bereit, die requirierten Grundstücke zu einem angemessenen Preis anzukaufen. Zweitens ist es bereit, die Entschädigungen für Aufwuchs und Aufbauten zur Beschleunigung in den Kaufpreis einzubeziehen. Drittens haben wir den Herrn Finanzsenator und die Oberfinanzdirektion gebeten, mit den zuständigen US-Dienststellen Verbindung aufzunehmen, um die auf den Baugrundstücken befindlichen Gebäude so weit als möglich in ihrer Substanz zu erhalten und den deutschen Familien weiterhin zu belassen. Ich bin überzeugt, daß es nicht notwendig sein wird, alle diese Gebäude zu räumen. Viertens haben wir den Herrn Finanzsenator gebeten, im Benehmen mit der Stadtverwaltung Bremerhaven alle notwendigen Maßnahmen wegen der Bereitstellung von Zwischen- und Dauerunterkünften für die Räumungsbetroffenen durchzuführen. Fünftens haben wir uns bereit erklärt, die Transportkosten der Zwischenumzüge und der Umzüge sowie sonstige Nebenkosten auf den Verteidigungsfolgekostenhaushalt zu übernehmen.
Das sind die Vorschläge, die wir bereits im Juni gemacht haben und von denen ich der Überzeugung bin, daß sie der Sachlage entsprechen. Die Bundesregierung ist gerne bereit, ihre Bemühungen fortzusetzen, um die Schwierigkeiten, die sich hier ergeben haben, möglichst zu beheben. Sie wird das im Benehmen mit den Besatzungsmächten, dem Senat und der Bürgerschaft der Stadt Bremen tun. Aber sie hat den dringenden Wunsch, daß das Gesamtprojekt, 664 Wohnungseinheiten für die deutsche Bevölkerung frei zu bekommen, nicht scheitert.