Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Bedeutung der Sache rechtfertigt es, daß ich noch einmal das Wort nehme. Herr Kollege Dr. Arndt hat darauf verwiesen, daß seine Fraktion vier Fragen gestellt habe und wir hier eigentlich nur über die vier Fragen sprechen sollten. Eine Debatte wie diese — Herrn Dr. Greves Ausführungen belegen es ja — läßt sich nicht immer nur im Rahmen der strikt formellen Beantwortung halten.
Ich hatte eingangs meiner Ausführungen gesagt, daß diese ganze Angelegenheit, die nun den Namen „Vulkan" trägt, doch so wichtig ist, daß die ganze deutsche Öffentlichkeit und in erster Linie das Hohe Haus einen Anspruch darauf haben, darüber so umfassend wie möglich aufgeklärt zu werden. Niemand wird das, glaube ich, zum Anlaß eines Vorwurfs nehmen. Soviel zu Punkt 1.
Zum Punkt 2 darf ich folgendes feststellen. Es ist gesagt worden, die Namensverwechslung hätte nicht dazu führen dürfen, den Betreffenden etwa 14 Tage in Haft zu halten. Dies ist keineswegs der Fall gewesen.
— Nein, Sie irren sich! Herr Becker ist nicht 14 Tage in Haft gewesen, sondern er ist nur von der Polizei mit diesem Haftbefehl besucht worden. Nach seiner Erklärung: „Ich bin das überhaupt nicht" wurde ihm gesagt: „Halten Sie sich bitte
zur Verfügung". Dann ist schließlich der richtige Becker verhaftet worden.
Was die Ehrenerklärung angeht, haben Sie, Herr Kollege Dr. Arndt, bedauert, daß die Bundesregierung ihre Absicht erst heute, wie das unter Ziffer 3 erörtert worden ist, dargelegt habe. Ich darf Ihnen sagen, daß wir intern den Beteiligten gegenüber längst ähnliche schriftliche Erklärungen abgegeben haben. Warum wir es hier im Hohen Hause nicht eher tun konnten, habe ich schon eingangs an Hand der etwas schwierigen Vorgeschichte der Behandlung dieser Großen Anfrage dargelegt.
Ich darf Sie aber auch an etwas erinnern, was ich ebenfalls eingangs gesagt habe. Ich bin in der Tat der Meinung, daß man bei Vorfällen dieser Art, bei einem solchen Komplex, der nun schon seit eineinviertel Jahren in der Welt ist, früher zu dem Mittel der Regierungserklärung greifen sollte. Was mich angeht, werde ich das ohne Zweifel tun, weil ich es dem Hohen Hause gegenüber eigentlich auch für das praktikablere Verfahren halte, als daß wir uns mühselig an Große Anfragen anhängen, die manchmal in der Tat in ihrer einzelnen Formulierung überholt sind, bis sie hier zur Erörterung kommen. Wir haben das ja in der letzten Zeit häufig gemeinsam erlebt.
Meine Damen und Herren, was Herr Kollege Dr. Arndt gesagt hat, läuft doch darauf hinaus, daß er etwas zugespitzt formuliert hat, man habe hier aus einem Kriminalfall Politik machen wollen. Ich kann nicht anerkennen, daß das so ist. Ich will nicht noch einmal im einzelnen darlegen, was ich bereits ausgeführt habe. Ich darf Sie aber doch darum bitten, diese Ausführungen und ihre Argumentation im einzelnen noch einmal daraufhin zu prüfen. Es kann Situationen geben — und dabei bleibe ich —, in denen es die staatspolitische Verantwortung — das ist weitgehend eine Frage pflichtgemäßen Ermessens — der Bundesregierung
— oder es kann sich auch um eine andere Stelle handeln — unbedingt nahelegt, eine umfassende Aufklärung der Öffentlichkeit vorzunehmen. Daß das mit aller menschenmöglichen Vorsicht und Zurückhaltung geschehen soll, darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig. Das ist ein Prinzip, das wir nicht weiter zu diskutieren brauchen.
