Rede von
Dr.
Hermann
Schmitt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat zuletzt darauf hingewiesen, daß wir
nicht wollen, daß die Fehlentscheidungen der Großen von den Kleinen getragen werden. Nun, ich glaube, daß es niemanden gibt, der diesen Wunsch nicht hat. Wenn es aber ein beredtes Beispiel dafür gibt, daß die Kleinen die Zeche bezahlen, dann ist es das deutsche Volk. Das haben wir nach dem ersten Weltkrieg erlebt, wo die breiten Massen des Volkes durch die Inflation die Zeche bezahlt haben. Das haben wir nach diesem Kriege erlebt, wo durch den Währungsausgleich und das sich anschließende „Wirtschaftswunder" der kleine Mann auf der Straße diese Zeche in sehr starkem Maße mit getragen hat.
Ich will auf diese Dinge nicht eingehen, sondern mich im wesentlichen auf die Rechtsfragen beschränken, um die es hier geht. Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, daß die Abkommandierung nach Spanien mehr oder weniger freiwillig gewesen sei. Er bezweifelt in seinen Ausführungen, wenn ich ihn richtig verstanden habe, diese Freiwilligkeit. Auch ich habe sie in meinen Ausführungen bezweifelt. Um so mehr bin ich dann überrascht, Herr Minister, daß Sie in Ihrem Runderlaß vom 11. Februar 1954 ausdrücklich feststellen, daß es sich hier um Freiwillige handelt. Es heißt dort:
Die auf Grund freiwilliger Meldung zur Legion Condor übergetretenen Berufssoldaten
galten als dorthin versetzt und traten nach
Aufhebung der Versetzung, spätestens nach
allgemeiner Beendigung des Spanieneinsatzes,
wieder zu ihren Stammtruppenteilen, nur in
Ausnahmefällen in freie Planstellen anderer
Truppenteile zurück.
— So wie man das Ganze hier liest, Herr Minister, kann man doch andere Schlüsse daraus ziehen.
Ich darf nun weiter auf die Rechtsfragen eingehen. Sie haben hier ausgeführt, daß es nicht im freien Ermessen liege, den bestehenden Rechtszustand zu ändern, sondern daß es sich einfach um die Wiedergabe des bestehenden Rechts handle. Sie haben sich dabei auf § 83 des Deutschen Beamtengesetzes bezogen. Ich kann diese Auffassung auch nach den Rechtsausführungen des Herrn Ministers nicht teilen. Es steht einwandfrei fest, Herr Minister, daß das Wehrmachtversorgungsrecht nur ergänzend Bestandteil des Beamtenrechts geworden ist, soweit es sich um die Bestimmungen des Einsatzfürsorge- und Versorgungsgesetzes handelt. Dieses Gesetz mit seinen Durchführungsverordnungen ist aber aufgehoben worden. Mit der Aufhebung dieses Gesetzes und der dazu ergangenen Durchführungsverordnungen ist auch die Rechtswirkung dieses Gesetzes und der Verordnungen entfallen.
— Herr Minister, darf ich dazu folgendes sagen. Die Wiedereinführung von Vorschriften früheren Rechts ist doch nur dadurch möglich, daß ausdrücklich eine neue Vorschrift ergeht, in der es heißt, daß die und die Vorschriften des früheren Rechts wieder in Kraft treten. Es ist doch rechtlich unmöglich, sich einfach durch eine allgemeine Vorschrift darauf zu berufen, daß es heißt, das bisherige Recht gelte weiter, und dann zu sagen, da-
durch seien auch ganz bestimmte Gesetze und Verordnungen wieder in Kraft getreten. Das ist doch sonst auch nicht üblich, und ich kann mir nicht vorstellen, daß das plötzlich auf dem Gebiet des Beamtenrechts möglich sein sollte.
Es ist also nicht möglich, aus der Bestimmung des § 181 Abs. 5 Nr. 1, in der es heißt „nach bisherigem Recht", zu schließen, daß durch andere Gesetze aufgehobene Vorschriften damit wieder in Kraft sind, sondern es kann sich doch nur darum handeln, daß diejenigen Bestimmungen weitergelten, die nicht durch andere Bestimmungen ausdrücklich aufgehoben worden sind.
Soviel zur Rechtslage. Im übrigen freue ich mich, daß Sie nach wie vor die Auffassung vertreten, daß es sich bei dem Eingreifen der nationalsozialistischen Regierung um ein völkerrechtswidriges Handeln gehandelt hat.
Was Ihren setzten Hinweis auf das Ausland betrifft, Herr Minister, so können und dürfen wir uns bei der Diskussion um die Probleme, um die wir hier zu ringen haben, nicht davon leiten lassen, ob dieses oder jenes richtig ankommt. Wir haben in den letzten Tagen ein sehr beredtes politisches Beispiel dafür gehabt, daß ein Mitglied der Bundesregierung auch nicht nach den Reaktionen im Ausland gefragt hat und sich politisch geäußert hat.
Sie dürfen uns dann schon zugute halten, daß wir ebenfalls in einer Frage, in der wir der Meinung sind, daß vor der deutschen Öffentlichkeit gesagt werden muß, was ist, diese Auffassung in diesem Hohen Hause zum Ausdruck bringen.
Ich darf also nochmals bitten, die beiden Erlasse aufzuheben, weil einfach keine Rechtsgrundlage für sie vorhanden ist.