Rede von
Herbert
Wehner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß doch einige Bemerkungen zu der Begründung der beiden Anträge machen, weil ich leider zu der Auffassung kommen mußte, daß diese Begründung dort abbrach, wo sie hätte interessant werden können.
Nämlich dort, wo es sich darum handelte, herauszufinden, ob nun die betreffenden Regierungs- und Bundesstellen wirklich nach Berlin sollen oder ob darüber nur wieder einmal eine neue soundsovielte grundsätzliche Erklärung abgegeben werden soll. Ich bin nach dieser Begründung unsicher, was wir von der Sozialdemokratie mit diesen Selbstgesprächen zwischen Koalitionsparteien eigentlich anfangen sollen. Ich muß, entschuldigen Sie das, der Befürchtung Ausdruck geben, daß es sich eigentlich
gar nicht um Anträge zur Verlegung von Amtssitzen der darin bezeichneten Stellen handelt, sondern vielleicht um Anträge, die — das ist verständlich, aber das ist nun schwierig — sehr in Zusammenhang mit dem Berliner 5. Dezember stehen.
Das aber sollten wir hier doch ein wenig wegzubekommen versuchen.
Herr von Merk a t z meinte, man solle nicht polemisieren. Es kann doch wohl niemanden geben, der im Ernst dagegen polemisiert, daß etwas in der Richtung nach Berlin geschieht. Aber wenn das dann mit der Bemerkung entwertet wird, man wolle nicht in die Organisationsgewalt der Regierung eingreifen — wozu sind uns denn dann diese Anträge und dazu noch mit diesem Eilbedürfnis vor den Parlamentsferien zur heutigen Beratung auf den Tisch gelegt worden?!
Ich will einige kurze Erklärungen abgeben, die in meiner Fraktion besprochen worden sind. Wir waren der Meinung: wenn durch solche Anträge wie diese hier der Hauptstadt gegeben werden soll, was der Hauptstadt gebührt, dann kein Wort dagegen, dann natürlich dafür! Wer wollte denn dagegen sein? Wir haben uns besonders darüber gefreut — nach der Begründung muß ich das alles sehr einschränken —, daß dies nach der bedeutungsvollen Festsetzung der Wahl des Herrn Bundespräsidenten in Berlin sozusagen ein neuer Akt sei. Unsere Auffassung ist nämlich, um das ganz klar zu sagen: es soll soviel Bundesregierung wie möglich nach Berlin. Wir möchten, daß die Regierung — das ist eine Frage auch der Arbeitsverteilung der Regierung — sich konkret Gedanken darüber macht, w i e das geschehen kann, wenn keine politisch andere Auffassung darüber besteht, daß es richtig sei, soviel Bundesregierung wie möglich nach Berlin zu bringen. Aber — ich sage das, weil mich eine Bemerkung des einen Herrn Diskussionsredners dazu veranlaßt — wir möchten nicht einen Wettlauf in Symbolik. Das paßt nicht! Das paßt nicht in unsere politische Lage und paßt auch nicht zur politischen Lage Berlins.
Wir haben die Verpflichtung, immer nachzudenken und alles zu tun und in die Tat umzusetzen, was zur weiteren Verflechtung Berlins mit dem Bund und zur ökonomischen Verankerung dieser Stadt, die in einer so schwierigen Lage ist, führen kann. Das ist nicht mit Gesten wettzumachen. Entschuldigen Sie, ich will dem Herrn Begründer dieser Anträge nicht unterstellen, daß er von Anfang an nur an Gesten und Deklarationen gedacht hat; aber dazu haben wohl eben die Gespräche in der Koalition geführt, daß heute nicht mehr herausgekommen ist als das, was wir nun vor uns haben.
Wenn es sich um den Antrag handelt, das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen nach Berlin zu verlegen, so hat ein solcher Antrag unseren vollen Beifall. Die Frage ist nur: Wie wird die Bundesregierung die Arbeit dieses Ministeriums mit ihrer übrigen Arbeit in Einklang bringen? Es kann sich doch nicht etwa darum handeln, daß der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen so eine Art Bundesvertreter oder Bundesbevollmächtigter oder Bundespropagandist in Berlin sein soll, sondern es müßte dann ja eine sinnvolle Verteilung und Neuaufteilung der ganzen Arbeit vorgenommen wer-
den. Es geht dabei auch um die Stellung dieses einsam in Berlin residierenden Ministers im Kabinett und zum Kabinett, und es geht um solche Fragen wie die seiner Stellung zum Bundesbevollmächtigten oder der Stellung des jetzigen Bundesbevollmächtigten zu den übrigen Stellen. Bitte, darüber muß man reden, und wir möchten gern, daß darüber sehr konkret geredet würde. Deswegen begrüßen wir es, daß man diese Anträge in den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen, in den Rechtsausschuß und, ich glaube, zur Mitberatung wohl auch noch in den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überweist — denn dort gehören sie sicher hin —, damit man herausbekommt, was mit ihnen gemeint ist, auch wenn das vielleicht nicht ganz so schnell gehen kann.
Bezüglich der Stellung eines Antrages, der den Amtssitz des Bundespräsidenten betrifft, will ich mich nicht weiter äußern. Es gibt da sicher manche Zweifel, ob es richtig ist, in diesem Moment, kurz vor der Wahl des Bundespräsidenten, die erfreulicherweise in Berlin stattfindet, einen solchen Antrag so zu stellen. Aber auch das wird in den Ausschüssen behandelt werden können.
Wir unterstützen also den Antrag auf Überweisung, erweitern ihn nur noch dahin, daß mitberatend auch der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung tätig sein soll.