Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, ich habe bekanntzugeben, daß die nächste Fragestunde am Donnerstag, dem 16. September 1954, ist. Sperrfrist für eingehende Fragen ist Donnerstag, der 9. September 1954, 12 Uhr.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 6. Juli 1954 die Kleine Anfrage 55 der Fraktion der DP betreffend industrielles Bundesvermögen — Drucksache 489 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 687 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 6. Juli 1954 die Kleine Anfrage 76 der Fraktion der DP betreffend Ermäßigung der Zündwarensteuer — Drucksache 617 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 682 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 7. Juli 1954 die Kleine Anfrage 80 der Abgeordneten Dr. Rinke, Schütz und Genossen betreffend Ausländerausgleich auf Bundesebene — Drucksache 624 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 691 vervielfältigt.
Zur Abwicklung der heutigen Tagesordnung darf ich nach den Entscheidungen in der gestrigen Sitzung folgendes sagen. Zuerst wird Punkt 3 der gestrigen Tagesordnung behandelt. Als Punkt 2 kommt die Beratung des Antrags der Abgeordneten Bauer , Dr. Dittrich, Dr. Franz, Klausner, Lermer, Freiherr Riederer von Paar, Unertl und Genossen betreffend Hochwasserkatastrophe in Südbayern, Drucksache 695. Die Drucksache ist verteilt. Dann folgt die Fortsetzung der Beratung zu Punkt 2 der gestrigen Tagesordnung. Danach kommen die Punkte 4, 5 und 6 der gestrigen Tagesordnung und dann die Punkte der heutigen zur Behandlung. — Widerspruch hiergegen erfolgt nicht. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der gestrigen Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ruhnke, Schwann, Geiger , Elsner, Dr. Kopf, Maier (Freiburg), Dr. Hoffmann und Genossen betreffend Rhein-Seitenkanal (Drucksache 562).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Dr. Kopf , Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Versailler Vertrag hat Frankreich umfassende Rechte am Rhein innerhalb der französischen Grenzen eingeräumt. Nach Art. 358 des Versailler Vertrags hat Frankreich das Recht, Wasser aus dem Rhein zum Zwecke der Schiffahrt, der Bewässerung und zu jedem anderen Zweck zu entnehmen. Es hat ferner das Recht, die ausschließliche Kraftnutzung aus der Wasserkraft des Rheins auszuüben mit der Maßgabe, daß die Hälfte des Wertes der tatsächlich gewonnenen Kraft entweder in Strom oder in Geld — unter Berücksichtigung der Gestehungskosten der Kraftwerke — an Deutschland vergütet werden muß. Deutschland ist ferner verboten worden, eine Abzweigung aus dem Rhein, auch zum Zwecke der Bewässerung, vorzunehmen.
In Ausführung dieser Bestimmungen des Versailler Vertrags hat Frankreich nach dem ersten Weltkrieg mit der Erstellung eines Rhein-Seitenkanals begonnen. Dieser Kanal soll in sieben Staustufen mit sieben Kraftwerken fertiggestellt werden. Er soll nach seinem Totalausbau eine mittlere Jahresleistung von 6,5 Milliarden kWh liefern, von denen 180 Millionen kWh an die Schweiz abgeliefert werden müssen; der Rest von 6,3 Milliarden kWh würde auf Frankreich entfallen. Das erste Stauwerk der Staustufe Kembs unterhalb Basel ist im Jahre 1932 eröffnet worden. Es wurde nach seiner Zerstörung im letzten -Weltkrieg im Jahre 1946 wieder in Betrieb genommen. Die zweite Staustufe, Ottmarsheim, ist 1953 eingeweiht worden. Die dritte Staustufe, Fessenheim, befindet sich zur Zeit in Arbeit und wird Voraussichtlich im Jahre 1957 fertiggestellt werden. Der gesamte Kanal wird nach seiner Fertigstellung zwischen Kembs und Straßburg eine Länge von etwa 110 km umfassen.
Der Bau des Kanals hat starke Rückwirkungen auf den Wasserhaushalt des Rheins und auf die Grundwasserverhältnisse der Rheinebene gehabt. Zunächst ist Deutschland jede Nutzung seines hälftigen Anteils an der Wasserkraft entzogen worden. Deutschland ist ferner von einer unmittelbaren Benutzung des Rheinstroms als Schiffahrtsstraße ausgeschlossen. Die vorhandenen Hafen- und Umschlagseinrichtungen, beispielsweise in Breisach, werden wertlos werden in dem Augenblick, in dem der Kanal bis zu diesem Punkte fortgeführt sein wird. Die Ableitung der Abwässer der Rheingemeinden stößt bereits auf Schwierigkeiten — und wird künftig noch erheblichere bereiten —, weil die im Rhein verbleibende Mindestwassermenge nicht ausreicht und nicht ausreichen würde, die Abwässer abzutransportieren. Dasselbe gilt für die nicht verwendbaren Salze des Kaliwerkes Buggingen, die bisher in den Rhein entleert wurden. Auch die allgemeine Wirtschaftsentwicklung wird unter der Fertigstellung des Rhein-Seitenkanals leiden. Da der Kanal als Schiffahrtsstrecke deutsches Gebiet nicht berührt, werden Frachtvorteile für Schiffstransporte von Massengütern dem deutschen Gebiet nicht zugute kommen können. Auch wird eine Industrieansiedlung am Rhein wenig verlockende Bedingungen haben.
