Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verdächtigung
des Abgeordneten Greve gegriffen hat. Denn damit wird der Sache in keiner Weise gedient. Jedenfalls objektiv ist es unrichtig, was insoweit erklärt worden ist. Wenn einer etwas aus Verfahren gesagt hat, die insoweit geheim sind, dann ist es jedenfalls nicht von seiten meines Parteifreundes Greve geschehen. Aber wir haben ja doch überhaupt schließlich im Bundestage die Öffentlichkeit und müssen uns über solche Dinge, die nun einmal zum Wohl und Wehe eines Rechtsstaats gehören, offen auseinandersetzen können. Dadurch unterscheiden wir uns glücklicherweise und Gott sei Dank von den Staaten und Ländern ohne ein Parlament. Also dieser mehr oder weniger offene oder verdeckte Vorwurf, der hier gegen Dr. Greve erhoben worden ist, entbehrt jeder Grundlage.
Es hat auch keinen Sinn, Herr Kollege Friedensburg , wenn Sie uns nun die Dinge auf die parteipolitische Ebene bringen und etwas erzählen von Ländern, etwa vom Lande Niedersachsen, und ähnliches mehr. Das ist doch einfach keine Art der Diskussion und der Erörterung!
Wenn Sie glauben, in irgendeinem Lande etwas beanstanden zu müssen, dann, bitte, bringen Sie es vor den Landtag, wo es hingehört. Aber tun Sie doch uns das nicht an, daß Sie hier Angelegenheiten, die uns alle angehen und von denen wir glauben, daß Weise auf die parteipolitische Ebene bringen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat welter-hin im Verlaufe seiner Erörterungen Ausführungen gemacht, die doch einen Grund geben, solche Ausführungen hier zurückzuweisen. Herr Bundesminister Schröder, meiner Fraktion und mir ist bekannt, daß Sie für Ihr hohes Amt recht viel guten Willen mitbringen. Wir haben dafür wiederholt Beweise gesehen, und wir freuen uns darüber, daß Sie auch die Absicht haben, mit der Opposition entsprechend umzugehen. Aber um so mehr muß ¡bedauert werden, daß Sie manchmal, wenn Sie hier im Hause sprechen — früher als Abgeordneter und jetzt als Minister —, einen falschen Zungenschlag
haben und sich zu Äußerungen versteigen, die dann sehr empörend und sehr aufreizend wirken. Ich habe jetzt nicht das Stenogramm des vollen Wortlauts Ihrer Ausführungen da; aber so viel ist sicher, daß Sie erklärt haben, die Ausführungen, die Herr Dr. Greve in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bundestages hier im Bundestag gemacht hat, würden der Bundesregierung Veranlassung geben zu Maßnahmen, und zwar auch zu der Prüfung, wie und auf welche Weise Herr Dr. Greve in den Besitz dieses oder jenes Schriftstückes gekommen ist, z. B. eines Haftbefehls,
der in einem dieser Verfahren ergangen ist. Herr Bundesminister, das Wort „Maßnahmen" hätte in diesem Zusammenhang nicht fallen dürfen. Wenn es fiel und wenn Sie die berechtigte Empörung darüber sahen, so hätte Ihnen das alsbald Veranlassung geben sollen, klarzustellen, daß nicht etwa irgendwie an Maßnahmen auch nur im entferntesten gedacht sein konnte, die sich gegen den Abgeordneten richten würden, der hier in diesem Hause Ausführungen gemacht hat. Ich darf erwarten, daß Sie noch in dieser Debatte Gelegenheit nehmen werden, das mit aller Klarheit dem Hause zu sagen. Denn Maßnahmen gegen einen Abgeordneten gibt es nicht,
am allerwenigsten von der Regierung aus.
Im übrigen muß ich noch darauf hinweisen, was das Grundgesetz über die Stellung eines Bundestagsabgeordneten sagt.
— Ich fürchte, daß nicht alle Mitglieder des Hohen Hauses es gelesen haben, so daß es doch ganz gut ist, daran zu erinnern. In Art. 46 wird erklärt, daß gegen einen Abgeordneten zu keiner Zeit wegen einer Äußerung gerichtlich oder dienstlich vorgegangen werden darf oder er sonst zur Verantwortung gezogen werden soll. Art. 47 ist noch sehr viel wesentlicher. Da ist das Geheimnis des Abgeordneten geschützt, und zwar auch das Geheimnis, woher er unterrichtet wird oder etwas an Schriftstücken bekommt. Das sollte man nie antasten, und man sollte vor allen Dingen in keiner Weise hier auch nur eine Verdächtigung aussprechen, als ob das, was ein Abgeordneter in der Hand hat und worüber er spricht, schon deshalb irgendwie nicht einwandfrei sei. Herr Bundesminister des Innern, ich hoffe, daß Sie meine Ausführungen zum Anlaß nehmen werden, alsbald von dieser Stelle aus zu sagen, daß auch nach Ihrer Auffassung mit Mitgliedern dieses Hauses und mit Interpellanten so nicht gesprochen werden kann, wie es leider von Ihnen geschehen ist.
Nun noch ein letztes Wort dazu. Sie haben von der hohen Meinung gesprochen, die Sie von der richterlichen Unabhängigkeit hegen. Da werden Sie unsern vollen Beifall haben. Es ist bestimmt eine heikle Angelegenheit, Fragen eines gerichtlichen Verfahrens zum Gegenstand einer Aussprache im Bundestag zu machen. Wir haben im ersten Bundestag damit schon gewisse Schwierigkeiten gehabt. Aber auch die Achtung und die notwendige Rücksicht auf dieses Palladium der Rechtspflege, ihre Unabhängigkeit, kann nicht ausschließen, daß insbesondere nach dem rechtskräftigen Abschluß eines Verfahrens Fragen zur Sprache gebracht werden, die sich aus einem solchen Verfahren ergeben haben und die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieses Verfahrens erwecken müssen. Dabei ist hier kein Richter namentlich oder auch kein Gericht als solches angegriffen worden, sondern es ist versucht worden, die Aufmerksamkeit des für die Rechtspflege zuständigen Herrn Bundesministers der Justiz auf Vorgänge zu lenken, die sich in einem bestimmten Verfahren dieser Art abgespielt haben. Ich glaube, daß man das bei aller Achtung vor der richterlichen Unabhängigkeit nicht nur tun kann, sondern auch tun muß.
Denn es gibt in unserer Verfassung sowohl die richterliche Unabhängigkeit als auch das Wächteramt des Abgeordneten,
der darüber zu wachen hat, daß nicht auf dem Wege, den das Gesetz geordnet hat, um Unrecht zu sühnen, neues und andersartiges Unrecht geschieht.
Dies allein ist in dem ganzen Fall „Vulkan" unser Anliegen. Man will nicht irgendwie daran herummäkeln, daß selbstverständlich alles getan wird, um Menschen vor Gericht zu bringen, die unseren demokratischen Staat zu unterwühlen versucht haben. Das stand nicht zur Debatte. Zur Debatte stand aber, daß in einem Fall, wo es darum ging, daß Recht geschehen mußte und geschehen sollte, nach unserer Überzeugung von Instanzen der Verwaltung, der Exekutive ein Unrecht hinzu- gefügt worden ist, das nicht bestehenbleiben darf.