— Ich sage, ich bin der Meinung, Herr Kollege Arndt — das ergibt sich aus meiner Antwort zu den beiden ersten Ziffern —, daß hier in der Tat ein Fall vorlag, der so behandelt werden mußte. Das habe ich dargelegt.
— Unsere Meinungen darüber mögen auseinandergehen. Mir ist es schon sehr viel wert, wenn wir uns bei vier Punkten wenigstens auf zwei definitiv einigen können. Das ist schon eine ganze Menge.
Sie werden im Ernst auch gar nicht abstreiten wollen, daß das doch erfreulich ist. Herr Kollege Arndt hat es doch geradezu herausgestellt, wie erfreulich es ist, wenn es Punkte gibt, über die man sich in einer solchen Sache, die öffentliches Aufsehen erregt hat, verständigen kann. Warum wollen Sie das hinterher wieder verkleinern? Ich bleibe dabei, daß ich das für erfreulich halte, und Herr Dr. Arndt hat es ja auch als erfreulich bezeichnet.
Die Kontroverse zwischen Dr. Greve und mir haben Sie, Herr Dr. Arndt, nach meiner Meinung wenigstens, nicht richtig aufgefaßt. Ich will mich bemühen, klarzumachen, was ich in dieser Sache meine. Zunächst will ich einmal für das Hohe Haus, das diesen Fall nicht so genau kennt, klarstellen, daß die Sache Weis — das ist der Fall mit Haftbefehl usw., über den Herr Greve gesprochen hat — völlig getrennt von dieser Geschichte „Vulkan" ist. Wenn man sich darüber einig ist, dann wird man das, was ich jetzt sage, sehr viel besser verstehen. Das hat mit dieser Großen Anfrage also gar nichts zu tun, sondern es sind allgemeine kritische Bemerkungen gegenüber dem Oberbundesanwalt, gegenüber dem Bundesgericht usw.
Dazu sage ich folgendes. Ich will das ganz deutlich machen. Diese Landesverratsverfahren sind Verfahren unter Ausschluß der Öffentlichkeit, und zwar in allen Ländern der Welt. Das ist ja nichts Besonderes, es sei denn da, wo Schauprozesse veranstaltet werden, und damit will ja keiner von uns etwas zu tun haben. An diesen Verfahren sind beteiligt die Anklagebehörde — hier also der Oberbundesanwalt —, ein Senat, bestehend aus mehreren Richtern, der Angeklagte — den ich nicht weiter zu erwähnen brauche — und sein Verteidiger oder seine Verteidiger. Das ist der Kreis von Menschen, auf den sich ein solches Verfahren beschränkt, ein Verfahren, das unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet.
— Nun gut, Herr Greve, wenn da noch ein Punkt sein sollte, so können wir uns darüber ja noch einmal außerhalb unterhalten; das ist für das Hohe Haus, für das, was ich prinzipiell meine, jetzt vielleicht nicht wichtig genug. Also ich spreche von einem solchen Verfahren, und Sie haben einen Haftbefehl aus einem solchen Verfahren vorgezeigt. Herr Kollege Arndt sagte, Sie hätten nur von Haftbefehl und Eröffnungsbeschluß gesprochen. Das ist nicht richtig. Sie haben von mehr, von Quittungen und dergleichen gesprochen usw. Sie sind also ohne Zweifel in ein Stück der Beweisaufnahme des Verfahrens hineingegangen. Daß das etwas ist, was der Bundesregierung im einzelnen Anlaß zu einer sehr sorgfältigen Prüfung geben wird, wird niemand bestreiten. Denn ein Verfahren, das an sich als ein unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindendes rechtsstaatlich geordnetes Verfahren in dieser Weise bekannt wird, gibt einem Anlaß, zu prüfen, ob alle Geheimhaltungsvorschriften und dergleichen richtig gewahrt sind.
— Nein, nein! Das ist etwas ganz Korrektes! Es handelt sich hierbei nicht um Abgeordnete, sondern es geht um die Anklagebehörde, um die Gerichte.