Von ganz besonderer Bedeutung sind aber die Rückwirkungen des Rhein-Seitenkanals auf die Grundwasserverhältnisse. Es ist wahr, daß auf dem oberen Teil der Kanalstrecke zwischen Kembs und Breisach als eine Spätfolge der vor 100 Jahren vorgenommenen Tullaschen Rheinkorrektion bereits eine Absenkung des Grundwassers eingetreten ist. Das Rheinbett ist infolge der Korrektion des Rheinlaufs weithin erodiert worden, und die Senkung des Wasserspiegels hat eine gleichzeitige Senkung des Grundwaserspiegels zur Folge gehabt.
Der Bau des Rhein-Seitenkanals in dem bisherigen Umfang hat eine weitere und zusätzliche Absenkung des Grundwassers um 2 bis 4 m zur Folge gehabt. Begründete Befürchtungen bestehen für den Fall des Ausbaus des Rhein-Seitenkanals auf der Strecke zwischen Breisach und Straßburg. Auf dieser Rheinstrecke ist eine Erosion des Rheinbettes bisher nicht eingetreten; ganz im Gegenteil. Mit der Fertigstellung des Rhein-Seitenkanals muß sich aber auf dieser Teilstrecke zwangsläufig eine wesentliche Absenkung des jetzt noch normalen Grundwassers ergeben.
Es ist zu befürchten, daß die Landwirtschaft auf diesem Gebiet zwischen dem Rhein und dem Gebirge in schwerster Weise in Mitleidenschaft gezogen wird. Nach den bisherigen Gutachten wird hiervon eine Gebietsfläche von nicht weniger als 33 000 ha mit einer Länge von etwa 40 km und einer Breite von 7 bis 8 km erfaßt. Die Schäden werden erheblich sein. Es wird mit einer Ertragssenkung bis zu 40 % gerechnet. Einige tausend Betriebe werden unrentabel sein. Insbesondere das wertvolle Tabakanbaugebiet nördlich des Kaiserstuhls wird in Mitleidenschaft gezogen werden. In ähnlicher Weise wird voraussichtlich die elsässische Landwirtschaft Schäden erleiden.
Neben dieser schweren Schädigung der Landwirtschaft wird die Trinkwasserversorgung beeinträchtigt. Die vorhandenen Trinkwasseranlagen werden nicht ausreichend sein und werden des Umbaus mit einem erheblichen Kostenaufwand bedürfen. Die Fischerei, einst am gesamten Oberrhein ein blühendes Gewerbe, wird endgültig zum Erliegen kommen; denn die Alt-Rheine, die heute noch die Fischerei ermöglichen, werden infolge der Senkung des Grundwasserspiegels austrocknen. Was das Klima angeht, so heißt es in einem mir vorliegenden Gutachten, daß die zu erwartenden Klimaveränderungen, insbesondere die Veränderungen des Kleinklimas, durch künstliche Bewässerung und durch Beregnung nicht ausgeglichen werden können. Die Bodenfeuchtigkeit und der Wohlstand sind durch die augenblicklichen Grundwasserverhältnisse und die Luftfeuchtigkeit bedingt.
Schwerer als diese materiellen Verluste, mit denen gerechnet werden muß, scheint mir der Verlust zu wiegen, den das Bild der Landschaft und damit das Bild Europas durch den Wegfall des Rheins, eines so schicksalsträchtigen Stromes, erfahren wird. Es ist nicht gleichgültig — und es geht weit über die Interessen des Naturschutzes und der Heimatpflege hinaus —, ob ein Strom, der in der Geschichte unserer Völker durch Jahrhunderte eine so bedeutsame Rolle gespielt hat, wie bisher in seiner erhabenen Majestät durch die Anwaldungen seinen Lauf zieht oder ob er, wie das bereits bei Niedrigwasserstand in gewissen Gebieten eingetreten ist, zu einem bejammernswerten Tümpel zwischen sterbenden Wäldern zusammenschrumpft.
Man hat in unseren Ländern die ehrwürdigen Zeugnisse der Baukunst zu nationalen Monumenten erklärt. Man hat die durch die Schönheit der Natur ausgestatteten Gebietsteile unter Landschaftsschutz gestellt. Wieviel mehr aber sollten wir Anlaß haben, daß die guten Europäer unserer
beiden Länder diesen Strom, ihren Strom, zu einem Schutzgebiet erklären, um ihn in seiner Ursprünglichkeit ,als ein Merkmal unserer europäischen Landschaft uns und den kommenden Generationen zu erhalten!
Mit Trauer nehmen wir die Veränderungen wahr, die die menschliche Zivilisation den durch Ursprünglichkeit ausgestatteten Orten dieser Erde zugefügt hat, wie die Verkarstung mancher Gebirge durch Raubbau. Ich erinnere mich an jenes Bild in einem fernen Lande, in dem die ehrwürdigen Tempel einer alten Menschheitsvergangenheit durch die Fluten eines mächtigen Stroms überschwemmt werden. Gewiß steht die Regelung des Ausgleichs zwischen dem Erbe der Vergangenheit und der Aufgabe der Zukunft nur diesem Lande zu, aber die ganze Menschheit nimmt Anteil an dem Schicksal der Zeugnisse ihrer eigenen Vergangenheit.
Es erhebt sich die Frage, ob die Erstellung des Rhein-Seitenkanals in dem Sinn des Versailler Vertrags erfolgt ist und erfolgen soll, wie man ihn sich damals bei seinem Abschluß vorgestellt hat. Der Art. 358 spricht von einer Wasserentnahme aus dem Rhein. Aber hat er wirklich vorgesehen, daß nicht nur das Wasser aus dem Rhein, sondern der Rhein selbst entnommen werden soll? Derselbe Artikel verbietet Deutschland, Wasser aus dem Rhein auf dem deutschen Ufer zum Zwecke der Bewässerung zu entnehmen. Aber welchen Sinn sollte diese Bestimmung haben, wenn der Rhein als solcher bei Niedrigwasserstand gar nicht mehr existiert, sondern durch einen Kanal auf dem andern Ufer ersetzt wird! Von einem bekannten Schweizer Juristen ist auch die Frage erhoben worden, ob der Vertrag nicht vorgesehen hat, daß die Schiffahrtsmöglichkeiten sowohl auf diesem Kanal als auch im Rheinbett selbst erhalten bleiben sollen. Ich möchte diese Frage hier nicht beantworten. Zweifellos haben aber die Verfasser des Versailler Vertrags nicht an die unheilvollen Auswirkungen der Senkung des Grundwasserspiegels gedacht, die sich ja nicht nur für Deutschland, sondern auch für Frankreich ergeben wird.
Mit Frankreich sind in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen Verhandlungen geführt worden. Diese Verhandlungen enthüllen, wenn man die Akten liest, das Bild der mangelnden Eignung vielleicht sogar der Unfähigkeit des nationalsozialistischen Regimes, Fragen, die einer geduldigen Prüfung und Bearbeitung bedürfen, im Verhandlungswege einem guten Ende zuzuführen. Über die Entschädigung für die Inanspruchnahme von Grundstücken am rechten Ufer, über die Regelung der Grenze auf dem Wehr bei Kembs ist verhandelt worden, aber ohne endgültige Ergebnisse. Über die Entschädigung des hälftigen Wertes der Wasserkraft hat sich ein Schriftwechsel entsponnen mit dem Ergebnis, daß Frankreich 1935 mitteilte, das Kembser Werk habe bisher nur mit Verlust gearbeitet und daher komme eine Entschädigungszahlung zur Zeit nicht in Frage. Viper die indirekten Schäden und Beeinträchtigungen und über ihre Entschädigung ist verhandelt worden, und es muß anerkannt werden, daß Frankreich im ersten Stadium dieser Verhandlungen und insbesondere im Protokoll vom 24. November 1926 grundsätzlich bereit war, für diese Schäden einschließlich der durch die Senkung des Grundwasserspiegels erfolgenden Schäden Entschädigung zu leisten.
Im späteren Stadium der Verhandlungen, nach dem Eintritt des nationalsozialistischen Regimes, hat sich allerdings die Haltung versteift, und Frankreich hat die Auffassung vertreten, daß die Ausübung eines vertraglich verbrieften Rechtes nicht zur Entschädigungsleistung verpflichte.
Es besteht nui der Wunsch, daß die Verhandlungen mit Frankreich alsbald aufgenommen werden. Die Ziele dieser Verhandlungen sind in dem gemeinsamen interfraktionellen Antrag bezeichnet. Das Unheil, das unserer Landwirtschaft droht, kann nur dann abgewendet werden, wenn der fernere Ausbau des Rheins auf der Teilstrecke zwischen Breisach und Straßburg in einem Kanal unterbleibt und der Ausbau im Rheinbett selbst vorgenommen wird. Das ist technisch möglich. Diese Art des Ausbaus war auch in dem badischen Projekt des Jahres 1914 vorgesehen, das nicht zur Ausführung gekommen ist. Wenn diese Möglichkeit ergriffen wird, würde auch verhindert werden, daß die im Korrektionsbett vorhandene Sohleneintielung sich nach Norden verschiebt und weitere Grundwasserabsenkungen auf der Strecke zwischen Breisach und Straßburg zur Folge hat.