Wir sind nun einmal mit Ihnen gemeinsam dafür verantwortlich, daß im Staat auch dort nach Recht und Gesetz gehandelt wird. Wenn ein Verfahren unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet, ist die Öffentlichkeit eben ausgeschlossen.
Ich sagte auch bereits, die Ausführungen des Herrn Kollegen Greve würden uns möglicherweise Anlaß zu Maßnahmen geben. Herr Kollege Arndt hat — ich weiß nicht, ob Sie, Herr Kollege Greve, es selber auch getan haben — dieses Wort „Maßnahmen", wie aus seinem Vortrag hervorgeht, nicht richtig aufgefaßt. Es hätte keines Hinweises auf Art. 46 des Grundgesetzes, der bei dieser Gelegenheit dem Hohen Hause noch einmal vorgetragen worden ist, bedurft. Es ist völlig selbstverständlich — ich will das noch einmal wiederholen, nicht etwa als meine Meinung, sondern das steht da, das ist Verfassungsrecht —, daß ein Abgeordneter zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden darf. Das ist völlig selbstverständlich.
Aber was Sie, Herr Kollege Greve, gesagt haben, gibt sicherlich Anlaß zu gewissen Maßnahmen. Ich mache mir z. B. Gedanken darüber, ob der Haftbefehl — ich habe ihn nicht in der Hand gehabt, Sie hatten ja den Vorzug, Sie hatten ihn in der Hand — tatsächlich in jeder Nuance strafprozessual richtig ist. Sollte sich herausstellen, daß er das nicht ist — das mag schon einmal vorkommen —, dann werden wir halt dafür sorgen. Das ist eigentlich nicht meine Sorge, das geht mehr meinen Kollegen der Justiz an.
— Aber ich spreche hier etwas aus, was ohne Zweifel die Meinung der ganzen Bundesregierung ist; hängen Sie uns nicht an den Einzelheiten der Ressorts auf und verlangen Sie nicht, daß wir alle zu den Einzelheiten getrennt Stellung nehmen. Sie werden alle mit mir darin übereinstimmen, daß, wenn sich herausstellt, daß ein Haftbefehl nicht richtig oder unvollständig ausgestellt ist und etwas anderes als ein Versehen vorliegt, wie es Ihnen, mir und allen andern unterlaufen kann, eingegriffen werden muß. Im Grunde handelt es sich dabei nach meiner Meinung um Kenntnisse, die man spätestens bis zum Assessor-Examen erworben haben muß. Aber man kann manches vergessen und man kann sich selbst mit erworbenen guten Kenntnissen einmal irren. Daß wir hier unter Umständen Maßnahmen ergreifen könnten und müßten, ist ganz selbstverständlich. Außerdem ist es unseres Amtes, das zu tun, und niemand von Ihnen wird das bestreiten wollen.
— Nun, ich bin dafür da, die Dinge „gut hinzukriegen", Herr Kollege Greve. Dafür trägt die Regierung die Verantwortung in diesen Sachen. Unsere Aufgabe ist es — ich betone es immer wieder, daraus möchte ich Sie auch nicht einen Augenblick entlassen —, die Dinge gemeinsam „gut hinzukriegen"; der Ausdruck stammt von Ihnen, nicht von mir.
Ich möchte schließen, indem ich folgendes sage. Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Fall Vulkan rechtsstaatlich ordnungsgemäß behandelt worden, und er wird mit den Maßnahmen, die ich zu Ziffer 3 und 4 genannt habe, auch rechtsstaatlich abgeschlossen werden. Das ist alles. Den Fall Weis will ich aus der weiteren Behandlung herauslassen. Aber ich glaube, wir sollten doch positiv und als etwas Gemeinsames feststellen, daß die
Unabhängigkeit der Gerichte, die hier so beiläufig in die Debatte geraten ist, ein Anliegen darstellt, das jeder in diesem Hause gleich hoch hält.