Es sollte im Verhandlungswege ferner erstrebt werden, daß eine ausreichende und über das bisherige Maß hinausgehende Mindestwassermenge im Rheinbett auf der Strecke, neben der ein Seitenkanal angelegt wird, verbleiben soll. Die bisherigen Mindestwassermengen, die bei Niedrigwasserstand nur 20 bzw. 10 Sekunden-Kubikmeter betragen, haben sich als nicht zureichend erwiesen. Die alten Projekte der Vorkriegszeit haben eine Mindestwassermenge von 50 Sekunden-Kubikmetern vorgesehen. Als Deutschland im Jahre 1921 im sogenannten Straßburger Kompromiß aus freien Stükken und über die Verpflichtung des Versailler Vertrags hinaus seine Zustimmung dazu erteilte, daß der Rückstau des Kembser Kraftwerks erweitert und über badisches Gebiet ausgedehnt wird, hat das damalige Projekt gleichfalls eine Mindestwassermenge von 50 Sekunden-Kubikmetern vorgesehen.
Es sollte schließlich im Verhandlungswege erstrebt werden, daß abweichend vom Versailler Vertrag auch Deutschland wiederum das Recht gewährt wird, über diese Mindestwassermenge hinaus Wasser aus dem Rhein zu Bewässerungs- und zu Beregnungszwecken zu entnehmen. Die elsässische Landwirtschaft, die von ähnlichen Einwirkungen bedroht ist, ist in diesem einen Punkte besser gestellt; denn die Konzessionsurkunde, durch die der französische Staat der Electricité de France das Recht zur Errichtung des Rhein-Seitenkanals gewährt hat, sieht eine Vorwegnahme von 17 bis 26 Sekunden-Kubikmetern Wasser vor, die für Bewässerungszwecke zugunsten der elsässischen Landwirtschaft verwendet werden sollen.
Der Antrag, der Ihnen vorliegt, ist gemeinsam und einmütig von sämtlichen Fraktionen dieses Hohen Hauses gestellt worden, und seine Wünsche werden von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses getragen und gestützt.
Es gilt mein besonderer Dank aber auch der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft, deren Vorstand und deren Mitglieder bei der Vorbereitung und Ausarbeitung dieses Antrags maßgebend beteiligt gewesen sind.
Frankreich ist unser Nachbar. Frankreich ist aber mehr als unser Nachbar; es ist zugleich unser Part-
ner einer Gemeinschaft und, wie ein großer Teil dieses Hauses wünscht, auch der künftige Partner einer engeren und vertieften Gemeinschaft. Es besteht die begründete Hoffnung, daß Fragen, die zwischen Nationen schweben und die dann nur schwierig bewältigt werden können, wenn jede Nation sich nur von ihren eigenen nationalen Interessen leiten läßt, leichter und besser gelöst werden können im Lichte der europäischen Verständigung und im Rahmen einer schon bestehenden und einer werdenden Gemeinschaft. So ergibt sich auch für uns die Hoffnung, daß die zu führenden Verhandlungen durch das Band erleichtert werden, das uns mit Frankreich in einer solchen Gemeinschaft bereits verbindet und uns in Zukunft verbinden soll.
Wir richten durch diesen Antrag die Bitte an unsere Regierung, diese Verhandlungen aufzunehmen. Dieser Wunsch enthält aber zugleich auch eine Bitte an Frankreich, seiner stolzen Tradition eingedenk zu sein. In einer entscheidenden Stunde seiner Geschichte, am 16. November 1792, hat der französische Nationalkonvent folgenden Beschluß gefaßt:
Kein Volk kann, ohne sich einer Rechtswidrigkeit schuldig zu machen, einen Strom ausschließlich zu seinem eigenen Vorteil zu monopolisieren trachten, indem es die Uferstaaten hindert, sich die gleichen Dienste zu sichern.
In dieser Erklärung hat Frankreich die gleichen Rechte benachbarter Anliegerstaaten eines Grenzstroms anerkannt. Diese Anerkennung ist aber nichts anderes als die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes der Rechtsgleichheit freier Nationen, die im Geiste der Brüderlichkeit miteinander verbunden sind. Frankreich hat nicht aufgehört, die hohen Ideale, die seine Verwandlung vom Feudalstaat in ein demokratisches Gemeinwesen ausgelöst und begleitet haben, als die seinen zu bewahren. Europa möge nicht beginnen, ohne sich zu ihnen zu bekennen.